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Karl Kühne: Demokratie im Zwiespalt zwischen Erkenntnis und Prozess – Zur Kritik des instrumentalistischen Legitimitätsprinzips in der Demokratietheorie (student. Forschung)

Vorgelegt als  Bacheloarbeit von Karl Kühne am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen

Abstract

Das Verhältnis von Vernunft und Politik stellt ein zentrales Problem der politischen Theorie dar. Intuitiv erscheint es sinnvoll, eine Herrschaftsordnung hinsichtlich ihrer epistemischen Güte zu beurteilen und zu organisieren. Zeitgleich steht ein solches Primat der Erkenntnis im offenen Konflikt zur Logik des Politischen. Es bedroht die Diskursivität, indem es die Bestreitbarkeit aufhebt. Totalitäre Züge entwickeln sich darüber hinaus, sobald verlangt wird, dass die politische Machtverteilung entsprechend der Kompetenzen der Bürger vorzunehmen ist. Positionen wie diese sind bekannt aus der demokratietheoretischen Strömung des Instrumentalismus, die jüngst durch das Buch „Against Democracy“ Aufmerksamkeit erregte. Der Autor, Jason Brennan, verteidigt darin die These, dass es sich als nützlich erweisen kann, die Demokratie als Staatsform zu verwerfen und durch eine erkenntnistheoretisch effizientere „Epistokratie“ zu ersetzen. Es stellt sich folglich die Frage, wie eine solche asymmetrische Herrschaftsbeziehung gerechtfertigt werden kann und ob es weiterhin sinnvoll ist, jene Form der Herrschaft gegenüber der Demokratie zu bevorzugen. In diesem Sinne erarbeitet die vorliegende Arbeit am Beispiel von Jason Brennan und Joseph Schumpeter die Legitimitätsvorstellungen des Instrumentalismus und eröffnet nachfolgend eine kritische Perspektive auf diese. Mit Blick auf die Epistokratie wird zuletzt ein Widerspruch zwischen dem normativen Legitimitätsverständnis und der verfolgten Anthropologie des Instrumentalismus nach Brennan identifiziert. Es ergeben sich daraus praktische Gründe, welche die Demokratie begünstigen.


1. Einleitung

Vernunft und Politik sind spätestens seit der Aufklärung eng miteinander verknüpft. Die Frage, welche epistemischen Voraussetzungen politische Systeme und ihre hervorgebrachten Entscheidungen[1] zu erfüllen haben, ist allerdings bedeutend älter. Sie stellt eine der zentralen Thematiken der politischen Theorie dar. Bereits in der Antike vertrat Platon in seinem Werk Politeia eine Staatskonzeption, die auf eine Erhöhung des epistemischen Outputs zielte. Auf dem ersten Blick mag es vernünftig erscheinen, Kompetenz zu einem Kriterium von Herrschaft zu erheben. Dennoch bringt ein politischer Vernunftanspruch erhebliche demokratietheoretische Probleme mit, da der Verweis auf die Faktizität das Bestreitbare als Element des Politischen zerstört und sich zum totalitären Exklusionsmechanismus entwickeln kann. Eine solche asymmetrische Herrschaftsbeziehung zwischen Kompetenten und Inkompetenten widerspricht nicht nur dem Kerngedanken der Demokratie[2], sondern wirft automatisch die Frage auf, wie diese ungleiche Machtverteilung unter den Bürgern[3] gerechtfertigt werden kann und ob es darüber hinaus sinnvoll ist, eine solche Form der Herrschaft zu erstreben.
Dieses Dilemma ist nicht nur von theoretischer Relevanz: Im Hinblick auf komplexer werdende Verflechtungen und aktuelle Sachzwänge in der (Welt-)Politik, welche beispielsweise durch die SARS-CoV-2-Pandemie oder auch den Klimawandel offengelegt wurden, zwingt es sich der Alltagswelt auf. Folglich werden politische Entscheidungen an nicht legitimierte aber kompetente Machtgruppen ausgelagert, um wirksame Problemlösungen zu erzielen. Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass die Debatte über die epistemischen Voraussetzungen der Demokratie seit einigen Jahren große Aufmerksamkeit in der politischen Philosophie der Vereinigten Staaten genießt. Im Gegensatz dazu scheint sich insbesondere der deutsche Exkurs allemal vorsichtig für diese Fragestellung begeistern zu können.[4] Spätestens mit der Übersetzung des Buches „Against Democracy“ im Jahr 2017 kam es allerdings zum Export der Debatte. Der Autor, Jason Brennan, versucht in seinem Buch darzustellen, warum es nützlich sein könnte, die Demokratie als Staatsform teilweise zu verwerfen und durch eine erkenntnistheoretisch effizientere „Epistokratie“ zu ersetzen. Diese erhöhte Effizienz verlangt eine Auflösung des egalitären Wahlrechts zugunsten der Kompetenzorientierung des gesamten Systems. Die Kompetenten haben ein Recht, darauf über die Inkompetenten zu herrschen. Die amerikanische Philosophie nennt diese theoretische Position „instrumentalism“.    
Diese Arbeit unter dem Titel „Demokratie im Zwiespalt zwischen Erkenntnis und Prozess“ macht es sich zur Aufgabe, am Beispiel von Joseph Schumpeter und Jason Brennan die Legitimitätsvorstellungen des Instrumentalismus offenzulegen und nachfolgend zu kritisieren. Im ersten Schritt erfolgt dabei eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Legitimität und seiner Aufteilung in normativ-theoretische und empirisch-analytische Vorstellungen. Kapitel drei erarbeitet anschließend die theoretischen Grundlagen des Instrumentalismus und seine Legitimitätsvorstellung. Des Weiteren werden zwei geläufige instrumentalistische Positionen gegenüber der Demokratie unterschieden. Zusätzlich wird die populäre Gegenströmung des „proceduralism“ vorrangig anhand von Fabienne Peter[5] (2008; 2016) und Elizabeth Anderson[6] (2009) vorgestellt. Nachfolgend ist es Aufgabe, am Beispiel von Schumpeters Demokratietheorie aus „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ die Elemente des Instrumentalismus in seiner theoretischen Anwendung zu analysieren. Wobei sich an Schumpeter zugleich die Grenzen offenbaren und sich die Frage stellt, wie instrumentalistisch dieser überhaupt ist. Mit einem weiteren Blick auf Jason Brennan folgen zwei zentrale Fragen, zu deren Beantwortung zusätzlich die Ausführungen von Richard Arneson[7] (2003; 2009) hinzugezogen werden: Wieso sollte die egalitäre Demokratie in ihrer heutigen Form als illegitim und ungerecht betrachtet werden? Und wie kann eine Herrschaft der Experten zusammen mit der einhergehenden ungleichen Machtverteilung gerechtfertigt werden? Diese zweite Frage führt in Brennans Konzeption der „Epistokratie“[8] ein. Sie gilt als normative Vorstellung einer instrumentalistischen Herrschaft und eröffnet so die Möglichkeit zu einer umfassenden Reflexion im sechsten Kapitel. Aufgabe wird es dabei sein, das identifizierte Legitimitätsprinzip zu kritisieren. Die Kritik wird nicht prozeduralistisch sondern praktisch erfolgen. Bewusst zielt sie auf die Schlussfolgerungen Brennans und nicht auf die voraussetzungsreichen instrumentalistischen Prämissen. Auf dieser Basis lassen sich plausible Bedenken an der empirischen Legitimität der Epistokratie formulieren, wie sie auch von Robert Talisse[9] (2018) bekannt sind. Sollte jene Kritik überzeugend gelingen, stellt sie – auf Grundlage der Umrisse einer realistischen Demokratietheorie – ein prima facie Argument für die Demokratie dar.

2. Zum Begriff der Legitimität

Der Begriff „Legitimität“ stammt vom lateinischen Wort „legitimus“ ab. Es heißt „gerecht“ oder „rechtmäßig“ (vgl. Fleuß 2016: 16). Die Frage nach der Legitimität einer Staatsform hat ihre Begründung in dem Problem der Rechtfertigung politischer Macht über andere (vgl. Westle 1989: 21). Sie kann damit als Verteilungsbeschränkung von Macht oder als Selbstbindung der Herrschenden durch einen Rechtfertigungszwang gegenüber den Regierten verstanden werden (vgl. Viehoff 2017: 288; Münkler/Straßenberger 2020: 86f.). Legitimität reguliert so das soziale Verhältnis der Herrschaft und ist auf die Anerkennungswürdigkeit oder Rechtmäßigkeit politischer Strukturen fokussiert (vgl. Niederberger 2020: 154). Eine Ordnung ist legitim, wenn ihre Erlasse als „moralisch zulässig“ zu bewerten sind und sie damit die Erlaubnis erhält, Verpflichtungen gegenüber den Regierten aufzustellen und durchzusetzen (vgl. Brennan 2017: 262f.). Letzteres thematisiert die Zulässigkeit des Besitzes wie auch der Anwendung von Zwangsgewalt (vgl. ebd.: 263; Fleuß 2016: 20).
Funktional gilt, dass „wenn eine Instanz oder Ordnung Legitimität für eine Entscheidung beansprucht, [dies] bedeutet, dass sie erwartet, dass andere sie akzeptieren oder gar befolgen“ (Niederberger 2020: 154). Die Legitimität einer Instanz sollte dabei einen ausreichend nachvollziehbaren Grund für die Regierten darstellen, ihr soziales Handeln an den Entscheidungen dieser – auch entgegen individueller Interessen – auszurichten (vgl. ebd.: 156). Es handelt sich folglich um eine moralische Selbstverpflichtung. Auf jener Basis werden Normen maßgeblich, wodurch das System Autorität beanspruchen kann (vgl. Peter 2010).         
Legitimität stellt damit die Chance zur rechtmäßigen Geltung eines Herrschaftsrechts dar (vgl. Weber 1972: 16). Wie Scharpf (2004: 3) feststellt, sorgt ihr Fehlen für erhöhte „Kontroll- und Erzwingungskosten des Regierens“, was die Effektivität reduziert. Darüber hinaus betrachtet er Legitimität als relationale Größe, da der Legitimationsbedarf „[…] mit der Schwere der potentiellen Verletzung von Interessen und Präferenzen variiert […]“ (Ebd.: 3). Es gilt folglich, dass Legitimität eine Voraussetzung für stabile, funktionale und zwangsfreie Herrschaft darstellt. Sie unterscheidet „[…] the rightful use of political power from mere coercion“ (Peter 2010). In diesem Kontext wird Freiwilligkeit zu einem Kriterium, um zwischen legitimen und illegitimen Ordnungen zu unterscheiden (vgl. Westle 1989: 27). Da Demokratien ihre Geltung aus der unmittelbaren Zustimmung des Volkes, aus vielfältigen Formen der Partizipation und aus der Ausübung der Volkssouveränität beziehen, sind sie im besonderen Maße auf Legitimität angewiesen (vgl. Kneip/Merkel 2020: 29ff.). Dennoch unternehmen auch Diktaturen Rechtfertigungsversuche (vgl. Westle 2000: 346f.).          
Die Geltung einer Herrschaft bezieht sich auf zwei zentrale Aspekte: Den Herrschaftsanspruch und die Herrschaftsbeziehung, also die Bereitschaft der Herrschaftsunterworfenen dem Anspruch der Herrschenden zuzustimmen (vgl. Schubert/Klein 2018: 206). Während ersteres die (theoretische) Akzeptabilität des Systems betont, zielt letzteres auf die (empirische) Akzeptanz der Herrschaft (vgl. Westle 2000: 346). Beide Konzepte hängen miteinander zusammen, denn es wird angenommen, „[d]ass ein politisches System S akzeptabel [Herv. i. O.] ist, [wenn] […] S von vernünftigen Akteuren unter vernünftigen Rahmenbedingungen akzeptiert würde [Herv. i. O.]“ (Fleuß 2016: 17). Da sie unterschiedliche Beobachtungsstandpunkte haben, sollte davon abgesehen werden, beide Konzepte voneinander zu trennen. Die Akzeptabilität wird aus einer externen Position betrachtet, während die Akzeptanz als „tatsächliche Anerkennung eines politischen Systems durch seine Mitglieder“ eine immanente Perspektive hat (Westle 2000: 346). Beispielsweise würde der Fokus auf diese immanente Perspektive zu einem Wertrelativismus verleiten, der in der Konsequenz die Aussage erzwingt, dass das Dritte Reich legitim war, da es über Massenloyalität verfügte (vgl. ebd.: 346f.). Um diesen „logischen Positivismus“ illegitimer Legitimierung zu vermeiden, ist eine Prüfung der theoretischen Rechtfertigungsfähigkeit unumgänglich (vgl. Kneip/Merkel 2020: 28f.). Umgekehrt gilt bezüglich der externen Perspektive, dass Legitimität „[…] nicht von den Einstellungen und Unterstützungsleistungen der Bevölkerung für das Regime abstrahieren [kann]“ (Ebd.: 29), da diese immanenten Faktoren notwendige Herrschaftsbedingungen sind.[10] Somit hat das Volk die Möglichkeit, die Unterstützung und Geltung des Systems wirkungsvoll in Frage zu stellen (vgl. ebd.: 31). Dies zeigt, dass insbesondere der empirische Zweifel an der Rechtmäßigkeit Legitimationskrisen und Revolutionen provoziert (vgl. Westle 2000: 346).  
Hinter diesem Dualismus verbergen sich differente Konzepte von Legitimität. Es wird zwischen normativ-theoretischen Vorstellungen, die die Anerkennungswürdigkeit eines politischen Systems untersuchen, und empirisch-analytischen Vorstellungen, die den Legitimitätsglauben der Beherrschten thematisieren, unterschieden. Während normative Theorien fragen, wie Herrschaft ausgestaltet werden soll, um legitim zu sein oder unter welchen Bedingungen sie als rechtmäßig anerkannt werden sollte, betrachten empirische Theorien, unter welchen Umständen Herrschaft faktisch als legitim anerkannt wird und tatsächliche Folgebereitschaft erzeugt (vgl. Niederberger 2020: 157). Die Differenz besteht in der Frage, „[…] ob eine spezifische Herrschaftsform Folgebereitschaft für sich behaupten kann (empirische Dimension) oder können soll (normative Dimension)“ (Kneip/Merkel 2020: 29; eigene Herv.).      

Die empirisch-analytische Dimension von Legitimität wurde insbesondere durch Max Weber geprägt, welcher sich deskriptiv mit den subjektiven Legitimitätszuschreibungen auseinandersetzte, die eine normativ garantierte Herrschaftsordnung nötig hat, um Legitimität zu beanspruchen (vgl. Breuer 2000: 11). Aufgrund dessen wurde das Konzept der Anerkennung durch den sozial geteilten und exogenen Legitimitätsglauben der Bürger ersetzt (vgl. Kemper 2015: 149). Dieser erzeugt Gehorsam[11] und Fügsamkeit, da „[e]in bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen, also: Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen, zu jedem echten Herrschaftsverhältnis [gehört]“ (Weber 1972: 122f.). Empirische Legitimität ist damit ein Produkt der gemeinschaftlichen Überzeugung von der Rechtmäßigkeit der Normen einer Ordnung (vgl. Braun/Schmitt 2009: 53). Um darüber hinaus nicht voraussetzungslos zu erscheinen, ist sie auf einen normativen Unterbau angewiesen.   
Normative Legitimitätstheorien thematisieren deshalb die rationale Begründbarkeit und die guten Gründe „für die Normbefolgung im Sinne letzter Verbindlichkeitsgründe“ einer Herrschaft (Herbst/Zucca-Soest 2020: 12). Das heißt, sie fragen nach Gründen, die für die Beherrschten notwendig oder hinreichend sein sollten, um den Legitimitätsanspruch zu akzeptieren (vgl. Niederberger 2020: 158). Dieses Recht zum Regieren wird häufig an der authentischen „Übereinstimmung von Herrschaft mit normativen Prinzipien“ festgemacht (Glaser 2013: 22). Insofern liegt der Fokus auf moralischen Prinzipien und der Erwünschtheit einer Ordnung (vgl. Christiano 2006). Niederberger (2020: 166) fasst zusammen, dass normative Theorien erklären, „[…] wie Instanzen oder Ordnungen verfasst sein müssten, damit diejenigen, die ihnen unterworfen sind, ihnen die Legitimität zusprechen müssten [Herv. i. O.] beziehungsweise nicht absprechen dürften [Herv. i. O.]“. Nachfolgend soll es Aufgabe sein, einige Legitimitätskonzeptionen normativer und empirischer Art genauer zu betrachten.

2.1 Republikanische und liberale Legitimitätsvorstellungen

Fritz Scharpf unterscheidet die normativen Theorien in zwei Traditionslinien. Zum einen erkennt er eine republikanische und zum anderen eine liberale Tradition. Die republikanische Tradition kennzeichnet sich durch den Vorrang des Gemeinwesens vor den Individuen und durch einen Egalitarismus, der an Rousseaus Contrat Social gesehen werden kann (vgl. Scharpf 2009: 246). Zentrales Merkmal einer republikanischen Legitimitätsvorstellung ist die Orientierung der Herrschaft an der Förderung des Gemeinwohls und am allgemeinen Volkswillen (volonté générale). Dieser ist als der Wille der Gesellschaft als politischer Gesamtkörper zu verstehen und damit von der Summe der aggregierten Einzelwillen (volonté de tous) oder gar den individuellen Einzelinteressen (volonté particularé) zu unterscheiden. Während der Gemeinwille unfehlbar das allgemeine Wohl verfolgt, ist der Einzelwille als Kraft zu betrachten, der diesem zuwiderläuft. So begründet sich das Primat des Gemeinwohls, welches im Notfall aufgezwungen werden muss. Die Notwendigkeit ist darin begründet, dass der Bürger nur durch seine Unterwerfung unter dem Gemeinwillen seine bürgerliche Freiheit erhält. Diese wird im Anschluss an die Freiheit im Naturzustand als legitimer Endzweck der Herrschaft betrachtet. (Vgl. Rousseau 1953: 37, 51 & 59–66) Es heißt dazu bei Rousseau:

„Wer dem Gemeinwillen den schuldigen Gehorsam verweigert, wird durch den Staat zum Gehorsam gezwungen; mit andern Worten, man wird ihn zwingen, frei zu sein, denn nur unter dieser Bedingung wird jedem Bürger, der sich dem Vaterlande zur Verfügung stellt, seine persönliche Unabhängigkeit gewährleistet.“ (Ebd.: 51f.)

Des Weiteren hält Scharpf fest, dass eine logische Konsequenz jener Position die Forderung nach gleichberechtigter Partizipation aller Bürger und nach kollektiver Selbstbestimmung wäre. Der Bürger ist nicht nur „gleichverpflichteter Herrschaftsunterworfener“ sondern auch „gleichberechtigter Herrschaftsteilhaber“ (Schmidt 2019: 70). Legitimität stellt damit ein Produkt absoluter Volkssouveränität dar (vgl. ebd.: 70). Stillschweigende Zustimmung wird unzureichend, da der eigene Wille als Legitimitätsquelle unveräußerlich, nicht delegierbar oder repräsentierbar ist (vgl. ebd.: 69f.; Peter 2010). Dies impliziert ein allgemeines und gleiches Wahlrecht (vgl. Scharpf 2009: 246). Das demokratische Verfahren hilft dabei einen unfehlbaren Gemeinwillen hervorzubringen und erzeugt so eine legitime Entscheidung, dessen Normativität sich die antagonistischen Einzelwillen vernünftigerweise nicht mehr widersetzen sollten und können (vgl. Peter 2010; Christiano 2006).
Die liberale Tradition betont dem gegenüber den Vorrang des Individuums gegenüber dem Gemeinwesen. Individuelle Interessen und Rechte sollten diesem nicht untergeordnet sein, sondern durch die politische Macht besonders geschützt und befördert werden. Die individuelle Selbstbestimmung wird zum zentralen Wert einer legitimen Herrschaft erhoben. Die Gewährleistung eines geschützten Autonomiebereichs soll vor dem übergriffigen Willen anderer schützen, während eine staatliche Autorität legitime Regeln aufstellen muss, um zwischen widersprüchlichen Ansprüchen zu vermitteln (vgl. ebd.). In Anlehnung an Hobbes und Locke sollte Herrschaft deshalb die Sicherheit des Lebens wie auch Eigentums- und Freiheitsrechte garantieren. Das Ziel von Herrschaft liegt vorrangig auf der Sicherung negativer Freiheiten. Insbesondere John Locke, Adam Smith und John Stuart Mill betonen darüber hinaus auch, dass eine Beschränkung und Kontrolle der Staatsgewalt nötig ist. Eine legitime Herrschaft erfordert somit Grundrechte und Gewaltenteilung. (Vgl. Scharpf 2009: 247f.)

2.2 Max Weber: Die drei reinen Typen legitimer Herrschaft

Wie erwähnt, gilt Weber als Vordenker der empirischen Legitimitätsvorstellungen. In seinen Untersuchungen verzichtet er auf inhaltliche Normativität und fragt stattdessen nach der empirischen Beziehung „zwischen Legitimitätsansprüchen und Legitimitätsglauben“ (Breuer 2000: 2). In Anlehnung an seine Handlungstypen[12] erkennt er vier Legitimitätsgründe, die dabei deskriptiv zu verstehen sind. Die Legitimität von Ordnung kann garantiert werden:

  1. affektuell: „durch gefühlsmäßige Hingabe“ (Weber 1972: 17)
  2. wertrational: „durch Glauben an ihre absolute Geltung als Ausdruck letzter verpflichtender Werte […]“ (Ebd.)
  3. religiös: „durch den Glauben an die Abhängigkeit eines Heilsgüterbesitzes […]“
  4. zweckrational: „auch (oder: nur) durch Erwartungen spezifischer äußerer Folgen, also: durch Interessenlage […].“ (Ebd.)

Während die Gründe eins bis drei „rein innerlich“ sind, ist die Zweckrationalität äußerlich motiviert (vgl. ebd.). Nachfolgend stellt er fest, dass sich keine Herrschaft nur auf diese Motive „als Chancen ihres Fortbestandes“ verlassen würde. „Jede sucht vielmehr den Glauben an ihre »Legitimität« zu erwecken und zu pflegen.“ (Ebd.: 122) Dies führt zur Identifizierung dreier Herrschaftstypen anhand ihrer typischen Legitimitätsansprüche, die in empirischer Hinsicht von den Beherrschten geteilt werden und damit als legitim gelten kraft:

  1. „rationalen Charakters: auf dem Glauben an die Legalität gesatzter Ordnungen und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen ruhen (legale Herrschaft)“ (Ebd.: 124)
  2. „traditionalen Charakters: auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen ruhen (traditionale Herrschaft)“ (Ebd.)
  3. „charismatischen Charakters: auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen (charismatische Herrschaft).“ (Ebd.)

Es handelt sich allerdings um Idealtypen, die häufig in gemischter Form auftreten (vgl. Winckelmann 1952: 28). Die legale Herrschaft ist auf keine Führungsperson angewiesen. Sie funktioniert unpersönlich und fußt auf dem Gedanken, dass Legalität mit Legitimität gleichgesetzt werden kann. Dementsprechend verzichtet sie auf inhaltliche Beschränkungen und kennt nur formale Schranken durch die Übereinstimmung des Herrschaftshandelns mit bestehenden Gesetzen (vgl. Westle 1989: 23). Diese rationale Satzung entspringt wiederum freier Vereinbarung oder der Oktroyierung durch die bestehende Herrschaft (vgl. Winckelmann 1952: 30). Für Weber gilt die legale Herrschaft als zweckrational motiviert. Die reinste Form ist der sachlich strukturierte „bürokratische Verwaltungsstab“ mit formalem positivem Rechtssystem (vgl. Weber 1972: 126). Die legale Herrschaft ist der stabilste und dominanteste Typus.
Traditionale und charismatische Herrschaft sind wiederum auf Führungspersönlichkeiten angewiesen. Bei der traditionalen Herrschaft wird die Führungsfigur aufgrund von Traditionsbeständen berufen (vgl. Weber 1972: 124). Der Legitimitätsglaube ist deshalb traditional motiviert. Es gilt, dass sich dieser Typus an geteilte Traditionen bindet, die ihn legitimieren (vgl. Winckelmann 1952: 40). Schwierig wird es, diese zu übertreten oder abzuändern.       
Die Führerauswahl in der charismatischen Herrschaft erfolgt aufgrund des qualifizierenden Charismas des Führers. Bei Weber heißt es dazu, dass das Charisma – verstanden als „außeralltäglich […] geltende Qualität einer Persönlichkeit“ (Weber 1972: 140) – qualifizierter Führer als Quelle von Gehorsam kraft persönlichen Vertrauens dient (vgl. ebd.: 124). Damit ist gemeint, dass der Regierte einen Legitimitätsglauben aufgrund von Af­fek­ti­vi­tät entwickelt, sobald er die besondere Begabung des Führers erkennt. Er zeigt emotionale Folgebereitschaft aufgrund der „[…] übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem andern zugänglichen Kräften oder Eigenschaften […]“ einer legitimierten Person und will an diesen partizipieren (Ebd.: 140; vgl. auch Breuer 2000: 16). Weber erwähnt folgende Führungsqualitäten: Offenbarung, Heldentum oder Vorbildlichkeit (vgl. Weber 1972: 124). Unter einem Charismatiker ist im Sinne Webers also nicht nur der Demagoge gemeint. Die Grenzen dieser Herrschaft liegen in dem Zwang der permanenten Behauptung des Charismas begründet, da anderweitig die steigernden Erwartungen an die Fähigkeiten des Führers und der Legitimitätsglaube erodieren. Aufgrund dessen gilt dieser Typus als revolutionär und instabil. Er ist weiterhin stark abhängig von den Beherrschten.

2.3 Fritz Scharpf: Input- und Output-Legitimation

Nach Fritz Scharpfs (1970) „komplexer Demokratietheorie“ kann empirische Legitimität input- oder outputorientiert entstehen. Unter dem Input können eingehende Forderungen, Unterstützungsleistungen und Willensäußerungen der Bürger verstanden werden (vgl. Braun/ Schmitt 2009: 59). Er ist fokussiert auf die Mitwirkung und Beteiligung am politischen Prozess. Es handelt sich folglich um äußere Einspeisungen und Einflüsse, die aus der Umwelt an den Prozess getragen werden (vgl. Fleuß 2016: 22). Legitimität kann inputorientiert sein, da die Berücksichtigung des unverfälschten Volkswillens legitimitätsrelevant und -erzeugend ist (vgl. ebd.: 23). In Scharpfs (1999: 16) Worten heißt es: „Politische Entscheidungen sind legitim, wenn und weil sie den ‚Willen des Volkes‘ widerspiegeln – das heißt, wenn sie von den authentischen Präferenzen der Mitglieder einer Gemeinschaft abgeleitet werden können.“ Dies impliziert eine „government by the people“, die nur auf der Grundlage effektiver Einflussnahme und qualitativ hochwertiger ergebnisoffener Verfahren gewährleistet werden kann (vgl. ebd.: 16–19). Ein fairer Wettbewerb und gleiche Teilnahmechancen lassen die Verfahrensergebnisse dabei für die Unterlegenen akzeptabel erscheinen (vgl. ebd.: 17). 
Demgegenüber sind unter dem Output alle Politikergebnisse zu verstehen. Ein guter Output ist durch eine hohe Problemlösungsfähigkeit gekennzeichnet, die die „Kosten und Nutzen von Maßnahmen im öffentlichen Interesse“ verteilt und Schaden abwendet (Scharpf 1999: 22). „Deshalb geht es hier darum, das politische System so einzurichten, daß ein Höchstmaß politischer Rationalität erwartet werden kann.“ (Scharpf 1970: 22) Outputorientierte Legitimität entsteht folglich in Reaktion auf die politische Leistung. Scharpf (1999: 16) schreibt, dass demnach „[…] politische Entscheidungen legitim [sind], wenn und weil sie auf wirksame Weise das allgemeine Wohl im jeweiligen Gemeinwesen fördern“. Diese Darstellung impliziert eine Regierung als „government for the people“ mit dem Ziel der Förderung eines Gemeinwohls. Auch outputorientierte Legitimität benötigt dabei Wahlen als „instrumentelle Vorkehrungen zur Sicherung der Gemeinwohlorientierung“ (Scharpf 1997: 9). Damit dienen diese nicht dem „Willen des Volkes“, sondern der Ermittlung „verallgemeinerungsfähiger Interessen“ (Ebd.: 6) und im negativen Sinn dem Schutz vor Machtmissbrauch (vgl. Scharpf 1999: 22f.). Zusammenfassend ist die outputorientierte Legitimität ein Produkt der Qualität des Outcomes, die an der Interessensbefriedigung der Bürger gemessen wird. Es schließt sich nachfolgend ein Problem an, welches an Weber erinnert: Leistungsabhängige Legitimität ist instabil, da sie permanente Behauptung benötigt und in politischen Konflikten keine solidarischen Opfer von Benachteiligten verlangen kann (vgl. ebd.: 22).  
Gleichzeitig hat sie den Vorteil, auf eine „präexistente kollektive Identität“ des Volkes verzichten zu können (vgl. ebd.: 18). Mit Blick auf die Partizipationsformel der inputorientierten Legitimation gilt nämlich, dass die Minderheit Vertrauen in die Solidarität der Mehrheit benötigt und den Gedanken, dass jeder Bürger in guter Absicht die Wohlfahrt des Gemeinwesens fördern will.[13] Grundlage hierfür sind die gleichen problematischen Implikationen, die sich für das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit aus der Normativität des rousseauianischen volonté générales ergeben. Eine verfahrenstechnisch kollektive Entscheidung kann nie den individuellen Nutzen aller berücksichtigen – es droht die Tyrannei der Mehrheit. Es gilt, dass inputorientierte Legitimität voraussetzungsreicher ist, da outputorientierte Legitimität nur einen hinreichend großen Bestand an überschneidenden Interessen der Regierten und stabile funktionale Institutionen benötigt. (Vgl. ebd.: 17–22; Scharpf 1997: 5f.)    
Mit dieser Theorie gelingt es Scharpf eine Herrschaft fernab klassisch demokratischer Strukturen als legitim zu begründen. Zeitgleich impliziert er damit, dass lediglich eine Legitimationsart vonnöten ist. Diese Annahme wird von vielen Autoren bestritten (vgl. Fleuß 2016: 24).

3. Instrumentalismus und Prozeduralismus         

Die Frage nach der Legitimität einer Staatsform eröffnet weitere Debatten. Dabei scheint der Diskurs darüber, ob die Demokratie aufgrund egalitärer Verfahren oder kompetenter Ergebnisse ein legitimes System darstellt, einer der populärsten zu sein. Darauf aufbauend wird häufig gefragt, ob die Rechtfertigung der Demokratie über qualitativ hochwertige Ergebnisse erfordert, dass eine kompetentere Ordnung – sofern es diese gibt – bevorzugt werden müsste, auch wenn diese eine ungleiche Machtverteilung mit sich brächte. Sollte eine Staatsform Verfahrensmaßstäben oder höheren Prinzipien gerecht werden? Ist sie besser intrinsisch[14] oder instrumentell[15] zu gestalten, damit sie im normativen aber auch im empirischen Sinne Legitimität für sich beanspruchen kann? Diese Debatte, die schon bei Scharpf implizit war, wird in der angelsächsischen politischen Philosophie unter dem Titel „Instrumentalismus-Prozedura-lismus-Streit“ zusammengefasst. Beginnend mit einer Darstellung des Prozeduralismus und seiner theoretischen Grundlagen, wird nachfolgend dieser Streit betrachtet.

3.1 Der Prozeduralismus

Im reinen Prozeduralismus gilt, dass Systeme und Entscheidungsverfahren durch spezifische Verfahrensmerkmale intrinsisch moralisch motiviert sind (vgl. Arneson 2003: 124). Darauf aufbauend wird Legitimität verfahrensabhängig aus symbolisch prozessualen Merkmalen abgeleitet, denen normatives Gewicht beigemessen wird (vgl. Peter 2010; Fleuß 2016: 41). So heißt es bei Peter (2016: 136): „[democratic legitimacy] is established on grounds of the moral values embodied by democracy.“ Damit wird Demokratie zu einem Wert an sich
Anderson definiert in diesem Kontext drei demokratische Verfahrensmerkmale, die legitimitätsrelevant sind. Erstens ist die Mitgliedschaft als universeller und gleichberechtigter Staatsbürger wichtig, zweitens erfolgt die Regierung „[…] by discussion among equals [Herv. i. O.]“ (Anderson 2009: 215) und drittens schafft die demokratische Kultur Gemeinsamkeiten aufgrund der „[…] freewheeling cooperative interaction of citizens from all walks of life on terms of equality […]“ (Ebd.: 214). Normativ ist Demokratie auf dieser Basis gut, da sie den Regierten politisch und zivilgesellschaftlich eine identische Stellung untereinander zuweist und ihnen die Möglichkeit zur gleichen Autorität und Mitsprache durch das Prinzip „one man, one vote“ einräumt. Während ersteres auf Gerechtigkeitsgründe bezüglich der gleichen Geltung individueller Interessen verweist, betont letzteres die Autonomie durch Selbstregierung, die den Herrschaftsunterworfenen zum souveränen Bürger erhebt. Demokratie geht somit über eine funktionale Praxis zur Bedürfnisbefriedigung hinaus. Sie wird als Aktivität geschätzt und ist „[…] a culture or way of life of a community defined by equality of membership, reciprocal cooperation, and mutual respect and sympathy […]“ (Anderson 2009: 214). Für Prozeduralisten begründet die moralische Gleichwertigkeit und rationale Handlungsfähigkeit aller Subjekte ein grundlegendes Mitspracherecht. (Vgl. ebd.: 214f. & 219–226)       
An den Ausführungen wird sichtbar, dass Verfahren über Qualitäten unabhängig von ihren Ergebnissen verfügen und aus diesen ihren Wert beziehen. Dazu heißt es bei Viehoff (2017: 276): „Proceduralism […] appears to be concerned with the locus of value that justifies political power: it is the value of procedures rather than outcomes.“ Demokratie ist somit in ihrer Verfahrensgerechtigkeit begründet. Ihre Entscheidungen sind legitim, weil sie aus einem inhärent gerechten Verfahren hervorgegangen sind, wodurch unkluge Entscheidungen ausgeglichen oder sogar unmöglich werden sollen (vgl. Arneson 2009: 199; Griffin 2003: 116). Griffen (2003: 120) definiert weiter aus, dass ein politischer Prozess als inhärent gerecht anzusehen ist, wenn „[…] the rules and practices constituting it treat persons appropriately“. Es offenbart sich hieran die Parallele zur inputorientierten Legitimation nach Scharpf.    
Sichtbar wird, dass es sich nur um formale Kriterien handelt, die definieren, wie Entscheidungen zustande kommen sollen (vgl. Fleuß 2016: 28). Häufig ist diese Ansicht in der Akzeptanz der vernünftigen Pluralität von Meinungen begründet. Demnach existiert kein unbestrittener Maßstab, an welchem ein „richtiges“ oder qualitativ hochwertiges Ergebnis bemessen werden kann (vgl. Peter 2010). Eine vorpolitische naturrechtliche Wahrheit, die als höheres Ziel dient, existiert nicht. Damit können Politikergebnisse nicht als Legitimitätsquelle fungieren (vgl. ebd.). Peter (2016: 140) fasst zusammen: „With pure proceduralism, the procedure is necessary and sufficient for the value of the outcome. There is thus no procedure-independent standard for what counts as a good outcome.“ Die fehlende Anerkennung von instrumentellen Werten impliziert eine Ergebnisoffenheit, die zur „[…] Abwertung der Bedeutung der Qualität substanzieller Politikergebnisse oder -grundsätze […]“ führt (Fleuß 2016: 28). Bekannte prozeduralistische Positionen stammen unter anderem von Fabienne Peter[16] (2008), Elizabeth Anderson (2009), Daniel Viehoff (2014) und Christopher Griffin (2003).        
Ob epistemische Positionen dennoch mit dem Prozeduralismus vereinbar sind, bleibt umstritten (vgl. Fleuß 2016: 40). Eben dieser Wertrelativismus stellt die Grenze des Prozeduralismus dar. Nach Brennan erzwingt er die Aussage, dass die Vergewaltigung von Kindern oder das Beginnen eines unmoralischen Krieges zulässig ist, solange dies demokratisch beschlossen wurde (vgl. Brennan 2017: 32f.).[17] Erkennbar wird daran ein Verweis auf die Möglichkeit der Tyrannei der Mehrheit, die im Prozeduralismus übersehen wird. Darüber hinaus impliziert Brennans Position, dass geteilte Wahrheiten existieren, die es zu berücksichtigen gilt. Selbst wenn es sich dabei „nur“ um moralische Tatsachen oder einen Minimalkonsens handelt, wirkt diese Position mit Blick auf die Realität angemessener. Auch Fleuß verweist darauf, dass eine Theorie, die ohne materiale Grundsätze auskommen will, unmöglich ist, ferner die epistemische Dimension nicht vollständig verworfen wird (vgl. Fleuß 2016: 10 & 194). Schon die Verfahrensmerkmale können auf dieser Grundlage materielle Prinzipien darstellen oder implizieren. Die Werte, welche den Verfahren ihre Normativität verleihen – Autonomie, Volkssouveränität und Egalität etc. – sind keine neutralen Voraussetzungen. Sie verleiten dazu, als Systemanforderungen zu gelten (vgl. ebd.: 189 & 201). So heißt es bei ihr:

„Auch dann, wenn man ein großes Gewicht auf Diskussions-, Deliberations- und Aushandlungsverfahren legt, müssen die Rahmenbedingungen des Diskurses, bestimmte Standards bezüglich der geforderten Qualität der Verfahrensergebnisse sowie die Eigenschaften der relevanten Akteure festgelegt werden, wenn am Ende einer Auseinandersetzung mit Aushandlungsprozessen in politischen Gemeinschaften nicht einfach ein ‚Anything Goes‘ stehen soll. Zumindest eines sollen Rahmenbedingungen von Aushandlungssituationen, die beteiligten Akteure sowie die Ergebnisse politischer Prozesse nämlich sein: vernünftig [Herv. i. O.]. […] Eine nichtbeliebige normative politische Theorie kann niemals rein prozeduralistisch sein.“ (Ebd.: 182f.)

Es liegt der Schluss nahe, dass ein reiner Prozeduralismus nicht nur als „unplausibel“, sondern als realistischunmöglich“ verworfen werden muss (vgl. ebd.: 202). Dies begründet, warum viele Theorien eine prozeduralistische Stoßrichtung aufweisen, allerdings nicht als rein prozeduralistisch bezeichnet werden können. Häufig wird ein unvollkommener Prozeduralismus[18] beobachtet, der auf verfahrensunabhängige (Rationalitäts-)Kriterien zurückgreift (vgl. Peter 2016: 140). Dieser ist insofern wiederum nicht plausibel, als dass der Instrumentalist stets einwendet, dass diese Standards bedeutend besser verwirklicht werden könnten, wenn sie nicht nur durch das Verfahren ausgedrückt werden oder dieses strukturell gliedern, sondern wenn das Verfahren direkt an ihnen bemessen wird. Wenn Gerechtigkeit ein wichtiger Wert ist, dann sollte sie nicht anfänglicher Input sein, sondern vernünftigerweise im Output ihren Ausdruck finden. Der Prozeduralismus „[is] putting the cart before the horse“ (Arneson 2003: 132) und vertritt folglich eine umgekehrte Kausalität. Darüber hinaus erscheint unklar, warum der Prozess einem symbolischen Wert verpflichtet ist (vgl. ebd.: 130). Mit Brennan gefragt: Warum reicht es nicht aus, dass wir eine Statue aufstellen (vgl. Brennan 2017: 209)?

3.2 Der Instrumentalismus

Die idealtypische Gegenposition zum Prozeduralismus bildet der Instrumentalismus. In Anlehnung an die Kritik am Prozeduralismus formuliert Richard Arneson (2003: 131) – einer der instrumentalistischen Vordenker – seine Position wie folgt aus:

„Following instrumentalism, society selects the political decision procedure that is likely to produce the greatest fulfillment of people’s significant moral rights over the long haul. If we believe in the equal basic moral status of all people and this translates into equal basic moral rights for all, then we express our commitment to equality by resolving to do whatever is needed to maximize the fulfillment of these important equal rights.“

Daran wird sichtbar, worauf der Instrumentalismus fokussiert ist: Nur der instrumentelle Wert eines Verfahrens zählt. Es erschließt sich zugleich der Terminus technicus „Instrumentalismus“. Der Ursprung des Begriffes liegt im amerikanischen Pragmatismus. Der Philosoph John Dewey benannte seine Spielart des Pragmatismus identisch. Ähnlich wie die demokratietheoretische Strömung sah er politische Verfahren extrinsisch funktional begründet. Die Vernunft erhob er in diesem Kontext zu einem unabdinglichen Mittel für den Zweck der Problemlösung (vgl. Jörke 2003: 71). Der Wert einer Entscheidung wurde zum Produkt ihres Problemlösungspotenziales (vgl. Fleuß 2016: 43). Arneson, der 1993 bereits erkannte, dass seine Theorie instrumentell ist, nutzte den Begriff „Instrumentalismus“ erst in seiner Antwort auf Griffin 2003 mit der Anmerkung, dass dieser noch entwicklungswürdig sei (vgl. Arneson 1993; Arneson 2003: 122). Folglich scheint Griffin den Begriff populär gemacht zu haben. Es heißt in seiner Einleitung: „We can call this view about the justification of democracy pure instrumentalism [Herv. i. O.]. It denies that there is any meaningful sense in which the democratic procedure can be just apart from its outcomes.“ (Griffin 2003: 111)  
Im Vergleich zum Prozeduralismus kehrt der Instrumentalismus die Kausalität um: Ergebnisse werden nicht durch eingespeiste Verfahrenswerte legitimiert, vielmehr begründet sich das Verfahren in der effizienten Hervorbringung von Ergebnissen. Es ist nicht an sich wertvoll, sondern ein Mittel zum Zweck. Politische Beziehungen werden funktional und Prozesse müssen sich extern begründen können (vgl. Gunn 2019: 72). Es heißt bei Arneson (2003: 132):

„Why not say in every case that when one chooses an act or a policy conscientiously one expresses the idea that the act or choice is morally right, done for good and sufficient reasons so far as one can tell? Seen in this light, the expressive content of a choice depends on its independently determined moral status […].“

Die betonte Zweckdienlichkeit bezieht sich auf ein höheres Prinzip, welches das Verfahren im besonderen Maße befördern soll. Dieses kann als Ausdruck eines inklusiven Gemeinwohls verstanden werden (vgl. Arneson 2009: 210). Daran wird sichtbar, dass der Instrumentalismus vorpolitische oder naturrechtliche Wahrheiten annimmt. Im eingangs erwähnten Zitat definiert Arneson „equal basic moral rights“ als diesen extraprozeduralen Wert.        
Eine zentrale Anforderung an die Wahl besteht in diesem Kontext darin, dass jene kompetent funktionieren soll, da anderweitig weder Effizienz noch epistemischer Erkenntnisgewinn gesichert sind. Ihre Verfahrensqualität ist daran zu messen, wie gut sie „richtige“ Ergebnisse erzielt (vgl. Arneson 2009: 199). „Richtige“ oder qualitativ hochwertige Ergebnisse werden durch die Tendenz ausgezeichnet, die Wahrheiten wirkungsvoll zu verwirklichen.        
Diese Forderung nach Zweckmäßigkeit ist ebenfalls auf politische Systeme zu übertragen und erzwingt die Aussage, dass „[w]ir uns für jene Regierungsform entscheiden [sollten], die unabhängige Wahrheit am besten zutage fördert […]“ (Brennan 2017: 34). Spätestens an diesem Zitat wird eine enge Beziehung zum Konsequentialismus deutlich, dessen Fehlen am Prozeduralismus kritisiert wird (vgl. Arneson 2003: 129). Herrschaftsformen sind anhand ihrer moralischen und sachlichen Konsequenzen zu beurteilen. Sie sind nicht intrinsisch zu rechtfertigen, denn diese können nicht wesensmäßig gerecht oder ungerecht sein (vgl. Brennan 2017: 33; Arneson 2003: 130). Arneson (2003: 131) behauptet auf dieser Basis, dass wir nie eine Demokratie bevorzugen würden, „[…] when this choice predictably results in lesser fulfillment of rights […]“. Politische Systeme sind folglich als extrinsisch motivierte Werkzeuge zur verbindlichen Entscheidungshervorbringung zu verstehen und nicht als Selbstzwecke. Ein grundlegendes moralisches Mitspracherecht oder eine egalitäre Machtverteilung wird dabei irrelevant (vgl. Arneson 2009: 197). Auch wenn Ungleichheit das Ergebnis wäre, ist letztere am extraprozeduralen Ziel auszurichten. Arneson (2009: 203) schreibt diesbezüglich: „[…] a nondemocratic mode of organization that is vindicated by a morally sensitive cost and benefit assessment is not inherently disrespectful […].“ Dies gilt insbesondere dann, wenn sie die einzelnen Interessen der Herrschaftsunterworfenen, ihre moralischen Stati oder das Gemeinwohl wirkungsvoller fördert als eine demokratische Organisationsform (vgl. ebd.: 205). Die Herrschaftsform wird aufgrund ihrer Fähigkeit legitimiert, die qualitativ besten Entscheidungen und Politiken hervorzubringen (vgl. Fleuß 2016: 42; Arneson 2003: 123). Es entsteht eine Nähe zur outputorientierten Legitimation nach Scharpf.    
Fortfolgend wird das politische Verfahren beliebig und es gilt, dass auch die Demokratie überdacht werden sollte, „[w]enn [Herv. i. O.] sich herausstellt, dass es eine bessere Alternative gibt […]“ (Brennan 2017: 25). Ob jene allerdings existiert, bildet den zentralen Streitpunkt zwischen den instrumentalistischen Befürwortern und Gegnern der Demokratie. Dieser Streit wird weitergehend genauer beleuchtet. Aufgrund ihrer theoretischen Annahmen wird die Position der Befürworter nachfolgend als idealistischer Instrumentalismus und die der Gegner als realistischer Instrumentalismus bezeichnet.

3.2.1 Der idealistische Instrumentalismus

Der idealistische Instrumentalismus (oder „democratic instrumentalism“) verteidigt die Demokratie als bestmögliche Staatsform auf Basis instrumentalistischer Grundsätze und Normen (vgl. Arneson 2009: 197). Dementsprechend gilt auch hier, dass demokratische Verfahren keinen Eigenwert aufgrund ihrer Verfahrenswerte und -strukturen besitzen. Sie sind vielmehr wertvoll, da ihre Mechanismen die bestmöglichen Ergebnisse hervorbringen. Somit wird die demokratische Legitimität instrumentalistisch epistemisch begründet: Die Demokratie soll anderen Staatsformen vorgezogen werden, da sie – aufgrund von egalitären Abstimmungen oder deliberativen Beratungen – ein gutes Mittel ist, um zweckmäßige Ergebnisse und normative Wahrheiten zu befördern (vgl. Peter 2016: 133f.; Danaher 2013: 98f.). Argumentationen dieser Art sind von Hélène Landemore (2013) und Joseph Raz (1994) bekannt.           
Die gängigste Begründung erfolgt mittels Condorcet-Jury-Theorem (CJT). Dieses beruht auf drei Annahmen: Erstens verfügen die Wähler über die Kompetenz eher richtige Alternativen als falsche zu wählen. Zweitens stimmen sie aufrichtig für die ihrer Meinung nach richtige Alternative ab. Drittens erfolgt die Abstimmung unabhängig voneinander. Auf Grundlage des Gesetzes großer Zahlen gilt nachfolgend: Je größer die Wählerschaft ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die richtigen Ergebnisse durchsetzen. Damit wird sichtbar, dass die egalitäre demokratische Beteiligung funktional wichtig ist, um mit Sicherheit kompetente Ergebnisse hervorzubringen. (Vgl. Christiano 2006; Anderson 2006: 10ff.)      
Anfechtbar sind an dieser Argumentation allerdings die Annahmen erstens und drittens. Letztere scheint der Idee der Demokratie zu widersprechen, die vom gegenseitigen Austausch und der Beeinflussung als konstitutiven Element lebt (vgl. ebd.: 11). Praktisch muss hierzu nur der Kampf um die Stimmen des Volkes betrachtet werden. Erstere impliziert ein idealistisches Menschenbild. Wird nachfolgend angenommen, dass der Wähler tendenziell falsch liegt, weil er inkompetent ist, besagt das Gesetz der großen Zahlen: Je größer die Wählerschaft, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich die falschen Ergebnisse durchsetzen.     
Zusätzlich sind für den idealistischen Instrumentalismus charakterbasierte Argumente wichtig. John Stuart Mill ging davon aus, dass die demokratische Beteiligung positive Auswirkungen auf die Bürger hat (vgl. Mill 1968). Die Partizipation an kollektiven Entscheidungsprozessen verlangt eine höhere Aktivität der Bürger und fördert deren Autonomie. Auch ihre intellektuellen und moralischen Tugenden steigen, wodurch sich langfristig die Ergebnisqualität verbessert. Der demokratische Prozess ist funktional gut, weil er die Bürger kultiviert und durch öffentliche Rechenschaft zu erhöhter Rationalität zwingt. Diese Argumentation ist mit einem realistischen Menschenbild, wie es die instrumentalistischen Gegner der Demokratie vertreten, schwer zu vereinbaren. (Vgl. Christiano 2006; Brennan 2017: 14f.)

3.2.2 Der realistische Instrumentalismus

Der Instrumentalismus versucht nicht nur die Demokratie zu verteidigen. Vielmehr zeigt er gehäuft die Tendenz, Demokratie grundlegend reformieren, ändern oder sogar verwerfen zu wollen. Arneson geht beispielsweise davon aus, dass die Demokratie nur die zweitbeste Staatsform ist (vgl. Arneson 1993). Auf eine ähnliche Weise kann auch Jason Brennans Buch „Gegen Demokratie“ (2017) verstanden werden. Grundlage der Argumentation gegen die Demokratie ist dabei die Vermischung instrumentalistischer Grundsätze mit einer realistisch-skeptizistischen Anthropologie, welche stark von Joseph Schumpeter beeinflusst wurde (vgl. Brennan 2017: 15 & Schumpeter 1972: Kap. 21). Bei Arneson (2009: 206) heißt es beispielsweise: „Many citizens who exercise the vote in democracies are not reasonable, competent, well informed judges of the moral issues at stake […].“ Auf dieser Basis wirkt die gewählte Bezeichnung realistischer Instrumentalismus durchaus treffend. Brennan (2017: 19f.) teilt die typischen Bürger einer Demokratie hingegen in drei Kategorien ein:

  1. Hobbits: „Hobbits […] besitzen kaum politische Kenntnisse. Sie haben keine klare und feste Meinung zu den meisten politischen Fragen, und oft haben sie überhaupt keine Meinung.“
  2. Hooligans: „Sie haben klare und im Wesentlichen unveränderliche politische Ansichten. […] Hooligans nehmen politische Informationen auf, wobei sie jedoch voreingenommen sind. Sie neigen dazu, sich jene Fakten herauszusuchen, die ihre politischen Ansichten bestätigen, während sie Daten, die ihrer Meinung widersprechen, ignorieren oder ablehnen.“
  3. Vulkanier: „Vulkanier denken in politischen Dingen wissenschaftlich und rational. Sie besitzen Selbstkenntnis und hegen nur Überzeugungen, die sie beilegen können. Sie verfechten ihre Ansichten gestützt auf die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften und der Philosophie.“

Diese sind als Idealtypen zu verstehen, die – insbesondere mit Blick auf den Vulkanier – selten in ihrer Reinform vorzufinden sind (vgl. ebd.: 21). Brennan geht davon aus, dass mehrheitlich Hobbits und Hooligans den demokratischen Prozess prägen und widerspricht Mills Hypothese der charakterlichen Tugend. Demokratische Partizipation schafft keine Vulkanier, sondern vielmehr Hooligans (vgl. ebd.: 22). Grund dafür ist die Eigenart des Politischen:

Die rationale Wählerignoranz verleitet dazu, sich nicht politisch zu bilden, da jeder Informationserwerb Kosten in Form von Zeit und Mühe bedeutet (vgl. Arneson 2009: 201f.; Brennan 2017: 63). Zugleich gilt, dass politische Bildung den erwarteten Nutzen nicht übersteigt, da die einzelne Wahlstimme nur geringe Macht verleiht (vgl. ebd.: 64). Genießt diese allerdings kaum Einfluss, bedingt die instrumentelle Rationalität, dass keine Anreize zur Informationsbeschaffung bestehen. „Deshalb investieren die Bürger nicht in den Erwerb politischer Erkenntnisse: Dieses Wissen macht sich nicht bezahlt.“ (Ebd.: 65) Arneson (2009: 201) betont:

„And in fact given the tremendous investment of resources that one would have to make to vote wisely in each election and the tremendous inconsequence of one’s vote however carefully considered it might be, it is implausible to suppose that all things considered there is a serious moral obligation to vote wisely.“

Erschwert wird die kognitive Rolle des Bürgers darüber hinaus durch den natürlichen Hang zur Voreingenommenheit in Intergruppenbeziehungen. Die Gruppe, welcher sich das Subjekt zugehörig fühlt, wird positiver wahrgenommen als Fremdgruppen. Während erstere Identifikation und Loyalität verlangt, löst letztere Ablehnung oder Feindseligkeit aus (vgl. Brennan 2017: 77f.). Auf jener Grundlage werden Inhalte der eigenen Gruppe vorschnell als gut und gerecht angenommen, was die demokratische Verpflichtung gegenüber der Erkenntnis beeinträchtigt. Da Partizipation deshalb nicht inhärent gut ist, sollte sie nicht ausgeweitet, sondern verringert werden (vgl. ebd.: 135 & 246; Arneson 2009: 202). Diesbezüglich heißt es:

„Für die meisten Menschen hat die politische Partizipation keinen Nutzen. Im Gegenteil: Sie kommt den meisten von uns nicht zugute, sondern trübt unser Urteil und korrumpiert uns. Sie verwandelt uns in die Feinde unserer Mitbürger und gibt uns Gründe, einander zu hassen.“ (Brennan 2017: 24)

Damit betrachten realistische Instrumentalisten einen Großteil der Bürger aufgrund einer ungleichen Wissensverteilung als unabänderlich inkompetent und voreingenommen (vgl. Arneson 2009: 203; Tailsse 2018: 2). Es existiert ein systematisch geringes Informationsniveau, welches mit einer hohen Varianz der Wissensverteilung zusammenfällt (vgl. Brennan 2017: 65). Ein universelles Wahlrecht führt folglich zu ignoranten und irrationalen politischen Entscheidungen, die instrumentalistisch nicht zu rechtfertigen sind (vgl. ebd.: 24).     
Mit Blick auf jenes Menschenbild wird deutlich, dass realistische Instrumentalisten den Idealismus und Moralismus der klassischen Demokratietheorie kritisieren (vgl. Arneson 2009: 202). Häufig identifizieren sie eine „quasi-religious reverence for democracy“[19] dieser Theorien (Brennan 2019a: 6). Dezidiert realistisch ist die Position damit auch, da kein Interesse an den idealen Bedingungen von Herrschaft besteht. Es wird nach Antworten auf die nicht-ideale Frage gesucht, welche politischen Institutionen unter Anbetracht der tatsächlichen Natur des Menschen am besten zu verwirklichen sind. (Vgl. Brennan 2017: 354f.)

Aufgrund jener Anthropologie muss davon ausgegangen werden, dass egalitäre demokratische Verfahren moralisch verwerfliche und qualitativ minderwertige Ergebnisse hervorbringen. Die Demokratie weist also Tendenzen zur Inkompetenz auf (vgl. Arneson 2009: 201f.). Sollte diese These zu stark erscheinen, reicht aber die Annahme der Behauptung aus, dass ernsthafte Gründe dafür bestehen, dass kompetentere Verfahren zur Entscheidungsfindung existieren, um zu schlussfolgern, dass die Demokratie illegitim ist. Mit Blick auf die normative Forderung des Instrumentalismus, eine Staatsform aufgrund ihrer Ergebnisse auszuwählen, impliziert diese Behauptung die Existenz eines gerechteren und legitimeren Systems (vgl. Brennan 2017: 249). Insofern ist jenes als Alternative zu bevorzugen. Die Grundlage dieser Argumentation bildet das Kompetenzprinzip, welches in Kapitel 5.1 ausgeführt wird.
Da nur das Ideal des guten Outputs eine Legitimationsquelle darstellt, wird das Verfahren irrelevant oder – treffender formuliert – dem extraprozeduralen Ziel der Gemeinwohlförderung untergeordnet (vgl. Peter 2010). Ein demokratisches Verfahren ist für politische Legitimität nicht erforderlich. „[T]he best results standard singles out some form of nondemocratic politics as morally mandatory.“ (Arneson 2009: 209) Vorgeschlagene Alternativen verlangen dabei häufig eine ungleiche Machtverteilung anhand von Kompetenzanforderungen. So besteht nach Brennan die Lösung des Problems der Inkompetenz in einer Staatsform, die dem Anschein nach den Vulkaniern mehr Macht zugesteht als den Hooligans und Hobbits (vgl. Brennan 2017: 36). Es entsteht eine Herrschaft politischer Experten: Die Epistokratie.

3.3 Weitere Betrachtungen zur Instrumentalismus-Prozeduralismus-Debatte

Bei den zwei Positionen, die vorangegangen präsentiert wurden, handelt es sich um theoretische Idealtypen. Zwar erscheint auf Grundlage der Kritik am Prozeduralismus ein reiner Instrumentalismus als realistischer, allerdings ist auch dieser normalerweise nicht in der Demokratietheorie anzutreffen. Beispielsweise ist selbst Brennan bemüht, zwar grundlegende Reformen vorzuschlagen, die Demokratie aber nicht vollständig abzuschaffen. Ironischerweise wird dies an den vorgeschlagenen epistokratischen Herrschaftsformen in „Gegen Demokratie“ gut deutlich (vgl. Brennan 2017: 37f.).[20] Dementsprechend muss sich die Differenz zwischen Instrumentalismus und Prozeduralismus als Kontinuum vorgestellt werden, dessen Mittelpunkt Autoren wie David Estlund[21] (2008) und Thomas Christiano[22] (2008) definieren.        
Darüber hinaus soll auf einige Implikationen verwiesen werden: Der abgebildete Streit zeigt nicht nur Parallelen zu Scharpfs Konzeption der input- und outputorientierten Legitimation, er verkörpert ebenso das Spannungsverhältnis zwischen deontologischer und konsequentialisti­scher Ethik (vgl. Fleuß 2016: 26ff.). Ein weiterer impliziter Streitpunkt der Instrumentalismus-Prozeduralismus-Debatte besteht in dem Widerspruch zwischen dem Willen (des Volkes) und der Vernunft (des Objektiven). Während der Ausdruck des Willens in diesem Kontext ein Plädoyer für politische Freiheit darstellt, ist die Vernunft am utilitaristischen Gemeinwohl orientiert und schränkt so die Freiheit ein. Arneson (2009: 210) schreibt beispielsweise zur Idee des Instrumentalismus: „The stated and actual goals of politics would be to achieve an inclusive common good, not the advancement of some elite class.“ Damit erwähnt er zugleich eine zentrale Grenze des Instrumentalismus: Während prozeduralistische Vorstellungen zur Tyrannei der Mehrheit tendieren, grenzt dieser an Elitismus.       
Mit Blick auf die Idee der Vernünftigkeit lässt sich zudem festhalten, dass der Prozeduralismus auf vernünftige Meinungsverschiedenheiten hinweist, die ihren berechtigten demokratischen Raum verdienen, während der Instrumentalismus unvernünftige Meinungsverschiedenheiten thematisiert und als demokratisches Problem identifiziert (vgl. ebd.: 206f.). Daran wird sein Wahrheitsverständnis deutlich. Wahrheit ist hinreichend unumstritten, um Herrschaft darauf zu etablieren. Wie Arneson allerdings festhält, liegt die Rechtfertigung des Experten nicht in dem höheren Prinzip der Erkenntnis begründet, sondern vielmehr in praktisch-funktionalen Gründen (vgl. ebd.: 207). Selbstverständlich ist der Experte dennoch gegenüber der Wahrheit – und folglich außerpersönlich – rechenschaftspflichtig (vgl. Peter 2016: 142). Dadurch ergibt sich im Endeffekt doch der Streit, ob Herrschaft und Legitimität besser durch Verfahren oder höhere Prinzipien begründet werden sollten.            
Zusätzlich entfaltet sich die Debatte entlang differenter anthropologischer Annahmen (vgl. Fleuß 2016: 56). Um diese genauer zu verstehen und zeitgleich den Fokus gegenüber dem Instrumentalismus in seiner realistischen Lesart nicht zu verlieren, wird nachfolgend eine Betrachtung der Demokratietheorie von Joseph Schumpeter erfolgen.

4. Die Demokratietheorie nach Joseph Schumpeter

Joseph Alois Schumpeter wurde 1883 in Österreich geboren und gilt als einer der bedeutendsten Wirtschaftswissenschaftler. Im Jahr 1942 – folglich in einer Phase, in der die Demokratie als Staatsform einigen Schaden erlitten hatte – veröffentlichte er sein weltweit bekanntes Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“, welches insbesondere die gesellschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit reflektierte. In den Kapiteln 21 und 22 kritisierte er die Demokratie und übertrug gängige Elemente der Wirtschaftswissenschaften auf das Politische. Sie ist, so die Ansicht, ein Markt, dessen Tauschmittel Macht darstellt (vgl. Schmidt 2019: 169). Seine Analyse bleibt stets nüchtern und skeptisch, da das Ziel keine Untersuchung über normative Illusionen der Demokratie ist, sondern ihre faktische Funktionsweise. Aufgrund dessen gelangte er zu der Überzeugung, dass sie durch ein uninteressiertes Volk und einige führende Eliten geprägt wird. Mit diesen theoretischen Ansätzen gilt Schumpeter als Begründer der realistischen aber auch der ökonomischen Demokratietheorien.

4.1 Die Demokratie als Methode

Schumpeter verdeutlicht sein erstes Problem mit der Demokratie an der Darstellung einer „klassischen Lehre der Demokratie“, die insbesondere auf Rousseaus Lehren abzielt.

„[D]ie demokratische Methode ist jene institutionelle Ordnung zur Erzielung politischer Entscheide, die das Gemeinwohl dadurch verwirklicht, daß sie das Volk selbst die Streitfragen entscheiden läßt und zwar durch die Wahl von Personen, die zusammenzutreten haben, um seinen Willen auszuführen.“ (Schumpeter 1972: 397)           

An dieser Definition zeigt sich, dass er die Funktionsweise klassischer Theorien im allgemeinen Volkswillen begründet sieht (vgl. Ladwig 2009: 50). Dieser „Wille aller vernünftigen Individuen“ (Schumpeter 1972: 397) sei einfach zu erkennen und zu verstehen als Richtmaß der Politik. Allerdings ist diese Beschreibung kaum realistisch, da sie impliziert, dass keine Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. Vielmehr gilt, dass kein „[…] eindeutig bestimmbares Gemeinwohl, über das sich das ganze Volk kraft rationaler Argumente einig wäre“ existiert (Ebd.: 399). Jeder versteht etwas anderes darunter, da verschiedene Gruppen- und Einzelinteressen bestehen. Ein volonté générale, auf welchen die klassische Lehre angewiesen sei, gebe es nicht. Stattdessen prägt fundamentale Uneinigkeit die Gesellschaft (vgl. Scheuer­mann 2016: 418). Daraus ergibt sich, dass der einzelne Wille nicht „[…] per se [Herv. i. O.] ein politischer Faktor ist, der Anspruch auf Achtung hat […]“ (Schumpeter 1972: 402). Er ist eine „unbestimmte Handvoll vager Triebe“ (Ebd.: 402f.).         
Als zweite Kritik führt Schumpeter aus, dass die klassische Konzeption des Willens die irrationale Voreingenommenheit übersieht und eröffnet damit seine realistische Anthropologie. Der Bürger folgt primitiven Trieben und Infantilismus. Insbesondere im Politischen zeigt er reduzierten Wirklichkeitssinn, vermindertes Verantwortungsgefühl und geringe Intelligenz. Es wird vermutet, dass die Demokratie zu viel Rationalität von den Bürgern abverlangt (vgl. Eberle 1987: 157). Diese ist nur kurzfristig vorhanden, wenn nahe Lebensbereiche oder persönliche Vorteile Inhalte des politischen Prozesses sind (vgl. Schmidt 2019: 174). Da Demokratien so auf einem wenig disziplinierten und „handlungsunfähigen Komitee“ aufbauen, sind sie niemals langfristig funktional. Es gilt, dass „[…] der typische Bürger auf eine tiefere Stufe der gedanklichen Leistungen [fällt], sobald er das politische Gebiet betritt. […] Er wird wieder zum Primitiven“ (Schumpeter 1972: 416f.). Nach Schumpeter fehlen die nötigen politischen Überzeugungen, die die klassische Lehre voraussetzt. (Vgl. ebd.: 407–417)
Aufgrund dieser Beobachtung stellt er dar, als was der politische Wille stattdessen verstanden werden muss: Er ist für politische Gruppen und Eliten die Chance, ihre Interessen durchzusetzen, da sie die Möglichkeit erhalten, jenen zu formen oder sogar zu schaffen. Es besteht eine Anfälligkeit der Bürger gegenüber Überredungsmethoden und Propaganda (vgl. Scheuermann 2016: 413). Volonté générale und privater Wille sind somit nicht unabhängig, sondern häufig fabriziert (vgl. Schmidt 2019: 181). Sie sind kein Input des politischen Prozesses, sondern das Erzeugnis, da diese durch außerrationale Methoden maßgeblich beeinflusst werden können. Jene Methoden wirken im Politischen stärker als im Privaten. Besonders problematisch daran ist, dass viele Themen eine „verhängnisvolle Bedeutung“ haben und es unmöglich erscheint, politische Informationen neutral zu vermitteln. Da jeder Mensch voreingenommen ist, sind diese häufig verfälscht oder ausgewählt. (Vgl. Schumpeter 1972: 417–420) Es bleibt nichts anderes übrig, als die Volksherrschaft zu negieren und einzugestehen, „[…] daß in Wirklichkeit das Volk die Streitfragen weder stellt noch entscheidet, sondern daß diese Fragen […] normalerweise für das Volk gestellt und entschieden werden“ (Ebd.: 420).

Eine realistische Theorie zeigt deshalb, dass Demokratie ein „Konkurrenzkampf um politische Führung“ ist (Ebd.: 427). Dieser erhält eine bedeutende Rolle: „Demokratie ist die Herrschaft des Politikers“ (Ebd.: 452), welcher politische Angebote gegen Stimmen handelt.

„[D]ie demokratische Methode ist diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfs um die Stimmen des Volkes erwerben.“ (Ebd.: 427f.)

Für Schumpeter liegt das konstituierende und beschränkende Element des demokratischen Systems folglich in der Konkurrenz. Die Parteien versuchen „[…] den Sieg davonzutragen, um zur Macht zu gelangen oder an der Macht zu bleiben“ (Ebd.: 443). Politische Entscheidungen oder gar die Beförderung eines allgemeinen Wohls stellen nicht die eigentlichen Ziele der Politiker dar. Während sie um Macht konkurrieren, entsteht der Output als ein Nebenprodukt „[…] im gleichen Sinne wie die Produktion eine Nebenerscheinung beim Erzielen von Profiten ist“ (Ebd.: 448). Abschließend gilt die Demokratie als ein freier Wettbewerb um Stimmen, auf dessen Grundlage ein Führungsanspruch entsteht und durchgesetzt werden kann. Die demokratischen Regeln dienen dabei als Regulation, während eine unsouveräne Bürgerschaft die minimalistische Funktion des Entscheidens erhält (vgl. Ladwig 2009: 56f.).

4.2 Instrumentalistische Elemente in der Theorie von Schumpeter

Schumpeters Theorie der Demokratie ist im Kontext des Instrumentalismus-Prozeduralismus-Streits insofern interessant, als dass er einige instrumentalistische Elemente verarbeitet. Das Offensichtlichste ist dabei, dass seine pessimistische Anthropologie weitgehend vom realistischen Instrumentalismus übernommen wurde. Das kann beispielsweise an Brennan beobachtet werden (vgl. Brennan 2017: 15 & Kap. 2). Es gilt, dass die Bürger gerade auf lange Sicht willenlos sind oder zu affektuellen und irrationalen Handlungen neigen. Nach Brennan charakterisiert ersteres die Hobbits, während voreingenommene Irrationalität eine Eigenschaft der Hooligans darstellt (vgl. ebd.: 19). Dies ist aber nicht die Schuld der Bürger, sondern vielmehr bedingt durch die Eigenart des Politischen (vgl. Massing 2017: 224f.). Während Instrumentalisten auf die rationale Wählerignoranz verweisen, sind für Schumpeter lebensferne politische Thematiken verantwortlich (vgl. Schumpeter 1972: 414f.). Da politische Bildung unwirksam sei, bestehe die Lösung dieses Problems darin, die Partizipation und die Sphären des Politischen zu verringern (vgl. ebd.: 463f. & Brennan 2017: 43f.).   
Klassisch instrumentalistisch blickt Schumpeter auch auf die Output-Ebene. Er fragt nicht nur nach den Funktionsvoraussetzungen einer effektiven Demokratie, sondern schreibt auch:

„Wenn man aus den Resultaten, die sich auf die Dauer gesehen für das Volk im ganzen [sic!] als zufriedenstellend erwiesen, den Prüfstein einer Regierung für [Herv. i. O.] das Volk macht, dann würde die Regierung durch [Herv. i. O.] das Volk, wie sie von der klassischen Lehre der Demokratie aufgefaßt wurde, oft ihr nicht entsprechen.“ (Ebd.: 406)

An diesem Zitat zeigt sich eine kritische Sicht gegenüber Herrschaftsformen durch das Volk (vgl. Ladwig 2009: 55). Der Zwiespalt von „durch das Volk“ und „für das Volk“ verweist auf den Instrumentalismus-Prozeduralismus-Streit. Eine Regierung durch das Volk ist unweigerlich prozedural geprägt, wodurch Schumpeter implizit Position gegen prozeduralistische Ansichten bezieht. Das Verfahren, so die Interpretation, ist dem Ergebnis unterzuordnen. Seine Kritik erfolgt dabei über ergebnisorientierte Effizienzkriterien. Die instrumentalistische Pointe lautet, dass eine Herrschaft „für das Volk“ einer „durch das Volk“ aufgrund von zufriedenstellenderen Ergebnissen überlegen ist (vgl. Schumpeter 1972: 406). Seine Affinität zur Herrschaft für das Volk wird zusätzlich durch eine Funktionsvoraussetzung der Demokratie betont, die er identifiziert. Diese muss von den Bürgern Zurückhaltung gegenüber den Gewählten verlangen (vgl. ebd.: 468). Schmidt (2019: 180) sieht darin die Forderung der „Delegation öffentlicher Aufgaben an expertokratische Einrichtungen“.       
Der outputorientierte Instrumentalismus lässt sich weitergehend an seiner Demokratietheorie erkennen. Die Funktion der demokratischen Methode ist die effiziente Hervorbringung akzeptierter Führung und politischer Entscheidungen (vgl. ebd.: 173; Scheuermann 2016: 425). Sie liegt damit in extraprozeduralen Zielen begründet, wenn auch der Bezug zu höheren Werten fehlt. Folglich ist das demokratische Verfahren nicht aufgrund von Verfahrenswerten zu schützen, sondern muss sich an seinem Output – der Führerauswahl – messen lassen (vgl. ebd.: 426). Demokratie wird zum funktionalen Erfordernis (vgl. Schmidt 2019: 172f.). Zusätzliche Plausibilität erhält diese Interpretation, wenn betrachtet wird, wie Schumpeter die klassische Theorie kritisiert. Ähnlich wie Instrumentalisten den Prozeduralismus kritisieren, wirft er religiöse Dogmatik vor, die sich am prozeduralen Wert der Gleichheit offenbart. Diese besitze keine „rationale Berechtigung“ als politisches Postulat. Vielmehr sei sie das „demokratische Glaubensbekenntnis“ an einen „überirdischen Sinn“, deren Hinterfragung „moralische Entrüstung“ erzeuge (Schumpeter 1972.: 422). Hieran zeigt sich seine Ablehnung gegenüber Verfahrenswerten, die unfunktionale Selbstzwecke darstellen. Ihn stört besonders,

„[…] daß die Demokratie, wenn sie auf diese Weise motiviert wird, aufhört, eine bloße Methode zu sein, über die man rational wie über eine Dampfmaschine oder ein Desinfektionsmittel diskutieren kann. Sie wird nun tatsächlich zu etwas, wozu ich sie von einem anderen Standpunkt aus für unfähig hielt, nämlich zu einem [Ideal] […]. Allein schon das Wort kann zu einer Fahne, zu einem Symbol all dessen werden, was dem Menschen teuer ist, was er an seinem Lande liebt, ob es nun rational dazu gehört oder nicht.“ (Ebd.: 423)   

Es existiert eine emotionale Bindung zur klassischen Demokratietheorie, wobei sie nicht die Praxis wiedergibt und somit ihre Funktionalität verliert (vgl. ebd.: 425). Schumpeter kritisiert den symbolischen Charakter, welcher vom Prozeduralismus betont wird. Um es normativ auszudrücken, verlangt er, dass demokratische Verfahren nicht als Wert an sich gelten sollten (vgl. Ladwig 2009: 66). Verkörperte Werte wie Autonomie, Freiheit und Gleichheit sind irrelevant für die realistische Funktionsweise und nur durch ihre Überhöhung präsent (vgl. Schumpeter 1972: 421ff.). Jene Ideale sind für die Legitimität verzichtbar (vgl. Scheuermann 2016: 426). Demokratie kann auf dieser Grundlage als nützliches Mittel zum Zweck der Entscheidungshervorbringung und Führerauslese betrachtet werden (vgl. Ladwig 2009: 57). Sie wird zur bloßen Methode, welche hinsichtlich ihrer Wirksamkeit rational diskutabel ist (vgl. Schumpeter: 1972: 423). Schumpeter betrachtet jene als funktionales Werkzeug.     
Eine Differenz zum Instrumentalismus zeigt sich in der Annahme des Wahlverhaltens. Nach ihm ist der Wähler ein Nutzenmaximierer (vgl. Eberle 1987: 157). Demgegenüber sehen Instrumentalisten eine altruistische Motivation (vgl. Brennan 2017: 96ff.). An dieser Stelle entfaltet sich der größte Unterschied: Die Vorstellung eines Gemeinwohls ist für Schumpeter eine Illusion (vgl. Schumpeter 1972: 399). Seine Kritik könnte folglich lauten: Es mag zwar richtig sein, ein politisches System anhand seiner Ergebnisse zu beurteilen und zu legitimieren, aber nach welchem Richtmaß soll der Output bewertet werden, wenn wir uns auf kein gemeinsames Gemeinwohl einigen können? Schumpeter kennt keine verallgemeinerungsfähigen Werte außer der Führungsauswahl und dem individuellen Nutzen.
Zugleich lässt sich dieser Widerspruch gegenüber instrumentalistischen Positionen in seiner Theorie überwinden: Verstanden als die Maximierung der aggregierten Einzelinteressen oder der effizienten Führerauswahl könnte formuliert werden, dass ein politisches System legitim sein sollte, wenn es die aggregierten Einzelinteressen – die von der Elite hervorgebracht wurden – und die effiziente Führerauslese am besten befördert (vgl. Ladwig 2009: 66; Scheuermann 2016: 426). Dieser Grundsatz kann als instrumentalistisch angesehen werden, ohne dass eine Konzeption des Gemeinwohls benötigt wird. Allerdings ist es kompliziert, einen plausiblen Legitimitätsbegriff für Schumpeters Theorie zu konstruieren. Zum einen arbeitet er nicht normativ und zum anderen gehört dieser Begriff in die klassische Lehre (vgl. ebd.). Zweckrational motiviert und im Sinne empirischer Legitimität erscheint allerdings die Aussage zulässig, dass derjenige legitimiert ist, der aus dem Kampf um die Stimmen der Wähler als Gewinner hervorgeht. Das Recht des Stärkeren wird in diesem Verständnis zur Legitimitätsquelle im Sinne einer charismatischen Herrschaft (vgl. Ladwig 2009: 53).          
Aufgrund des wirksamen Konkurrenzkampfes existiert die Annahme, dass die demokratische Methode bei ihm nicht nur ein Auswahlmechanismus von Führung ist, sondern zugleich kompetent erfolgt (vgl. Schmidt 2019: 172). Bestärkt wird die Interpretation durch Schumpeters (1972: 459) Begründung, warum Demokratien anderen Systemen überlegen sind:

„In keiner sozialen Sphäre […] wird die Leistungsfähigkeit ausschließlich durch das Auswahlsystem erprobt […]. Alle Systeme prämiieren, freilich in verschiedenem Ausmaß, auch andere Eigenschaften, – Eigenschaften, die oft mit der Leistung sich schlecht vertragen. […] Es ist nicht ganz richtig, daß im Durchschnittsfall der politische Erfolg nichts für einen Mann beweist oder daß der Politiker nichts als ein Dilettant ist. […] Und wenigstens im allgemeinen [sic!] dürfte die Fähigkeit, sich eine politische Führerstellung zu erringen, mit einer gewissen Summe persönlicher Kraft und anderer Eigenschaften verbunden sein, die […] willkommen und nützlich sind. Immerhin gibt es […] Felsen, die nicht wirklich unwirksam sind, um den Aufstieg des Deppen oder des Windbeutels zu verhindern.“

Im Sinne dieser Verteidigung der Demokratie könnte Schumpeter trotz seiner pessimistischen Anthropologie als idealistischer Instrumentalist gelten. Nachfolgend kann nämlich formuliert werden, dass Demokratie kein Selbstzweck ist, sondern das beste Verfahren, um eine kompetente Führerauslese zu gewährleisten. Damit wird sie zu einem Mittel, um den Output zu verbessern und ist aus epistemischen Gründen zu bevorzugen. Diese Interpretation hat allerdings zwei Grenzen, die sie unplausibel machen. Erstens führt das schumpeter­ianische Dilemma direkt zu der Frage, wie ein Wähler mit minimaler Rationalität fähig sein soll, den kompetenten Führer zu identifizieren (vgl. Schmidt 2019: 181f.). Zweitens widerspricht Schumpeter (1972: 458) der Interpretation selbst, indem er anführt, dass

„[…] die intellektuellen und charakterlichen Eigenschaften, die einen guten Kandidaten ausmachen, nicht unbedingt jene [sind], die einen guten Verwaltungsmann ausmachen und die Auswahl vermittels des Wahlerfolgs kann sich gerade gegen Menschen wenden, die in der Leitung der Geschäfte erfolgreich wären“.

Der Gewählte mag gut in der „Menschenbehandlung“ (Ebd.: 459) sein, darüber hinaus ist die Qualität des Führungspersonals aber ein Problem. Wie angedeutet, macht es dieser ambivalente Blick auf die Demokratie und die deskriptive Arbeitsweise schwer, Schumpeter als instrumentalistischen Befürworter oder Gegner der Demokratie einzuordnen. Eindeutig aber wurde, dass seine Theorie instrumentalistisch motiviert ist, da sie die Demokratie auf funktionale Zwecke begrenzt. Auch wenn die normativen Implikationen gering sind, da die Diskrepanz zur Realität Schumpeter lediglich dazu verleitet die Theorie anzupassen, erscheint das Urteil zulässig, dass seine Kritik dem realistischen Instrumentalismus zuzuordnen ist. Passend dazu stellt Schmidt (2019: 177) fest: „[…] Demokratie als Methode [hat] insgeheim den Vorteil, die Politik nicht vorrangig den Massen zu überlassen, die weithin als ungebildet, wankelmütig, stupide – wenn nicht gar gefährlich – gewertet werden.“

5. Jason Brennan gegen die Demokratie

Nachdem an Joseph Schumpeters Demokratietheorie die deskriptiven Implikationen des Instrumentalismus gesehen werden konnten, folgt nun die Darstellung der instrumentalistischen Perspektive von Jason Brennan. Er knüpft an Schumpeter an, arbeitet aber im Gegensatz zu ihm normativ. Deutlich wird dies an seiner Konzeption der Epistokratie. Brennan selbst ist Professor an der Georgetown University und zählt mit seinem Buch „The Ethics of Voting“ (2011) zu den wichtigsten Wahlforschern der USA. Das Werk „Gegen Demokratie“ (2017), welches provokante und demokratieskeptische Thesen vertritt, erlangte weltweit Bekanntheit. Er fragt darin, unter welchen Bedingungen Herrschaft akzeptiert oder abgelehnt werden sollte und vertritt die These, dass eine instrumentalistische Staatsform ein höherwertigeres und freiheitlicheres Leben ermöglichen würde (vgl. Brennan 2017: 13; Brennan 2019a: 6).

5.1 Die Demokratie ist illegitim!

Brennan beginnt sein Buch ähnlich wie Schumpeter mit einer klassischen Lehre der Demokratie, die er als „demokratischen Triumphalismus“ bezeichnet. Er schreibt:

„Alle Menschen haben ein Grundrecht auf den gleichen Anteil an politischer Macht. Politische Teilhabe ist gut für uns, denn sie gibt uns Macht über unser eigenes Schicksal, sie hilft uns, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, und macht uns zu besseren Menschen. Die politische Aktivität festigt die Brüderlichkeit und das Gemeinschaftsgefühl.“ (Brennan 2017: 23)

Nachfolgend formuliert er vier Kritikpunkte: Zuerst baut die klassische Lehre auf einer fehlerhaften Darstellung der Wählerschaft auf. Diesbezüglich entfaltet er seine drei Idealtypen demokratischer Bürger (vgl. Kap. 3.2.2). Daran anschließend ist zweitens der Partizipationsgedanke systematisch überschätzt. „Wir sollten nicht auf mehr, sondern auf noch weniger [Herv. i. O.] Partizipation hoffen“ (Brennan 2017: 16), da diese keinen Nutzen hat. Es folgt drittens die Kritik, dass die Demokratie den Inkompetenten Macht über Kompetente gewährt (vgl. ebd.: 26ff.). Zuletzt leitet sich daraus ab, dass sie nicht prozeduralistisch beurteilt werden sollte, sondern als instrumentalistisches Werkzeug (vgl. ebd.: 29ff.).

Die Legitimität der Demokratie greift Brennan auf Basis der Kritikpunkte erstens und drittens an. In seiner Argumentation folgt er dabei Arneson (vgl. Arneson 2009: 197ff.). Nach der liberalen Legitimitätsvorstellung (vgl. Kap. 2.1) handelt es sich bei dem Volk nicht um ein kollektives Ganzes, welches auf Grundlage des „Harm Principles“[23] nach Mill das legitime Recht besäße, sich selbst zu schädigen (vgl. Brennan 2017: 26f.). Vielmehr besteht das Volk aus Individuen, die den Wahlentscheidungen ihrer Mitbürger unterworfen sind. Da das Wahlrecht damit eine Form der Fremdbestimmung ist, welches über die Wählerschaft hinausreicht – man bedenke die vom Wahlrecht Ausgeschlossenen oder internationale Verflechtungen – und mehr Macht über andere beinhaltet als über einen selbst, kann es kein Selbstbestimmungsrecht sein (vgl. Arneson 2003: 124f.; Brennan 2017: 274f.). Mit erneutem Blick auf das „Harm Principle“ verlangt das Recht auf Macht über andere eine gute Rechtfertigung (vgl. ebd.: 27f.). Diese fehlt definitiv, wenn den Bürgern eine irrationale oder unmoralische Entscheidung ohne gute Begründung aufgezwungen wird (vgl. ebd.: 278).  
Anschließend eröffnet sein erster Kritikpunkt eine problematische Perspektive: Werden die tatsächlichen Umstände betrachtet und die Typologien der Wählerschaft akzeptiert, so sind die Wähler mehrheitlich inkompetent. Das spiegelt sich in demokratischen Entscheidungen wider. „Allgemein lässt sich sagen, dass die politischen Entscheidungen der Regierung umso schlechter sind, je geringer das Wissen und die moralische Tauglichkeit des Wahlvolkes sind.“ (Brennan 2017: 283) Folglich schaden ignorante und irrationale Wähler vorrangig ihren Mitmenschen (vgl. ebd.: 27). Es erscheint als eine Ungerechtigkeit, wenn die Annahme akzeptiert wird, dass unter der Bedingung eines Zustands, der Herrschaftslosigkeit ausschließt, es ungerechter ist, eine inkompetente Entscheidung aufgezwungen zu bekommen als eine kompetente. Wie von Mill gezeigt wurde, bestehen plausible Gründe zu dieser Annahme, wodurch implizit ein Herrschaftsanspruch entsteht (vgl. Mill 1968: 127f.). Es gilt: „Citizens may reasonably demand competence from the electorate.“ (Brennan 2013: 198)    
Somit fehlt der Demokratie eine Rechtfertigung, um die Bürger zu den inkompetenten Entscheidungen anderer zu verpflichten. Zusammenfassend stellt eine verantwortungslose und uninformierte Wahlentscheidung eine unzulässige Freiheitseinschränkung für besser Informierte dar. Bei Brennan (2019a: 2) heißt es diesbezüglich: „People have a presumptive right not to be subject to incompetent decision-making methods, or decisions made by incompetent people or bodies, in high-stakes cases.“ Daran wird ein negatives Freiheitsverständnis ähnlich der liberalen Vorstellung sichtbar, welches als das Recht definiert werden kann, vor inkompetenten Entscheidungen geschützt zu sein. Diese individualistische Position wertet demokratische Gleichheit ab und kritisiert sie als unrechtmäßige Fremdbestimmung.     
Folglich lehnt die Argumentation ein egalitäres, universelles und unbedingtes Wahlrecht ab. Die Ausübung sei meist unmoralisch, ungerechtfertigt und nicht funktional begründbar (vgl. Arneson 2009: 197f.). Bei Brennan (2017: 24) heißt es dazu, dass „[…] kein Grundrecht auf die Beteiligung an Wahlen oder darauf, sich um öffentliche Ämter zu bewerben [existiert]. Der Anspruch auf politische Machtausübung […], der mit dem Wahlrecht einhergeht muss begründet werden.“     
In Analogie zu einer Gerichtsverhandlung, von der verlangt werden kann, dass sie ungültig ist, sobald sie böswillig oder inkompetent jemanden zu Unrecht verurteilt (vgl. Brennan 2013: 197f.; Brennan 2017: 269f.), formuliert er ein „Kompetenzprinzip“, welches für alle politischen Institutionen gelten soll. „Es besagt, dass bedeutsame politische Entscheidungen als ungerecht, illegitim und nicht maßgeblich zu betrachten sind, wenn sie inkompetent, in böser Absicht oder von einem generell inkompetenten Organ gefällt werden.“ (Ebd.: 47) Damit verlangt er, dass kollektive Organe „[…] keinen schlechten epistemischen und moralischen Charakter haben“ dürfen, um legitim zu sein (Ebd.: 271).   
Das Kompetenzprinzip ist als Richtmaß zur Beurteilung der normativen Legitimität eines politischen Systems zu verstehen. Auffällig ist, dass es keine umfassende Legitimitätstheorie verkörpert. Es lässt bewusst die Frage danach offen, was eine legitime Herrschaft ausmacht. Vielmehr handelt es sich um ein Disqualifikationsprinzip, das definiert, unter welchen Umständen die Ausübung politischer Macht keine moralische Bindung, Autorität und Legitimität beanspruchen können sollte (vgl. Brennan 2019a: 3). Da die Demokratie gegen das Kompetenzprinzip verstößt, ist sie als illegitim auszuschließen und es gilt, „[…] if some non-democratic alternatives turn out to work better, as judged by whatever the correct procedure-independent normative theory is, we are free and indeed obligated to use them“ (Ebd.: 5f.).

5.2 Die Epistokratie als Alternative

Das Kompetenzprinzip als Grundlage eines Staates beinhaltet ein Recht aller Bürger, kompetente Entscheidungsverfahren aus Gerechtigkeitsgründen umzusetzen (vgl. Brennan 2013: 198; Brennan 2017: 249ff.). Somit ist normativ zu verlangen, dass „[w]enn unschuldigen Menschen bedeutsame politische Entscheidungen aufgezwungen werden, […] jede einzelne Entscheidung kompetent und rational von kompetenten und rationalen Menschen gefällt wird“ (Ebd.: 283). Auf dieser Grundlage entwickelt Brennan die Epistokratie.       
Der Terminus technicus „Epistokratie“ stammt aus David Estlunds (2003) Werk „Why no Epistocracy?“. Er setzt sich aus den altgriechischen Wörtern „episteme“ für „Wissen“ und „kratos“ für „Herrschaft“ zusammen. Dementsprechend handelt es sich bei der Epistokratie um die „Herrschaft der Wissenden“ (vgl. Estlund 2003: 53).
Brennan (2017: 36) definiert, dass „[…] ein politisches System epistokratisch [ist], wenn die politische Macht formal entsprechend der Kompetenz, den Kenntnissen und der Bereitschaft verteilt wird, das Handeln an diesen Kenntnissen auszurichten“. Die Definition ist zweiteilig: Inhalt ist nicht nur, dass derjenige, der eine Entscheidung über andere treffen will, kompetent sein muss, er soll zugleich vertrauenswürdig sein. Darunter wird seine Bereitschaft verstanden nach jenen Kenntnissen zu handeln (vgl. Moraro 2018: 201f.).
Es wird erkennbar, dass die Epistokratie auf einer genuin modernen Annahme beruht: Klassisch aufklärerisch wird das Politische an die Vernunft gebunden. Hieraus bezieht die Epistokratie normative Legitimität. Im Gegensatz zur egalitären Demokratie begründet sich ihre Machtverteilung nicht in der natürlichen Vernunftbegabung aller Menschen, sondern sie thematisiert die tatsächliche Vernunftrealisierung. Es muss realistischerweise angenommen werden, dass nicht jeder einer Verwirklichung der Vernunft nachkommen wird. Dies ist die Grundlage der epistokratisch-elitären Pointe, die ein Primat der Bildung gegenüber dem Politischen verlangt. (Vgl. Braune 2013: 259ff.)            
Aufgrund dessen können nach Estlund drei Postulate abgeleitet werden, die die theoretische Grundlage der Epistokratie bilden: Das „Postulat der Wahrheit“ besagt, dass richtige Antworten auf politische Fragen existieren. Das „Postulat des Wissens“ behauptet, dass einige Bürger die Wahrheiten besser erkennen als andere. Darauf aufbauend verlangt das „Postulat der Autorität“, dass dies ein Grund ist, um den Experten politische Autorität über andere einzuräumen. Werden jene Thesen akzeptiert, bestehen ernsthafte Gründe dafür, die Epistokratie zu bevorzugen. (Vgl. Estlund 2008: 30–34; Brennan 2017: 39)    
Das Postulat der Wahrheit kann schwer abgelehnt werden, da das Ergebnis ein Relativismus wäre (vgl. Danaher 2013: 103). Das Postulat des Wissens stellt nachfolgend eine vielleicht unwillkommene aber durchaus akzeptierte Tatsache dar (vgl. ebd.: 103). Folglich kann nur das dritte Postulat effektiv kritisiert werden. Estlund merkt dabei an, dass dieses Ausdruck eines „Experten-Autorität-Trugschlusses“ sei (vgl. Estlund 2008: 39). Größeres Wissen begründe keinen Machtanspruch (vgl. Brennan 2017: 40). Dem widerspricht Brennan: Das dritte Postulat vertrete vielmehr die Annahme, dass die Inkompetenz einiger Bürger einen ausreichenden Grund darstelle, „[…] ihnen nicht zu erlauben [Herv. i. O.], politische Autorität über andere auszuüben“, da es Entscheidungen ansonsten „an Autorität oder Legitimität mangelt“ (Ebd.: 40f.). Es ist damit ein „Antiautoritätspostulat“[24] (vgl. ebd.: 40). Auf Basis dieser theoretischen Grundlagen benennt Brennan fünf Herrschaftsformen, die epistokratisch sind:

  1. Das beschränkte Wahlrecht: Das aktive und passive Wahlrecht wird nicht automatisch vergeben. Es muss durch das Bestehen eines Kompetenztests über den politischen Informationsstand ähnlich der Einbürgerungstests verdient werden. (Vgl. Brennan 2017: 363)
    2. Das Pluralwahlrecht: Es gewährt ein universelles Wahlrecht, sieht aber vor, dass Bürger zusätzliche Stimmen erwerben können, wenn sie mithilfe von Kompetenztests, Abschlüssen oder sonstigen Leistungen nachweisen können, dass sie über besondere politische Kompetenzen und Wissensbestände verfügen. Ursprünglich stammt es von Mill. (Vgl. ebd.: 366)
    3. Die Stimmrechtslotterie: Zuerst werden per Losverfahren Vorwähler aus der gesamten Wahlbevölkerung ausgelost. Nachfolgend können diese freiwillig an bestimmten Maßnahmen (Materialen zur Selbstbildung, Workshops etc.) zur Kompetenzentwicklung und politischen Bildung teilnehmen, wodurch sie das vollwertige Wahlrecht erhalten. Es werden folglich nicht die kompetentesten Wähler ausgewählt, sondern vielmehr ausgebildet. (Vgl. ebd.: 367f.)
    4. Das epistokratische Veto: Das universelle und gleiche Wahlrecht bleibt erhalten. Zusätzlich wird ein epistokratisches Gremium[25] mit Vetorecht gegründet, welches als Kontrollinstanz fungiert. Es prüft die epistemische Qualität der Entscheidungen. (Vgl. ebd.: 370–374)
    5. Die Regierung durch simuliertes Orakel: Aufgrund politischer Präferenzen, demographischer Charakteristika und der Grundkenntnisse der Bürger, die in Umfragen ermittelt werden können, kann mit sozialwissenschaftlichen Methodiken abgeschätzt werden, was das Volk präferiert, wenn es über einen höheren Informationsstand verfügen würde. (Vgl. ebd.: 380f.)

Die Bestimmung der politischen Kompetenz stellt ein großes Problem dar. Auch wenn sie nicht mit trivialen objektiven politischen Kenntnissen gleichzusetzen ist, thematisiert Brennan jene in Form der Kompetenztests häufig. Grundlegend dafür ist die Annahme, dass die politischen Kenntnisse mit dem Verständnis korrelieren (vgl. Brennan 2017: 364). Zweierlei ist daran problematisch: Zum einen könnte die Kopplung des Wahlrechts an diese Annahme die Korrelation abschwächen (vgl. ebd.: 365). Zum anderen könnten die Tests nicht für die Vertrauenswürdigkeit der Bürger garantieren (vgl. Moraro 2018: 201f.). Folglich stellt ihre Überprüfbarkeit tatsächlich eine noch größere Herausforderung dar.     
Mit Blick auf diese Formen der Epistokratie wird öfter behauptet, dass es sich um die Herrschaft der Vulkanier handelt. Brennan widerspricht dem. Vielmehr sind epistokratische Strukturen auf der Idee gebaut, dass die Hooligans die entscheidende Kraft bilden (vgl. Brennan 2017: 357). Faktisch ist die Epistokratie damit „[…] not the rule of Vulcans, but a possible mechanism for getting better outcomes from the Hooligans“ (Brennan 2019a: 6).       

5.3 Epistokratie und Demokratie

Um die Epistokratie zu verstehen, stellt sich nachfolgend die Frage, wie sie normative und empirische Legitimität erhält. Wird dies im Hinblick auf das Kompetenzprinzip beantwortet, muss konsequenterweise behauptet werden, dass jenes wenig darüber aussagt, ob die Epistokratie legitim ist. Es lässt die Frage nach der Legitimität eines Systems offen, da es sich um ein Disqualifikationsprinzip handelt, welches die normative Legitimität der Demokratie bestreitet (vgl. Arlen/Rossi 2018: 3f.; Brennan 2013: 200). Lediglich erscheint der Umkehrschluss zulässig, dass die Epistokratie prima facie legitimer ist als die Demokratie.      
Da das nur begrenzt aufschlussreich ist, muss nach der Legitimitätsquelle in normativer Hinsicht gesucht werden. Diese verkörpert die Kompetenz und folglich die Bindung der Politik an die Vernunft. Es bestehen praktische Gründe zu der Annahme, dass kompetente Entscheidungen legitimer sind als inkompetente (vgl. Mill 1968: 127f.; Brennan 2013: 201). Zusätzlich dienen sie dem Gemeinwohl besser, welches anders als bei Rousseau klar vom Allgemeinwillen zu trennen ist, der als irrational gilt. Werden nachfolgend extraprozedurale Ideale festgelegt, wird empirisch bestimmbar, ob und wie effizient eine Machtverteilung diese befördert (vgl. Gunn 2019: 71; Peter 2010). Daran ist die normative Legitimität des Prozesses zu bemessen (vgl. Danaher 2013: 102). Es folgt, dass sich die epistokratische Legitimität aus der Ermächtigung der kompetenten Bürger ergibt. Die ungleiche Machtverteilung zugunsten einer epistemischen Elite stellt die Legitimitätsgrundlage der Epistokratie dar (vgl. ebd.). Zugleich beruht die Machtverteilung auf dem vermeintlich objektiven Leistungskriterium der Kompetenz, wodurch sie nicht an sich willkürlich ist (vgl. Estlund 2003: 60).  
Hier schließt sich die empirische Legitimität an. Zuerst ist anzunehmen, dass die Epistokratie eine Form der charismatischen Herrschaft nach Weber darstellt (vgl. Kap. 2.2). Grundlage ist die Beobachtung, dass Kompetenz als außeralltägliche Qualität gilt. Sobald der Bürger die erkenntnistheoretische Überlegenheit der Herrschaftsordnung erkennt, könnte er ihr gegenüber einen Legitimitätsglauben entwickeln (vgl. Danaher 2013: 103). Weiterhin baut die Epistokratie auf outputorientierte Legitimation nach Scharpf auf (vgl. Kap. 2.3). Demnach geht Brennan davon aus, dass die Epistokratie als legitim wahrgenommen wird, sobald die Bürger Anreize dafür erhalten (vgl. Gunn 2019: 58). Die kompetenten Entscheidungen helfen, diese Anreize zu schaffen. Denn es wird davon ausgegangen, dass sie auf effiziente Weise individuelle Bedürfnisse befriedigen können. Damit wird der Bürger – ähnlich wie bei Schumpeter – auf die Rolle eines Konsumenten politischer Entscheidungen reduziert.          
Unzureichend wäre es dennoch, die Input-Ebene gar nicht zu betrachten. Brennan thematisiert diese implizit im Kontext seines Gerechtigkeitsproblems der Demokratie. Nach ihm kann gesagt werden, dass das epistokratische Wahlrecht gerechter ist als ein allgemein strukturiertes (vgl. Braune 2013: 266f.). Dazu heißt es: „The idea here is not that knowledgeable people deserve to rule – of course they don’t – but that the rest of us deserve not to be subjected to incompetently made political decisions.“ (Brennan 2019b) Folglich ist die Epistokratie legitim, da sie weniger Fremdbestimmung und mehr negative Freiheit für alle Bürger garantiert. Zusätzlich stellt sie so eine Antwort auf das rousseauianische Problem der Tyrannei der Mehrheit dar. Gleichzeitig provoziert sie dieses erneut, da der epistokratische Allgemeinwille als vernünftig angenommen werden muss und abweichende Positionen als unvernünftig tituliert (vgl. Braune 2013: 271f.; Fleuß 2016: 188). Brennan hat darüber hinaus auch ein Bewusstsein für demokratische Input-Legitimation. Anderweitig ist nicht erklärbar, wieso alle epistokratischen Formen versuchen, antidemokratische Versionen zu vermeiden und demokratische Strukturen zu wahren (vgl. Arlen/Rossi 2018: 9f.; Talisse 2018: 11).       
Es ergibt sich im Anschluss die Frage, inwieweit die epistokratischen Formen von Demokratien unterschieden werden können. Letztendlich verfügen diese auch über demokratische Institutionen und selbst strenge Formen räumen noch breite Beteiligungsmöglichkeiten ein (vgl. Brennan 2019b). Folglich könnte die These aufgestellt werden, dass die Epistokratie nur eine Quasi-Demokratie mit restriktiveren Bildungsanforderungen sei (vgl. Huseynli 2018).   
Die These wird verstärkt, da es unangemessen wirkt, der Epistokratie pure Demokratiefeindlichkeit zu unterstellen. Ihre Theorie basiert zwar auf einer Kritik der realen Ausgestaltung der Demokratie, könnte hingegen die ideale Demokratie mit umfassend gebildeten Bürgern verwirklicht werden, würde ein realistischer Instrumentalismus jenem System zugetan sein. Es existiert also eine Vorstellung, die als utopischer Zielzustand der Epistokratie bezeichnet werden kann. Die epistemischen Beschränkungen des Wahlrechts sollen einen Anreiz für die Wähler schaffen, ihre rationale Wählerignoranz zu überwinden (vgl. ebd.). Damit steigt ihr Interesse an politischer Bildung und es sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch die Beschränkungen vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf diese Ausführungen darf nie vergessen werden, dass zwar eine demokratische Struktur als utopischer Zielzustand betrachtet wird, nicht aber eine Demokratie an sich. Es scheint trotz der Parallelen einen definitorischen Unterschied zwischen Epistokratie und Demokratie zu geben, weshalb auch die vorangegangene These zu verwerfen ist.           
Brennan behauptet, dass dieser in einer ungleichen Machtverteilung qua Gesetz bestehe (vgl. Brennan 2017: 358). Jene Definition ist unzureichend, da zumindest das simulierte Orakel und die epistokratische Stimmrechtslotterie eine identische Machtverteilung vorsehen. Der definitorische Unterschied liegt vielmehr darin begründet, dass erstens die Machtverteilung funktional erfolgt und zweitens kein grundlegender natürlicher Anspruch auf politische Macht kraft menschlicher Vernunftbegabung existiert. Um es mit den Worten Brennans (2017: 245) auszudrücken: Es wird nicht davon ausgegangen, „[…] dass Menschen allein aufgrund ihrer Geburt […] befähigt sind, bedeutsame politische Entscheidungen zu fällen“. So gesehen verlangt die Epistokratie eine Beweislastumkehr (vgl. Huseynli 2018; Braune 2013: 273). Nicht das System muss die Inkompetenz seiner Bürger beweisen, jene erhalten die Pflicht, ausreichende Kompetenzen für das Wahlrecht vorzuweisen. Damit verkörpert die Epistokratie eine fundamentale Kritik an der Grundgesamtheit der Beteiligten (vgl. ebd.: 258).

6. Zur Kritik des instrumentalistischen Legitimitätsprinzips

Am Beispiel der Epistokratie als eine normative Vorstellung des realistischen Instrumentalismus eröffnet sich die Chance, das instrumentalistische Legitimitätsverständnis nicht nur zu analysieren, sondern auch zu kritisieren. Nachfolgend wird deshalb eine Kritik der Epistokratie entwickelt, die insbesondere Zweifel an ihrer empirischen Legitimität begründet und in diesem Kontext einen Widerspruch zum normativen Legitimitätsprinzip feststellt.          
Aufgrund ihrer radikalen Forderung eine identische Verteilung der politischen Macht teilweise abzuschaffen, wurde die Epistokratie gehäuft kritisiert. Eine Schwäche wird vor allem in der Rolle des Bürgers und der Wahl identifiziert. Dabei wird behauptet, dass der Bürger mehr als ein konsumierendes Subjekt sei (vgl. Anderson 2009: 213f.) und die Wahl über einen instrumentellen Wert hinaus Gruppenzugehörigkeit und Systemidentifikation verkörpere (vgl. Peter 2008: 36–42; Arlen/Rossi 2018: 10ff.). Weiterhin wird die ungleiche Machtverteilung als per se respektlos betrachtet (vgl. Braune 2013: 273; Brennan 2019b).
Es schließt sich eine populäre Kritik von Estlund an, die er als „demographischen Einwand“ bezeichnet (vgl. Estlund 2003: 62). Brennan (2017: 389) formuliert jenen wie folgt aus: Da die Wissensbestände unter gesellschaftlichen Gruppen nicht gleichmäßig verteilt sind, werden

„[i]n jedem realistischen epistokratischen System […] Angehörige von Gruppen, die sich bereits in einer günstigen Lage befinden, wahrscheinlich mehr Macht erringen als Angehörige bestimmter benachteiligter Gruppen. Eine Epistokratie wird daher vermutlich eine unfaire Politik betreiben, die eher Interessen der Privilegierten als jenen der Benachteiligten dienen wird.“

Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick überzeugend, während beim genaueren Hinsehen Schwächen auffallen. Ein Instrumentalist wie Brennan wendet zweierlei ein: Erstens impliziere die Argumentation eine Wahlentscheidung aufgrund von Eigeninteressen. Das sei nicht der Fall, da die Bürger altruistisch handeln (vgl. ebd.: 389f.). Zweitens sollten wir dann die Epistokratie der Demokratie vorziehen, wenn sich herausstelle, dass jene effektiver das Problem der demographischen Ungleichheit korrigiert (vgl. ebd.: 390f.).  
Diese Argumentation soll nun ignoriert werden, weil bedeutend stärkere Argumente gegen den demographischen Einwand existieren. Fokussiert auf die praktische Ausgestaltung sind Brennans epistokratische Stimmrechtslotterie und die Regierung durch simuliertes Orakel weniger von dem Einwand betroffen als die Demokratie selbst (vgl. Brennan 2019a: 11–19; Brennan 2017: 389).[26] Wird die theoretische Ebene betrachtet, trifft der demographische Einwand die Epistokratie so gut wie nicht. Der Einwand kann nämlich wie folgt interpretiert werden: Die Epistokratie kann theoretisch betrachtet vielversprechender als die Demokratie sein. Sie scheitert vorrangig nicht an theoretischen Schlüssen, sondern an einem praktischen Problem, welches unabhängig von ihrer Theorie existiert. Sobald demographische Ungleichheiten hinreichend gelöst wurden – zum Beispiel auf demokratischem Weg – oder eine Gesellschaft ohne diese theoretisch angenommen wird, ist die Epistokratie der Demokratie überlegen und sollte eingeführt werden (vgl. Brennan 2017: 239). Werden die gesellschaftlichen Umstände so definiert, zeigt sich, dass der demographische Einwand nicht die theoretische Substanz der Epistokratie trifft. Es gilt deshalb überzeugender zu argumentieren und eine Kritik auf Grundlage von internen Schlüssen, statt auf externen Faktoren zu entwickeln.          
Das will die nachfolgende Kritik versuchen, ohne dabei prozeduralistische Argumente zu nutzen. Sie wird versuchen, auf Basis praktischer Gründe die Schlussfolgerungen des Instrumentalismus realistisch-weberianisch zu reflektieren. Eine Betrachtung der normativen Prinzipien steht damit nicht im Mittelpunkt. Grundlegend ist vielmehr die Annahme, dass ernstzunehmende Zweifel daran bestehen, dass die Epistokratie die theoretischen Prämissen des Instrumentalismus konsequent und konsistent durchdenkt. Zu diesem Zweck werden die voraussetzungsreichen instrumentalistischen Prämissen akzeptiert.[27] Es stellt sich die Frage, wieso die Einführung der Epistokratie sogar unter idealen Bedingungen problematisch sein kann?

6.1 Zur weberianisch-realistischen Kritik

David Estlund gilt als bekannter Vertreter des Kritikpunktes, dass eine sichere objektive Auswahl der kompetenten Wählerschaft unmöglich ist (vgl. Estlund 2003: 58). Folglich kann niemand identifizieren, wer die Wissenden sind. Es gilt deshalb, dass eine Epistokratie nicht eingeführt werden sollte, auch wenn kompetentere Personen existieren (vgl. ebd.: 53). Die akzeptable Idee, dass sie besser regieren, widerspricht nicht der These, dass sie es nicht sollten (vgl. ebd.: 58). Eine Rechtfertigung für die Autorität der Experten bestehe nämlich solange nicht, wie es an ausreichend akzeptablen Gründen mangelt, diese Machtverteilung allgemein nachvollziehbar erklären zu können (vgl. ebd.: 55). In der Folge entsteht ein Akzeptanzproblem in theoretischer Hinsicht und unter den Regierten, wodurch die Epistokratie weder normative noch empirische Legitimität für sich beanspruchen kann (vgl. ebd.: 58f.). Sichtbar wird hieran, dass legitime Ordnungen nach Estlund nicht nur kompetent funktionieren müssen, sondern vorrangig allgemeine Akzeptabilität benötigen (vgl. Estlund 2008: 184). Auf jener Basis lehnt er die Epistokratie moralisch ab und schreibt nachfolgend: „[…] so the rule disallowing invidious comparisons in favor of the well-educated portion of the citizenry would remain intact.“ (Estlund 2003: 61)   

Da für diese Kritik aber die brennansche Prämisse akzeptiert wurde, dass ein Verfahren existiert, um die Experten objektiv zu identifizieren, verliert Estlunds Argumentation ihre Gültigkeit und muss nachgebessert werden. Hinzu kommt nach Danaher (2013: 103) das Problem, dass die Epistokratie als Form der charismatischen Herrschaft ihre Akzeptanz aus einer „undesirable deference to the epistemic elite“ beziehen könnte, „[…] because too many citizens prefer not to second-guess their judgment“. Damit benötigt die Begründung der Epistokratie gar keine öffentliche Nachvollziehbarkeit mehr, sondern lediglich die Einsicht der vom Wahlrecht Ausgeschlossenen in die Kompetenz der Experten oder einen ihren Interessen entsprechenden Output. Das sind die empirischen Legitimitätsquellen der Epistokratie, auf welchen die Fügsamkeit der Beherrschten gegenüber ihren Entscheidungen beruht.     
Nachfolgend soll aufgezeigt werden, dass diese beiden Annahmen zur empirischen Legitimität fehlgeleitet sind. Sie sind problematisch, da der Instrumentalismus seine theoretischen Grundlagen und insbesondere seine realistische Anthropologie nicht konsequent anwendet. Nur weil es normativ sinnvoll erscheinen mag, eine Machtverteilung am Kompetenzanspruch orientiert vorzunehmen und ein Auswahlverfahren die entsprechende Möglichkeit dazu eröffnet, objektiv kompetente Subjekte zu bestimmen, bedeutet dies nicht, dass ihre Herrschaft effizient und langlebig wäre. Selbstverständlich wird unter den übernommenen Annahmen eine so geartete Herrschaft rationale Entscheidungen hervorbringen und objektive Qualitätsstandards besser erfüllen. Allerdings muss für eine ausreichende empirische Legitimität diese Qualität vom Volk subjektiv erkannt werden (vgl. Gunn 2019: 62f.).        
Der Instrumentalismus nach Brennan ist damit auf der unrealistischen Idee gebaut, dass der inkompetente Bürger den Wahrheitsanspruch in den Entscheidungen der Experten erkennt oder jenen zumindest bedingungslos hinnimmt. Dafür existieren keine plausiblen Gründe, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Epistokratie einer funktionierenden Version der charismatischen Herrschaft nach Weber gleicht. Eine objektiv nachgewiesene Überlegenheit mag einen gültigen Herrschaftsanspruch darstellen, bedingt aber noch keine hinreichend legitime Herrschaftsbeziehung, ferner sie nicht subjektive – oder affektuelle – Legitimitätszuschreibungen hervorruft (vgl. Estlund 2003: 60). Das implizite Problem besteht darin, dass sich die Autorität des Experten aus einer drittpersönlichen Verpflichtung gegenüber der Wahrheit ergibt, während die Anerkennung der Herrschaftsbeziehung zweitpersönlich erfolgt (vgl. Peter 2016: 142f.). Deshalb schreibt Estlund (2003: 58): „In that case, privileging the wise would require not only their being so wise as to be better rulers, but also, and more demandingly, that their wisdom be something that can be agreed to by all reasonable citizens.“ Die Epistokratie muss nicht nur kompetent funktionieren, sondern auch die Fähigkeit besitzen, die Beherrschten von ihrem Kompetenzanspruch zu überzeugen.       
Problematisch daran erscheint, dass Kompetenz als außeralltägliche Form des Charismas anders verstanden werden muss als beispielsweise strategisches Geschick. Letzteres ist leicht an gewonnen Schlachten und eroberten Gebieten zu erkennen. Erstere ist durch ihren Bezug zur Wahrheit hochgradig umstritten, insbesondere da auch der Inkompetente seine eigenen Schlüsse als rational betrachtet. Hier setzt der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt an. Diese Überschätzung eigener Fähigkeiten ist durch kognitive Verzerrung bedingt, wie Dunning und Kruger feststellten (vgl. Dunning/Kruger 1999). Ihre Untersuchungen zur Inkompetenz sind für drei Aussagen bekannt: Weniger kompetente Personen haben erstens eine Neigung zur Selbstüberschätzung, zweitens unterschätzen sie häufig die Fähigkeiten anderer und drittens können sie ihre eigene Irrationalität nicht ausreichend reflektieren (vgl. ebd.). Jene empirische Untersuchung untermalt die Eingangsthese, nach der es unrealistisch ist anzunehmen, dass der Inkompetente den Herrschaftsanspruch des Kompetenten ohne Widerspruch akzeptiert, da er die außeralltägliche Qualität problemlos erkennen kann.         

Im Politischen bestehen aber differente Formen von Irrationalität. Wird davon ausgegangen, dass nur uninteressierte und unwissende Hobbits existieren, erscheint die Epistokratie umsetzbar. Mit Talisse formuliert, stellt allerdings der überzeugte Hooligan ein großes Problem dar. Es wird sich als unmöglich herausstellen, ihn vom Kompetenzanspruch des Vulkaniers zu überzeugen, sofern dieser eine andere Meinung vertritt. Es handelt sich hierbei nämlich nicht um Unwissenheit, sondern um fehlerhafte Selbst- und Fremdeinschätzung. Der Hooligan wird sich nie über den eigenen Charakter bewusst sein, sondern sich als Vulkanier betrachten. Das thematisiert Brennan sogar selbst (vgl. Brennan 2017: 83f.). Seine Identifikation kann folglich nur zweit- oder drittpersönlich erfolgen. (Vgl. Talisse 2018: 7ff.)   
Deshalb werden die Hooligans eine Epistokratie befürworten, zeitgleich aber ihre Privilegierung einfordern oder diese Staatsform ablehnen, wenn sie nicht ermächtigt werden. Es gilt: „[A]ny attempt to design an epistocracy that does not empower the hooligans will be received by them as yet another corrupt power-grab by their incompetent and sinister political enemies.“ (Ebd.: 8) Erschwerend kommt hinzu, dass Hobbits im Politischen eher Hooligans als Vulkanier werden, wie Brennan behauptet (vgl. Brennan 2017: 22). Damit wird die Epistokratie instabil sein, solange die Gesellschaft von Hooligans dominiert ist (vgl. Talisse 2018: 9f.). Für jene können keine ausreichenden Gründe aufgezeigt werden, die eine Fügsamkeitsmotivation schaffen. Zugleich wird für Exkludierte die Möglichkeit beschränkt, eine epistokratische Regierung im fairen Wettbewerb abzuwählen. Folglich läuft die Epistokratie Gefahr, ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden, denn auch kompetente Entscheidungen benötigen Folgebereitschaft als Funktionsvoraussetzung. Anderweitig ist das Produkt eine Herrschaft durch Zwang, welche weder wünschenswert noch effizient wäre.           
Kritiker mögen einwenden, dass vorangehend nur die erste These zur empirischen Legitimität der Epistokratie kritisiert wurde. Diese könne durchaus darauf verzichten, als Form der charismatischen Herrschaft nach Weber zu gelten – zumindest müssen die Bürger nicht den Kompetenzanspruch der Experten erkennen. Es ist im Hinblick auf die Output-Legitimation nach Scharpf ausreichend, dass kompetente Entscheidungen individuelle und kollektive Anreize schaffen, um Akzeptanz zu erhalten (vgl. Gunn 2019: 58). Auf Grundlage dessen würde eine permanente Bewährung der Herrschaft im Output stattfinden.    
Damit wird allerdings impliziert, dass kompetente Entscheidungen populär sind oder sein müssen. Die Idee ist insbesondere mit Blick auf fernliegende und langfristige Zeiträume problematisch: Beispielsweise könnte die Einführung einer CO2-Steuer mit Blick auf den Klimawandel als kompetent betrachtet werden, während sie bezogen auf die Gegenwart wenig Anreize schafft, sondern vielmehr Einschränkungen verlangt. Dementsprechend führt die Orientierung am kompetenten Output bei Entscheidungen wie diesen – damit sind vor allem Null- und Negativsummenspiele gemeint – zu Illegitimität oder Funktionsunfähigkeit. Jenes Problem mit solidarischen Opfern thematisiert Scharpf selbst (vgl. Scharpf 2004: 7f.).         
Auf Grundlage dessen wird eine instrumentalistische Theorie wie sie bei Brennan zu finden ist, regelmäßig vor die Wahl gestellt, ob sie einen politisch verwertbaren aber inkompetenten Volkswillen bedienen will oder ob sie ihrem Prinzip der Kompetenz gerecht wird. Während ersteres empirische Legitimität stiftet, ist letzteres eine Anforderung aus dem normativen Legitimitätsanspruch. Damit ergeben sich aus den theoretischen Grundlagen des Instrumentalismus plausible Gründe, um anzunehmen, dass die Epistokratie vor einem Paradoxon steht: Der empirische Legitimitätsglaube steht im offenen Konflikt zum normativen Legitimitätsanspruch. Nur einer von beiden kann verwirklicht werden.

6.2 Die Implikationen dieser Kritik

Die Implikationen der Kritik für die Epistokratie und Demokratie sind so vielfältig, dass sie nicht vollständig dargestellt werden können. Zusätzlich hat Brennan (2019a) in einem Kommentar zu Talisse bereits auf jene Kritik geantwortet. Auch darauf kann nachfolgend nur beiläufig eingegangen werden. Es wurde deutlich, dass die Epistokratie als normative Konzeption eines instrumentalistischen Staates – selbst unter der Annahme von idealen Bedingungen – an einem fehlenden Blick für wahrgenommene Legitimität scheitern könnte (vgl. Talisse 2018: 9). Es mangelt ihr an Legitimitäts- und Akzeptanzquellen im weberianischen Sinn. Wie gezeigt wurde, erzwingt die konsequente Anwendung der realistischen Anthropologie nicht die Epistokratie, sondern die These, dass zumindest Hooligans für diese ein ähnliches Problem darstellen wie für die Demokratie (vgl. ebd.: 3).      
Wie Brennan festhält, handelt es sich um einen empirischen Einwand (vgl. Brennan 2019a: 7f.). Dennoch ist kaum abzustreiten, dass plausible theoretische Gründe für jenen bestehen. Ebenfalls gilt, dass die epistokratischen Formen unterschiedlich stark von der Kritik betroffen sind (vgl. ebd.: 9). Insbesondere das beschränkte Wahlrecht wird angreifbar. Da aber auch die anderen Formen Auswahlmechanismen vorsehen oder zumindest aktiv in den politischen Willen eingreifen, werden alle Formen von der eröffneten Kritik thematisiert.          
Mit einem Rückblick auf Estlund ist festzuhalten, dass auch unter der Annahme, dass die Experten objektiv identifizierbar sind, die Epistokratie Legitimitätsprobleme aufweist. Es kann deshalb sinnvoll sein, epistemische Vergleiche nicht aufgrund moralischer Bedenken zu verwerfen, sondern diese als ein realistisches Argument für die Demokratie und gegen die Epistokratie zu nutzen. Ist eine Herrschaft ohne Zwang wünschenswert, führen epistemische Ungleichheiten zu dem Eingeständnis, dass aus funktionalen Gründen prozessuale Verfahrenswerte und eine breite Systemintegration nicht zu verwerfen sind. Es mag sein, dass sie unter den getroffenen Annahmen nicht für die Kompetenz garantieren können, aber sie sichern die empirische Legitimitätsbeschaffung und damit langfristige Systemstabilität, ohne welche eine epistemische Qualität nicht zum Tragen kommen würde. Objektiv begründbare aber subjektiv nicht nachvollziehbare Ausschlüsse würden hingegen Dissens und zivilen Ungehorsam provozieren (vgl. Anderson 2006: 20). Folglich hilft die Demokratie dabei, mit epistemischen Ungleichheiten umzugehen, indem sie in letzter Instanz ein akzeptables Entscheidungsverfahren unabhängig der individuellen epistemischen Voraussetzungen vorsieht.         
Am Beispiel der instrumentalistischen Legitimitätstheorie wurde so ein Zwiespalt zwischen Erkenntnis und Prozess identifiziert. Insbesondere wird dieser daran sichtbar, dass im Hinblick auf eine realistische Anthropologie kompetente politische Systeme und Entscheidungen zwar normativ wünschenswert sein mögen, aber die Verpflichtung gegenüber der drittpersönlichen Instanz der Wahrheit nicht ausreichend ist, um sich in einem zweitpersönlichen Legitimitätsglauben zu manifestieren. Daraus ergibt sich für politische Systeme eine praktische Notwendigkeit von Erkenntnis und Prozess. Auf Grundlage der Untersuchung zur Epistokratie gewährleistet die Demokratie jene Vereinbarkeit prima facie besser. Abschließend ergeben sich daraus plausible Gründe zu der Annahme, dass sie nicht in einem Wert an sich oder einer einzigartigen Lebensform begründet liegt, wie es der Prozeduralismus behauptet, sondern dass es sich bei der Demokratie um eine Staatsform handelt, die bestimmte – noch näher zu bestimmende – Verfahrenswerte als funktionale Mittel zur Gewährleistung der zwangsfreien Fügsamkeit der Beherrschten durch Selbstverpflichtung nutzt. Diese These ist offensichtlich durch Weber und Schumpeter inspiriert. Sie weitergehend zu betrachten, würde den Rahmen der Arbeit überschreiten, kann aber Inhalt zukünftiger Untersuchungen sein.

7. Schlussbetrachtung

Der vorliegenden Arbeit ist es ihrem Titel entsprechend gelungen, an der Instrumentalismus-Prozeduralismus-Debatte aufzuzeigen, inwieweit sich die Demokratie – und darüber hinaus auch andere politische Systeme – in einem Zwiespalt zwischen Erkenntnis und Prozess befinden. Die Debatte liegt in einer differenten Auffassung von normativer Legitimität begründet, weshalb zu Beginn diverse Legitimitätskonzepte vorgestellt werden mussten (Kapitel 2). Relevant war dabei die Unterscheidung zwischen normativ-theoretischer Legitimität und analytisch-empirischer Legitimität. Diese Differenzierung bildete im weiteren Verlauf die Grundlage zur Kritik des instrumentalistischen Legitimitätsprinzips. 
Um vorangehend die Frage nach dem Legitimitätsverständnis des Instrumentalismus zu beantworten, wurden im zweiten Kapitel weitere ausgewählte normative und empirische Legitimitätsvorstellungen präsentiert. Anhand der republikanischen Vorstellung von Rousseau zeigte sich, inwieweit das Gemeinwohl als normativer Legitimitätsanspruch fungieren kann (Kapitel 2.1). Es dient ebenfalls in der instrumentalistischen Theorie als Legitimitätsquelle, ferner von Schumpeters kritischem Blick abstrahiert wird. Zugleich vermischt sich die republikanische Position bei Brennan und Arneson mit einem Fokus auf negative Freiheit, die in liberalen Vorstellungen als Legitimitätsquelle angenommen wird. Anhand von Max Weber (Kapitel 2.2) und Fritz Scharpf (Kapitel 2.3) folgte darauf die Darstellung zweier analytischer Legitimitätskonzepte. Diese wurden benötigt, um die lediglich implizit thematisierte empirische Ebene aus der instrumentalistischen Theorie herausarbeiten zu können.    
Die prozeduralistischen und instrumentalistischen Legitimitätsvorstellungen wurden dabei im dritten Kapitel dargestellt. Beginnend mit dem Prozeduralismus (Kapitel 3.1) konnte festgehalten werden, dass dieser einen egalitären Input der Bürger verlangt. Normative Legitimität ergibt sich aus Verfahrenswerten und -prinzipien, die als inhärent gut angesehen werden. Demokratische Prozesse symbolisieren in jener Perspektive Gleichheit und Gerechtigkeit, weshalb sie als Selbstzweck zu verteidigen sind. Die konträre Position bildet der Instrumentalismus (Kapitel 3.2). Er kritisiert am Prozeduralismus die Ablehnung extraprozeduraler Werte und erkennt dieselbigen an. Darauf baut sein Legitimitätsverständnis auf: Politische Systeme und Entscheidungsverfahren sind an jenen Werten auszurichten. Sie werden als funktionale Mittel zur Erkenntnisgewinnung verstanden. Dies begründet ihre normative Legitimität. Es ergibt sich darüber hinaus eine ambivalente Position gegenüber der Demokratie. Wie gezeigt wurde, kann sie befürwortet (Kapitel 3.2.1) oder abgelehnt (Kapitel 3.2.2) werden.          
In dem Kontext wurde beobachtet, dass eine realistische Anthropologie nach Joseph Schumpeter verstärkt zur Ablehnung demokratischer Verfahren führt. An seiner Theorie (Kapitel 4.1) konnte die These aber nur bedingt bestätigt werden. Schumpeters Kritik erfolgt realistisch und instrumentalistisch, mündet aber nicht in der Ablehnung der Demokratie. Vielmehr eröffnet sich eine ambivalente Perspektive. Demokratie ist legitim, wenn sie ein instrumenta­listisches Mittel zur Auswahl der Führerschaft darstellt (Kapitel 4.2). Durch das schumpeter­ianische Dilemma bleibt aber unklar, ob diese kompetent erfolgt oder nicht.
Nachfolgend wurden im Kapitel fünf mit Jason Brennan und auch Richard Arneson klassische Instrumentalisten untersucht, die gegenüber der Demokratie skeptisch eingestellt sind. Sie sei illegitim, da kompetentere Verfahren denkbar sind und sie den Bürgern kein negatives Freiheitsrecht vor den inkompetenten Entscheidungen anderer einräumt (Kapitel 5.1). Darauf aufbauend verteidigt insbesondere Brennan eine Staatsform, die er in normativer Hinsicht als legitimer betrachtet: Die Epistokratie (Kapitel 5.2). Sie erhält normative Legitimität aus kompetenten Entscheidungen, die durch ein Primat der Vernunft gegenüber der Politik und einer entsprechenden Machtverteilung gemäß den Kompetenzen der Bürger bedingt sind (Kapitel 5.3). Implizit ist damit die empirische Legitimität outputorientiert und in der außeralltäglichen Qualität der Kompetenz begründet. Folglich will die Epistokratie als instrumentalistisches System eine institutionalisierte Form der charismatischen Herrschaft verkörpern.
Entsprechend der Fragestellung kritisierte Kapitel sechs nachfolgend diese Beobachtungen anhand der Epistokratie. Mithilfe von Robert Talisse (2018) wurden insbesondere die Thesen zur empirischen Legitimität zurückgewiesen (Kapitel 6.1). Die Forderung des brennanschen Instrumentalismus, dass ein System normative Legitimität genießen sollte, wenn es aus Gründen der Qualitätssicherung die Machtverteilung kompetenzorientiert vornimmt, scheitert spätestens – und auch unter idealen Bedingungen –, wenn eine realistische Anthropologie konsequent angewendet wird. Ist die Mehrheit der Bürger inkompetent, so gibt es nachfolgend plausible Gründe zu der Annahme, dass sich ein instrumentalistisches Legitimitätsprinzip nicht empirisch manifestieren kann. Die Folge davon wäre systematische Instabilität. Da Brennan ein solches Menschenbild teilt, begibt er sich in einen Selbstwiderspruch.     
Unter den getroffenen Annahmen tritt dieses Problem immer dann auf, wenn im Politischen versucht wird, Experten unabhängig von akzeptierten Verfahren einzusetzen. Sollte hingegen nur der Prozess betrachtet werden, gilt das schumpeterianische Dilemma und es ist unklar, wie kompetente Entscheidungen zustande kommen sollen. Es offenbart sich so ein Zwiespalt zwischen Erkenntnis und Prozess, der die Berücksichtigung beider Aspekte verlangt. Schlussendlich existieren plausible Gründe dafür, dass die Epistokratie diesen Zwiespalt schlechter lösen kann als die Demokratie (Kapitel 6.2). Die eröffnete Kritik postuliert deshalb eine funktionale Überlegenheit demokratischer Verfahren, da sie bessere empirische Legitimitätsquellen vorweisen. Damit wird die Demokratie eine funktionale Methode zur Gewährleistung der zwangsfreien Fügsamkeit der Beherrschten durch egalitäre Teilhabe.

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bitstream/10419/41665/1/639572472.pdf, 09.11.1997, [zugegriffen am: 30.09.2021].

Talisse, Robert (2018): The trouble with Hooligans. In: Inquiry. Online im Internet: https://doi.org/10.1080/0020174X.2018.1502933, 26.07.2018, [zugegriffen am: 30.09.2021].

[1] Unter politischen Entscheidungen können alle Entscheidungen im Kontext von Wahlen oder Gesetzgebungsprozessen verstanden werden. Bedeutend sind sie durch ihre Funktion der politischen Richtungsbestimmung.

[2] Demokratie kennzeichnet sich durch das gleiche Recht jeder vernünftigen Person direkt oder indirekt an Entscheidungsprozessen zu partizipieren, die das Gemeinwesen und ihr Leben betreffen (vgl. Huseynli 2018). Grundlegend erkennt sie jeden Bürger prima facie als vernünftig an (vgl. Braune 2013: 273).

[3] Das Genus ist in diesem Text nicht gleichzusetzen mit dem entsprechenden Sexus. Das grammatische Geschlecht ist stets geschlechtsneutral zu betrachten und auf die Lebenswelt zu übertragen.

[4] Im deutschsprachigen Exkurs ist besonders die Dissertation von Dannica Fleuß (2016) mit dem Titel „Prozeduren, Rechte, Demokratie“ erwähnenswert. Ihr Werk wird in dieser Arbeit eine wichtige Rolle einnehmen.   

[5] Peter ist Professorin für Philosophie an der University of Warwick und gilt durch ihr Werk „Pure Epistemic Proceduralism“ (2008) als bedeutendste Vertreterin des Prozeduralismus.

[6] Anderson ist Professorin für Philosophie an der University of Michigan. An dieser Stelle wird sich auf ihren Aufsatz „Democracy: Instrumental vs. Non‐Instrumental Value“ (2009) bezogen.

[7] Arneson ist Professor für Philosophie an der University of California. Seine Argumentationsgänge ähneln denen von Brennan stark, weshalb es naheliegend ist, dass Brennan sich direkt von Arneson inspirieren lassen hat.

[8] Herrschaft der Wissenden, in der „die politische Macht formal entsprechend der Kompetenz“ der Bürger verteilt wird (Brennan 2017: 36).

[9] Talisse ist Professor für Philosophie an der Vanderbilt University in Nashville. Bezogen wird sich hier auf sein Werk „The trouble with Hooligans“ (2018).

[10] Bei Kneip/Merkel (2020: 29) heißt es dazu weiter: „Ein demokratisches System, das zwar nach objektiven Kriterien hohe Qualität aufweist, von seinen Bürgerinnen aber keine Unterstützung (support) [Herv. i. O.] (mehr) erhält, dürfte nicht nur höchst instabil sein (oder Gefahr laufen, instabil zu werden), sondern es ist auch unter Legitimationsgesichtspunkten defizitär, weil ihm eine zentrale Anerkennungsdimension in der Demokratie, die Anerkennung durch die Bürgerinnen, fehlt. […] Ohne eine solche Zustimmung bliebe selbst eine normativ einwandfreie politische Ordnung legitimationstheoretisch defizitär.“

[11] Definition nach Weber (1972: 123): „‚Gehorsam‘ soll bedeuten: daß das Handeln des Gehorchenden im wesentlichen [sic!] so abläuft, als ob er den Inhalt des Befehls um dessen selbst willen zur Maxime seines Verhaltens gemacht habe, […] ohne Rücksicht auf die eigene Ansicht […].“

[12] Weber erkennt vier Motive des sozialen Handelns. Dieses ist zweckrational, wertrational (durch den Glauben an Eigenwerte), affektuell/emotional oder traditional (durch Gewohnheit) motiviert. (Vgl. Weber 1972: 12)

[13] Scharpf (2004: 6) schreibt: „Erst die reale Gemeinschaftsorientierung der Mitglieder […] läßt die scheinbar urdemokratische Mehrheitsregel normativ vertretbar erscheinen, weil nur dann die Minderheit die Entscheidung der Mehrheit auch dann akzeptieren kann, wenn diese unkompensierte Sonderopfer auferlegt […].“

[14] Definition intrinsischer Wert: Ein Wert, der nicht von einem höheren Gut abgeleitet ist, sondern daran festgemacht wird, was symbolisiert oder dargestellt wird (vgl. Viehoff 2017: 277f.).

[15] Definition instrumenteller Wert: Der Wert ergibt sich aufgrund eines kausalen Beitrags zu einem höheren Gut oder Prinzip, welches dadurch befördert wird und als Zweck dient (vgl. Viehoff 2017: 277f.). 

[16] Diese geht davon aus, dass es zwar keinen Zugang zu verfahrensunabhängigen Standards gibt, aber deliberati­ve Verfahren, die richtig durchgeführt werden – also die gerechte Verfahrenswerte und den gleichen Austausch aller befördern –, zur Wissensvermittlung und -konstruktion beitragen, sodass die Teilnehmer genauere Überzeugungen entwickeln und bessere Entscheidungen treffen (vgl. Peter 2008; Peter 2016: 139f.).

[17] Um die prozeduralistische Annahme zu verteidigen, ist zu kritisieren, dass Brennan nur moralische Abscheulichkeiten aufzeigt, da er anscheinend doch ein Bewusstsein für die Umstrittenheit sachlicher Positionen hat.

[18] Definition: „With imperfect proceduralism, the procedure is necessary to approximate a good outcome, but it may fail to realize the outcome that the procedure-independent standard envisages.“ (Peter 2016: 140)

[19] Es heißt bei Brennan (2019a: 6) dazu vollständig: „In the end, the choice between epistocracy and democracy is entirely instrumentalist. There are some reasons to think certain forms of epistocracy would work better, and some reasons to think they wouldn’t. If we’re honest with ourselves – if we can get over the quasi-religious reverence for democracy that infects so much of philosophical democratic theory – we’d admit we don’t really know which is better, and we’d be open to experimenting with change.“

[20] Hierzu erfolgen weitere Untersuchungen in Kapitel 5.2.

[21] Estlund vertritt die These, dass Herrschaftsformen zwar durchaus an ihren Ergebnissen zu bemessen sind, aber dass nichtdemokratische Systeme Probleme damit hätten, die Übereinstimmung aller Regierten abzusichern (vgl. Estlund 2008: 12). Die Demokratie ist damit nicht die beste Staatsform hinsichtlich der Beförderung epistemischer Wahrheiten, aber sie stellt diejenige dar, die die beste epistemische Qualität unter denen aufweist, die allgemeine Akzeptanz beanspruchen können (vgl. ebd.: 39–42; Fleuß 2016: 47ff.).

[22] Christiano schlägt aufgrund der Inkompetenz der Bürger eine politische Arbeitsteilung vor: Die Bürger definieren die Ziele der Regierung, während undemokratische Institutionen und Experten durchaus gerechtfertigt seien, um die Mittel zur Erreichung dieser Ziele zu gestalten (vgl. Christiano 2008: 97–104; Brennan 2017: 359).

[23] „Dies Prinzip lautet: daß der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumengen befugt ist, der ist: sich selbst zu schützen. Daß der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gemeinschaft rechtmäßig ausüben darf, der ist: die Schädigung anderer zu verhüten. Das eigene Wohl, sei es das physische oder das moralische, ist keine genügende Rechtfertigung. Man kann einen Menschen nicht rechtmäßig zwingen, etwas zu tun oder zu lassen, weil dies besser für ihn wäre […].“ (Mill 1988: 16)

[24] Viehoff (2017) kritisiert Brennans „Antiautoritätspostulat“ als unzureichend, da der Sinn politischer Gleichheit darin bestehe Machtausgleich zu schaffen, wo Machtverhältnisse unvermeidlich erscheinen. Politische Macht und die einhergehende Fremdbestimmung wurden nicht erst geschaffen, weshalb es ausschließlich Anliegen sein sollte „the bad of unequal power“ zu vermeiden (vgl. Viehoff 2017: 293f.). Demgegenüber impliziert das „Antiautoritätspostulat“ die Möglichkeit der Abwesenheit politischer Herrschaft (vgl. Arlen/Rossi 2018: 3). 

[25] Ideen zur konkreten Ausgestaltung können Brennan (2017) auf Seite 370–378 entnommen werden.

[26] Umfangreiche Betrachtungen dazu können Brennan (2019a) auf Seite 13–14 entnommen werden. 

[27] Es wird damit angenommen, dass Systeme konsequentialistisch zu beurteilen sind und dass das realistische Menschenbild stimmig ist. Weiterhin werden die Postulate der Epistokratie akzeptiert und die Annahme geteilt, dass Verfahren existieren, um die Experten objektiv und sicher zu identifizieren.

Demokratie, Epistokratie, Prtizipation