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Raphaela Kell: Nutzhanf: Ein vielversprechender Weg zu ökologischer Stabilität und wirtschaftlicher Vielfalt in der Landwirtschaft“

Die Landwirtschaft sieht sich heutzutage mit einer Reihe von großen Herausforderungen konfrontiert. Die bedeutendste ist wohl der Klimawandel. Die steigenden Temperaturen, längere Trockenperioden und zunehmende Extremwetterereignisse beeinträchtigen die landwirtschaftliche Produktion und führen zu Ernteverlusten. Auch die sich verändernden Konsumgewohnheiten tragen zu den Problemen in der Landwirtschaft bei. Die Verbraucherinnen und Verbraucher stellen neue Anforderungen an die Landwirtschaft. Sie achten zunehmend auf Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung und gesunde Ernährung. Aus vielerlei Gründen entscheiden sich zudem immer mehr Menschen auf tierische Erzeugnisse zu verzichten, was insbesondere die auf Viehwirtschaft fokussierten Landwirtschaftsbetriebe in zunehmende Bedrängnis bringt.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Landwirtschaft selbst, die sich zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes selber ´Die Grundlage entzogen hat`. In Deutschland werden vor allem Getreidearten wie Weizen, Gerste, Roggen und Hafer angebaut. Auch Mais wird in großen Mengen produziert, vor allem als Futterpflanze für die Tierhaltung oder als sogenannte Energiepflanze. Zudem werden Raps, Zuckerrüben und Kartoffeln auf intensiven Anbauflächen kultiviert. Insgesamt sind dies alles Nutzpflanzen, die zwar eine hohe Ertragsdichte aufweisen aber auch eine intensive Bewirtschaftung erfordern, um hohe Erträge zu erzielen. Der hier erforderliche hohe Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden hat aufgrund dieser Intensivbewirtschaftung zu Bodenerosion, Grundwasserverunreinigung und zu einem massiven Verlust von Biodiversität geführt und damit die Ertragsleistung der Ackerflächen erheblich gemindert. Der vermehrte Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln, wie auch der Erwerb schwerer und teurer Landwirtschaftsmaschinen treiben zudem die Produktionskosten in der konventionellen Intensiv-Landwirtschaft weiter in die Höhe, was wiederum eine Preiserhöhung und damit Wettbewerbsnachteile nach sich zieht und damit die Absatzperspektiven für landwirtschaftliche Erzeugnisse weiter einschränkt.

Neben diesen produktionsbedingten Preisspiralen und Problemen setzt der hohe Marktdruck den landwirtschaftlichen Betrieben zu, der sich durch den freien Wettbewerb auf den globalen Märkten immer weiter verschärft. Um mit der internationalen Konkurrenz mithalten zu können müssen die Erzeugnisse immer häufiger knapp über, oft sogar unterhalb, der Betriebskosten angeboten werden.

Die Unsicherheit der Lieferketten, bedingt durch Kriege, Naturkatastrophen oder politische Abschottungen können zu massiven Preissteigerungen der in der industriellen Landwirtschaft benötigten Produkte führen.

Nicht zuletzt stellen auch die zunehmenden bürokratischen Auflagen und der demografische Wandel eine enorme Herausforderung für die Landwirtschaft dar. Die Landwirtschaft ist mit zahlreichen bürokratischen Auflagen und Regularien konfrontiert, die oft sehr komplex sind und viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen. Und im Hinblick auf den demografischen Wandel ist in den nächsten Jahren mit einem starken Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe zu rechnen. Angesichts der unklaren Perspektiven dieser Branche wird es für die jetzige Generation von Landwirtinnen und Landwirten immer schwieriger, eine Nachfolge zu finden.

All diese Faktoren zusammen haben dazu geführt, dass sich die Landwirtschaft in einer perspektivischen Sackgasse befindet, an deren Ende immer mehr Höfe aufgegeben werden. Die Folge wäre einerseits immer mehr ´verwaiste´ landwirtschaftliche Nutzflächen, was letztlich auch zu einem Verlust unserer Kulturlandschaft führen würde. Andererseits wächst die Gefahr, dass die nicht mehr genutzten Landflächen an Investoren veräußert werden, die diese wertvolle Ressource als sichere und stabile Anlage nachfragen. Damit verlieren die Gemeinden immer mehr Gestaltungsspielräume im Hinblick auf die Frage, wie ihr Umland genutzt werden kann. Nicht nur, dass damit die Möglichkeiten für den Ausbau einer Regionalversorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen verloren gehen. Neben einem Anstieg der Bodenpreise kann der Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen an Investoren auch zu einer Veränderung der Landschaft führen und nicht zuletzt auch das ökologische Gleichgewicht in der Region beeinträchtigen. Beispielsweise indem Flächen für den Bau von Industrieanlagen oder anderen nicht-landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden, statt für eine nachhaltige Landschaftsentwicklung. Nicht selten ist zu beobachten, dass Investoren, den Städten und Gemeinden vor der Nase Landflächen und Grundstücke wegschnappen und dann die künftige wirtschaftliche Ausrichtung von Dörfern und Gemeinden festlegen.

Angesichts all dieser Probleme und möglichen Folgen muss es im Interesse aller sein, die Landwirtschaft in den Regionen zu erhalten. Doch möglicherweise müssen die Betriebe ihre Produktpalette erweitern und neue Absatzmöglichkeiten und damit einhergehend neue Einkommensquellen für sich erschließen.

Eine diesbezüglich vielversprechende Option besteht darin, landwirtschaftliche Primär- und Biorohstoffe zu erzeugen, die in der zirkulären Wirtschaft eingesetzt werden können und somit für die Landwirtschaft neue Absatzmärkte erschließen. Das auch im European Green Deal verankerte Ziel, zirkuläre und regionale Wertschöpfungsketten zu schaffen, gewinnt in immer mehr Städten und Gemeinden an Bedeutung.

Der Anbau beispielsweise von Nutzhanf könnte solche neuen Perspektiven für die Landwirtschaftsbetriebe eröffnen. Hanf gilt als nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Anbaupflanzen und benötigt im Vergleich zu anderen Nutzpflanzen weniger Wasser und Düngemittel.  Zudem ist Hanf sehr resistent gegen Schädlinge und Unkräuter, wodurch der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden reduziert werden kann, was dem Grundwasser und der Biodiversität zu Gute kommt. Allein durch die erheblichen Einsparungen dieser Pflanzschutzmittel ist Hanf damit per sé umweltfreundlicher. Die Pflanze ist zudem sehr robust und kann in vielen verschiedenen Klimazonen angebaut werden. Ein weiterer Vorteil ist seine positive Wirkung auf die Bodenqualität. Die Pflanze hat eine tiefe Wurzelstruktur, die den Boden belüftet und lockert. Dadurch wird die Wasseraufnahme verbessert und die Erosion reduziert. Zudem entzieht Hanf dem Boden Schwermetalle und andere schädliche Stoffe und trägt somit zur Bodensanierung bei. Für die Landwirtschaft ebenso interessant ist, dass Hanf auch als Winterkultur oder Zwischenkultur wie auch als Gründüngung gepflanzt werden kann, wodurch sich insgesamt die Produktionszyklen erweitern lassen. Auch in der Klimapolitik kann diese Pflanze eine wichtige Rolle spielen, denn sie bindet während des Wachstums große Mengen an CO2 und reduziert somit die CO2-Emissionen.

Die Vielseitigkeit von Hanf als Rohstoff, zum Beispiel für Baumaterialien, Textilien, Biokunststoffe, Papier- oder auch in der Batterieherstellung, sowie für Kosmetikprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und sogar für Kraftstoffe, bietet somit enorme Absatzmöglichkeiten für die Landwirtschaft und wäre vor allem eine mögliche Alternative zur klimaschädlichen und ressourcenintensiven Viehwirtschaft.

Insgesamt bietet der Nutzhanfanbau damit eine vielversprechende Alternative für die Landwirtschaft, die mit den ökologischen Zielsetzungen und den veränderten Marktanforderungen vereinbar ist. Außerdem gilt der Absatz als weitgehend gesichert, da aufgrund der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten die Nachfrage rapide wächst. Durch den Anbau von Hanf und anderen nachwachsenden Rohstoffen können Landwirte ihre Betriebe fortsetzen, die Kulturlandschaft erhalten und zugleich zur Lösung drängender Umweltprobleme wie auch dem Aufbau einer zirkulären, nachhaltigen Wirtschaft beitragen.

 

Die Regionale Resilienz Aachen möchte, gemeinsam mit Experten der Landwirtschaftskammer,  der Hochschule sowie anderen interessierten Stakeholdern aus der Städte Region Aachen zunächst sondieren, ob und inwiefern die Produktionsausweitung von Nutzhanf in der Region neue Perspektiven für die hiesige Landwirtschaft bieten kann. Im Idealfall könnten aus diesen Sondierungsgespräche geeignete Impulse und Netzwerke hervorgehen, um für die Region im Rahmen von Strukturförderungen entsprechende ´Leuchtturmprojekte´ zu initiieren. Die Einbindung einer möglichen Nutzhanf-Produktion in die Bemühungen insbesondere der Stadt Aachen, eine zirkuläre Wirtschaft zu entwickeln, könnte dabei ein wichtiger Baustein sein, beispielsweise für den Aufbau einer zukunftsfähigen, regionalen und zirkulär ausgerichteten Textil- oder Baubranche. (siehe hierzu auch: https://resilienz-aachen.de/kreislaufwirtschaft-eine-abstrakte-idee-wird-kommunal-weitergedacht/?preview_id=7262&preview_nonce=b766c30de7&post_format=standard&_thumbnail_id=7305&preview=true ).

 

Hanf und Kreislaufwirtschaft, Höfesterben, Nutzhanf, Primärrohstoffe