Beteiligung der Bevölkerung während des Programms „Soziale Stadt“ in Aachen Ost & Nord
vorgelegt von Jakob Becker im Rahmen des RWTH UROP-Forschungsprogramms.
Einleitung
Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, in welchem Maß und in welcher Form die Bevölkerung an der Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ in den Aachener Stadtteilen Aachen-Ost und Aachen-Nord beteiligt wurde und sich selbst beteiligt hat.
Das Programm „Soziale Stadt“ hat seine Ursprünge in den Beobachtungen der Stadtentwicklung in den 1980er Jahren. Damals richtete sich das Augenmerk auf die wachsende Polarisierung zwischen ärmeren und wohlhabenderen Stadtteilen. Es fiel auf, dass dort, wo der Anteil ärmerer Menschen überwiegt, häufig ein Teufelskreis aus wirtschaftlichen, sozialen, städtebaulichen und umweltrelevanten Problemen dazu führt, dass die Stadtteile verwaisen und eine resignierende Bevölkerung kaum mehr Chancen sieht, ihre Lebensumstände zu verbessern. In Folge dessen kommen dort das politische Leben und das soziale Engagement zum Erliegen. Gleichzeitig greift Politikverdrossenheit um sich, weil der Eindruck entsteht, dass Stadtplanung keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von sozial und finanziell benachteiligten Gruppen nimmt.
Um dieser Situation entgegenzuwirken, stellten Bund und Länder 1999 im Rahmen der Städtebauförderung das Programm „Soziale Stadt“ vor. Ziel dieses Programms ist es, die Abwärtsspirale in den Vierteln anhand städtebaulicher Maßnahmen und der Stärkung des sozialen Miteinanders zu durchbrechen. Schon im ersten Programm-Leitfaden wird die Beteiligung der Bevölkerung als erstes Ziel und als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des Programms hervorgehoben. Damit wurde ein grundlegender Wandel in der Stadtplanung eingeläutet. Statt der von oben verordneten Umsetzung von Maßnahmen setzt das Programm „Soziale Stadt“ auf kooperative Aushandlungsprozesse, auf projektbezogene, kleinschrittige Lösungsansätze mit einem Fokus auf die Beteiligten und Betroffenen. Auf die Entstehungsbedingungen des Programms „Soziale Stadt“ wird im zweiten Kapitel noch genauer eingegangen. Um Bürgerbeteiligung vor Ort zu ermöglichen, wurde in den Programmgebieten das „Quartiersmanagement“ etabliert. Es soll als Schnittstelle zwischen Bevölkerung, Stadtverwaltung und Politik agieren und die verschiedenen Aufgabenbereiche des Programms „Soziale Stadt“ koordinieren. Die Arbeitsweise und -bedingungen des Quartiersmanagements werden im dritten Kapitel detailliert beschrieben. Im vierten Kapitel wird aufgezeigt, welche Mittel und Möglichkeiten das Quartiersmanagement hat, um die Beteiligung der Bevölkerung anzustoßen und dauerhaft zu etablieren. Mittlerweile existieren dazu mehrere Leitfäden und eine Fülle an Methoden und Formaten, die es zu kennen gilt, um zu bewerten, wie das Quartiersmanagement in Aachen gearbeitet hat.
Heute gilt das Programm „Soziale Stadt“ in Kombination mit einem Quartiersmanagement bei Stadtverwaltungen und Politiker:innen als Erfolgsrezept. Bis 2018 wurde das Programm bundesweit in 934 Stadtteilen durchgeführt; Investitionen von circa 5,3 Milliarden Euro wurden getätigt. Gleichzeitig gibt es aber auch kritische Einschätzungen. So wird vor allem bemängelt, dass ein Programm, das sich nur auf einen einzelnen Stadtteil richtet, strukturelle Probleme in der Bevölkerung wie beispielsweise Klassenunterschiede zwischen Arm und Reich nicht verbessern kann. Gleichzeitig zeigten verschiedene Studien, dass sich migrantische und finanziell benachteiligte Menschen faktisch kaum beteiligen. Weiterhin wird kritisiert, dass die unterschiedlichen Beteiligungsformate der Bevölkerung keine Entscheidungsbefugnisse zusprechen und die Beteiligung an der Gestaltung von Spielplätzen oder Grünflächen von eigentlich relevanten Themen der Stadtteilentwicklung ablenkt. Auf diese Kritiken wird im fünften Kapitel genauer eingegangen.
In Aachen wird das Programm „Soziale Stadt“ seit 1999 angewandt und bisher in den Stadtteilen Aachen-Ost und Aachen-Nord umgesetzt. Seitdem hat sich das Instrument „Quartiersmanagement“ ausdifferenziert und wird zu verschiedensten Zwecken eingesetzt. Welche Strukturen mit welchen Zielsetzungen in Aachen existieren, wird im sechsten Kapitel aufgezeigt. Eine Evaluation der Arbeit des Quartiersmanagements in Aachen hinsichtlich der Umsetzung der Beteiligung hat bisher nicht stattgefunden. Diese Wissenslücke soll mit dieser Untersuchung gefüllt werden. Ab dem siebten Kapitel widmet sich deswegen der Text der Auswertung und der Bewertung der Beteiligungsmaßnahmen in den beiden Programmgebieten Aachen Ost und Nord. Jeweils ein Kapitel beschreibt die Kriterien für die Auswahl des Stadtteils sowie die dortige Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ durch das Quartiersmanagement. Anschließend werden ebenfalls in je einem Kapitel die Beteiligungsmaßnahmen in jedem Stadtteil erläutert und bewertet. Abschließend wird die praktische Umsetzung der Beteiligung in beiden Stadtteilen verglichen und die Ergebnisse in die Diskussion um Beteiligung im Rahmen des Quartiersmanagements eingeordnet.
1. Methodisches Vorgehen
Diese Untersuchung hat zum Ziel, die Qualität der durchgeführten Beteiligungsmaßnahmen im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ in den Programmgebieten Aachen-Nord und Aachen-Ost zu bewerten. Um Aussagen über die Qualität der Beteiligungsmaßnahmen treffen zu können, wurde eine qualitative Analyse der einzelnen Maßnahmen vorgenommen, die wiederum eine vergleichende, quantitative Analyse erlaubt. Die daraus resultierenden Ergebnisse ermöglichen einen Vergleich bezüglich den Beteiligungsmaßnahmen zwischen den Programmgebieten Aachen-Nord und Aachen-Ost.
In einem ersten Schritt wurden alle öffentlich zugänglichen Quellen zur Durchführung des Programms „Soziale Stadt“ in Aachen-Nord und Aachen-Ost nach Beteiligungsveranstaltungen und -maßnahmen durchsucht und ausgewertet. Dazu zählen Dokumentationen der Programmlaufzeit, städtische Erklärungen, Ratsinformationen und externe Untersuchungen bezüglich Aachen -Nord und -Ost. Außer diesen Veröffentlichungen der Stadt Aachen lagen keine weiteren Quellen vor. Die Kategorisierung als Beteiligungsmaßnahme wurde nach folgender Definition vorgenommen:
„Als Bürgerbeteiligungsverfahren sind kommunikative Prozesse gemeint, in denen Personen, die qua Amt oder Mandat keinen Anspruch auf Mitwirkung an kollektiven Entscheidungen haben, die Möglichkeit erhalten, durch die Eingabe von Wissen, Präferenzen, Bewertungen und Empfehlungen auf die kollektiv wirksame Entscheidungsfindung direkten oder indirekten Einfluss zu nehmen (Paust 2016:4).“
Dabei ist zu betonen, dass hier ausschließlich die Beteiligung der Bevölkerung gemeint ist. Eine Bewertung von Beteiligungsstrukturen mit Fokus auf Akteursbeteiligung (siehe Kapitel 5) würde einer eigenen Untersuchung bedürfen. Durch die vorgenommene Auswertung lässt sich ein quantitativer Vergleich zwischen den Programmgebieten Aachen-Nord und Aachen-Ost herstellen. Um darüber hinaus Aussagen zur der Qualität der Maßnahmen treffen zu können, ist es jedoch notwendig, die einzelnen Beteiligungsmaßnahmen anhand von Indikatoren zu untersuchen. Eine Möglichkeit, Beteiligungsmaßnahmen qualitativ zu bewerten, ist das Stufenmodell der Partizipation (Paust 2016:16). Dieses Modell wird im Kapitel 5.2 ausführlich beschrieben. Weitere Indikatoren zur Bewertung sind unter anderem (Becker 2014:5):
– Zeit: Besonders für Bevölkerungsteile mit wenig oder negativer Beteiligungserfahrung wird es als wichtig erachtet, dass Beteiligungskompetenzen und Vertrauen über einen längeren Prozess aufgebaut werden können. Zusätzlich ermöglicht ein längerfristiges Verfahren, dass Einwendungen gemacht werden können (Paust 2016:32).
– Zugänglichkeit: Die Beteiligungsmaßnahmen sind unabhängig von der persönlichen Besetzung oder der verantwortlichen Organisation so zu gestalten, dass alle Bewohner:innen des Stadtteils sich beteiligen können.
– Persönliche Kontinuität: Insbesondere bei der Aktivierung schwer erreichbarer Zielgruppen spielen persönliche Kontakte eine ausschlaggebende Rolle. Diese Verantwortung liegt beim Quartiersmanagement. Dementsprechend sollten dort persönliche Kontinuitäten gegeben sein.
– Transparenz: Um Vertrauen in ein Beteiligungsverfahren und die Bereitschaft zur Partizipation zu stärken, ist Transparenz ein wichtiger Faktor. Schon zu Beginn sollte offengelegt werden, welche Vorgaben, Entscheidungsspielräume und Rahmenbedingungen existieren. Des Weiteren sollte transparent mit den Ergebnissen der Beteiligung umgegangen werden.
– Methodische Standards: Unter diese Kategorie werden sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung der Beteiligungsmaßnahme gefasst. Für Handlungen im Vorfeld ist damit persönliche Ansprache, einfache Sprache und Mehrsprachigkeit gemeint. Zur Durchführung werden Aspekte wie die Wahl eines neutralen, barrierefreien Raumes, die Bereitstellung von Kinderbetreuung und Übersetzer:innen, anschauliche Beteiligungsmethoden oder die Arbeit in Kleingruppen genannt.
– Kosten: Kosten können je nach betriebenem Aufwand sehr unterschiedlich ausfallen. Sie sind demnach ein aussagekräftiger Indikator, um Vergleiche anzustellen (L.I.S.T. 2011:25).
Die Möglichkeit, einzelne Beteiligungsmaßnahmen anhand dieser Indikatoren zu bewerten, hängt von den vorhandenen Quellen ab. In den Quellen, die für diese Untersuchung ausgewertet wurden, variiert der Informationsgehalt sehr stark. So fehlen in den Quellen Angaben zu Teilnehmer:innenzahlen, methodischen Standards bei der Vorbereitung und Durchführung oder bezüglich Transparenz. Aussagekräftige Vergleiche lassen sich deshalb nur schwer anstellen. Anhand der vorhandenen Daten lassen sich jedoch die Indikatoren Zeit, Zugänglichkeit und die Stufe der Beteiligung bewerten. Im folgenden Abschnitt wird beschrieben, wie die Kategorisierung anhand dieser Indikatoren durchgeführt wurde:
1. Zeit
Da das Datum der einzelnen Beteiligungsmaßnahmen dokumentiert wurde, ist es möglich, den zeitlichen Ablauf darzustellen. Anhand dessen soll untersucht werden, ob themenspezifische Beteiligungsverfahren über einen längeren Zeitraum stattgefunden haben. Durch das Ergebnis lassen sich Aussagen darüber treffen, wie viel Zeit der Bevölkerung zur Beteiligung gegeben wurde. Für die Einordnung der einzelnen Maßnahmen ergeben sich folgende Kategorien:
– Einmalig: Die Beteiligungsmaßnahme erfolgt an einem einzelnen Termin.
– Mittelfristig: Das Beteiligungsverfahren findet innerhalb von 4 oder weniger Terminen statt.
– Langfristig: Das Beteiligungsverfahren findet an mehr als 4 Terminen statt.
2. Zugänglichkeit
Anhand des Indikators „Zugänglichkeit“ soll untersucht werden, ob sich der Anspruch, allen Bevölkerungsteilen die Beteiligung zu ermöglichen, im Vorgehen des Quartiersmanagements widerspiegelt. Wie wurde dieser Anspruch formuliert? Wer hatte konkret die Möglichkeit, an den Beteiligungsverfahren teilzunehmen? Welche Strategie wurde zur Umsetzung dieses Anspruchs genutzt? Die Ergebnisse geben jedoch keinen Aufschluss über den Umfang der Vorbereitungen und den Erfolg der genutzten Strategie. Um beispielsweise Aussagen darüber treffen zu können, inwiefern Hürden wie mangelnde Beteiligungserfahrung oder Ressourcenmangel überwunden wurden, müssten methodischen Standards oder Teilnehmer:innenzahlen im Einzelnen untersucht werden. Dazu liegen jedoch nur vereinzelt Belege vor. Deswegen muss sich die Untersuchung der Zugänglichkeit auf folgende Kategorien beschränken (Nanz/ Fritsche 2012:27f):
– Selbstselektion
Verfahren, die der Kategorie „Selbstselektion“ entsprechen, stehen allen Interessierten offen. Teilnehmende haben sich freiwillig dafür entschieden, sich zu beteiligen. Demnach entsprechen Maßnahmen dieser Kategorie dem Anspruch, allen Bevölkerungsteilen eine Beteiligung zu ermöglichen. Eine vermehrte Nutzung des selbstselektiven Verfahrens weist deshalb zuverlässig darauf hin, dass das Quartiersmanagements bestrebt ist, die Vielfalt der Bevölkerung zusammenzubringen.
– Gezielte Auswahl
Für das Beteiligungsverfahren werden gezielt Personen oder Vertreter:innen bestimmter Bevölkerungsgruppen eingeladen. Diesen wir somit eine stärkere Repräsentanz ermöglicht, während andere Gruppen von vornherein ausgeschlossen bleiben. Diese Methode erscheint besonders bei Projekten sinnvoll, die nicht die Gesamtbevölkerung betreffen, sondern nur bestimmte Zielgruppen. Eine vermehrte Nutzung der „gezielten Auswahl“ zeugt also von einem kleinteiligeren Vorgehen bei der Umsetzung der Beteiligung. Einzelnen Gruppen wird die Beteiligung an räumlich beschränkten Projekten ermöglicht, ohne dabei den Austausch mit anderen Projekten im Fördergebiet zu fokussieren.
Diese Kategorisierung muss jedoch differenziert betrachtet werden. Die Kritik an selbstselektiven Verfahren weist darauf hin, dass hier bildungsnahe und über viel Zeit verfügende Gruppen überrepräsentiert sein könnten, während andere, vielleicht stärker von Missständen betroffene Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert bleiben (Nanz/ Fritsche 2012:27f). Dementsprechend bildet diese Kategorie nur die theoretische Möglichkeit der Teilnahme ab. Ob tatsächlich versucht wurde, alle Bevölkerungsgruppen einzubinden, ließe sich nur anhand einer Analyse des methodischen Vorgehens feststellen. Gleichzeitig muss die gezielte Auswahl von Zielgruppen nicht unbedingt als ausschließend bewertet werden, sondern kann für manche Formate von Beteiligungsverfahren zielführender sein (Nanz/ Fritsche 2012:27f). Diese Untersuchung richtet ihren Fokus deshalb auf die Qualität und den Anspruch der Beteiligung. An der Kategorisierung der Beteiligungsmaßnahmen lässt sich ablesen, mit welchem Anspruch und welcher Arbeitsweise das jeweilige Quartiersmanagement vorgegangen ist, ob stärker Zielgruppen-fokussiert gearbeitet wurde, oder ob die gesamte Bevölkerung miteinbezogen werden sollte.
3. Die Stufen der Beteiligung
Anhand der Einordnung in die Stufen der Beteiligung lässt sich analysieren, ob und wie weitreichend der Bevölkerung Entscheidungsgewalt eingeräumt wurde. Die Einteilung erfolgt in die vier Stufen:
a. Information
b. Austausch, Dialog, Erörterung
c. Partnerschaftliche Kooperation
d. Delegation von Entscheidungen
Da sich die Untersuchung darauf fokussiert, welche Beteiligungsmöglichkeiten das Quartiersmanagement der Bevölkerung ermöglicht, wird der Teil des Stufenmodells, bezüglich der Teilnahme der Bürger:innen,, nicht für die Analyse genutzt. Weitere, detaillierte Beschreibungen zum Stufenmodell finden sich in Kapitel 4.2.
Auf der Grundlage der Kategorisierung der Beteiligungsmaßnahmen erfolgt die quantitative Auswertung der Ergebnisse aus den einzelnen Programmgebieten. Diese Zahlen wiederum erlauben Rückschlüsse auf die Qualität und den Umfang der Beteiligung. Sie werden durch Informationen ergänzt, die zwar nur zu einem der Programmgebiete, zu Aachen-Ost, vorliegen, aber weitere Details hinsichtlich der Qualität der Beteiligung liefern. Um einen Gesamtüberblick über die Qualität der Beteiligung in beiden Programmgebieten zu ermöglichen, werden die Ergebnisse beider Auswertungen verglichen. Hier lassen sich Veränderungen bezüglich der Qualität und des Umfangs der Beteiligung im zeitlichen Ablauf ablesen. Die hier dargelegten Schritte ermöglichen also den Vergleich zwischen den beiden Programmgebieten Aachen-Nord und -Ost sowie eine differenzierte Bewertung der durchgeführten Beteiligung der Bevölkerung. Dadurch lassen sich wiederum auf größere Potenziale bezüglich Beteiligung oder auf verbesserungswürdige Defizite schließen.
2. Das Programm „Soziale Stadt“
Das Programm „Soziale Stadt“ wurde 1999 von Bund und Ländern als neues Mittel der Städtebauförderung vorgestellt. Sein Ziel ist die städtebauliche Aufwertung und die Verbesserung des sozialen Miteinanders in benachteiligten Stadtvierteln (BMI 2018:8). Der Fokus liegt dabei auf dem Abbau von sozialräumlichen Disparitäten innerhalb von Städten und sozialer Gerechtigkeit. Lebensbedingungen sollen verbessert, soziale Aktivitäten gestärkt und die bereits aktiven Bewohnerinnen und Bewohner zusammengebracht werden.
Mittlerweile existiert das Programm seit 21 Jahren. Bis 2018 haben Kommunen, Länder und der Bund circa 5.3 Milliarden Euro für Investitionen bereitgestellt. Damit konnten in 533 Städten verschiedenster Größe in 934 Programmgebieten Aufwertungen angestoßen werden (BMI 2019:3). Ein Drittel der Fördermittel wurde vom Bund gestellt, der Rest von Kommunen und Ländern gemeinsam. Aufgestellt und umgesetzt werden die Programme von den einzelnen Ländern. Lediglich die Koordination zwischen den Programmgebieten erfolgt auf Bundesebene durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Lange wurde aus der Zivilbevölkerung Stadtplanung als rein technokratisch kritisiert. Nur einzelne Projekte oder Programme auf Länderebene hatten vor 1999 versucht, integrative Methoden in der Stadtplanung zu etablieren (Koczy 2018:162). Die Einführung des Programms „Soziale Stadt“ ist somit als Reformansatz zu werten, der einen „Wandel des Staatsverständnisses“ sichtbar macht (Koczy 2018:201). Leitbild dieses Wandels war der „Aktivierende Staat“. Dahinter steckt das Ziel, die Zivilbevölkerung zum gesellschaftlichen Engagement zu motivieren. Dadurch sollen kooperative Strukturen zwischen Bund, Länder, Kommunen und Bevölkerung entstehen, welche den Sozialstaat ergänzen oder entlasten können (Koczy 2018:201).
Notwendig wurden die Reformen, die zum Programm „Soziale Stadt“ führten, durch die wachsende Polarisierung zwischen ärmeren und wohlhabenderen Stadtvierteln. Seit den 1980er Jahren machte sich diese Entwicklung in Kommunen aller Größen zunehmend bemerkbar und gefährdete die Attraktivität, das Sicherheitsgefühl und die Wettbewerbsfähigkeit der Orte (BMI 2018:7). Besonders in den Stadtteilen mit einem hohen Anteil an einkommensschwachen Haushalten konzentrierten sich wirtschaftliche, soziale, städtebauliche und umweltrelevante Probleme wie beispielsweise sanierungsbedürftige Häuser, Arbeitslosigkeit, Herausforderungen in der Integration, Bildungsdefizite oder gesundheitsbelastende Lebensbedingungen. Durch diese Fülle an Problemlagen leidet die Außenwahrnehmung des Viertels und deren Bewohnerschaft, was zu Stigmatisierung führt (BMI 2018:12). In der Folge ziehen besser gestellte Bevölkerungsschichten weg oder vermeiden den Zuzug. Der Verlust an Kaufkraft führt zu einem Rückgang des Umsatzes in der lokalen Ökonomie, was wiederum zu Qualitätsverlust oder Schließungen führt. Leerstand und verwaiste Flächen sind die Folge. Durch fehlende Anreize verringern sich Erhaltungsinvestitionen an Gebäuden und im öffentlichen Raum wodurch das ganze Gebiet an Qualität verliert. Kinder, die in einem solchen Umfeld aufwachsen, erfahren weniger Unterstützung auf dem Bildungsweg und erreichen seltener ausreichende Qualifikationen für einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben. Ein Teufelskreis aus Chancenlosigkeit und Erwerbslosigkeit entsteht, der das Viertel in eine Abwärtsspirale zieht (MWEBWV 2012:12). Insgesamt waren und sind die Kommunen also mit komplexen, sehr vielfältigen Problemlagen konfrontiert.
Um dieser Komplexität gerecht zu werden, wird bis heute ein integriertes Handlungskonzept und ein Quartiersansatz als aussichtsreichster Lösungsansatz gesehen. Der Quartiersansatz beschreibt die Fokussierung auf einen räumlich und funktional zusammenhängenden Bereich in der Stadt, das Quartier. Das integrierte Handlungskonzept sieht eine mehrjährige, ressortübergreifende Entwicklung in diesem Quartier vor. Das Konzept umfasst eine Bestandsanalyse der Gegebenheiten, Zielsetzungen und eine Gesamtstrategie zur Realisierung der Ziele. Wie die Abbildung unten zeigt, stehen dabei städtebauliche Mängel, die Qualifikation der Bevölkerung und die lokale Ökonomie im Vordergrund. Hintergedanke ist dabei, dass bei isolierter Betrachtung einzelner Phänomene wie städtebauliche Defizite ohne gleichzeitige Berücksichtigung der sozialen Situation der Bevölkerung, keine positive Gesamtentwicklung möglich ist (MWEBWV 2012:13). Durch Entwicklungsimpulse in allen drei Bereichen sollen neue Leistungs- und Zahlungsströme in das Viertel gelenkt werden. Standortmarketing zum Beispiel lockt neue Kunden in das Viertel, ein Multiplikatoreffekt stellt sich ein, der die örtliche Wirtschaft belebt und das Image verbessert. Dies wiederum soll sich positiv auf die Bereiche Wachstum, Beschäftigung oder Integration auswirken. Der Ablauf dieses Prozesses wird im integrierten Handlungskonzept geplant und muss vor dem Programmstart durch den Stadtrat bewilligt werden (MWEBWV 2012:15). Akteure der Politik und Zivilgesellschaft aus den Bereichen Stadtentwicklung, Wohnungspolitik, Bildung, Integration, Teilhabe, Arbeit, Beschäftigung und Wirtschaft, Umwelt, Gesundheit und Pflege, Mobilität, Kultur und Sport sollen durch das Handlungskonzept eingebunden werden, um auf allen Ebenen im Stadtteil wirken zu können.
Zur konkreten Umsetzung des integrierten Handlungskonzepts im Quartier wird ein Quartiersmanagement eingerichtet. Da das Quartiersmanagement der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist, soll im folgenden Kapitel ausführlicher auf dessen Aufgaben und Möglichkeiten eingegangen werden.
3. Das Quartiersmanagement
Quartiersmanagement (QM) ist innerhalb des Programms „Soziale Stadt“ bereits seit 1999 das zentrale Instrument zur Umsetzung des integrierten Handlungskonzepts und wird bundesweit in fast jedem Programmgebiet der „Sozialen Stadt“ angewandt (Koczy 2015: 273). Die Laufzeit des QM in einem Stadtteil ist auf die Laufzeit des Programms „Soziale Stadt“ beschränkt. Allerdings besteht das Ziel nachhaltige Strukturen aufzubauen, die sich nach der Programmlaufzeit selbst tragen. Rechtlich ist das QM auf Bundesebene in der Verwaltungsvereinbarung zur Städtebauförderung verankert. Auf Landesebene gibt es entsprechende Richtlinien, wobei die konkrete Umsetzung den Kommunen überlassen ist (Wagner 2017: 2). Dabei gibt es verschiedene Modelle der Trägerschaft des QMs. Entweder es wird als Teil der Verwaltung eingerichtet oder von externen Trägern getragen. Wenn die Kommune die Trägerschaft übernimmt, besteht das Team entweder aus Verwaltungsmitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder aus einem Bürgermeister. Externe Träger können freie Planungsbüros, Wohlfahrtsträger, Wohnungsunternehmen oder lokale Vereine miteinbeziehen (BMUB 2016: 11f).
Für die Definition von Quartiersmanagement gibt es unterschiedliche Ansätze. Aus Sicht der Stadtplanung ist es Teil der „behutsamen Stadtsanierung“. Aus Sicht der sozialen Arbeit knüpft QM an den Ansatz der Gemeinwesenarbeit an. Eine gängige, zusammenfassende Definition des QM besagt, dass QM „ein strategischer Ansatz zum systematischen Aufbau von selbsttragenden und nachhaltig wirksamen personellen und materiellen Strukturen zur Entwicklung eines Wohnquartiers, und zwar durch den gezielten Einsatz vorhandener kommunaler Ressourcen, der in eine gesamtstädtische Entwicklungspolitik integriert, sowie handlungs- und ebenenübergreifend ist (Grimm/Franke 2007: 308)“. Grundlegend für die Umsetzung ist dabei die Aktivierung und Einbindung der Bevölkerung des Quartiers sowie der lokalen Wirtschaft, Institutionen, Vereine, Verbände oder Initiativen. Die Aufgaben werden wie folgt zusammengefasst (Grimm/Franke 2007: 308f):
a. Entwicklung eines integrierten Handlungskonzepts.
b. Umsetzung eines gebiets-bezogenen Steuerungs- und Handlungsansatzes, der in eine gesamtstädtische Stadtentwicklungsstrategie eingebettet ist.
c. Erschließung von personellen und materiellen Ressourcen sowie von Sachmittel
d. Aufbau gebiets-bezogener und tragfähiger Kommunikations- und Kooperationsstrukturen auf horizontaler und vertikaler Ebene
e. Aufgreifen und Organisieren von Interessen, Themen und Problemen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie anderer Akteure im Quartier (projektspezifische Aktivierung und Beteiligung, Förderung und Entwicklung von Problembewältigungskapazitäten im Quartier.
Das QM dient also als Schnittstelle zwischen der Politik, der Verwaltung und der Bewohnerschaft des Quartiers. Folglich findet die Arbeit des QMs auf drei Ebenen statt. Einerseits sind die Quartiersmanager:innen Gebietsbeauftragte, die zusammen mit der Verwaltung und deren fachspezifischen Ressorts die Planung für konkrete Maßnahmen oder das integrierte Handlungskonzept ausarbeiten. Andererseits soll das QM direkt im Quartier präsent sein, um mit lokalen Akteuren und Bewohnern und Bewohnerinnen in Kontakt zu kommen und sie zu aktivieren und zu beteiligen. Dazwischen liegt der intermediäre Bereich, in dem die Quartiersmanager und Managerinnen als Moderatoren fungieren zwischen der Quartiersebene und der Verwaltungsebene (Grimm/Franke 2007: 308f).
Die Arbeit auf diesen verschiedenen Ebenen soll von einem Team aus mindestens 2 Personen erfüllt werden. Für die Aufgabe der Quartiersmanager:in sind Kenntnisse der Stadtplanung sowie der Gemeinwesenarbeit gefordert. Allerdings sind auch persönliche Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Erfahrung mit Projektsteuerung, Selbstorganisation oder interkulturelle Kompetenz gefordert (BMUB 2016:10f). Um erfolgreich Netzwerke im Quartier aufbauen zu können, bedarf es persönlicher Kontinuitäten. Deswegen wird eine Mindestlaufzeit des Vertrags von 3 Jahren empfohlen (BMUB 2016:11).
Ebenfalls mit dem Ziel, den Kontaktaufbau zu Bewohner:innen sowie lokalen Akteuren zu erleichtern, wird empfohlen, in jedem Programmgebiet ein Quartiersbüro einzurichten. Dieses Büro hat bestenfalls seinen Standort an einem belebten Ort mit hoher Passantenfrequenz und guter Sichtbarkeit, zum Beispiel durch ein Schaufenster. Um den Kontaktaufbau zu erleichtern, kann das Büro durch Räume ergänzt werden für Freizeitangebote oder Veranstaltungen, mit dem Ziel, ein Stadtteilzentrum zu etablieren (BMUB 2016:14).
Um QM in einem Stadtteil erfolgreich zu etablieren und Vorhaben umzusetzen, wird von einem Vorgehen in 3 Phasen ausgegangen (BMUB 2016:38ff):
Anfangsphase
In der Anfangsphase geht es darum, das QM im Quartier als Ansprechpartner bekannt zu machen und Netzwerke aufzubauen. Diese Phase dauert meist ein bis zwei Jahre. Zuallererst müssen die Mitarbeitenden des QM sich einen Überblick über das Gebiet verschaffen. Einrichtungen, Initiativen, Angebote, Straßen oder Plätze sollten bekannt sein, um stadtteilbezogenen Gespräche mit Bewohner:innen führen zu können. Um auf sich aufmerksam zu machen und einen Überblick über bestehende Netzwerke zu bekommen, empfiehlt es sich bei allen sozialen Einrichtungen, Wohnungsunternehmen, Gewerbetreibenden oder Vereinen vorzusprechen, die eigene Aufgabe zu erklären und Unterstützung anzubieten. Um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, werden kleine Aktionen oder die Umsetzung von ersten Projekten vorgeschlagen. Aus dieser niedrigschwelligen Netzwerkarbeit sollen neue Strukturen entstehen. Einerseits um Beteiligung zu ermöglichen, andererseits um Institutionen besser im Stadtteil zu verankern. Formate für diese Strukturen sind Stadteilkonferenzen, Quartiersbeiräte oder Arbeitsgruppen zu spezifischen Themen (BMUB 2016:38f).
Hauptarbeitsphase
Die Hauptarbeitsphase ist die Umsetzungsphase des QM. Die im integrierten Handlungskonzept geplanten städtebaulichen Maßnahmen sollen nun gemeinsam mit den neu entstandenen Netzwerken begleitet werden. Da Netzwerke auf persönlichen Kontakten beruhen, sollte auf Kontinuität in der Besetzung geachtet werden. Damit die neu geschaffenen Strukturen nicht nach einiger Zeit inaktiv werden, beispielsweise durch Mitgliederschwund nach Ermüdungserscheinungen, sollten durchgehend Angebote oder Aktionen stattfinden, die andere Menschen motivieren, mitzumachen. Sie sollten dauerhaft auf ihren Erfolg hin überprüft werden und wenn nötig, angepasst oder ausgetauscht werden.
Alle Aktivitäten sollten dauerhaft durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Auf diese Weise wird die Arbeit des QM wahrgenommen, die Identifikation mit dem eigenen Viertel wird gestärkt und die Außenwahrnehmung insgesamt verbessert (BMUB 2016:39).
Abschluss und Verstetigung
In den meisten Fällen wird das QM nach Auslaufen des Förderzeitraums nicht in vollem Umfang weitergeführt. Deswegen wird angestrebt, über die gesamte Laufzeit des QM, selbsttragende Strukturen aufzubauen, die die reine Projektlaufzeit überdauern. Spätestens 2 Jahre vor Ende des Förderzeitraums sollte sich das QM einen Überblick darüber verschaffen, welche Projekte abgeschlossen werden könnten und welche Strukturen langfristig erhalten werden sollten. Während städtebauliche Maßnahmen meist im Förderzeitraum abgeschlossen werden, sind es Aufgaben wie die Organisation eines Stadtteilzentrums oder das Herausgeben einer Stadtteilzeitung, die als Daueraufgaben gelten. Letztere sollten von Institutionen, Wohnungsunternehmen, Vereinen oder engagierten Bürger:innen übernommen werden. Um die in Frage kommenden Personen oder Strukturen dazu zu befähigen, die Verantwortung zu übernehmen, sollen sie schon während der Programmlaufzeit unterstützt und in Entscheidungsstrukturen eingebunden werden. Strukturen werden dadurch professionalisiert und als Ansprechpartner:innen im Stadtteil etabliert, oft z. B. in Form eines Stadtteilvereins. Darin könnten bestehende Gremien und Netzwerke eine Plattform finden und sich institutionalisieren (BMUB 2016:39).
Die Kommune trägt in der letzten Phase die Verantwortung für die Verstetigung der erreichten Verbesserungen. Über Kontakte im Quartier, wie sie in einem Stadtteilzentrum nachhaltig aufgebaut werden können, werden Informationen über sich verstärkende oder neu aufkommende Problemlagen und Bedürfnisse zeitnah vermittelt. Institutionen oder Gruppen, die Aufgaben des QM übernommen haben, sollten über den Förderzeitraum hinaus unterstützt werden. Diese Unterstützung umfasst folgende Aspekte (BMUB 2016:39 f):
– Probleme und Anliegen, die aus dem Quartier gemeldet werden, sollten weiterhin hohe Priorität genießen und aufgegriffen werden.
– Den Akteuren, die Aufgaben des QM übernommen haben, sollte weiterhin eine zentrale Ansprechperson in der Verwaltung zugewiesen werden.
– Vereine, die sich ehrenamtlich weiter für das Quartier einsetzen, sollten eine (wenn auch geringe) finanzielle Unterstützung erhalten, um zum Beispiel eine Teilzeitstelle zur Koordinierung einzurichten oder Projekte umzusetzen.
Nach diesen 3 Phasen sollten die Ziele des integrierten Handlungskonzepts umgesetzt und das Quartier sichtbar aufgewertet sein. Wohnverhältnisse sollten sich verbessert haben, die lokale Wirtschaft gestärkt und ein gutes Image etabliert sein. Es sollten Strukturen entstanden sein, die von Institutionen, Gruppen oder Menschen aus dem Stadtteil selbst getragen werden. Durch diese Mischung an Maßnahmen sollten sich die Lebensverhältnisse für alle Bewohner:innen verbessern. Ob die Erwartungen erfüllt wurden, muss jeweils im Programmgebiet überprüft werden. Bei einer Zwischenevaluierung 2017 zum Programm „Soziale Stadt“ wurde jedoch die Bedeutung des QM als sehr hoch eingeschätzt (BBSR 2017: 56).
Wie stark die Bewohner:innen sich mit den Maßnahmen des QM identifizieren und sie annehmen, hängt unter anderem davon ab, in welchem Maß sie beteiligt werden. Beteiligung ist somit eine entscheidende Komponente für den Erfolg des Programms „Soziale Stadt“ und ein bedeutender Teil des QM. Deswegen wird im folgenden Abschnitt beleuchtet, welchen Stellenwert Beteiligung im QM einnimmt und welche Möglichkeiten es dafür gibt.
4. Beteiligung
Beteiligung gilt als zentraler Baustein des Programms „Soziale Stadt“. Um das Ziel des Programms zu erreichen, den Aufbau konstant tragfähiger Strukturen im Quartier, gilt Beteiligung als Voraussetzung, da dies nicht ohne die Bevölkerung zu erreichen ist (Frank 2002: 1). Schon im Leitfaden der ARGEBAU von 1998 wird Bürgerbeteiligung als erstes Ziel des Programms „Soziale Stadt“ aufgeführt. Dahinter liegt der Anspruch, das politische Leben zu reaktivieren. Nötig wurde dies, durch die Feststellung, dass in benachteiligten Stadtteilen die Beteiligung der Bevölkerung am politischen Leben häufig gänzlich zum Erliegen gekommen ist. Soziale Netzwerke in der Nachbarschaft existieren kaum, es besteht keine Identifikation mit dem Umfeld und kaum Engagement für die Gemeinschaft. Mit der Erfahrung der Beteiligung im Programm „Soziale Stadt“ soll die Bevölkerung motiviert werden, diesen Zustand aufzubrechen und sich dauerhaft selbst zu organisieren. Sei es, um das soziale Miteinander zu beleben oder Potenziale des Quartiers zu stärken (ARGEBAU 1998: 5).
Dieser Vorstellung von Stadtentwicklungsplanung liegt eine veränderte Perspektive zugrunde. Noch in den 1970er Jahren wurde dieses Handlungsfeld ausschließlich von Expert:innen bearbeitet, auf Grundlage von politischen Programmen (Sönke 2019: 39). Dieser Politikstil wird als „Government“ zusammengefasst. Allerdings sind die Rollen- und Aufgabenverteilung von Gesellschaft, Märkten, Kommunen und Staat in den letzten Jahren stark in Bewegung. Gründe dafür können in Globalisierung, Wertewandel, neuer Medienkultur, wachsendem Einfluss der EU oder der Privatisierung und Deregulierung von kommunalen Aufgaben gesehen werden. Als Folge einiger dieser Veränderungen haben Investor:innen, Projektentwickler:innen in der Stadtentwicklung stark an Einfluss gewonnen. Damit werden die Spielräume für Bürger:innenbeteiligung immer geringer (Deutscher Städtetag 2013: 8). Bei einem großen Teil der Bevölkerung hat sich in der gleichen Zeit der Eindruck verfestigt, dass Bedürfnisse von Minderheiten vernachlässigt werden und alle Entscheidungen bezüglich ihres Umfeldes über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Besonders bei finanziell oder sozial benachteiligten Gruppen wurde dieser Umstand nachgewiesen. Trotzdem wurde in Umfragen festgestellt, dass viele Menschen sich mehr Beteiligungsmöglichkeiten wünschen. Viele befragte Personen haben direkt demokratische Instrumente als Ergänzung zu den etablierten Abläufen der repräsentativen Demokratie vorgeschlagen (Deutscher Städtetag 2013: 8). Hohe Politikverdrossenheit bei gleichzeitig wachsender Beteiligungsbereitschaft sowie immer kleiner werdende Handlungsspielräume haben die Politik dazu gedrängt, das Rollenverständnis von „Government“ zu überdenken. (L.I.S.T. 2011:38). Weg von einem allumfassenden Planungsanspruch, hin zu projektbezogenen, kleinschrittigen Lösungsansätzen. Während früher Prozesse an großen Rahmenprogrammen orientiert waren, ist das Vorgehen heute akteurinnen-, prozess- und umsetzungsorientierter (L.I.S.T. 2011:38). Das staatliche Regieren nach dem Top-Down-Prinzip wird durch Einflussnahme erweitert, die auf engerer Kooperation und gemeinsamen Aushandlungsprozessen mit der Bevölkerung beruht. Idealerweise entstehen hier neue Kooperationsformen zwischen Kommune, Wirtschaft und Bevölkerung (Deutscher Städtetag 2013: 8). Für diese Kooperation bedarf es einer „kommunikativen Planungskultur“ und eines „verlässlichen Klimas der Dialogbereitschaft“ seitens der Verwaltung. Diese Erweiterung des Politikstils wird als „Governance“ bezeichnet.
Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die in den Zielvorstellungen von „Governance“, also gestärkte Selbstorganisation und die Übernahme von Verantwortungen aus der Bevölkerung heraus, hauptsächlich eine Entlastung des öffentlichen Haushalts sehen. Bürger:innen übernehmen aus dieser Perspektive Aufgaben, die der Staat ursprünglich erfüllen sollte, und Beteiligung dient demnach vor allem dazu, die Privatisierung der Daseinsvorsorge zu rechtfertigen und Akzeptanz für Leistungseinschränkungen zu schaffen. Eine allseits akzeptierte positive Auswirkung von „Governance“ ist, dass durch gestärkte Beteiligungskultur Demokratie erlernt und gelebt werden kann (Deutscher Städtetag 2013: 9).
Das Programm „Soziale Stadt“ wird vor dem Hintergrund einer neuen Planungskultur als positives Beispiel hervorgehoben (Deutscher Städtetag 2013: 9). Bezüglich der „Beteiligung“ werden dabei die folgenden Punkte besonders hervorgehoben (Franke 2002:1):
– die Schaffung ganzheitlicher quartierbezogener Beteiligungsstrukturen,
– die quartiersbezogene Vernetzung lokaler Initiativen und Organisationen,
– die Erschließung der spezifischen Problemlösungskompetenzen auch bisher nicht organisierter Bürger:innen mit Strategien des Empowerment (Befähigung, Aktivierung) als einem Ansatz der Gemeinwesenarbeit (GWA) oder der „Stadtteilbezogenen sozialen Arbeit“ sowie
– die Einbeziehung der lokalen Wirtschaft.
Innerhalb des Programms ist es das QM, das die Aufgabe übernimmt, den Prozess der Beteiligung anzustoßen und zu organisieren. Um dafür das richtige Format zu finden, bedarf es der Klärung, wer beteiligt werden soll. An dieser Stelle lässt sich zwischen Akteur:innenbeteiligung und Bürger:innenbeteiligung unterscheiden.
Lokale Akteur:innen sind bereits eingebundene Personen aus ortsansässigen Institutionen und Organisationen, wie zum Beispiel Schulen, Kindergärten, Kirchen oder auch Vereine, Initiativen, Gewerbetreibende, Geschäftsleute und Handwerker:innen. Weitere wichtige Akteur:innen sind öffentliche und freie Träger der Sozialhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe sowie Wohlfahrtsverbände und Fachorganisationen (Baum 2018). Diese Akteur:innen werden mit dem Ziel beteiligt, ihre Arbeit nicht nur auf spezifische Gruppen, sondern auf das ganze Quartier auszurichten und mit den Bedürfnissen und Aktivitäten anderer Akteure:innen im Stadtteil zu verbinden. Da die Beteiligung im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ zuerst einen Mehraufwand bedeutet, muss das QM den Mehrwert der Zusammenarbeit verdeutlichen, z. B., indem es konkrete Unterstützungsangebote macht und somit in die Rolle des Ermöglichers schlüpft. Unterstützung kann das QM auch bei der Planung von Projekten, der Sammlung von Fördergeldern oder der Suche nach Räumen leisten. Der Mehrwert der Kooperation wird am ehesten sichtbar, wo Projekte gemeinsam entwickelt werden. Um Ermüdungserscheinungen zu vermeiden, sollte das QM darauf achten, dass Treffen immer anlassbezogen und dementsprechend gut vorbereitet sind. Im Austausch zwischen QM und Akteur:innen können Bedarfe des Stadtteils oder mögliche Projekte diskutiert werden. Um das Ziel von selbsttragenden Strukturen zu erreichen, sollte der Austausch zwischen den Akteur:innen im Vordergrund stehen, beispielsweise im Rahmen einer Stadtteilkonferenz (BMUB 2016:24).
Bürger*innenbeteiligung bezieht sich auf die Mitwirkung von bis dato unorganisierten Bewohner:innen des Quartiers an Planungsprozessen. Es sind also Menschen gemeint, die kein Mitglied in einem Verein, Institution oder sonstiger Organisationen sind. Die Menschen sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Ideen und Interessen zu äußern, zu diskutieren und die Verwaltung bei der Umsetzung konkreter Projekte zu beraten. Um erfolgreiche Beteiligungsprozesse anzustoßen, soll den Bewohnern und Bewohnerinnen vermittelt werden, dass sie bei der Entwicklung ihres Umfeldes gebraucht werden und mitentscheiden können (Baum 2018).
Die Einbindung dieser verschiedenen Gruppen findet in unterschiedlichen Stufen statt. Je nachdem ob Akteur:innen oder Bewohner:innen angesprochen werden sollen, bedarf es anderer Strategien. Grundlegend lässt sich jedoch von einem Drei-Schritt sprechen, bestehend aus Informieren, Aktivieren und Beteiligen (BMUB 2016:19).
Im ersten Schritt sollte die Bevölkerung über die Projekte, Maßnahmen und Vorhaben des QMs im Stadtteil informiert werden. Hierzu eignen sich (BMUB 2016:19):
– persönliche Gespräche
– Flyer, Broschüren
– eine Homepage
– eine Stadtteilzeitung
Im zweiten Schritt geht es darum, möglichst große Teile der Bevölkerung dazu zu motivieren, an der Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ mitzuwirken. Dieses Ziel wird „Aktivierung“ genannt. Besonders notwendig wird die „Aktivierung“, wenn beobachtet wird, dass sich überwiegend ältere Bewohner:innen aus der Mittelschicht einbringen. Häufig berichteten QMs, dass Jugendliche oder Menschen mit Migrationshintergrund die Beteiligungsangebote nur zögerlich wahrnehmen. Anhand unterschiedlicher Strategien soll die Bereitschaft dieser Zielgruppen „aktiviert“ werden, sich zu beteiligen. Dies kann gelingen, wenn den Menschen glaubhaft vermittelt wird, dass sie etwas verändern können, oder wenn erreicht wird, dass sie sich mehr mit ihrem Umfeld identifizieren. Gerade in diesem Bereich spielt die Öffentlichkeitsarbeit eine entscheidende Rolle. Sie trägt dazu bei, den Kontakt des QM zur Bevölkerung zu verbessern und Probleme zu identifizieren. Das Konzept der „Aktivierung“ ist aus der Gemeinwesenarbeit entstanden und wird heute in der „Stadtteilbezogenen Sozialen Arbeit“ weiterentwickelt. Mittlerweile existiert eine breite Palette an Techniken zur „Aktivierung“ (Frank 2002:2):
– Aktivierende Befragungen (unter anderem zur Ermittlung aktueller Probleme im Wohngebiet);
– Arbeit mit einzelnen Personen (z.B. Beratungsangebote aus dem Bereich „Hilfe zur Selbsthilfe“);
– informelle Gespräche (beispielsweise zu Problemen im Quartier, zwischen einzelnen Gruppen oder auch bezüglich der eigenen Lebenssituation);
– aufsuchende Arbeit, Streetwork;
– „Mund-zu-Mund-Propaganda“ (Aktivierung über Multiplikator:innen);
– Befähigung einzelner Bewohner:innen zur Übernahme von Aufgaben im Gemeinwesen (z.B. Ausbildung Einzelner zu „Bürgermoderator:innen“);
– Vernetzung von und Vermittlung zwischen einzelnen Akteur:innen, Institutionen und Organisationen, Schlichtung von Interessenkonflikten (Mediation);
– Bürger-, Einwohner-, Blockversammlungen;
– Angebot regelmäßig stattfindender offener (Nachbarschafts-)Treffs (z.B. Stammtische);
– Angebot offener Treffs für bestimmte Zielgruppen (z.B. Migrant:innen);
– Feste (z.B. Stadtteil- und Straßenfeste, Vereinsfeste, Sportfeste, Einweihungsfeste, Jubiläen);
– (zielgruppenspezifische) Veranstaltungen und Aktionen (z.B. Sport- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche);
– Gebiets- und Gebäudebegehungen mit Quartiersbewohner:innen sowie anderen lokal wirksamen/ verantwortlichen Akteur:innen;
– Informationsangebote und -veranstaltungen zu allen Belangen der integrierten Stadtteilentwicklung;
– Wettbewerbe;
– Unterschriftensammlungen.
Visuelle Hilfsmittel zur quartierbezogenen Öffentlichkeitsarbeit:
– (Mehrsprachige) Stadtteilzeitungen;
– (mehrsprachige) Poster, Plakate, Flyer, Broschüren, Rundbriefe und anderes Informationsmaterial;
– Internetangebote rund um das Quartier;
– Dokumentationen von Veranstaltungen und Aktionen;
– Berichte in „Lokalblättern“;
– Verwendung eines Logos/Slogans;
– Kunst- und Kulturprojekte/-angebote;
– Einsatz von Quartiersmodellen als Grundlage für die Ermittlung von Problemen, Potenzialen und Ansatzmöglichkeiten für Projekte und Maßnahmen im Quartier („Planning for Real“).
Der Prozess der Aktivierung kann sich auf mehrere Jahre erstrecken. Dem Konzept entsprechend, ist der Prozess weniger an Leuchtturmprojekten orientiert, als an vielen kleineren Aktionen, die sich verändernden Umständen anpassen. Daraus soll eine Grundmobilisierung in dem betreffenden Stadtteil entstehen. Aus dieser Grundmobilisierung heraus können im weiteren Verlauf des Programms „Soziale Stadt“ Einzelprojekte umgesetzt werden (Frank 2002:3).
Während „Aktivierung“ auf einer unverbindlichen Ebene ansetzt, findet Beteiligung im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ in einem formalen Rahmen statt. Beteiligungsverfahren finden im Rahmen von Veranstaltungen statt, meistens mit einer vorgegebenen Struktur bezüglich Programm, Moderation, Ablauf und Zeitrahmen. Dadurch, dass auch Themen oder Projekte im Vorfeld bestimmt werden, sind die Zielvorstellungen vergleichsweise konkret. Veranstaltungsarten, die sich dazu eignen sind (Frank 2002:4):
– Stadtteilkonferenzen;
– Stadtteil- oder Bürgerforen;
– Runde Tische, Diskussionsrunden;
– Zukunfts-/Planungswerkstätten;
– Bürgergutachten;
– Planungszellen;
– stadtteilweite (thematische) Arbeitskreise, Arbeitsgruppen, Workshops;
– beteiligungsorientierte Projekte (z.B. Spielplatzgestaltung);
– zielgruppenspezifische Projekte (z.B. für Kinder und Jugendliche, Migrantinnen).
Bereits zu Anfang, bei der Erstellung des integrierten Handlungskonzepts sollen die Bewohner und Bewohnerinnen miteinbezogen werden. Im weiteren Verlauf kann die Beteiligung in zwei Bereichen erfolgen. Erstens bei der Erarbeitung von Zielen und erforderlichen Maßnahmen und zweitens bei der Ausgestaltung einzelner Maßnahmen (BMUB 2016:22). Bei den meisten dieser Verfahren werden sowohl Akteure und Akteurinnen als auch Bewohner und Bewohnerinnen eingeladen mitzumachen. Zu Beginn eines jeden Verfahren sollte geklärt sein, welche Spielräume bei der Gestaltung, welche Rahmenbedingungen und Einschränkungen existieren sowie der finanzielle Rahmen (BMUB 2016:24). Als Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beteiligung gelten außerdem ein Gleichstand an Informationen, ergebnisoffenes Vorgehen und die schnelle Umsetzung von Beschlüssen als motivierender Erfolg für folgende Beteiligungsverfahren. Insbesondere um den letzten Punkt zu gewährleisten, empfiehlt sich eine gute Vernetzung mit der Politik und der Verwaltung. So kann das Risiko verringert werden, dass mühsam im Stadtteil erarbeitete Beschlüsse später verworfen werden (Frank 2002:4).
4.1. Verfügungsfond
Ergänzt wird diese Vielfalt an Beteiligungsmöglichkeiten durch den Verfügungsfond. Dieser Fond wurde 1999 in das Programm „Soziale Stadt“ eingeführt, mit dem Zweck, kurzfristig und ohne bürokratische Hürden Ideen aus der Bevölkerung umsetzen zu können. Die Entscheidung über den Einsatz der Mittel liegt bei der Bewohnerschaft und den Akteuren und Akteurinnen. Abgesegnet wird die Mittelvergabe durch ein Gremium, welches meistens aus dem QM besteht. Durch den Kontakt mit den Personen die Anträge stellen, besteht eine weitere Möglichkeit Kontakte im Quartier zu knüpfen. Die Summe, die zur Verfügung steht, liegt zwischen 5000 und 20.000 Euro, je nach Fördergebiet (BBSR 2017: 63). Das Geld kann für ehrenamtliche Aktivitäten, die Gestaltung öffentlicher Räume oder zur Verbesserung von Infrastrukturangeboten verwendet werden (BBSR 2017: 61). Mit dem Verfügungsfond werden mehrere Ziele verfolgt. Der Bevölkerung soll die Möglichkeit gegeben werden sowohl bei Entscheidungen als auch bei Handlungen eigene Vorstellungen zu realisieren und somit stärker beteiligt zu werden. Bestenfalls werden dadurch Gruppen aktiviert, die vorher weniger erreicht wurden. Außerdem soll ermöglicht werden, ehrenamtliches Engagement zu verstetigen und einen Mehrwert für die Entwicklung des Stadtteils zu generieren (BBSR 2017: 63).
4.2. Bewertung anhand des Stufenmodells
Als Gradmesser für die Intensität der Beteiligung eignet sich die in verschiedenen Varianten entwickelte „Stufenleiter der Partizipation“. Diese Arbeit beschränkt sich dabei auf das Modell von Maria Lüttringhaus, das sich auf zwei Dimensionen bezieht: die Dimension Bürger und Bürgerinnen rechts und die Dimension des Staatssystems links (Klöti/Drilling 2014:51). Auf der linken Seite des Modells, der Teilhabe seitens des Staatssystems, wird beschrieben, auf der Grundlage welcher Standards Beteiligung ermöglicht wird. Dabei ist die erste Stufe die der Nichtbeteiligung. Hier wird die Bevölkerung höchstens einseitig informiert, ohne Einflussmöglichkeiten auf Planungsprozesse. Die Information der Bevölkerung durch Entscheidungsträger- und Trägerinnen ist die zweite Stufe des Modells. Solange die Information alle relevanten Aspekte und Fakten beinhaltet, wird es als wichtiger erster Schritt in einem Beteiligungsprozess gesehen (Klöti/Drilling 2014:51). Sobald die Organisierenden die Bevölkerung nicht ernst nehmen oder Informationen vorenthalten, wird von Manipulation gesprochen und der Nichtbeteiligung zugerechnet. Ist dies der Fall, kann diese Haltung drei Funktionen beinhalten (Sönke 2019:24f):
– Bürger:innen werden als Treibsatz gesehen, die einen Prozess mittragen, einen festgelegten Rahmen jedoch nicht verlassen.
– Symbolische Gratifikation: Bereits getroffene Entscheidungen sollen bei einseitigen Informationsveranstaltungen vermarktet werden. Der Schein von Beteiligung kann dadurch gewahrt werden. Hierbei wird von „schein-partizipatorischen Veranstaltungen“ gesprochen.
– Demokratische Scheinlegitimation: Beteiligungsverfahren werden nur für den Zweck initiiert, Legitimation für bereits getroffene Entscheidungen zu generieren, ohne Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen zu bieten.
Die zweite Stufe wird mit „Austausch, Dialog und Erörterung“ beschrieben. Auf dieser Ebene ermöglicht die entscheidungstragende Institution der Bevölkerung ihre Bedürfnisse und Meinungen einzubringen. Die endgültigen Entscheidungen werden jedoch von der Institution getroffen (Klöti/Drilling 2014:51). Ab dieser Stufe soll die Einmischung der Bürgerschaft gefördert werden. Voraussetzung hierfür sind eine kooperative Haltung sowie ein offener Dialog, der gegenseitige Einflussnahme ermöglicht (Sönke 2019:25). Auf der dritten Stufe wird von partnerschaftlicher Kooperation gesprochen. Die Entscheidungsgewalt liegt weiterhin bei den entscheidungstragenden Institutionen, jedoch wird die Lösung von allen Beteiligten ausgehandelt (Klöti/Drilling 2014:51). Die Bürgerschaft wird in dieser Stufe zu Partnern und Partnerinnen der Institutionen. Auf der obersten Stufe, betitelt mit „Delegation von Entscheidungen“, besitzt die Bevölkerung die Mehrheit an Stimmen und kann somit über Ablauf des Verfahrens, Ergebnisse und Umsetzung entscheiden (Sönke 2019:25).
Im Folgenden wird die linke Seite des Modells, die Einordnung der Teilnahme der Bürger und Bürgerinnen erläutert. Auch hier ist die unterste Stufe die Nichtbeteiligung welche aus Desinteresse seitens der Bevölkerung resultiert.
Die erste Stufe wird mit „Beobachtung und Information“ betitelt. Darin wird jegliche Art sich zu informieren oder politische Prozesse zu beobachten eingefasst. Dies ist in einer Demokratie keine Pflicht und kann deswegen als Akt der Partizipation eingestuft werden. Es bildet den Grundstein für weitere Beteiligung (Sönke 2019:26). Die zweite Stufe ist die Stufe der „Mitwirkung“. Damit ist die Mitwirkung an dem Prozess der Entscheidung gemeint, ohne jedoch Einfluss auf die Entscheidung selbst ausüben zu können. Diese Art der Mitwirkung kann im Rahmen von Beratungen, Anhörungen, Stellungnahmen, Vorschlägen oder Erörterungen passieren (Sönke 2019:26). Die nächste Stufe wird mit „Mitentscheiden“ definiert. Auf dieser Stufe werden Entscheidungen zwischen allen Beteiligten in einem partnerschaftlichen Verhältnis ausgehandelt (Klöti/Drilling 2014:51). Auf der vierten Stufe, betitelt mit „Selbstverantwortung“, hat die Bevölkerung die Kontrolle über den Ablauf von Planungs- und Entscheidungsprozessen (Klöti/Drilling 2014:51). Die Grundlagen für die Entscheidungen werden also aus der Bevölkerung definiert, nicht von staatlichen Institutionen. Die Aushandlung passiert jedoch gemeinsam. Erst auf der fünften und höchsten Stufe besteht, dem Namen „Eigenständigkeit“ entsprechend, eine völlige Unabhängigkeit der Bevölkerung von staatlichen Institutionen und deren Teilnahmegewährung. Entscheidungen, die vorher in Beteiligungsverfahren ausgehandelt wurden, werden also ausschließlich von der Bevölkerung getroffen (Sönke 2019:26).
4.3. Übergang von Stufe zu Stufe
Um aufzuzeigen, wovon der Übergang von einer Stufe zur nächsten abhängt, hat Lüttringhaus das Modell „Determinanten politischer Partizipation“ erstellt. Der Ausgangspunkt für Partizipationsprozesse ist in diesem Modell eine Sachlage, für die mehrere Möglichkeiten bestehen, wie entschieden werden kann. Als Grundlage für den Übergang von Stufe zu Stufe werden subjektive und objektiv-strukturelle Voraussetzungen aufgezeigt, welche sich gegenseitig bedingen. Dadurch soll die Komplexität von fördernden und hinderlichen Faktoren für Partizipation dargestellt werden. Es soll verdeutlicht werden, dass es nicht ausreicht, einen Faktor zu bearbeiten, sondern es langfristiger Planung und Arbeit auf mehreren Ebenen bedarf, um Beteiligung für verschiedene Zielgruppen zu realisieren (Lüttringhaus 2003: 3).
Als Voraussetzung für die erste Stufe, „Informieren“, wird als objektiv-struktureller Faktor die Betroffenheit betont. Die Betroffenheit kann entweder durch sich verschlechternde oder sich verbessernde Umstände ausgelöst werden. Außerdem spielt das bestehende Milieu eine wichtige Rolle als objektiv-struktureller Faktor. Aus dem Milieu ergeben sich die Wertevorstellungen, die Handlungsmuster und soziale Netzwerke. Je nachdem, wie Beteiligung in dem vorherrschenden Milieu bewertet wird, kann es förderlich oder behindernd wirken. Ein wichtiger subjektiver Faktor ist persönliches Interesse, Informationsverhalten und der Wissensstand. Diese Faktoren hängen wiederum stark von dem Faktor des Bildungsgrades ab. Ein weiter subjektiver Faktor ist die lokale Identität. Dadurch werden Betroffene angeregt, sich über den Raum zu informieren und sich mit anderen auszutauschen (Lüttringhaus 2003: 4).
Für die zweite Stufe, Beteiligung im Rahmen von Mitwirkung, gilt als wichtigste objektiv-strukturelle Voraussetzung, dass das politisch-administrative System ein beteiligungsfreundliches und partnerschaftliches Klima herstellt. Um ein solches Klima zu gewährleisten sind Transparenz, Übersichtlichkeit der Planungsinhalte und möglichst früh einsetzende, beständige Beteiligungsangebote wichtig (Lüttringhaus 2003: 4). Eine Voraussetzung, die beiden Bereichen zugerechnet werden kann, ist das Zeitbudget. Dies kann auch als subjektiver Faktor gedeutet werden, da sich nur Menschen die ausreichend Zeit zur Verfügung haben sich einbringen können. Ein weiterer Faktor ist die Partizipationskultur. Diese setzt sich aus vorherigen Erfahrungen, beispielsweise in Parteien oder Gewerkschaften zusammen. Auch Erfahrungen die einen Politisierungseffekt haben, in Familie oder bei der Arbeit, sind für die Partizipationskultur wichtig. Außerdem spielt der subjektive Faktor des Sozialvertrauens eine große Rolle. Damit ist das Vertrauen in sich, andere Personen und das politische System gemeint. Beteiligung wird erschwert, wenn das Vertrauen in Veränderungsprozesse und allgemein die Zukunft von Unsicherheit destabilisiert ist. Dies wird vor allem in benachteiligte Regionen beobachtet, wo Unsicherheit das soziale Klima prägt. Um diesem Zustand entgegenzuwirken, werden langfristige Förderungsstrategien empfohlen. Diese sollten ohne große formale Hürden gestaltet werden und sich flexibel an örtlichen Gebräuchen orientieren (Lüttringhaus 2003: 5).
Die beiden letzten Stufen, Mitentscheiden und Selbstverwaltung, sind stark von gesellschaftlichen und politischen Strukturen abhängig. Die finanzielle und rechtliche Abhängigkeit der Kommune sowie die Abhängigkeit der Kommune vom ansässigen Gewerbe sind dabei ausschlaggebend. Gesetze und Satzungen müssen die Voraussetzungen bieten, um diese Stufen der Beteiligung zu ermöglichen. Um die nötigen Voraussetzungen einerseits zu gewährleisten und andererseits wahrzunehmen ist die subjektive Grundlage des Demokratieverständnisses entscheidend. Eine hierarchische Auffassung erschwert Beteiligung, während ein offen-kooperatives Demokratieverständnis Beteiligung fördert. Welche Auffassung vertreten wird, ist vom Menschenbild der Entscheidungsträger:innen abhängig (Lüttringhaus 2003: 5).
Trotz dieser vielen Faktoren ist abschließend anzumerken, dass die strukturelle Einbettung des Beteiligungsformats der entscheidende Faktor ist. Während ein formales Beteiligungsverfahren eine festgelegte Verwendung des Ergebnisses innehat, dienen andere Formate eher der Willensbildung ohne verbindliche Ergebnisse zu produzieren (Sönke 2019:26).
5. Kritik am Quartiersmanagement
Quartiersmanagement (QM) wird an vielen Stellen hoch gelobt. Grund dafür sind die Innovationen des „Quartiersansatzes“, die Fokussierung der Bedürfnisse der Bevölkerung und der „Empowermentansatz“ um selbständige Strukturen zu etablieren. Erfolge wurden vor allem in den Bereichen „Sicherheit“ und „Wohnen und Wohnumfeld“ verzeichnet (Schwarz 2015:4).
Im Kontrast zu diesen optimistischen Stimmen gibt es viele kritische Einschätzungen des QM. Diese Kritiken beziehen sich auf verschiedene Aspekte, angefangen mit der Auswahl der Programmgebiete. Die Auswahl erfolgt nach Auswertungen von Statistiken und Interviews mit ortsansässigen Akteuren, Bewohnern und Bewohnerinnen. Dabei wird kritisiert, dass statistische Daten leicht verfälscht werden könnten und dass Bevölkerungsgruppen, die am schlimmsten von Ausgrenzung betroffen seien, häufig nicht erfasst würden. Außerdem wird angemerkt, dass durch die Auswahl eines Gebietes, dieses als „sozialer Brennpunkt“ gebrandmarkt werde. Dadurch werde gerade das Image bestärkt, das durch das QM beseitigt werden sollte (Schwarz 2015:4).
Außerdem werde die Eingrenzung des Programmgebiets durch feste Grenzen als Problem wahrgenommen. Eine Folge davon sei, dass Aufwertung nur fragmentiert erfolge und sehr verschiedene Lebensrealitäten in direkter Nachbarschaft zueinander entstünden. Dies führt zur nächsten Schwachstelle des Instruments QM. Durch die räumliche Beschränkung sei könnten strukturelle Problemen kaum angegangen werden. Auf Armut und Arbeitslosigkeit könne mit rein quartiersbezogener Politik kaum reagiert werden, da diese Bereiche Antworten auf Landes- und Bundesebene erforderten (Schwarz 2015:5).
Die Kritik am QM zielt sehr häufig auf die Frage nach der Beteiligung der Bevölkerung.
So wird, was die Auswahl der Beteiligten angeht, mangelnde Sensibilität hinsichtlich den unterschiedlichen Ressourcen, den verschiedenen Lebens- und Bildungsniveaus kritisiert. Menschen, die über ausreichende Ressourcen verfügten, sei es zeitlich oder finanziell, hätten mehr Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Menschen, die am Existenzminimum leben, besäßen hingegen kaum Ressourcen, um an Veranstaltungen teilzunehmen oder sie mitzugestalten. Beispielsweise kann das Mitbringen eines Kuchens für ein Nachbarschaftsfest für Menschen mit geringem Einkommen bereits eine Hürde darstellen (Sönke 2019:55). Die Ressourcen stellen also einen exkludierenden Faktor dar. Beteiligung ist dementsprechend viel leichter für Angehörige der Mittelschich,t als für Menschen aus der Unterschicht oder marginalisierten Gruppen. Solange dieser Umstand nicht berücksichtigt wird, räumen die Beteiligungsverfahren des QMs der Mittelschicht stärkeren gesellschaftlichen Einfluss ein, fördern soziale Exklusion und können dadurch soziale Ungleichheit verstärken (Sönke 2019:56). Diese Kritik wurde durch die Studie „Partizipation vor Ort“ von 2011 untermauert (IfS 2011: 127f). Darin wurde die Beteiligung von migrantischen Menschen bei der Entwicklung von Quartieren untersucht. Im Untersuchungszeitraum waren migrantische Menschen gar nicht oder nur selten an Beschlüssen in Stadtteilgremien beteiligt. Gezielte Ansprache oder konkrete Berücksichtigung migrantischer Belange hat nicht stattgefunden. Gründe für die mangelnde Berücksichtigung können darin gesehen werden, dass keiner der Angestellten des QMs des untersuchten Bereichs Migrationshintergrund hatte und darin, dass bei keiner der angesprochenen Akteurs-Organisationen migrantische Menschen in größerer Zahl mitarbeiteten (IfS 2011: 128).
Obwohl allseits anerkannt ist, dass QM viele neue Beteiligungsmöglichkeiten hervorgebracht hat, wird konstatiert, dass es sich in eine gesellschaftspolitische Entwicklung einfügt, die politische und wirtschaftliche Eliten immer mächtiger werden lässt. Die Beteiligungsmöglichkeiten werden als „Governance“ betrachtet, also als neue Art des Regierens von unten. Beteiligung beschränkt sich aber in der Praxis oft nur auf die Teilnahme an bereits existierenden Strukturen, statt wirkliche Entscheidungsmacht zu beinhalten. Diese Stufe der Mitwirkung wird von der Bevölkerung nur selten überschritten. Dies ist tatsächlich wörtlich formuliert in Programmen der integrierten Stadtentwicklung zu finden (Sönke 2019:56). Aufgrund fehlender Entscheidungsbefugnisse für alle Bürger:innen, die an solchen Beteiligungsverfahren teilnehmen, entsteht einerseits eine negative Erfahrung. Andererseits lässt sich daraus folgern, dass Beteiligung im Rahmen von QM allzu oft eigentlich der Stufe der Nicht-Beteiligung zugezählt werden müsste, da sie nur der Legitimation oder Vermarktung bereits gefällter Entscheidungen dient (Sönke 2019:56). Aber auch die Gestaltung von Grünflächen oder Kinderspielplätzen wird als Scheinpartizipation verurteilt, da damit unbedeutende Nebenschauplätze geschaffen würden, die von eigentlich politisch bedeutenden Vorgängen im Viertel ablenken würden (Hände weg vom Wedding 2013).
Daraus ergibt sich ein weiterer großer Bereich, der vielfach kritisiert wird: Die wirtschaftlichen Auswirkungen von QM. Die Hauptkritik dabei ist, dass der wichtigste Zweck von QM nicht die Verbesserung der Lebensumstände der ansässigen Bevölkerung sei, sondern die Vermittlung von wirtschaftlichen Interessen in den Stadtteil (Maruschke 2014:74). Die Zielvorstellung einer Partnerschaft zwischen Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung diene nur dazu, die ökonomische Aufwertung des Gebiets als gemeinsames Interesse darzustellen. Die Diskrepanz zwischen neoliberalen Versprechen von wirtschaftlichem Aufstieg und einer Lebensrealität, geprägt von prekärer Beschäftigung und Verdrängung im Zuge von Gentrifizierung, soll durch QM und daraus entstehende Gremien wie Stadtteilkonferenzen geschlossen werden. Um das Bild von einer positiven Aufwertung aufrechtzuerhalten, werden bei solchen Veranstaltungen strukturelle Probleme nicht angesprochen, verschleiert oder wegmoderiert (Maruschke 2014:78). Dazu werden strukturell verankerte Diskriminierungsformen wie Sexismus oder Rassismus gezählt, genauso wie Klassenkonflikte zwischen Arm und Reich. Obwohl Öffentlichkeitsarbeit zu den grundlegenden Aufgaben von QM gehört, werden die aufgebauten Medien wie Stadtteilzeitungen häufig nicht dazu genutzt, solche sozialen Probleme zu thematisieren (NaNN 2010). Dies stößt besonders auf Kritik, da die angesprochenen Probleme sich nicht auf Quartiersebene lösen lassen. Sie müssten also aus den verschiedenen Quartieren an die Kommunal-, Landes- oder Bundespolitik weitergeleitet werden, um auf der entsprechenden Ebene Lösungen anzustoßen (Holm 2010). Dies passiert jedoch kaum, laut kritischen Stimmen. Die Aufwertung im Zuge von QM orientiere sich also vor allem an Profitsteigerung und Wirtschaftswachstum. Das Ergebnis sind steigende Mieten und Lebenshaltungskosten. Zwar werden diese Preissteigerungen überwiegend durch die Profitlogik des kapitalistischen Wohnungsmarkts ausgelöst, jedoch ist QM ein ausschlaggebendes Instrument zur Anpassung an lokale Gegebenheiten und zur Legitimation der Aufwertung (Maruschke 2014:75). Durch das erklärte Ziel von verstärkter sozialer, polizeilicher und finanzieller Kontrolle soll das Verhalten der Mieter und Mieterinnen vorhersehbar werden, beziehungsweise berechenbarer für marktwirtschaftliche Nutzung der Finanzkraft. Aus dieser Perspektive ist QM ein Instrument der kapitalistischen Wirtschaft um Lebensraum für eine besser-verdienende „bürgerliche Klasse“ zu schaffen. Widerständige Kultur und alternative, nichtkommerzielle Räume werden durch diese Veränderung verunmöglicht. Da dies nicht vom QM thematisiert wird, wird kritisiert, dass es ein Instrument sei, um die Stadt zu befrieden und soziale Konflikte zu entpolitisieren (Hände weg vom Wedding 2013). Tatsächlich bestätigen einzelne Studien die Kritik, dass QM Gentrifizierung, Kontroll- und Ausgrenzungsstrategien aktiv mitgestaltet (Maruschke 2014:77). Ein Beispiel dafür kommt aus Berlin-Wedding. Dort hat das QM mit der Polizei höhere Einsatzzeiten ausgehandelt, um an einem Platz Trinker und Trinkerinnen zu vertreiben und den Platz aufzuwerten. Dies wurde als Erfolg gefeiert. Gleichzeitig wurden aber nicht die steigenden Mieten und die Verdrängung von ärmeren Familien aus dem Stadtteil thematisiert, geschweige denn Gegenstrategien entworfen. Ein weiteres Beispiel ist der Berliner Stadtteil „Prenzlauer Berg“. Als dort 1999 das QM eingeführt wurde, war das Viertel von Arbeitslosigkeit, Drogenhandel, leerstehenden Wohnungen und verwilderten Grünanlagen geprägt. Durch Veränderungen an öffentlichen Plätzen, Gebäudesanierung und Imagearbeit für andere Zielgruppen griffen die Quartiersmanager und Managerinnen in die Quartiersentwicklung ein. Heute gehört das Viertel zu den wohlhabenderen in Berlin, wo der öffentliche Raum von jungen, gutsituierten Eltern, hippen Cafés und sanierten Altbauten dominiert wird. 80 % der ehemaligen Bewohner und Bewohnerinnen sind verschwunden, soziale „Problemfälle“ gibt es kaum im Straßenbild. Diese Dynamik liegt einerseits an den steigenden Mieten, andererseits an der Imagearbeit des QM. Letzteres wird als Voraussetzung für die dortigen Mietsteigerungen gesehen (Hände weg vom Wedding 2013).
Um zukünftig die Effekte des QM besser einschätzen zu können, wird eine flächendeckende Evaluierung der Programmergebnisse gefordert (Holm 2010). Damit soll überprüft werden, ob das QM wirklich Verbesserungen für die ansässige Bevölkerung erwirkt hat oder ob es lediglich zur Gentrifizierung, zum Bevölkerungsaustausch beigetragen hat. Um die Ziele von QM stärker an den Bedürfnissen der ansässigen Bevölkerung zu orientieren, wird vorgeschlagen, gesamtstädtische Konzepte zu entwickeln. Darin sollten kleine Industrie- und Handwerksbetriebe genauso stark einbezogen werden wie bisher schon der Dienstleistungssektor und die Kreativwirtschaft. Zusätzlich sollten Mietsteigerungen verhindert werden, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren. Da solche Maßnahmen nur auf gesamtstädtischer Ebene möglich sind, müssten Ressorts aus Gesundheit, Arbeit und Bildung auf integrierte Stadtentwicklungsprozesse hinarbeiten (Holm 2010).
6. Quartiersmanagement in Aachen
Das Instrument Quartiersmanagement wird seit 1999 in Aachen angewendet. Erstmals wurde QM im Rahmen des ersten „Soziale Stadt“- Projekts in Aachen Ost/Rothe Erde installiert. Das Programm lief bis 2010. Ab 2012 wurde das QM mit städtischen Geldern verstetigt und besteht bis heute. Im selben Zeitraum wurde im Stadtteil Preuswald QM eingerichtet. 2015 folgte Driescher Hof. 2010 wurde der Stadtteil Aachen-Nord in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen und bekam ebenfalls ein QM. Dieses QM ist im Moment das einzige, welches mit Fördermitteln für bauliche Maßnahmen ausgestattet ist. Die anderen QMs haben nicht die Aufgabe, Bautätigkeiten anzustoßen. Vielmehr besteht ihre Aufgabe darin, die Beteiligungskultur zu stärken und die Bevölkerung zu ehrenamtlichen Tätigkeiten im Stadtteil zu motivieren (Otto 2017:6). Als letztes QM wurde ab 2019 für die Quartiere Kronenberg und Kullen ein gemeinsames QM eingerichtet (Stadt Aachen 2018: 17). Weitere QMs wurden in Aachen außerdem zu spezifischen Themen eingerichtet, so seit 2017 zum Schwerpunkt Flüchtlingsintegration (QFI) in vier Aachener Stadtteilen, Aachen-Nord, Richterich, Eilendorf und Kronenberg. Diese wurden im Rahmen des Sonderprogramms „Hilfen im Städtebau für Kommunen zur Integration von Flüchtlingen“ vom Land NRW finanziert. 2019 liefen alle vier Programme aus (Stadt Aachen 2019).
2017 wurde für 3 Jahre ein weiteres QM genehmigt. Im Westparkviertel wurde in Zusammenarbeit mit einem sozialen Träger ein QM im Förderkontext „Altengerechte Quartiere“ installiert. Dabei stehen die Anforderungen des demografischen Wandels im Fokus, mit dem Ziel bedarfsgerechte Angebote für ältere Menschen weiterzuentwickeln und aufzubauen. Mit demselben Arbeitsschwerpunkt wurde Anfang 2020 ein QM in dem Stadtteil Burtscheid genehmigt. In Zusammenarbeit mit der AWO soll unter dem Titel „Altengerechtes Quartier Burtscheid“ bis 2021 an Themen wie Mobilität, Netzwerke, Wohnen und Versorgung gearbeitet werden (Stadt Aachen 2020).
Das QM hat sich in Aachen zu einem sehr vielfältigen Instrument, mit sehr verschiedenen Aufgabenbereichen entwickelt. Unter Einbezug alle Quartiersmanager:innen wurde diese Definition des „Aachener Quartiersmanagements“ erarbeitet:
„Das städtische Quartiersmanagement setzt sich das Ziel, gemeinsam mit den Menschen und Institutionen vor Ort positive Impulse für die gesellschaftliche Entwicklung im Quartier zu geben. Basierend auf einer Bedarfs- und Netzwerkerfassung ermöglicht das Quartiersmanagement einen ganzheitlichen Akteurs- und institutionenübergreifenden Blick auf das jeweilige Quartier. Quartiersmanagement nutzt bestehende Potentiale des Quartiers und unterstützt in neutraler Funktion lokale Netzwerke sowie bürgerschaftliches Engagement. Es begleitet und initiiert Projekte, die Gemeinschaft und Identität stiften und zudem zu einer positiven Wahrnehmung des Quartiers beitragen. Quartiersmanagement transportiert Themen, Entwicklungen sowie Bedarfe in andere Verantwortungsbereiche der Verwaltung (Otto 2017:14f).“
Dieser Definition werden die folgenden Arbeitsbereiche zugerechnet:
– Erfassung von Themen und Bedarfen im Quartier
– Lotsenfunktion (Bindeglied zwischen Quartier und Verwaltung)
– Vernetzungsfunktion zwischen Akteuren
– Unterstützung der Stadtteilkonferenzen und sonstiger lokaler Arbeitskreise
– Projektinitiierung und -begleitung mit dem Ziel die Bürgerschaft bei der Planung und Umsetzung zu aktivieren und miteinzubeziehen.
Das Aufgabenspektrum unterscheidet sich hiernach nicht von den herkömmlichen Aufgaben von QM (Siehe Kapitel). Jedoch wird das QM von der Quartiersentwicklung abgegrenzt. QM hat einen konkreten Aufgabenbereich, während der Quartiersentwicklung alle Prozesse zugerechnet werden, die wirtschaftliche, städtebauliche, ökologische und soziale Veränderungen mit sich bringen. Dafür sind nicht Quartiersmanager:innen verantwortlich, sondern alle Bewohner:innen oder Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung die sich einbringen (Otto 2017:1).
Mittlerweile werden für die soziale Quartiersentwicklung drei zentrale Schaltstellen von der Stadt Aachen aufgeführt (Otto 2017:2f):
a. Das QM als neutrale Koordinationsstelle mit den oben beschriebenen Aufgabenbereichen
b. Quartiers- bzw. sozialraumbezogene Beratungs-, Treff- und Unterstützungsangebote
Dieser Kategorie werden Begegnungsorte oder Betreuungs- und Beratungsangebote zugerechnet, die durch Vereine, freie Träger der Wohlfahrtspflege oder die Verwaltung angeboten werden. Für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen ist hiermit die Arbeit von Jugendverbänden, offene Türen, Familienzentren, Schulsozialarbeit oder Streetwork im Rahmen der Jugendarbeit gemeint. Für Menschen über 50 Jahren gibt es ebenfalls acht Begegnungsorte, die von der Altenhilfe der Stadt Aachen koordiniert werden. Darin werden Sprechstunden, Freizeit-, Bildung- und Kulturangebote organisiert. Für intergenerativen Austausch gibt es in Eilendorf/Rothe Erde und Brand jeweils ein Mehrgenerationenhaus. Außerdem werden diesem Bereich die Unterbringung von Obdachlosen, die Betreuung von geflüchteten Menschen, quartiersbezogene kirchliche Angebote oder Beratungsstellen des allgemeinen sozialen Dienstes zugerechnet (Otto 2017:3).
c. Stadtteilkonferenzen/örtliche Arbeitsgemeinschaften als zentrale Netzwerke im Quartier
Stadtteilkonferenzen sind ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen, die im Stadtteil arbeiten oder leben, unabhängig von Verbandszugehörigkeit oder Institutionstyp. Interessierte Bürger:innen sind jedoch nur selten vertreten. Die meisten der Freiwilligen sind Akteur:innen aus Institutionen wie Schulen, Besuchsdienste, Seniorenvertreter, Begegnungsstätten, hauswirtschaftliche Dienste und Vertreter pflegerischer Einrichtungen (Otto 2017:2). Die Akteur:innen haben die Aufgabe einen kontinuierlichen Austausch zwischen ansässigen Institutionen zu gewährleisten. Für neue Akteur:innen bieten die Konferenzen eine Möglichkeit andere Akteur:innen kennenzulernen, Wissen über den Ort zu erlangen und sich dadurch die Arbeit zu erleichtern. Besonders zur Koordination von sozialer Arbeit wird die Bedeutung der Stadtteilkonferenz hervorgehoben. Veranstaltungen, Begegnungsangebote oder Beratungsangebote sollen aufeinander abgestimmt werden und somit effektiver werden. Die Stadtteilkonferenz hat bei der Vergabe der Stadtteilfonds Entscheidungsrecht und gilt im Idealfall als Knotenpunkt für alle Prozesse der Quartiersentwicklung. Für diese Aufgabe werden Verantwortlichkeiten verbindlich vergeben. Es gibt Sprecher:innenteams und Arbeitsgruppen zu spezifischen Themen. Mittlerweile gibt es zwölf Stadtteilkonferenzen (siehe Abbildung 4). Dazu kommen sieben „Örtliche Arbeitsgemeinschaften der Altenarbeit“, bei denen sich Akteur:innen aus dem Pflegebereich und der Altenarbeit treffen. Zusätzlich existieren in allen Stadtteilen, in denen es Stadtteilkonferenzen gibt, weitere, meist auf ein spezifisches Thema bezogene Arbeitskreise.
Zwar haben die Stadtteilkonferenzen die Entscheidungsbefugnis über den Stadtteilfond, welcher als Beteiligungsinstrument benannt wird, jedoch ist in der Aufgabenbeschreibung keine Verbindlichkeit zur Beteiligung der Bevölkerung vorgeschrieben. Ebenfalls ist keine Legitimation durch die Bevölkerung notwendig. Die Stadtteilkonferenzen müssen dementsprechend als Akteursnetzwerk gesehen werden, nicht als Instrument, dass der Bevölkerung eine Beteiligung an der Entwicklung des Stadtteils zu ermöglicht (Otto 2017:2f).
Zwischen diesen drei Schaltstellen sind die Verbindungen sehr eng. Die lokalen Begegnungszentren oder Beratungsstellen sowie das örtliche QM sind Teil der Stadtteilkonferenz. Es werden Informationen ausgetauscht und Projekte erarbeitet. Das QM versucht bei diesem Prozess zu unterstützen und Zusammenarbeit anzustoßen.
Bei der Beschreibung des Aachener Quartiersmanagements fällt auf, dass die Beteiligung der Bevölkerung nur selten genannt wird. In der Aufgabenbeschreibung des QM wird nicht explizit darauf eingegangen, wie Beteiligung der Bevölkerung auszusehen hat. Vielmehr wird das QM dazu aufgefordert, Wissen über die Örtlichkeiten zu sammeln, um Potenzial aus der Bevölkerung für eigene Projekte zu identifizieren. Bei der Beschreibung der Aufgabe der Lotsenfunktion wird lediglich beschrieben, dass das QM die Aufgabe habe, Informationen und Ideen aus der Bevölkerung auf die Machbarkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls an die Verwaltung weiterzuleiten. Am konkretesten wird sich in der Aufgabenbeschreibung von „Projektinitiierung und -begleitung“ auf die Beteiligung der Bevölkerung bezogen. Jedoch wird in diesem Abschnitt nur davon gesprochen, die „Bürgerschaft bei der Planung und Umsetzung zu aktivieren und miteinzubeziehen (Otto 2017:13f)“. Dabei geht es um „kleinteilige und quartiersbezogene Projekte mit Beteiligung von Institutionen“ oder „Städtebauliche Aspekte im kleinen Rahmen“. Eine Möglichkeit das Leitbild des Stadtteils, langfristige Entwicklungen oder Baumaßnahmen grundlegend zu diskutieren, beziehungsweise der Bevölkerung dabei ein Mitspracherecht zu gewähren wird nicht in Erwägung gezogen (Otto 2017:14). Obwohl das Konzept für das QM in Aachen, welches hier als Quelle genutzt wird, 18 Jahre nach dem Beginn des ersten QM in Aachen geschrieben wurde, gibt es keine Evaluierung zur Beteiligungskultur im Rahmen von QM. Im Fazit des Textes wird bezüglich Kooperationsstrukturen lediglich auf eine bessere Zusammenarbeit mit der Verwaltung oder mit lokalen Akteuren in Stadtteilbüros verwiesen. Wie die Beteiligung der Bevölkerung in Zukunft umgesetzt werden soll, wird nicht beschrieben. Außer zu den QM, die im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ durchgeführt wurden oder werden, sind keine Tätigkeitsprotokolle der Öffentlichkeit zugänglich. Inwiefern die Beteiligung der Bevölkerung umgesetzt wird, kann deswegen nicht realistisch beurteilt werden. Aufgrund dieses Mangels an auswertbaren Quellen, bezieht sich die vorliegende Untersuchung lediglich auf die Untersuchung der Beteiligung im Rahmen des QM in Aachen Ost/Rothe Erde und Aachen Nord.
7. Aachen Ost
Aachen Ost war der erste Stadtteil Aachens, in dem das Programm „Soziale Stadt“ durchgeführt wurde. Zu Aachen Ost werden das Ostviertel und der benachbarte Stadtteil „Rothe Erde“ gezählt. Beide sind alt-industriell geprägte Stadtteile am Rande der Innenstadt, mit einer hohen Konzentration von sozialen Problemen. Um die Problemlagen und das Lebensgefühl in beiden Vierteln zu verbessern, wurde das Gebiet zwischen 1999 und 2010 in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen (Graf, Kessler-Wirtz, Rösener 2013:1).
7.1. Das Programmgebiet
Das Programmgebiet, bestehend aus dem Ostviertel und Rothe Erde liegt am Rande der Innenstadt. Das Gebiet umfasst 240 Hektar und bedeckt somit 1,5 % der Fläche Aachens (Städtenetz Soziale Stadt NRW 2020). Insgesamt lebten während der Programmlaufzeit 10.500 Menschen dort. Beide Stadtteile sind Arbeiterviertel die während der Industrialisierung als solche geprägt wurden. Zwischen den beiden Stadtteilen verläuft die Bahnstrecke Köln-Aachen, die dazu beiträgt, dass es nur wenig Berührungspunkte innerhalb der Bevölkerung gibt. Während Menschen aus dem Ostviertel sich eher Richtung Rehm- und Steffensviertel orientieren, bestehen stärkere Verbindungen zwischen den Bewohnern und Bewohnerinnen Rothe Erdes und dem benachbarten Eilendorf (Rösener 2008: 34)
In Rothe Erde lebten während des Programmzeitraums circa 2.700 Menschen. Ein großer Anteil der Fläche des Stadtteils wird von Industrie und Gewerbe genutzt. Die Wohnhäuser konzentrieren sich im Osten und Norden entlang der Ringstraßen. Die Siedlung wird von der Hüttenstraße durchzogen, an der sich eine Mischung aus Gewerbe und Wohnnutzung etabliert hat. Belastung entsteht vor allem durch hohes Verkehrsaufkommen und Geruchsbelästigung durch ein benachbartes Reifenwerk.
Im Ostviertel lebten 2007 circa 7.900 Menschen. Das Viertel ist im 19. Jahrundert als Stadterweiterungsgebiet entstanden und wird von Block-Rand-Bebauung und Altbau geprägt. Nur im Nord-Osten finden sich Industrieflächen. Im Gegensatz zu Rothe Erde besitzt das Ostviertel ein klares Zentrum: die Elsassstraße mit dem angrenzenden Elsassplatz. Dort existiert eine Vielfalt an Gewerbe und Geschäften, die es den Bewohnern und Bewohnerinnen erlaubt alle Bedürfnisse des Alltags fußläufig zu befriedigen. Durch das Vorhandensein von Schulen, Kindertagesstätten, Kinder- und Jugendzentren, Seniorenheimen, Bibliotheken, Glaubenshäuser verschiedener Religionen, Sportplätzen und einer guten Verkehrsanbindung ist das Viertel quasi autark (Rösener 2008: 35).
In beiden Stadtteilen bestanden während der Programmlaufzeit erhebliche soziale Probleme. Wegen der Nachwirkungen des Strukturwandels der 1980er Jahre, war die Arbeitslosigkeit 2005 mit 22,1 % im Ostviertel und 22,2% in Rothe Erde höher als in allen anderen Stadtteilen. In der Gesamtstadt lag sie durchschnittlich bei nur 9,7% (Rösener 2008: 41). Die Zahl der Transferleistungsempfänger:innen ist ebenfalls überdurchschnittlich hoch, wie die Tabelle zeigt. Die Ausländerquote ist mit 32,7 % mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt Aachens (14,2 %). Dazu kommen viele Menschen, die zwar einen deutschen Pass besitzen, sich aber dem Ursprungsland ihres Migrationshintergrunds zugehörig fühlen. Die größte Gruppe migrantischer Menschen ist türkischer Herkunft, mit 42,9 %. Andere große Gruppen sind griechischer oder jugoslawischer Herkunft.
Im Stadtteil herrscht hohe Fluktuation. 2005 wechselten 40 % der Bevölkerung ihren Wohnort. Das zeugt davon, dass viele die es sich leisten können Aachen Ost schnell wieder verlassen und sich dort Menschen mit finanziellen und sozialen Problemen sammeln (Rösener 2008: 42). Die hohe Vielfalt an Nationalitäten, die sozialen Probleme und die hohe Fluktuation erschweren einen Zusammenhalt in der Bevölkerung. Zusätzlich führte ein überalterter Wohnungsbestand, die Konzentration von Sozialwohnungen und Obdachlosenunterkünften, Leerstand und ein vernachlässigtes Wohnumfeld zu einem schlechten Image in der restlichen Bevölkerung Aachens (Städtenetz Soziale Stadt NRW 2020). Dies hat zu einer Stigmatisierung der Bewohner:innen von Aachen-Ost geführt. Menschen, die wegen ihrer Adresse ihre Bewerbungen ungeöffnet zurückbekommen oder Angehörige der Mittelschicht, die dort keine Wohnung mieten wollen, zeugen von dieser Entwicklung (Rösner 2008: 42). Es hatte sich ein Teufelskreis gebildet, der es den Bewohner:innen von Aachen Ost den sozialen Aufstieg erschwerte und gleichzeitig den Stadtteil verkommen ließ. Dieser Zustand machte Aachen-Ost zu einem klassischen Gebiet für das Programm „Soziale Stadt“.
7.2. Die Durchführung des Programms „Soziale Stadt“ in Aachen-Ost
Aachen-Ost wurde 1999 in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen. Aachen Ost gehörte somit zur ersten Generation von „Soziale Stadt“ -Programmen. Die Umsetzung begann sogar schon 1998, mit der Erarbeitung des integrierten Handlungskonzepts. Darin wurden folgende Maßnahmen geplant (Stadt Aachen 2010:22):
Für das Ostviertel:
– Förderung der Ortsidentität
– Aufwertung der öffentlichen Räume
– Aktivierung der Brachflächen
– Modernisierung der Häuser und Wohnungen
– Schaffung eines Begegnungszentrums
– Anlegen von Radwegen
– Integration von Migrant:innen
Für Rothe Erde:
– Definieren und Gestaltung einer Ortsmitte
– Zusammenführung von Industrie und Stadtteil
– Verdeutlichung und Aufarbeitung der Geschichte » Schaffung und Aufwertung von Treffpunkten
– Ausbau von Freizeitangeboten
– Anbindung an die Naherholungsgebiete
– Umgestaltung der Barbarastraße
– Ausbau der Radwegverbindungen
Zur Umsetzung dieser Ziele wurde eine breite Zusammenarbeit angestrebt. Akteure in dieser Zusammenarbeit waren Stadtteilkonferenzen aus beiden Stadtteilen, einer Lenkungsgruppe, ein Quartiersmanagement mit eigenem Stadtteilbüro und einer Vielzahl an sozialen, kulturellen oder kommerziellen Trägern.
Stadtteilkonferenz
Die Stadtteilkonferenzen Ostviertel und Eilendorf/Rothe Erde hatten sich bereits im Laufe der 1980er/1990er Jahre gegründet, mit dem Ziel, als Sprachrohr der Bevölkerung das Umfeld und die Lebensqualität positiv beeinflussen zu können. Die Konferenzen bestanden aus Vertreter:innen von ortsansässigen Vereinen und Institutionen sowie engagierten Bürger:innen. 2009, zum Ende der Programmlaufzeit, schlossen sich beide Stadtteilkonferenzen zusammen, um effizienter für das gesamte Viertel agieren zu können (Stadt Aachen 2010:24).
Lenkungsgruppe
Das zentrale Entscheidungsgremium der Stadtteilentwicklung war die Lenkungsgruppe. Diese wurde 2000 gegründet und setzte sich aus Menschen aus der Bewohnerschaft, Politik, Verwaltung und wichtigen ortsansässigen Einrichtungen zusammen. Die Stadtteilkonferenzen entsendeten ebenfalls Delegierte. Die Lenkungsgruppe hatte die Entscheidungsbefugnis für die Bewilligung von Projekten mit bis zu 10.000 Euro Fördergeld. Außerdem wurden bei Großprojekten Empfehlungen an die Mitglieder des Stadtrats ausgesprochen (Stadt Aachen 2010:25).
Quartiersmanagement und Stadtteilbüro
Zusätzlich gab es 2,5 finanzierte Stellen zur Unterhaltung von 2 Stadtteilbüros. Die Mitarbeiter übernahmen faktisch die Rolle des Quartiersmanagements, auch wenn diese Bezeichnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht genutzt wurde. Sie luden zu Veranstaltungen ein, organisierten Öffentlichkeitsarbeit, begleiteten Bauprojekte, moderierten die Stadtteilkonferenzen und waren Ansprechpersonen in den Stadtteilbüros und die Schnittstelle zu Verwaltung und Politik.
Von 2000 bis 2008 gab es zwei Stadtteilbüros in Aachen Ost. Eines war in der Elsassstraße im Ostviertel und das andere in der Hüttenstraße in Rothe Erde. Beide waren somit in den jeweiligen Stadtteilen sehr zentral gelegen. 2008 wurde beide aufgelöst und durch ein gemeinsames Stadtteilbüro ersetzt. Dieses ist bis heute in der „Nadelfabrik“, am Rande des Ostviertels untergebracht (Stadt Aachen 2010:58).
Zur Erreichung der Ziele des integrierten Handlungskonzepts standen 16 Mio. Euro an Fördergeldern zur Verfügung. Damit konnten bis 2010 über 400 Projekte realisiert werden. Diese Projekte wurden in die folgenden Kategorien eingeordnet:
– Infrastruktur und Verkehr / Freiraum und Umwelt / Bauen und Wohnen
– Soziales und Gesundheit
– Jugend, Frauen und Familien
– Arbeitsmarkt und lokale Ökonomie
– Bildung, Kultur und Freizeit
– Aktivierende Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit
Da der Gegenstand dieser Untersuchung die Beteiligung im Rahmen der Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ ist, wird dieses Handlungsfeld ausführlich im Kapitel 8 beschrieben und an dieser Stelle ausgeklammert.
Infrastruktur und Verkehr / Freiraum und Umwelt / Bauen und Wohnen
Im Rahmen des Handlungsfelds „Infrastruktur und Verkehr / Freiraum und Umwelt / Bauen und Wohnen“ wurden Verkehrsführungen zur Verringerung der Lärm- und Schadstoffbelastung geändert, Freizeitflächen erstellt, Schulhöfe für Kinder geöffnet oder Parkflächen neugestaltet. Zur Verbesserung des Wohnraums wurde das „Fassadensanierungs- und Begrünungsprogramm“ durchgeführt (Stadt Aachen 2010: 114). Ausgehend von der bearbeiteten Quadratmeter-Zahl kam der Umgestaltung von öffentlichen Plätzen und Grünflächen der höchste Anteil zu, wie die Abbildung zeigt. Die größten Maßnahmen dieses Handlungsfelds waren:
– Schulhofumgestaltung – Schule am Kennedypark
– Umbau Bahnhof Rothe Erde und Umfeld
– Fassadensanierungs- und Begrünungsprogramm in Aachen-Ost
– Barbarastraße – Straßenmaßnahme, Freifläche, Wohnumfeld
– Ausbau Hüttenstraße
– Aufwertung Kennedypark
Arbeitsmarkt und lokale Ökonomie
Dieses Handlungsfeld wurde mit einer Vielzahl von Qualifizierungs- und Eingliederungsmaßnahmen bearbeitet, zur Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Bewohner und Bewohnerinnen von Aachen-Ost. In der Zusammenfassung der Ergebnisse des Programms „Soziale Stadt Aachen-Ost“ ist keine Information darüber zu finden, wie erfolgreich diese Maßnahmen waren (Stadt Aachen 2010: 116). Allerdings zeigen spätere Analysen (s. Abb.), dass die Anzahl von Transferleistungsempfänger:innen sich nur geringfügig verringert hat und dass Aachen-Ost weiterhin eine hohe Konzentration an Armut und Arbeitslosigkeit aufweist (Stadt Aachen 2015: 51f). Der Erfolg dieses Handlungsfeldes kann dementsprechend als gering eingestuft werden.
Restliche Handlungsfelder
Die Handlungsfelder „Soziales und Gesundheit“, „Jugend, Frauen und Familien“ und „Bildung, Kultur und Freizeit“ wurde durch eine Vielzahl an Projekten bearbeitet, deren Beschreibung den Umfang dieses Texts sprengen würde. Es lässt sich jedoch feststellen, dass einige Strukturen fest im Stadtteil etabliert werden konnten. Dazu gehören auf sozialer Ebene die Werkstatt der Kulturen oder das Müttercafé sowie auf kultureller Ebene das Chaos-Theater oder das Multi-Kulti-Fest (Stadt Aachen 2010:115ff).
Entwicklung nach Projektabschluss:
In den letzten zwei Jahren der Programmlaufzeit wurde daran gearbeitet, Arbeitsstrukturen, die als erfolgreich angesehen wurden, zu verstetigen. Akteure und soziale Träger wurden motiviert, die Verantwortung für einige Projekte weiterzutragen. Dazu gehören das in der Programmlaufzeit gegründete Müttercafé, eine Bildungs- und Integrationsagentur mit dem Namen „Werkstatt der Kulturen“ sowie das jährlich im Kennedypark stattfindende „Multikultifest“ (Graf, Kessler-Wirtz, Rösener 2013:5). Des Weiteren fusionierten die Stadtteilkonferenzen aus Aachen-Ost und Rothe Erde, um ihre Ziele weiterhin erreichen zu können. Die Mitglieder haben nach der Fusion ihre Zielsetzung überarbeitet und versucht, sich anschlussfähiger für andere Bewohner des Stadtteils zu machen. Weiterhin wurde im Rahmen der Diskussion um Verstetigung die Verlängerung des Verfügungsfonds sowie ab 2012 des Quartiersmanagements genehmigt. Beides existiert bis heute. Insgesamt wird resümiert, dass viele Projekte, die während der Programmlaufzeit initiiert wurden, fortgesetzt werden konnten. Das Programm hat das Ziel erreicht, ansässige Institutionen und Akteure zu koordinieren, zu vernetzen und Aufgaben auf sie zu übertragen (Graf, Kessler-Wirtz, Rösener 2013:5). Somit entspricht das Ergebnis dem Leitbild des Programms „Soziale Stadt“ vom „aktivierenden Staat“. Es kann also von erfolgreicher Verstetigung gesprochen werden.
8. Beteiligung während der Programmlaufzeit in Aachen-Ost
Im folgenden Abschnitt soll die Beteiligung der Bevölkerung im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ in Aachen-Ost bewertet werden. Zu diesem Zweck wird aufgezeigt, an welchen Entscheidungen, mit welchen Methoden und wie weitreichend die Bevölkerung beteiligt wurde. Die Auswertung basiert auf der Dokumentation der Programmlaufzeit des Programms „Soziale Stadt“. Im Gegensatz zu den Quellen zur Durchführung des Programms „Soziale Stadt“ in Aachen-Nord befinden sich darin bereits Berechnungen und Statistiken zu den einzelnen Handlungsfeldern. Die Bewertung dieser Statistiken bezüglich Beteiligung unterscheidet sich jedoch von der in der Dokumentation genutzten Einordnungsmethode. Während in der Projektdokumentation zu Aachen-Ost auch Maßnahmen als Beteiligung gewertet wurden, die lediglich informativen Charakter hatten oder sich auf Akteur:innen beschränkten, wurden in der vorliegenden Untersuchung nur Veranstaltungen und Maßnahmen miteinbezogen, die den in Kapitel 2 aufgezählten Kriterien für Beteiligung entsprechen..
Die Auswertung nach den hier genutzten Kriterien hat ergeben, dass in den elf Jahren Programmlaufzeit ganze sieben Beteiligungsveranstaltungen oder Maßnahmen dokumentiert wurden.
Die Beteiligungsmaßnahmen
Die sieben Veranstaltungen oder Maßnahmen, die als echte Beteiligung deklariert werden können, gliedern sich in vier Werkstätten, zwei Befragungen und eine Bürgerversammlung.
Sechs dieser Veranstaltungen fanden zwischen 2001 und 2002 statt. Damit wird sichtbar, dass Beteiligung überwiegend zu Beginn der Programmlaufzeit fokussiert wurde. Unter diesen sechs frühen Maßnahmen oder Veranstaltungen sind zwei projektbezogene Befragungen. Die Befragungen beziehen sich auf die Umgestaltung des Wohnumfelds im Bereich der Barbara-Kirche und den Umbau des Bahnhofs Rothe-Erde. Ebenfalls auf den Umbau des Bahnhofs Rothe-Erde bezieht sich eine Planungswerkstatt, die 2002 stattgefunden hat. Die anderen drei dokumentierten Beteiligungsmaßnahmen sind auch Planungswerkstätten. Allerdings war das Ziel dieser Veranstaltungen nicht, ein konkretes Bauprojekt zu diskutieren, sondern verschiedenste Themenschwerpunkte in Arbeitsgruppen zu bearbeiten und Ideen aus der Bevölkerung generell zur Stadtteilentwicklung zu sammeln. Zu den Themen, die dabei diskutiert wurden, gehörten neben Bauprojekten unter anderem „soziale Integration“, „Verkehrssicherheit“, „Handel“, „Gewerbe“ und „Selbsthilfe“. In der Dokumentation der Programmlaufzeit wird beschrieben, dass die Ergebnisse dieser Planungswerkstätten über einen längeren Zeitraum für verschiedene Baumaßnahmen genutzt wurden. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Beteiligung zu Beginn der Programmlaufzeit als repräsentativ für die Wünsche und Ideen aus der Bevölkerung gewertet wurden, ohne die Ergebnisse erneut zu überprüfen und zu diskutieren. Die Bürgerversammlung, die 2007 stattfand, hatte den Zweck, über drei Bauprojekte zu informieren. Den Neubau des Einkaufszentrums „Aachen Arkaden“, den Umbau der Stolberger Straße sowie die Umgestaltung des Bahnhofs Rothe Erde. Insgesamt haben vier der sieben Maßnahmen einen Bezug zu konkreten Baumaßnahmen, während drei Maßnahmen den Charakter einer Ideensammlung tragen. Dabei wurde die Bevölkerung durch diese verschiedenen Maßnahmen an folgenden Baumaßnahmen beteiligt:
– Bahnhof Rothe Erde
– Hüttenstraße und Barbarakirche
– Kennedypark
– Aachen Arkaden
– Stolberger Straße
Eine Diskussion zu sozialen oder kulturellen Entwicklungen im Stadtteil fand lediglich bei den drei Planungswerkstätten 2001 und 2002 statt.
8.1. Auswertung der beteiligungsmaßnahmen
Im folgenden Abschnitt wird die Bewertung der Beteiligungsmaßnahmen ausgewertet. Dies erfolgt anhand der in Kapitel 2 beschriebenen Indikatoren.
Langfristigkeit
Die Auswertung bezüglich der Langfristigkeit der Maßnahmen zeigt sehr deutlich, dass die Beteiligung überwiegend einmalig stattgefunden hat. Nur eine der sieben Maßnahmen fand an mehr als einem Termin statt. 2001 wurde ein Festzelt für eine Woche im Kennedypark aufgebaut und bot über den gesamten Zeitraum die Möglichkeit sich zu beteiligen. Die anderen sechs Beteiligungsmaßnahmen werden in den Quellen als einmalig dargestellt. Zwar stehen die zwei Planungswerkstätten in Bezug zueinander, jedoch liegt ein Jahr zwischen den Veranstaltungen. Es ist deswegen davon auszugehen, dass diese als Einzelveranstaltungen wahrgenommen wurden. Mittelfristige Maßnahmen hat es nicht gegeben. Das geringe Vorkommen von Langfristigkeit zeigt, dass die Organisator:innen der Beteiligungsmaßnahmen keine längerfristige Diskussion ermöglicht haben. Diese Annahme wird dadurch unterstützt, dass die Beteiligungsmaßnahmen überwiegend zeitlich konzentriert in den Jahren 2001 und 2002 stattfanden. Es wurde also nur in einem kurzen Zeitraum, verglichen mit der Gesamtlaufzeit, Beteiligung ermöglicht, die wiederum fast nur punktuell stattfand. Es ist davon auszugehen, dass Bevölkerungsteile die vorher wenig Kontakt mit Beteiligungsmöglichkeiten hatten, dadurch keine Möglichkeit bekamen, sich längerfristig in den Beteiligungsprozess einzufinden.
Zugänglichkeit
Die Zugänglichkeit der Maßnahmen für die Bevölkerung kann bei fünf von sieben (71,5 %) Veranstaltungen als „selbstselektiv“ gewertet werden. Dies gilt für die vier Planungswerkstätten und die Bürgerversammlung. Die gesamte Bevölkerung hätte theoretisch die Möglichkeit gehabt, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. In dieser Hinsicht sticht besonders die Beteiligung im Festzelt im Kennedypark 2001 hervor, da der Ort der Beteiligung ein öffentlicher Treffpunkt und somit auch einem Publikum zugänglich war, das ursprünglich nicht mit der Absicht der Teilnahme zu dem Ort gekommen war. Lediglich die beiden Befragungen (28,5 %) waren zielgruppenspezifisch und fokussierten keine stadtteilweite Beteiligung an der Diskussion. Beide bezogen sich auf konkrete Bauprojekte und wurden im Umfeld der Bauplätze durchgeführt. Wie oben ausgeführt (s. Kapitel 4), kann bei selbstselektiven Veranstaltungen theoretisch eine hohe Repräsentativität verschiedener Bevölkerungsschichten erreicht werden. Wie von der Partizipationsforschung jedoch häufig festgestellt, beteiligen sich in der Praxis überwiegend bildungsaffine Milieus, aber nicht die eigentlich Betroffenen. Das Quartiersmanagement in Aachen-Ost hat also zur Beteiligung häufiger einen Ansatz gewählt, der eine Repräsentativität der Teilnehmenden erschwert. Besonders bezüglich der drei selbstselektiven Beteiligungsformate, die nach der Stadtteilwerkstatt im Kennedypark 2001 stattfanden, müsste einerseits untersucht werden, ob im Vorfeld der Veranstaltungen ausreichend Maßnahmen ergriffen wurden, um alle Bevölkerungsteile anzusprechen, die für eine repräsentative Zusammensetzung der Teilnehmenden nötig gewesen wären. Andererseits müsste untersucht werden, ob diese Vorbereitungen tatsächlich zu einer repräsentativen Zusammensetzung geführt haben, besonders da Aachen-Ost eine sehr heterogene Bevölkerung und somit viele verschiedene Zielgruppen beherbergt. In den Quellen sind jedoch kaum Angaben zur Vorbereitung oder der Zusammensetzung der Teilnehmenden zu finden. Lediglich zur Bürger:innenversammlung 2007 wurde festgehalten, dass die meisten der 80 Teilnehmenden „60 Jahre und älter“ waren (Rösener 2008: 34). Eine repräsentative Zusammensetzung der Teilnehmenden ist also in einem der vier Fälle selbstselektiver Beteiligungsveranstaltungen nicht gegeben.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Quartiersmanagement überwiegend Methoden der Beteiligung gewählt hat, die zwar allen zugänglich sind, aber laut der Partizipationsforschung eine eindeutige Repräsentativität der Teilnehmenden erschweren. Belege dafür, dass die Hürden, die eine Teilnahme erschweren, abgebaut wurden gibt es nicht. Gezielte Auswahl von Zielgruppen erfolgte nur in 28,5 % der Fälle. Es muss also davon ausgegangen werden, dass weder durch gezielte Auswahl noch durch umfangreiche Werbung der Pluralität der Bevölkerung gerecht werden konnte, beziehungsweise, dass alle Zielgruppen erreicht wurden.
Stufe der Beteiligung
Die Einordnung der verschiedenen Maßnahmen nach dem Stufenmodell der Partizipation hat gezeigt, dass das Quartiersmanagement in Aachen bei der Mehrzahl der Maßnahmen eine partnerschaftliche Diskussion ermöglicht hat. Bei allen vier Planungswerkstätten 2001 und 2002 wurde ein Format gewählt, das theoretisch die Mitentscheidung von Teilnehmenden aus der Bevölkerung ermöglicht. In welchem Maß dies tatsächlich passiert ist, lässt sich aufgrund mangelnder Quellen nicht bewerten. Es konnte ebenfalls keine Quelle dafür gefunden werden, dass konkrete Entscheidungen, die bei diesen Planungswerkstätten ausdiskutiert wurden, später umgesetzt wurden. Lediglich bezüglich der Umgestaltung des Kennedyparks wird erwähnt, dass die Ergebnisse in spätere Entscheidungsfindungen einbezogen wurden. Dass bei den zwei Planungswerkstätten im Kennedypark und im Geschwister-Scholl-Gymnasium neben Bauprojekten auch kulturelle und soziale Themen diskutiert wurden, bestärkt den Eindruck, dass es sich um Veranstaltungen handelte, bei denen die Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmenden abgefragt und besprochen wurden. Sie sind somit als Maßnahmen der zweiten Stufe einzuordnen. Da die Teilhabe an den Entscheidungen jedoch theoretisch gegeben war und nicht ausgeschlossen werden kann, dass das auch stattgefunden hat, ist die Einordnung als Maßnahmen der dritten Stufe näherliegend. Für die Planungswerkstatt 2001 im Festzelt im Kennedypark wurden neben Maßnahmen, die der Abfrage von Wünschen, Ideen oder Bedürfnissen dienten, auch projektbezogene Beteiligung in Arbeitskreisen beschrieben. Da die Arbeitskreise theoretisch eine gemeinschaftliche Entscheidungsfindung ermöglichen und das Quartiersmanagement vor Ort für Diskussionen präsent war, wurde die Veranstaltung als dritte Stufe eingeordnet. Lediglich bei der Planungswerkstatt zum Bahnhof Rothe Erde ist die Einordnung eindeutig, da es sich um ein konkretes Projekt handelte, dessen Ausgestaltung zur Debatte stand. Damit ist es die einzige Beteiligungsmaßnahme, innerhalb derer eine Diskussion mit Fokus auf ein einzelnes Bauprojekt stattfand.
Die Einordnung der anderen Maßnahmen ist eindeutig. Da Befragungen punktuelle Abfragen von Wünschen, Ideen oder Bedürfnissen sind, ist eine gemeinschaftliche Diskussion über Ergebnisse ausgeschlossen. Dementsprechend werden die beiden Befragungen der zweiten Stufe zugerechnet. Der Zweck der Bürgerversammlung 2007 wurde als rein informativ beschrieben, weswegen die Veranstaltung der ersten Stufe zuzurechnen ist. Insgesamt gab es vier Maßnahmen der dritten Stufe (57 %), zwei Maßnahmen der zweiten Stufe (29 %) und eine Maßnahme der ersten Stufe (14 %). Drei der sieben Maßnahmen ermöglichten keine Teilhabe an Entscheidungsfindungen, sondern dienten lediglich der Abfrage und Sammlung von Meinungen oder zur Information der Bevölkerung. Vier Maßnahmen hatten das Potenzial, dass Teilnehmende aus der Bevölkerung konkrete Entscheidungen mitdiskutieren und aushandeln. Eine Delegation der Entscheidung an die Bevölkerung, also eine Beteiligung der vierten Stufe hat nicht stattgefunden. Die Entscheidungsgewalt wurde immer bei entscheidungstragenden Institutionen belassen.
8.2. Gesamtbetrachtung der Auswertung
Die Bewertung der sieben Beteiligungsmaßnahmen hat gezeigt:
– Beteiligung fand mit einer Ausnahme ausschließlich in den Jahren 2001 und 2002 statt
– Beteiligung wurde in 85 % der Fälle nur einmalig ermöglicht
– Bei der Wahl der Methode wurde in 71,5 % der Fälle eine selbstselektive Zusammensetzung der Teilnehmenden gewählt
– Es gibt keine Belege für spezielle Bemühungen,die Repräsentativität der Teilnehmenden bei selbstselektiven Beteiligungsformaten zu verbessern
– Die Entscheidungsgewalt wurde immer bei entscheidungstragenden Institutionen belassen
– Nur bei 57 % der Fälle wurde der Bevölkerung ermöglicht, bei Entscheidungsfindungen mitzudiskutieren.
Diese Gesamtbetrachtung zeigt, dass der Bevölkerung während der Programmlaufzeit nur während eines Zeitraums von zwei Jahren die Möglichkeit gegeben wurde, punktuell an Entscheidungen teilzuhaben. Die Feststellungen der Partizipationsforschung, dass Beteiligung besonders bei Gruppen ohne Beteiligungserfahrung Zeit braucht, um die Methoden zu erlernen, wurden bei der Auswahl der Beteiligungsmethoden also nicht berücksichtigt. Weiterhin ist zu erkennen, dass die gewählten Beteiligungsmethoden laut der Partizipationsforschung überwiegend bildungsaffine Milieus ansprechen. Die wenigen vorhandenen Beschreibungen von Veranstaltungen bestätigen diese Erkenntnis im Falle einer Beteiligungsveranstaltung. Im Gegensatz dazu gibt es keine Belege dafür, dass sich das Quartiersmanagement darum bemüht hat, eine Überrepräsentativität dieses Milieus durch inklusive Maßnahmen wie flächendeckende, mehrsprachige Einladungen oder der Präsenz von Übersetzern, zu verhindern. Besonders da Aachen-Ost als sehr heterogener Stadtteil beschrieben wird, zeigt dieses Ergebnis, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein repräsentativer Anteil der Bevölkerung mit den gewählten Methoden erreicht werden konnte. Diejenigen, die an den Beteiligungsmaßnahmen teilnahmen, konnten bei keinem der Projekte eine Entscheidung treffen. Bei 43 % der Maßnahmen bestand die Beteiligung in der Erfassung der Bedürfnisse und Wünsche der Anwesenden und in 57 % der Fälle konnte die Entscheidung gemeinsam diskutiert werden. Verbindliche Absprachen gab es jedoch formal keine, die Entscheidungen verblieben in der Hand der Institutionen.
Bezüglich der Qualitätsansprüche an Beteiligungsverfahren (Nanz, Fritsche 2012: 23ff) muss dementsprechend ein negatives Fazit gezogen werden. Es wurde nur wenig Zeit eingeräumt,
sich einzufinden und Beteiligung zu erlernen. Die Hürden zur Beteiligung war bei den gewählten Methoden für Milieus ohne Beteiligungserfahrung hoch und Möglichkeiten zur Reduzierung der Hürden wurden nicht wahrgenommen. In keinem Fall wurde die Entscheidungsgewalt an die Bevölkerung delegiert. Hinzu kommt, dass der Umfang der Beteiligung extrem gering war. Sieben Maßnahmen zur Beteiligung bei insgesamt 400 durchgeführten Maßnahmen im Rahmen des Programms zeigt, dass Beteiligung keinen hohen Stellenwert in der Programmumsetzung von „Soziale Stadt Aachen-Ost“ besaß. Diese Erkenntnis wird durch die Ergebnisse der offiziellen Evaluation der Programmlaufzeit bestätigt. Trotz unterschiedlicher Kategorisierung steht das Handlungsfeld der Beteiligung bezüglich der Anzahl der Projekte an zweitletzter Stelle. Außerdem ist es das Handlungsfeld, in das am wenigsten Geld investiert wurde, was laut Partizipationsforschung ein wichtiges Indiz dafür ist, dass der Aufwand zur Umsetzung der Beteiligung nur gering war (Nanz, Fritsche 2012: 23ff).
Im Fazit der offiziellen Evaluation der Programmlaufzeit wird die Beteiligung unter dem Titel „Aktivierende Bürgerbeteiligung“ wie folgt resümiert (Stadt Aachen 2010: 113):
„Bereits vor der Stadtteilerneuerung waren in Aachen-Ost und Rothe Erde verschiedene Personen und Gruppen tätig, die sich vor Ort für das soziale Miteinander und für die Interessen der BewohnerInnen einsetzten. Diese AkteurInnen galt es in die projektierten Maßnahmen einzubinden, da die aktive Beteiligung von Bürger:innen in hohem Maße mit entscheidend für den Erfolg eines Projektes war.“
Die Formulierung bezieht sich lediglich auf die Beteiligung von bereits eingebundenen Akteuren. Wie die Ergebnisse der Auswertung zeigt dieses Zitat, dass die Beteiligung der Bevölkerung keinen hohen Stellenwert genoss und dementsprechend nur ein geringer finanzieller und zeitlicher Aufwand betrieben wurde.
9. Aachen-Nord
Aachen Nord ist der zweite Stadtteil, in dem das Programm „Soziale Stadt“ durchgeführt wird. Das Programmgebiet befindet sich im nordöstlichen Bereich des Stadtbezirks Aachen-Mitte und grenzt direkt an Aachen-Ost. Das Gebiet umfasst die drei Bereiche „Rehmviertel“, „Jülicher Straße“ und „Gut Kalkofen“. Zu Beginn des Programms existierten in diesen Gebieten unterschiedlichste Probleme, wie Armut, Arbeitslosigkeit, fehlende Aufenthaltsmöglichkeiten oder Verkehrsbelastung. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, wurde Aachen-Nord 2009 in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen (Stadt Aachen 2009:6ff). Das Programm läuft voraussichtlich bis 2021.
9.1. Das Programmgebiet
Aachen Nord setzt sich aus mehreren, sehr unterschiedlichen Teilräumen zusammen. Insgesamt umfasst das Gebiet 300 ha und hat 15.500 Einwohner.
Dieses Gebiet wird in drei große Teilräume unterteilt.
a. „Gut Kalkofen“ befindet sich im Süd-Osten und umfasst das Wohngebäude „Gut Kalkofen“ sowie private Grünfläche. Die Fläche ist als Frischluftschneise durch den Landschaftsplan der Stadt Aachen geschützt. Zur „Jülicher Straße“ hin, wird das Gebiet von dem Bach „Wurm“ begrenzt. Parallel zum Bach verläuft ein Wander-Rad-Weg, der eine Verbindung zum Landschaftsraum Soers bietet (Stadt Aachen 2014:8).
b. Das „Rehmviertel“ grenzt direkt an die Innenstadt und ist ein Gründerzeitviertel mit einer hohen Wohnkonzentration sowie vielerorts Nutzmischung. Es ist in den 1860er-Jahren als Arbeiterwohnstandort entstanden. Heute setzt sich die Bebauung aus Arbeiterwohnungen der 1920er/1930er Jahre und Gründerzeitbebauung zusammen. Als Zentren des Viertels gelten die Plätze Rehm- und Ungarnplatz (Stadt Aachen 2014:7). Als Naherholungsflächen gelten lediglich der Ostfriedhof und der Stadtgarten.
c. Im Bereich „Jülicher Straße“ finden sich großflächige Gewerbe- und Industrieansiedelungen, Kultureinrichtungen und sehr unterschiedliche Wohnverhältnisse. In einigen Bereichen dominiert die Nachkriegsbebauung, während an anderen Stellen Werkswohnungen der Industriebetriebe das Bild prägen. Die industrielle Nutzung des Gebiets begann in den 1840er Jahren und befindet sich in den letzten Jahrzehnten in einem stetigen Wandel. Werksschließungen, Wirtschaftskrise und Strukturwandel haben für einen Fortzug von großen Industrieunternehmen gesorgt. Allerdings siedeln sich bereits neue Betriebe aus dem Dienstleistungsbereich oder der Kreativwirtschaft dort an (Stadt Aachen 2014:7). Das prägendste Element des Gebiets ist jedoch die Jülicher Straße. Sie führt von der Innenstadt quer durch Aachen-Nord bis nach Haaren im Osten. Die gute Erreichbarkeit trägt dazu bei, dass sich Gewerbe sowie kulturelle und soziale Einrichtungen entlang der Straße ansiedeln. Auf der Höhe des Blücherplatzes ist sie die Zufahrt zur Innenstadt für alle, die über die Autobahn am Europaplatz kommen. Dadurch hat Aachen-Nord die Funktion als „Eingangstor“ nach Aachen. Entsprechend hoch sind dort die Verkehrsbelastung und Luftverschmutzung.. Grünflächen finden sich im Garten des Museums „Ludwig Forum“, im Stadtpark oder entlang der Wurm im Bereich des „Gut Kalkofen“ (Stadt Aachen 2014:7f).
In allen drei Gebieten findet sich eine flächendeckende Versorgung mit sozialen und kulturellen Einrichtungen. Dazu zählen große Einrichtungen wie das Museum „Ludwig Forum“ oder die Musikschule sowie viele kleinere Angebote, wie das „DASDA“ Theater oder aus den Bereichen Jugendarbeit, Sozialarbeit, Freizeit und Sport oder Migrantenselbstorganisationen (Stadt Aachen 2009: 7).
Als ehemaliger Arbeiterstadtteil war Aachen-Nord immer ein Wohnort für mittlere und untere Einkommensklassen. Dies hat sich in den meisten Bereichen erhalten. Der Anteil an Sozialwohnungen ist mit 20 % 4 % höher als der Durchschnitt in Aachen. Trotzdem sind Wohnungsunternehmen wie die städtische GEWOGE nur in einzelnen Bereichen vertreten. Allgemein ist Aachen-Nord durch eine kleinteilige Eigentümerstruktur geprägt (Stadt Aachen 2009: 7).
Zusammengefasst ergeben sich folgende Charakteristika für Aachen Nord (Stadt Aachen 2009: 8):
– Tor zur Innenstadt: Europaplatz, Blücherplatz
– Industrietradition & -innovation: Zentis, Bombardier/Talbot, Alter Schlachthof &
– Krantz-Center, Gewerbegebiet Grüner Weg, Technologiezentrum
– Wohntradition: Gründerzeit-Viertel, Werkswohnungsbau, Nachkriegsbebauung,
– bezahlbarer Wohnraum
– Kunst & Kultur: Ludwig Forum, Musikschule, Theater DAS DA, MU’FAB
– Freizeit & Erholung: Kurgarten, Carolus-Thermen, Ostfriedhof, Wurmbach
– Geschichte: Rittergut Kalkofen
9.2. Die Bevölkerungsstruktur
2007 lebten mit 15.500 Menschen circa 6 % der Aachener Bevölkerung in Aachen-Nord. Während die Bevölkerungszahlen zwischen 2002 und 2005 gefallen sind, steigen sie seit 2007 wieder an. Von den Einwohnern leben 60 % in 1-Personen-Haushalten. Dies ist im Vergleich zum Rest der Stadt (54 %) sehr viel. Besonders konzentriert finden sich die 1-Personen-Haushalte im Rehmviertel, während zwischen Europaplatz und Ungarnplatz in circa 30 % der Haushalte 3 oder mehr Personen leben (Stadt Aachen 2009:23).
Bezüglich des Alters ergeben sich ebenfalls Besonderheiten im Vergleich zum Rest der Stadt. Die Altersgruppen mit 0-5 Jahren und derjenigen zwischen 18 und 29 Jahre sind stärker vertreten als im Rest Aachens. Der Anteil der über 64.jährigen ist jedoch geringer als in der Gesamtstadt (Stadt Aachen 2009:23).
Jeder vierte Einwohner von Aachen-Nord ist nicht im Besitz eines deutschen Passes. Dazu kommen viele Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits eingebürgert wurden. Besonders viele Menschen ohne deutschen Pass wohnen zwischen Jülicher Straße (32 %) und der Wurm, sowie im Rehmviertel (29 %). Die häufigsten vorkommenden Nationalitäten sind die Türkei (30 %) und das ehemalige Jugoslawien (ca. 10 %) (Stadt Aachen 2009:23).
In Aachen-Nord sind besonders viele Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Während die Quote in der Gesamtstadt bei 7,5 % liegt, sind es in Aachen Nord 14 %. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist mit 8 % ebenfalls doppelt so hoch wie im Rest von Aachen. Daraus ergeben sich weitere Problemlagen, wie Kinderarmut. Die Belege für diese Problemlagen lassen sich unter anderem in Kitas feststellen. Fast alle Kitas haben einen hohen Anteil an Eltern mit Hatz4-Bezug, Kinder mit mangelnder Ernährung sowie erhöhtem Förderbedarf. Bis auf das westliche Rehmviertel finden sich in allen Teilbereichen Aachen-Nords eine hohe Anzahl an SGB-2-Bedarfsgemeinschaften (Stadt Aachen 2009:24).
Zusammengefasst ergeben sich diese Merkmale (Stadt Aachen 2009:22):
– Die Bevölkerungsverluste in Aachen-Nord liegen auf gesamtstädtischem Niveau.
– Jeder vierte Bewohner hat keinen deutschen Pass (in der Gesamtstadt jeder Siebte).
– In Aachen-Nord wohnen überdurchschnittlich viele Vorschulkinder.
– Die Altersgruppe der 6- bis 17-Jährigen ist in Aachen-Nord geringer vertreten, die Gruppe der 18- bis 29-Jährigen deutlich stärker.
– In Aachen-Nord ist der Anteil der Bewohner im Rentenalter deutlich niedriger als im Gesamtstadt-Durchschnitt.
– In über 60 % der Haushalte wohnt nur eine Person.
– Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt deutlich über dem Durchschnitt.
– Der Anteil der Arbeitslosen und der Langzeitarbeitslosen ist doppelt so hoch wie in Aachen insgesamt.
– Überdurchschnittlich viele Bewohner erhalten Leistungen nach SGB II und Wohngeld bzw. haben einen Wohnberechtigungsschein.
Diese Gemengenlage aus sozialen Problemen, geringer Lebensqualität und Umweltbelastung prädestinierte Aachen-Nord für das Programm „Soziale Stadt“.
9.3. Die Durchführung des Programms „Soziale Stadt“
2009 wurde Aachen-Nord in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen. Bereits 2008 wurde dafür ein integriertes Handlungskonzept erstellt. Darin wurden sehr ausführlich Leitlinien, Handlungsfelder und verschiedene Teilräume des Gebiets definiert.
Die Leitlinien stellen die Ziele des Projekts dar und dienen als Orientierung für die Projektlaufzeit. Die drei Leitlinien sind (Stadt Aachen 2009:31):
a. Aachen-Nord in neues Licht setzen
Diese Leitlinie steht für das Ziel, das Image von Aachen- Nord des „Sozialen Brennpunkts“ zum Positiven zu verändern. Dies soll durch Öffentlichkeitsarbeit sowie außerhalb als auch innerhalb des Stadtteils geschehen. Einerseits um Bewohnern zu zeigen, welche Möglichkeiten ihr Umfeld bietet und andererseits, um Außenstehenden die Qualitäten von Aachen-Nord aufzuzeigen.
b. Bildung und Arbeit im Rampenlicht
Hinter dieser Leitlinie steht das Ziel, der hohen Armutsquote und den dadurch entstehenden ausgrenzenden Effekten durch Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie der Stärkung lokaler Ökonomie entgegenzuwirken.
c. Energie und Raum für Veränderungen
Mit dieser Leitlinie wird die Bestrebung festgehalten, verschiedene Bereiche des öffentlichen Raums aufzuwerten. Seien es Spielplätze, Schulhöfe, Wohnräume oder Verkehrsachsen. Dabei soll die Leitlinie betonen, dass bei all diesen Maßnahmen der Klimawandel berücksichtigt werden soll. Es soll energiesparend und energieeffizient gebaut werden.
Aus diesen Zielsetzungen ergeben sich fünf verschiedene Handlungsfelder und die darin eingebetteten Handlungsstrategien. Diese fünf Handlungsfelder sind:
Handlungsfeld „Zusammenleben im Quartier/Bildung/Integration“
Dieses Handlungsfeld umfasst Maßnahmen, zur Stärkung des Zusammenlebens der Bevölkerung und ihrer Beteiligung an der Planung und Umsetzung von Projekten. Einige Strategien dafür sind (Stadt Aachen 2009:36):
– Förderung außerschulischer Lernorte im Zusammenhang mit konkreten beteiligungsorientierten Stadterneuerungsmaßnahmen (Grünflächengestaltung)
– Angebote zielgruppenorientierter Beratung, Bildung und Beteiligung
– Eltern-Kind-Angebote
Handlungsfeld „Öffentlicher Raum und Plätze“
Viele öffentliche Plätze, Grünflächen oder Freizeitanlagen waren zu dieser Zeit nicht attraktiv und dementsprechend wenig genutzt. Deswegen wurde das Ziel gesetzt, diese Räume aufzuwerten und zugänglich zu machen. Einige Strategien dafür sind (Stadt Aachen 2009:36):
– Treffpunkte schaffen, die Aufenthalts- und Nutzungsqualitäten für alle Generationen und Kulturen bieten
– Zugänge zu den großen und kleinen Grünflächen verbessern,sowohl im Stadtteil als auch in benachbarten Stadtteilen
– die Entwicklung und Umsetzung von Pflege-, Betriebs- und Kümmererkonzepten, damit die Freiräume ihre Qualität behalten.
Handlungsfeld „Wohnen und Wohnumfeld“
Das Ziel dieses Handlungsfelds lautet: „Das lokale Wohnungsangebot entsprechend den Anforderungen des demografischen Wandels zielgruppenorientiert weiterzuentwickeln (Stadt Aachen 2009:36).“ Da in Aachen-Nord viele Menschen wohnen, die sich die hohen Mieten in anderen Stadtteilen nicht leisten können, besteht in diesem Handlungsfeld ein Fokus darauf, dass Verdrängungseffekte zu vermeiden. Einige Strategien dafür sind (Stadt Aachen 2009:37):
– integrierte Sanierung (ökologisch (insbesondere energetische Sanierung und Baumaterialien), Barrierefreiheit, Grundrisse, gestalterische Aufwertung)
– behutsame, bedarfsorientierte Modernisierung zur Vermeidung tiefgreifender Verdrängungsprozesse
– Aachen-Nord als Wohnstandort für alte und neue Zielgruppen attraktiveren: Singles und Paare (Studenten, Starterhaushalte, Senioren), Familien mit Kindern, preiswerter Wohnraum, neue Wohnformen
Handlungsfeld „Aachens Eingangstor und Mobilität für die Bewohner“
In diesem Handlungsfeld wird die Funktion von Aachen-Nord als Eingangstor nach Aachen fokussiert. Diese bietet die Chance mehr Aufmerksamkeit auf den Stadtteil zu ziehen. Gleichzeitig bringt das hohe Verkehrsaufkommen eine Belastung für Anwohner mit sich. Strategien, um sich dieser Situation anzunehmen sind (Stadt Aachen 2009:37):
– Erscheinungsbild der Einfallstraßen und der Eingangssituation als gebietsprägende Räume attraktivieren – sowohl durch temporäre Aktionen als auch durch dauerhafte Maßnahmen
– Mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer – Nahmobilität und Aufenthaltsqualität in Straßenräumen verbessern und Zugang zum ÖPNV optimieren
Handlungsfeld „Arbeiten im Quartier/Lokale Ökonomie“
Hierbei geht es darum, die wirtschaftliche Situation des Stadtteils zu verbessern und damit den Bewohnern bessere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Einige Strategien dafür sind (Stadt Aachen 2009:36):
– Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration – v.a. für die Zielgruppen Langzeitarbeitslose und Jugendliche mit Migrationshintergrund
– synergetische Nutzung von Beschäftigungsmaßnahmen und -projekten zur Verbesserung des Erscheinungsbildes des Viertels
– Erschließung neuer Nutzungsmöglichkeiten für Industriebrachen und Leerstände v.a. entlang der Jülicher Straße
–
– Um diese Handlungsfelder den örtlichen Gegebenheiten anzupassen, wurde das Gebiet von Aachen-Nord in sieben Teilräume unterteilt, wie Abbildung 14 zeigt.
Im Gebiet „Gut Kalkofen“ sollen die Grünflächen begehbar und somit für den Stadtteil nutzbar gemacht werden. In den Gebieten „Zwischen altem Schlachthof und Nordbahnhof“ und „Gewerbering Aachen-Nord“ ist die Zielsetzung darauf fokussiert, durch punktuelle Maßnahmen die wirtschaftliche Entwicklung abzusichern. In den restlichen Teilräumen kommt der integrierte Handlungsansatz zum Tragen. Besonders die Bereiche „zwischen Rehmplatz, Blücherplatz und Hohenzollernplatz (Rehmviertel)“ sowie „zwischen Wurm und Jülicher Straße“ haben dabei Priorität bekommen (Stadt Aachen 2009: 40).
Zusätzlich zu diesen räumlich ausdifferenzierten Handlungsstrategien wurden teilraumübergreifende Projektansätze definiert. Dabei handelt es sich um folgende Ansätze:
– Vertiefungskonzept Kunst und Kultur
– Erneuerung der Wohnungsbestände
– Stärkung der lokalen Ökonomie
– Beschäftigung und Qualifizierung
– Sozialintegrative Maßnahmen
Diese Ansätze wurden sehr detailliert ausgearbeitet. Ihren Inhalt wiederzugeben würde den Rahmen dieser Untersuchung überschreiten.
Zur Umsetzung all dieser Handlungsstrategien und Ziele wurde im integrierten Handlungskonzept eine komplexe Arbeitsstruktur vorgeschlagen. Diese sollte aus folgenden Arbeitsgruppen bestehen (Stadt Aachen 2009:102):
– Projektleitung Aachen-Nord
– die Einrichtung eines Stadtteilbüros: Koordination und Vor-Ort-Präsenz
– Verwaltungsinterne Arbeitsgruppe (VAG)
– Lenkungsgruppe (LG) und Intern-Externe Arbeitsgruppe (InEx-AG)
– Rat und Ausschüsse
Mit diesen Vorgaben wurde das Programm seit 2009 in Aachen-Nord durchgeführt. Das voraussichtliche Ende ist auf 2021 festgelegt worden. Eine erste, umfassende Zusammenfassung der Ergebnisse wurde 2014 vorgelegt, da für den Rest der Programmlaufzeit ein überarbeitetes, integriertes Handlungskonzept notwendig war.
In der Zwischenbilanz wird gezeigt, dass die Arbeitsstruktur dem Handlungskonzept entsprechend etabliert werden konnte. Es konnte eine Stadtteilkonferenz, eine Lenkungsgruppe, eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe und verschiedene Arbeitskreise aufgebaut werden. Die Stadtteilkonferenz besteht aus Vertretern der Arbeitskreise Rehmviertel und Liebigstraße, des Stadtteilbüros sowie Vertretern verschiedener Themenschwerpunkte. In der Konferenz werden stadtteilrelevante Themen diskutiert und eigene Projekte initiiert. Die Lenkungsgruppe ist für die Fortschreibung des integrierten Handlungskonzepts verantwortlich und spricht Empfehlungen an die Stadtverwaltung aus. Zusätzlich entscheidet die Lenkungsgruppe über die Vergabe des Verfügungsfonds (Stadtteilbüro Aachen Nord 2014:15f). Die Arbeitskreise sollen Anliegen von Anwohnern und sonstige relevante Themen diskutieren, je nach Zuordnung des Arbeitsthemas. 2014 existierten lediglich zwei Arbeitskreise. Über die Jahre wurden sie jedoch erweitert. Heute zählen dazu (Stadtteilbüro Aachen Nord 2016:18):
– AK Rehmviertel
– der AK Liebigstraße
– der AK Kind und GREMIENSTRUKTUR Familie
– das Seniorennetzwerk
– das Netzwerk Jugend
Mit dieser Arbeitsstruktur wurden bis 2014 viele Projekte aus dem integrierten Handlungskonzept umgesetzt. Die größten Projekte in dieser Zeit waren (Stadt Aachen 2014:12ff):
– Stadtteilzentrum DEPOT: 2011 wurde damit begonnen, den Umbau des ehemaligen Straßenbahndepots zu einem Stadtteilzentrum zu planen. Gemeinsam mit potenziellen Nutzern und Akteuren aus dem Stadtteil wurde ein Konzept erstellt, das mit einem Gesamtbudget von 9,4 Millionen Euro umgesetzt wird.
– Rehmplatz, Oberplatz und Wenzelplatz: Die größten Projekte im öffentlichen Raum war die Umgestaltung der drei Plätze. Für jeden der Plätze wurde in einem aufwendigen Verfahren ein Konzept erstellt, dass sich an den Bedürfnissen der umliegenden Anwohner orientieren soll. Sie wurden im Mai 2015 eröffnet (Stadtteilbüro Aachen Nord 2016:50).
– Spielorte: Um die Attraktivität zu steigern wurden bis 2014 vier Spielplätze aufgewertet.
– Spielplatz Wiesental
– Schulhof Martin-Luther-King-Schule
– Spielplatz Talbotstraße
– Spiellinie Stadtgarten – Ludwig Forum
– Park Ludwig Forum: Um für Besucher und Anwohner eine neue Fläche zu bieten, wurde der Park des Museums „Ludwig Forum“ attraktiver gestaltet und mit Aktionen beworben.
– Öffentlichkeitsarbeit und Partizipation: Um mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf die Veränderung im Stadtteil zu lenken, wurde ein Logo erstellt, Sonderseiten im Stadtteilmagazin gestaltet oder 2012 eine Demonstration abgehalten. Damit sollten die Anwohner:innen aktiviert werden, sich am Veränderungsprozess zu beteiligen.
– Stadtteilbüro: 2012 zog das Team des Quartiermanagements in das erste Stadtteilbüro am Rehmplatz. Die Aufgabenstellung unterscheidet sich nicht von dem herkömmlichen Verständnis der Arbeit eines Stadtteilbüros.
Zusätzlich zu diesen Projekten wurden eine Vielzahl an kleineren Projekten durchgeführt. Diese wurden in die Themenbereiche „Stadtteilleben und Stadtteilkultur“, „Partizipation sowie gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe“ und „Soziokulturelle Projekte und Gestaltung des öffentlichen Raumes“ gegliedert. Es wurden also bereits in der ersten Hälfte der Programmlaufzeit mehrere Handlungsfelder des integrativen Handlungskonzepts bearbeitet. In der Zeit 2014 bis 2020 wurden die restlichen Projekte bearbeitet.
Das Leuchtturmprojekt DEPOT wurde 2017 offiziell eröffnet. Bereits im Dezember 2016 zog das Stadtteilbüro vom Rehmplatz in die neuen Räumlichkeiten im DEPOT (Stadtteilbüro Aachen Nord 2016:14). Ebenfalls 2016 wurde ein zweites Stadtteilbüro eröffnet, das Café Tabitas. Dies befindet sich im Bereich der Feld- und Liebigstraße. Grund dafür war, dass dieser Bereich bis 2021 stärker fokussiert werden sollte (Stadtteilbüro Aachen Nord 2016:13). Projekte, die unter diesem Fokus umgesetzt wurden, sind:
– Umgestaltung und Namensfindung für den heutigen „Martinsplatz“
– Umgestaltung des Bereiches um den Abenteuerspielplatz „Kirschbäumchen“
– Umgestaltung und Renovierung der Wohnsiedlung „Talbothöfe“
Diese Maßnahmen wurden von einem vielfältigen Programm umrahmt, bestehend aus Straßenfesten, Gesprächsmöglichkeiten oder anderen sozial-integrativen Maßnahmen.
Weitere, größere Projekte waren die Neugestaltung des Schulhofs der Hugo-Junkers-Realschule und der Hauptschule Aretzstraße, sowie die Gestaltung der Tal-, Scheiben- und Jülicher Straße. Die ersten Maßnahmen zur Umgestaltung der Straßen wurde bereits 2017 getätigt. Die Umsetzung erfolgte erst im Jahr 2020. Programme wie das Programm zur Wohnumfeldverbesserung oder zur Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung sowie die Öffentlichkeitsarbeit wurden kontinuierlich fortgesetzt.
Im Jahr 2020 befindet sich das Programm „Soziale Stadt“ in der Endphase. In dieser Zeit soll neben abschließenden Maßnahmen eine Zusammenfassung der Programmlaufzeit und eine Evaluation erstellt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass während der Programmlaufzeit viele bauliche und soziale Projekte durchgeführt wurden, die das Aussehen des Stadtteils deutlich verändert haben. Im folgenden Kapitel soll untersucht werden, in welchem Umfang die Bevölkerung an diesem Prozess beteiligt wurde.
10. Beteiligung während der Programmlaufzeit in Aachen-Nord
Im folgenden Abschnitt soll die Beteiligung der Bevölkerung im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ in Aachen-Nord bewertet werden. Zu diesem Zweck wird aufgezeigt an welchen Entscheidungen, mit welchen Methoden und wie weitreichend die Bevölkerung beteiligt wurde. Die Auswertung basiert auf den Jahresberichten des Quartiersmanagements sowie den Stadtteilseiten im Viertelmagazin „Aachen Nord“. Während in den Quellen zur Programmlaufzeit in Aachen-Nord Maßnahmen als Beteiligung bewertet wurden, die lediglich einen informativen Charakter haben oder sich auf Akteur:innenbeteiligung beziehen, wurden in dieser Auswertung ausschließlich Veranstaltungen und Maßnahmen miteinbezogen die den Kriterien für Beteiligung entsprechen, die in Kapitel 2 aufgezählt wurden. Das Programm wird zwar seit 2009 durchgeführt, jedoch liegen erst ab 2012 Jahresberichte vor. Aufgrund dieser fehlenden Quellen wird nur die Zeit zwischen 2012 und 2019 untersucht. Die Auswertung der Quellen zu diesem Zeitabschnitt hat ergeben, dass darin 39 Beteiligungsmaßnahmen dokumentiert wurden. Allerdings gibt es im Gegensatz zur Dokumentation der Programmlaufzeit in Aachen-Ost keine Gesamtzahlen über durchgeführte Projekten oder verausgabte Kosten. Deswegen muss sich auf die Analyse und den Vergleich anhand der gegebenen Indikatoren beschränkt werden.
10.1. Die Beteiligungsmaßnahmen
Die 39 Beteiligungsmaßnahmen verteilen sich über die gesamten sieben Jahre. Die folgende Aufzählung beinhaltet alle Projekte, bei denen das Quartiersmanagement Beteiligung ermöglicht hat:
– Gestaltung des Rehmplatzes,Oberplatzes und Wenzelplatzes
– Grünfläche/ Spielplatz Wiesental
– Depot
– Stadtteilkonferenz
– Gebäudesanierung
– Quartiersentwicklung Feld-/Liebigstraße
– Umgestaltung der Talstraße und der Scheibenstraße
– Umgestaltung der Jülicher Straße
– Umgestaltung Schulhof Hugo-Junkers-Realschule
– Umgestaltung Schulhof Hauptschule Aretzstraße
– Umgestaltung Talbothöfe / Burgrafenstraße
– Umgestaltung Kirschbäumchen/ Sportplätze
– Umgestaltung Spielplatz Sigmundstraße
Um bei all diesen Projekten Beteiligung zu ermöglichen wurden vielfältige Methoden genutzt. Insgesamt konnten 12 verschiedene Methoden festgestellt werden (siehe Abbildung).
Insgesamt wurden acht Befragungen durchgeführt. Häufig waren diese Befragungen konkret an die Nutzer:innen des Ortes gerichtet, wie zum Beispiel bei der Umgestaltung der Schulhöfe der Hauptschule Aretzstraße oder der Hugo-Junkers-Realschule. Um Meinungen aus der Bevölkerung zu sammeln wurden neben der klassischen Befragung auch andere Formate ausprobiert. Zur Umgestaltung des Rehmplatzes, Oberplatzes und Wenzelplatzes wurde ein Gesellschaftsspiel entworfen, in dem die Spielenden Ideen und Wünsche festhalten konnten. Als es um die Umgestaltung der Talstraße ging, konnten Postkarten mit Anregungen eingesendet werden und zur Beteiligung an den Veränderungen im Bereich des Spielplatzes „Kirschbäumchen“ wurde ein Modell zur Veranschaulichung gebaut. Daneben gab es einige Versuche mit der Bevölkerung über die Veränderungen im Stadtteil zu sprechen und zu informieren. Zur Information wurde die Stadtteilzeitung von Aachen Nord genutzt. In jeder Ausgabe wurden einige Seiten vom Quartiersmanagement gestaltet mit Dokumentationen über die Umsetzung von „Soziale Stadt Aachen-Nord“ oder mit Informationen und Werbung für ihre Angebote. Um Gespräche zu ermöglichen wurden die Stadtteilbüros oder Anlässe wie Straßen-, und Schulfeste drei Mal für Infostände genutzt. Um die Gespräche in den Stadtteilbüros zu intensivieren wurde 2019 das Format der „Heckengespräche“ entworfen, welches bis heute fortgesetzt wird.
Neben diesen unverbindlichen Gesprächen wurden mehrere Diskussionsveranstaltungen zu einzelnen Projekten organisiert. Insbesondere umfassendere Projekte, die verschiedene Bevölkerungsteile betrafen, wie die Umgestaltung der drei Plätze oder die Veränderungen im Quartier Liebigstraße wurden durch Bürger:innenversammlungen und Raumnutzungswerkstätten begleitet. Bei kleineren Projekten wie der Umgestaltung eines Spielplatzes wurde sich auf Bürger:innenversammlungen mit den Nutzer:innen beschränkt. Insgesamt ist die Bürger:innenversammlung, die häufigste genutzte Methode. Einzelne Maßnahmen stechen jedoch durch die Methodenwahl heraus. Beispielsweise wurden zur Beteiligung an der Umgestaltung der Talstraße 400 Haushalte kontaktiert oder zur Neubenennung eines Platzes im Quartier Liebigstraße wurde der gesamten Nachbarschaft eine Abstimmung über den Namen ermöglicht. Weitere Beteiligungsmaßnahmen mit einer so großen Reichweite wurden nicht dokumentiert.
Insgesamt bezogen sich 37 der 39 Maßnahmen auf konkrete Baumaßnahmen. Lediglich zwei Maßnahmen hatten das Potenzial, soziale und kulturelle Aspekte der Stadtteilentwicklung mit Beteiligten zu diskutieren. Einmal wurden Anwohner:innen öffentlich dazu eingeladen, an der Stadtteilkonferenz teilzunehmen. Da dadurch Anschluss an die Akteur:innenebene angeboten wurde, ist dies die einzige Maßnahme, die das Potenzial bietet, über die Handlungsfelder des IHKs zu diskutieren und sich gegebenenfalls an ihrer Umsetzung zu beteiligen. Die andere Möglichkeit zur Diskussion boten die Heckengespräche. Da für diese Gespräche keine konkreten Themen oder Anlässe genannt wurden, können sie jedoch nur als unverbindliche Möglichkeit der Meinungsäußerung gewertet werden. Der Schwerpunkt der Beteiligungsmaßnahmen liegt somit deutlich in der Beteiligung an baulichen Veränderungen und nicht darin, die Handlungsfelder des IHKs gemeinsam umzusetzen.
10.2. Auswertung der Beteiligungsmaßnahmen
Im folgenden Kapitel wird das Ergebnis der Auswertung anhand der festgelegten Indikatoren für die Beteiligungsmaßnahmen beschrieben.
Langfristigkeit
Die Auswertung der Dauer hat ergeben, dass 49 % der Beteiligungsmaßnahmen in ein langfristiges Verfahren eingebettet waren. Beispiele solcher Verfahren sind die Umgestaltung der Plätze im Rehmviertel, die Veränderungen in der Umgebung des Spielplatzes „Kirschbäumchen“ oder die Neugestaltung des Quartiersplatzes Liebigstraße. 36 % der Beteiligungsmaßnahmen waren mittelfristig angelegt und 15 % fanden nur einmalig statt. Mittelfristige Verfahren waren beispielsweise die Beteiligung rund um die Umgestaltung der Talbothöfe und des Quartiers Burggrafenstraße oder zur Umgestaltung des Spielplatzes Sigmundstraße. Nur einmalig erfolgten 2013 eine Einladung an die Bevölkerung zur Teilnahme an der Stadtteilkonferenz oder 2014 die Mieterbefragung zur Gebäudesanierung. Eine herausstechende zeitliche Konzentration der Dauer eines Beteiligungsverfahrens lässt sich nicht feststellen. Dieser Auswertung entsprechend war nur ein sehr geringer Anteil der Maßnahmen einmalig. 85 % der Maßnahmen waren Teil eines Verfahrens, dass sich über mehr als einen Termin erstreckte. Das zeigt, dass Diskussionen mit der Bevölkerung um einzelne Themen in den meisten Fällen über einen längeren Zeitraum geführt werden konnten. Besonders positiv für diese Feststellung ist, dass 49 % der Maßnahmen langfristig eingebettet waren. Dadurch wurden für beteiligungsferne Milieus die Chancen theoretisch erheblich verbessert, sich über die Zeit in die Beteiligungsverfahren einzufinden und sich einzubringen. Außerdem ermöglichten die lange Dauer und die Vielfalt an Methoden verschiedenen Gruppen und Bewohner:innen verschiedener Orte an demselben Verfahren teilzunehmen. Das Potenzial für eine Beteiligung aus der Bevölkerung heraus wurde also durch die langfristig angelegte Strategie des Quartiersmanagements erheblich vergrößert.
Zugänglichkeit
Was die Zugänglichkeit der Beteiligungsmaßnahmen angeht, wurde in 22 Fällen (56%) eine „gezielte Auswahl“ der Teilnehmer:innen getroffen. Dies gilt repräsentativ für die Infostände bei Schulfesten oder die Befragungen der Bevölkerung. Nur bei 17 Maßnahmen (44 %) rekrutierten sich die Teilnehmenden gänzlich „selbstselektiv“. Dazu gehörten öffentliche Informationsabende oder die Heckengespräche an den Stadtteilbüros. Generell zeigt das Ergebnis, dass die Beteiligung in kleinteiligeren Schritten erfolgte und dementsprechend eher auf konkrete Zielgruppen fokussiert war als auf die Gesamtheit der Bevölkerung. Diese Vorgehensweise ergibt Sinn, wo der Kreis künftiger Nutzer:innen bekannt ist und ein Projekt keine direkte Relevanz für die Gesamtbevölkerung hat. Dies trifft im Falle von Aachen-Nord vor allem auf Bauprojekte wie Schulhöfe, Spielplätze oder einzelne Straßenzüge zu. Beispiele sind die Mieterbefragung zur Umgestaltung des Spielplatzes Sigmundstraße 2018 oder die Schüler:innenbefragung zur Umgestaltung des Schulhofs Aretzstraße 2017. Bis auf das Jahr 2013 wurde die Methode der „gezielten Auswahl“ in jedem Jahr für Projekte im gesamten Programmgebiet genutzt. Daraus lässt sich schließen, dass angestrebt wurde, verschiedene Gruppen im gesamten Programmgebiet an Maßnahmen in ihrem direkten Umfeld zu beteiligen. Die Beteiligung an kurzfristig sichtbaren Veränderungen kann dabei als Strategie gewertet werden, den Bewohner:innen eine positive Teilhabeerfahrung zu vermitteln und so die Akzeptanz für weitere Maßnahmen zu erhöhen.
Die ausgewogene Verteilung beider Kategorien legt die Vermutung nahe, dass das Quartiersmanagement bewusst versucht hat, den Grad der Beteiligung der verschiedenen Bevölkerungsteile mit einer Mischung aus selbstselektiven Möglichkeiten und gezielter Ansprache zu erhöhen. Besonders bei Projekten zu öffentlichen Räumen, die für verschiedene Zielgruppen attraktiv sein sollen, trifft dies zu. Beispiele dafür sind die Umgestaltung der Plätze im Rehmviertel, der Talstraße oder des Bereiches rund um den Abenteuerspielplatz „Kirschbäumchen“. Hier sollte offensichtlich die Diskussion sowohl für einzelne Zielgruppen als auch zielgruppenübergreifend ermöglicht werden. Allerdings fanden 12 von 17 (70,6%) selbstselektiven Maßnahmen in Verfahren statt, in denen die „gezielte Auswahl“ überhaupt nicht genutzt wurde. Es kann also keine kontinuierliche Ergänzung beider Varianten festgestellt werden, sondern nur die Parallele, dass bei umfangreicheren Projekten mit verschiedenen Zielgruppen auf selbstselektive Methoden zurückgegriffen wurde.
Allerdings fällt auf, dass 9 von 17 „selbstselektiven“ Maßnahmen zwischen 2012 und 2013 stattfanden, im gleichen Zeitraum jedoch die „gezielte Auswahl“ nur bei einer Maßnahme angewendet wurde. Diese zeitliche Konzentration legt die Vermutung nahe, dass im Anschluss ein interner Reflektionsprozess im Quartiersmanagement bezüglich der Hürden selbstselektiver Verfahren stattgefunden haben könnte. So verweisen Belege darauf, dass explizit versucht wurde, Hürden abzubauen. So wurden 2012 zum Ende der Beteiligung zur Gestaltung des Rehmplatzes alle Nachbar:innen eingeladen (Samsz 2012:18) und zur Vollversammlung der Stadtteilkonferenz im gesamten Programmgebiet Plakate verteilt (Samsz 2013:24). Nach 2013 finden selbstselektive Beteiligungsmaßnahmen nur noch vereinzelt statt, beispielsweise rund um die Gestaltung des Quartiers Burggrafenstraße 2017. Belege dafür, dass darüber hinaus aktiv versucht wurde, Hürden abzubauen gibt es nicht. Allerdings sind vier von acht Maßnahmen, die nach 2013 durchgeführt wurden, niedrigschwelliger Art, wie zum Beispiel die Heckengespräche oder der Infostand bei dem Schulfest am 21.05.2018. Diese Erkenntnis kann aufgrund der zeitlichen Kontinuität als Bestätigung für die These des internen Reflektionsprozesses im Quartiersmanagement gewertet werden. Schließlich wurden nach der vermuteten Reflektionsphase um 2014 bei 50 % der selbstselektiven Maßnahmen belegbar niederschwelligere Methoden genutzt. Insgesamt ist allerdings nur bei sieben von 17 (41,2%) selbstselektiven Maßnahmen eine hohe Zugänglichkeit oder das aktive Abbauen von Hürden festzustellen. Das bedeutet, dass eine Mehrzahl selbstselektiver Maßnahmen nicht mit dem Anspruch ausgeführt wurde, alle Hürden für beteiligungsferne Milieus abzubauen, beziehungsweise auf die Repräsentativität breiter Bevölkerungsschichten zu bestehen.
Die veränderte Vorgehensweise könnte also der Erkenntnis der fehlenden Repräsentativität der Teilnehmer:innen geschuldet sein. Gleichzeitig fällt sie zeitlich mit dem Übergang von einer Förderphase zur anderen zusammen. So wurde der Beteiligungsprozess rund um die Neugestaltung der Plätze im Rehmviertel und der Grünfläche Wiesental 2014 abgeschlossen und die zweite Förderphase setzte 2015 ein. Da in der zweiten Hälfte der Programmlaufzeit viele kleinteilige Projekte wie die Umgestaltung von Schulhöfen und Spielplätzen stattfanden, liegt nahe, dass dadurch auch die Auswahl der Methoden determiniert wurde.
Die Auswertung zeigt also eine deutliche Veränderung im zeitlichen Verlauf. Während in der Anfangsphase überwiegend „selbstselektive“ Verfahren gewählt wurden, wurde die Zeit ab 2013 von Maßnahmen mit einer „gezielten Auswahl“ dominiert. Besonders bei großen Projekten mit vielfältigen Zielgruppen wurden „selbstselektive“ Verfahren genutzt, während für kleinere Projekte eher die „gezielte Auswahl“ zum Einsatz kam. Das Verfahren der „gezielten Auswahl“ wurde im gesamten Programmgebiet flächendeckend eingesetzt, um die jeweiligen Anwohner:innen zur Beteiligung einzuladen. Die Zugänglichkeit für die jeweiligen Zielgruppen war dementsprechend hoch. Selbstselektive Verfahren wurden überwiegend zu Beginn der Programmlaufzeit für zielgruppenübergreifende Beteiligungsmaßnahmen genutzt. Allerdings gibt es für weniger als die Hälfte dieser Maßnahmen Belege dafür, dass aktiv versucht wurde, Beteiligungshürden abzubauen oder niederschwellige Formate zu nutzen. Die tatsächliche Zugänglichkeit für beteiligungsferne Milieus ist dementsprechend gering einzuschätzen. Generell lässt die Strategie des Quartiersmanagements jedoch den Versuch erkennen, anhand kleinteiliger Beteiligungsmaßnahmen bei Anwendung unterschiedlicher Methoden im gesamten Programmgebiet Anwohner:innen miteinzubinden.
Stufe der Beteiligung
Die Auswertung nach „den Stufen der Beteiligung (siehe Kapitel 4)“ hat ergeben, dass nur fünf (13 %) der 39 Beteiligungsmaßnahmen auf der Stufe der Information zu verorten sind. Beispiele dafür ist die Auftaktveranstaltung zum Beteiligungsverfahren rund um die Gestaltung der Talbothöfe 2017 oder der Informationsveranstaltung zum Ende des Verfahrens zur Grünflache Wiesental. Mit 72 % beziehungsweise 28 Maßnahmen konnte die überwiegende Mehrheit der Beteiligungsmaßnahmen der zweiten Stufe der Beteiligung zugeordnet werden. Dazu gehören sowohl die zahlreichen Befragungen als auch Planungswerkstätten oder Spaziergänge mit Interessierten. Alle diese Maßnahmen sollten es der Bevölkerung zu ermöglichen, ihre Bedürfnisse, Wünsche oder Ideen einzubringen. Das Quartiersmanagement dokumentierte diese Ergebnisse und bezog sie nach eigenem Ermessen in die Lösungsfindung ein. Über die endgültigen Lösungen wurde auf dieser Stufe der Beteiligung jedoch nicht diskutiert. Dies passiert lediglich auf der dritten oder vierten Stufe. Es zeigte sich, dass keine Maßnahme den Grad der vierten Stufe erreichte und lediglich sechs Maßnahmen auf der dritten Stufe der Beteiligung verortet werden können. Geht man von der Veranstaltungsbeschreibung aus, zählt dazu beispielsweise die Diskussionsrunde zur Gestaltung der Grünfläche Wiesental oder die Ideenfindung zur Gestaltung der Kirche im Quartier Liebigstraße gezählt. Einen Sonderfall stellt die Wahlabstimmung zur Namensfindung des heutigen „Martinsplatz“ im Quartier Liebigstraße dar. Dort wurde die Entscheidungsfindung gänzlich an die Bevölkerung delegiert. Allerdings wurde der Rahmen, die Methode und die zu treffende Entscheidung vom Quartiersmanagement bestimmt. Da also nicht der gesamte Entscheidungsfindungsprozess der Bevölkerung überlassen wurde, ist auch diese Beteiligungsmaßnahme der dritten Stufe zuzurechnen.
Es lässt sich feststellen, dass nur wenige Maßnahmen einen rein informativen Charakter hatten, jedoch fast ebenso wenige Maßnahmen eine grundlegende Diskussion über die endgültige Entscheidung ermöglichten. In der großen Mehrheit der Fälle hat das Quartiersmanagement die Maßnahmen dazu genutzt, befragungsartig Informationen einzusammeln, ohne dabei die Entscheidungsgewalt mit der Bevölkerung zu teilen.
10.3. Gesamtbetrachtung der Auswertung:
– Die Beteiligung fand über den gesamten Untersuchungszeitraum statt.
– Es wurden viele verschiedene Methoden genutzt, um Beteiligung zu ermöglichen.
– 85 % der Maßnahmen waren in mittel- bis langfristige Verfahren eingebettet.
– Das Quartiersmanagement hat mit kleinteiligen Beteiligungsmaßnahmen versucht, im gesamten Programmgebiet Anwohner:innen einzubinden.
– Für zielgruppenübergreifende Projekte wurden überwiegend „selbstselektive“ Verfahren gewählt, während für Projekte kleineren Umfangs hauptsächlich „gezielte Auswahl“ als Methode genutzt wurde.
– Die Entscheidungsgewalt wurde immer bei entscheidungstragenden Institutionen belassen,
– Nur bei 15% der Beteiligungsmaßnahmen wurde der Bevölkerung ermöglicht, bei Entscheidungen mitzudiskutieren.
– Nur 2 von 39 Maßnahmen ermöglicht die generelle Diskussion um Handlungsfelder des IHK, beziehungsweise der Stadtteilentwicklung insgesamt.
Die Auswertung zeigt, dass die Beteiligungsmaßnahmen in jeder Phase der Programmlaufzeit des Programms „Soziale Stadt-Aachen Nord“ zu den Aktivitäten des Quartiermanagements gehörten. Die 39 erfassten Maßnahmen verteilen sich über den gesamten Auswertungszeitraum. 12 verschiedene Methoden wurden angewendet, um die Bevölkerung zu erreichen, darunter am häufigsten die Methode „Bürger:innenversammlung“. Was die Qualität der Beteiligungsmaßnahmen betrifft, sticht positiv hervor, dass einzelne Maßnahmen häufig in langfristige Verfahren eingebettet waren. Dies trifft für 49 % der erfassten Maßnahmen zu. Beteiligungsferne Milieus erhielten dadurch eher die Möglichkeit, Zugang zu den Beteiligungsverfahren zu finden. Ebenfalls als positiv ist die räumliche Verteilung der Beteiligungsmaßnahmen zu bewerten, da sie weite Teile des Programmgebietes erfassten und Anwohner:innen flächendeckend erreicht wurden.
Was die Zugänglichkeit betrifft, sind die Auswertungsergebnisse ambivalent zu bewerten. Insgesamt wurden bei 56 % der Maßnahmen die Teilnehmer:innen gezielt ausgewählt. Wie oben dargestellt, ist also grundsätzlich davon auszugehen, dass hier eine hohe Repräsentativität auch bildungsferner Milieus erreicht wurde. Zugleich wurden Beteiligungsmaßnahmen im gesamten Programmgebiet durchgeführt. Es darf also davon ausgegangen werden, dass Anwohner: innen flächendeckend die Möglichkeit hatten, sich an der Neugestaltung ihres Umfeldes zu beteiligen. Dies kann als Erfolg für das Quartiersmanagement gewertet werden.
Einschränkend wäre zu konstatieren, dass die Methode der „gezielten Auswahl“ eher bei den kleineren Projekten, wie die Namensfindung im Quartier Liebigstraße angewendet wurde. Bei den größeren Projekten dagegen wurde überwiegend die Methode der „selbstselektiven Auswahl“ genutzt. Es ist deshalb davon auszugehen, ,dass ausgerechnet bei den Projekten mit stärkerer Wirkung auf das Stadtviertel, wie die Umgestaltung der Plätze im Rehmviertel, beteiligungsferne Milieus nur in geringerem Maß erreicht werden konnten.
Dazu kommt, dass nur zwei der 39 Maßnahmen eine generelle Diskussion über die Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ fokussierten. Alle weiteren Maßnahmen galten der Beteiligung an baulichen oder gestalterischen Veränderungen. Die Umsetzung der Handlungsfelder des IHK wurde somit dem Quartiersmanagement und den Akteur:innen aus der Stadtteilkonferenz, der Lenkungsgruppe oder den Arbeitskreisen überlassen. Das bedeutet, dass die Beteiligung nicht nur beteiligungsferner Milieus, sondern die aller Teilnehmenden fast ausschließlich auf bauliche oder gestalterische Veränderungen in einem festgesetzten Rahmen beschränkt blieb. Nur zwei Maßnahmen boten Zugang zur Beteiligung an der Gestaltung der Entwicklung des ganzen Stadtteils. Ein Format zur Integration der Bevölkerung in die Akteur:innenebene bot einzig die Einladung zur Vollversammlung der Stadtteilkonferenz 2013. Wo sich Teile der Bevölkerung organisiert haben, wie die Gruppe von Bürger:innen, die regelmäßig das Rehmplatzpicknick veranstaltet, gibt es keinen Hinweise darauf, dass ihnen Entscheidungskompetenzen übertragen wurden oder dies in Betracht gezogen wurde. Insgesamt kann deshalb festgestellt werden, dass abseits von Bau- und Gestaltungsmaßnahmen die Planung der Stadtteilentwicklung entgegen der Vorsätze des Programms „Soziale Stadt“ nur mit einer sehr geringen Beteiligung der Bevölkerung umgesetzt wurde.
Weiterhin lässt sich feststellen, dass sich die durchgeführte Beteiligung in 72 % der erfassten Maßnahmen auf befragungsartiges Feststellen von Wünschen und Ideen aus der Bevölkerung beschränkte. Nur 15 % der Maßnahmen sind der dritten Stufe der Beteiligung und somit der partnerschaftlichen Diskussion über Ergebnisse zuzurechnen. Das bedeutet, dass das Quartiersmanagement nur in sehr wenigen Fällen der Bevölkerung ermöglichte, eigene Entscheidungen auszuarbeiten, beziehungsweise, dass der Grad der Beteiligung überwiegend gering ausfällt. Die Beteiligungserfahrung beschränkt sich in der großen Mehrheit der Fälle auf die Angabe eigener Gedanken und umfasst nicht deren Diskussion. Es wurden also nur wenig Methoden erprobt, die der Bevölkerung verbindliche Entscheidungsmöglichkeiten bieten, beziehungsweise Gestaltungshoheit über die Stadtteilentwicklung.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Quartiersmanagement „Beteiligung“ als Handlungsfeld konstant bearbeitet hat. Da die Projekte im gesamten Programmgebiet langfristig angelegt waren, kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Bevölkerung die Möglichkeit hatte, sich einzubringen. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass mit vielen verschiedenen Methoden viele einzelne Zielgruppen gezielt angesprochen wurden. Es ist davon auszugehen, dass dadurch bei mindestens 56 % der Maßnahmen die Repräsentativität der Teilnehmenden hoch war und gleichzeitig beteiligungsferne Milieus erfolgreich einbezogen werden konnten. Jedoch wurden den Teilnehmenden nur in 15 % eine verbindliche Teilhabe an der Entscheidungsfindung ermöglicht, was für einen geringen Grad der Beteiligung spricht. Ebenfalls zeigt sich, dass die Beteiligung der Bevölkerung sich weitgehend auf begrenzte bauliche und gestalterische Veränderungen beschränkte, die eine Ausdehnung auf andere Bereiche der Entwicklung ihres Wohnorts dort ausschloss, wo es sinnvoll oder wünschenswert gewesen wäre.
11. Vergleich Aachen Ost & Aachen Nord
Im folgenden Kapitel werden die Bedingungen und die Umsetzung der Beteiligung der Bevölkerung in Aachen -Nord und -Ost verglichen. Gemeinsamkeiten finden sich dabei vor allem in den räumlichen Voraussetzungen. Beide Programmgebiete sind altindustriell geprägt und weisen einen hohen Anteil an gründerzeitlicher Bebauung auf. Beide Gebiete bestehen aus nicht zusammenhängenden Teilräumen – zwei in Aachen-Ost, sieben in Aachen-Nord. Beide Gebiete waren vor dem Start des Programms „Soziale Stadt“ geprägt von vernachlässigten öffentlichen Plätzen und durch eine ähnliche Bevölkerungsstruktur mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund sowie armer Menschen. Somit lag es nahe, diese Stadtteile für das Programm „Soziale Stadt“ auszuwählen.
Auch die Infrastrukturen, die für die Umsetzung des Programms geschaffen wurden, ähneln sich. In beiden Programmgebieten wurde ein Quartiersmanagement, eine Lenkungsgruppe und eine Stadtteilkonferenz installiert sowie an einer Stadtteilzeitung mitgearbeitet. Um der Aufteilung in Teilräume gerecht zu werden, wurden in beiden Stadtteilen jeweils zwei Stadtteilbüros eingerichtet. In beiden Stadtteilen wurde während der Programmlaufzeit zudem in großes Stadtteilzentrum eröffnet. In Aachen-Ost entstand daraus die „Nadelfabrik“ und in Aachen-Nord das „Depot“.
Was die Umsetzung der Beteiligung der Bevölkerung betrifft, bestehen jedoch sehr starke Unterschiede. Quantitativ sind die Programmgebiete kaum vergleichbar. So fällt auf, dass das Quartiersmanagement in der gesamten Programmlaufzeit in Aachen-Ost nur sieben Beteiligungsmaßnahmen initiiert hat, entgegen 39 Maßnahmen in Aachen-Nord, die im untersuchten Zeitraum von sieben Jahren stattfanden. Allein daraus lässt sich folgern, dass der Stellenwert von Beteiligung in Aachen-Nord ein viel höherer war. Diese Annahme wird auch dadurch unterstützt, dass in Aachen-Nord in jedem Jahr Beteiligungsmaßnahmen umgesetzt wurden, während sich diese in Aachen-Ost fast ausschließlich auf einen Zeitraum von zwei Jahren beschränkten. Dabei waren die Beteiligungsmaßnahmen in Aachen-Ost überwiegend punktuell und in Aachen-Nord überwiegend langfristig angelegt. In Aachen-Nord wurde der Bevölkerung also viel mehr Zeit eingeräumt, sich in die Beteiligungsverfahren einzufinden. Dies spricht für eine höhere Qualität der Beteiligung in Aachen-Nord. Dafür spricht auch, dass dort mit einer größeren Vielfalt an Methoden gearbeitet wurde und häufiger Zielgruppen in weiten Teilen des Programmgebiets direkt angesprochen wurden. Dadurch kann davon ausgegangen werden, dass in Aachen-Nord auch beteiligungsferne Milieus erreicht wurden. Dies ist in Aachen-Ost in Frage zu stellen, da dort überwiegend mit selbstselektiver Auswahl gearbeitet wurde. Da die Hürden für beteiligungsferne Milieus viel höher sind, muss angenommen werden, dass es dort kaum gelungen ist, diese Klientel miteinzubeziehen. Die kurze Zeitspanne, in der Beteiligung stattfand, sowie die Tatsache, dass in Beteiligung methodisch und finanziell am wenigsten investiert wurde, unterstützt diese Annahme auch insofern, als die Partizipationsforschung davon ausgeht, dass es eines großen Aufwands bedarf, um beteiligungsferne Milieus einzubeziehen.
Erhebliche Unterschiede zeigen sich ebenfalls bezüglich des Inhalts der Beteiligung sowie der erreichten Stufen der Beteiligung. Der Anteil an Beteiligungsmaßnahmen, die eine Diskussion über die verschiedenen Handlungsfelder der IHKs ermöglichten, lag in Aachen-Ost mit 29 % entgegen 5 % in Aachen-Nord wesentlich höher. Der Rest der Beteiligungsmaßnahmen bezieht sich auf bauliche oder gestalterische Veränderungen im Stadtbild. Gleichzeitig wurde in Aachen-Ost in 57 % der Fälle die dritte Stufe der Beteiligung, eine partnerschaftliche Diskussion angeboten. In Aachen-Nord trifft dies nur auf 15,5 % der Beteiligungsmaßnahmen zu. 72 % der Fälle dort sind auf der zweiten Stufe zu verorten. Gleichzeitig war hier ein großer Teil der Beteiligung auf das befragungsartige Einholen von Informationen beschränkt. Da die Methoden zur Beteiligung auf der zweiten Stufe an eine „gezielte Auswahl“ gekoppelt waren, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass dadurch beteiligungsferne Milieus einbezogen werden sollten. Wenngleich in Aachen-Ost zahlenmäßig wenige Beteiligungsmaßnahmen durchgeführt wurden, kann festgestellt werden, dass sich diese überwiegend auf Projekte größeren Umfangs bezog. In Aachen-Nord bezog sich die Beteiligung hingegen häufiger auf kleinere Projekte wie die Umgestaltung von Schulhöfen oder Spielplätzen. Großprojekte wie die Campus-Jahrhunderthalle oder die zukünftige Nutzung des Starfish-Geländes wurden nicht mit der Bevölkerung diskutiert. Die Beteiligungserfahrung ist also in Aachen-Nord in vielen Fällen nur auf weniger bedeutende Projekte bezogen, und erstreckt sich nicht auf bedeutende Entscheidungen bezüglich des Images, der Wirtschaftsentwicklung oder der Kulturlandschaft. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass in Aachen-Nord höchstwahrscheinlich viel mehr Menschen aus unterschiedlichen Milieus erreicht werden konnten. Insgesamt lässt sich in Aachen-Nord die Strategie erkennen, mit kleinteiligen Beteiligungsmaßnahmen weiten Teilen der Bevölkerung, speziell beteiligungsfernen Milieus eine positive Erfahrung bezüglich Veränderungen durch Beteiligung in ihrem direkten Umfeld zu ermöglichen. Dies könnte als Aktivierung für kommende Beteiligungsverfahren verstanden werden. Ob diese Strategie sich als sinnvoll erweist, hängt auch davon ab, inwiefern die Strukturen des Quartiersmanagements verstetigt werden.
In Aachen-Ost war das Vorgehen auf eine intensive Phase der Beteiligung zu Beginn des Projekts beschränkt. Die Qualität der Beteiligung ist somit in Aachen-Nord viel höher und weitreichender. Während Aachen-Ost zur ersten Generation des Programms „Soziale Stadt“ gehörte, konnte in Aachen-Nord schon aus vielen Erfahrungen aus ganz Deutschland Inspiration geschöpft werden. Dieser zeitliche Abstand birgt eine mögliche Erklärung dafür, dass sich die Umsetzung der Programme in den beiden Stadtteilen so stark voneinander unterscheidet.
Bezüglich der Stufe der Beteiligung zeigt sich, dass der Bevölkerung die Entscheidung über die Entwicklung ihres Umfelds nie gänzlich überlassen wurde. In beiden Gebieten wurde die Entscheidungsbefugnisse auf der Akteur:innenebene belassen. Zur Findung von eigenständigen, weitreichenden Entscheidungen wurden keine Formate durchgeführt. Formate, um die Bevölkerung in die Akteur:innenebene zu integrieren, gab es kaum. Die einzige Maßnahme mit diesem Ziel war die Einladung zur Vollversammlung 2013 in Aachen-Nord. Der Grad der Beteiligung blieb insgesamt sehr gering, sei es durch die geringe Zahl an Maßnahmen wie in Aachen-Ost oder die Wahl der Formate in Aachen-Nord. Der Anspruch, allen Bewohner:innen einen Zugang zur Stadtteilentwicklung zu gewähren, wurde somit in beiden Gebieten nur bedingt umgesetzt.
12. Einordnung/ Fazit
Das Ergebnis dieser Untersuchung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das Programm „Soziale Stadt“ wurde in Aachen-Ost und später in Aachen-Nord auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt, was die Beteiligung der Bevölkerung angeht. In Aachen-Nord wurden wesentlich mehr Maßnahmen, vielfältigere Methoden, langfristigere Verfahren und direkte Ansprachen eingesetzt. Der Aufwand zur Beteiligung der Bevölkerung war hier somit viel größer und von höherer Qualität. Bei der ersten Ausführung in Aachen-Ost waren der Aufwand und die Zahl der Maßnahmen insgesamt so gering, dass kaum davon auszugehen ist, dass das Quartiersmanagement dem Anspruch des Programms „Soziale Stadt“ bezüglich Beteiligung gerecht wurde. Die generelle Kritik am Quartiersmanagement trifft deswegen für Aachen-Ost in mehreren Punkten zu. Es wurden die unterschiedlichen Ressourcen verschiedener Bevölkerungsgruppen nicht berücksichtigt, die Beteiligung bezog sich überwiegend auf das, was von Kritiker:innen Nebenschauplätze der Viertelentwicklung genannt werden und es wurde keine tatsächliche Entscheidungskompetenz an die Bevölkerung übertragen. Die Veränderungen in Aachen-Ost wurden also fast ausschließlich nach dem Top-down-Prinzip umgesetzt und boten besonders für beteiligungsferne Milieus kaum Anknüpfungspunkte. Für relevante Themen der Stadtteilentwicklung und kritische Perspektiven wurden kaum Diskussionsmöglichkeiten geschaffen. Es scheint so, dass das Quartiersmanagement die „Beteiligung der Bevölkerung“ entgegen ihrer Aufgabenbeschreibung nicht als Kernaufgabe begriffen hat und in vielen Punkten der Kritik an ihrer Arbeit entspricht.
Im Kontrast dazu kann für Aachen-Nord aufgrund der umfangreichen Ausgestaltung der Beteiligungsverfahren davon ausgegangen werden, dass tatsächlich weite Teile der Bevölkerung, einschließlich beteiligungsfernen Milieus, mit Beteiligungsverfahren in Berührung gekommen sind und sich mindestens bei einzelnen Maßnahmen eingebracht haben. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich das Quartiersmanagement hier stärker dem Thema „Beteiligung“ gewidmet und sich Beteiligungshürden verschiedener Lebensrealitäten bewusst gemacht hat. Um dies noch genauer zu evaluieren, wäre eine detaillierte Dokumentation der Vorbereitung und Ausführung von Beteiligungsverfahren notwendig gewesen.
Insgesamt trifft jedoch trifft die generelle Kritik am Quartiersmanagement auch auf die Praxis in Aachen-Nord zu. Es wurde der Bevölkerung keine Entscheidungskompetenz übertragen. Die Beteiligungsverfahren bezogen sich ebenfalls in sehr vielen Fällen auf Nebenschauplätze. Die Handlungsfelder des integrierten Handlungskonzepts, die Ausgestaltung des Images und einige Großprojekte wurden nicht mit der Bevölkerung diskutiert. Es gab auch keine Veranstaltungen, um gentrifizierungskritische und sozialkritische Perspektiven zu diskutieren. Es kann also auch hier von einer Scheinlegitimation durch Beteiligungsverfahren gesprochen werden, für Veränderungen, auf die die Bevölkerung kaum Einfluss hatte.
Der Grad der Beteiligung der Bevölkerung ist also in beiden Stadtteilen, trotz signifikanter Unterschiede in der Umsetzung und Qualität, gering. Ob dies an der Aufgabenbeschreibung des Quartiersmanagements mit ihrem Fokus auf Akteur:innenbeteiligung, an der Zielsetzung des Programms „Soziale Stadt“ überhaupt, an Personalmangel oder an fehlenden Kenntnissen zu Beteiligungsmethoden liegt, müsste durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Um zu klären, welche Relevanz die Kritik an der Umsetzung der Beteiligung und der Arbeit des Quartiersmanagements hat, müssten die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der umgesetzten Projekte auch in anderen Städten untersucht werden. Da es bisher verhältnismäßig wenige Untersuchungen zu diesen Aspekten gibt, wäre ein stärkerer Fokus der Wissenschaft darauf wünschenswert.
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Abbildungsverzeichnis:
Abd. 1: Mögliche Entwicklungsimpulse in benachteiligten Gebieten. MWEBWV 2012:13. 9
Abd. 2: Stufenmodell der Partizipation. Paust 2016: 16. 21
Abd. 3: Struktur des Quartiersmanagements in Aachen. Stadt Aachen 2017:8. 29
Abd.4: Zentrale Netzwerke in den Quartieren. Stadt Aachen 2017:5. 31
Abd. 5: Karte von Aachen Ost. Rösner 2008: 40. 33
Abd. 6: Statistische Grunddaten Aachen-Ost und Gesamtstadt. Rösner 2008:41. 34
Abd. 7: Organisations- und Kooperationsstrukturen in Aachen-Ost. Stadt Aachen 2010: 24. 37
Abd.8: Bauliche Projekte in Aachen-Ost. Stadt Aachen 2010: 114. 39
Abd. 9: Beteiligungsmaßnahmen in Aachen-Ost. Eigene Abbildung. 41
Abd. 10: Auswertung der Beteiligungsmaßnahmen bzgl. der Langfristigkeit. eigene Abbildung. 43
Abd.11: Auswertung der Beteiligungsmaßnahmen bzgl. der Zugänglichkeit. Eigene Abbildung 44
Abd.12: Verausgabte Kosten nach Handlungsfelder. Stadt Aachen 2010: 113. 48
Abd.13: Teilräume in Aachen Nord. Stadt Aachen 2009:40. 55
Abd.14: Umgesetzte Projekte bis 2014. Stadt Aachen 2014:12. 57
Abd. 15: Genutzte Methoden zur Beteiligung. Eigene Abbildung. 60
Abd. 16: Auswertung bzgl. der Langfristigkeit der Beteiligungsmaßnahmen. Eigene Abbildung 62
Abd. 17: Auswertung bzgl. der Zugänglichkeit. Eigene Abbildung. 63
Aachen, Bürgerbeteiligung, Partizipation, Politische Partizipation, Quartiersmanagement