Städtepartnerschaften als dynamisches Instrument zur Umsetzung der SDGs
Die Umsetzung der seit 2016 universell geltenden UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss zwischen allen Akteuren und allen politischen Instanzen. Auf nationaler wie globaler Ebene sind in dieser Hinsicht bis dato jedoch nur bescheidene Fortschritte zu verzeichnen. In den Parlamenten stockt dieser Prozess, wie unter anderem das jüngst von der Bundesregierung verlautbarte Eingeständnis, die Klimaziele wohl doch nicht erreichen zu können, dokumentiert. Bedingt durch den insgesamt problematischen Umgang mit den interpretativen Spielräumen, die der Nachhaltigkeitsbegriff freigibt und somit eine weitgehende regierungspolitische Passivität zulässt, suchen viele ernsthaft engagierte Akteure nach geeigneten strukturpolitischen Vehikeln, die praktikable Nachhaltigkeitsimpulse zeitnah, umfassend und quer durch alle politische Räume transportieren können.
Im Kontext der in der Agenda 2030 festgelegten Sustainable Developement Goals (SDGs) könnte das Konzept der Städtepartnerschaften neue Perspektiven für deren rascheren Umsetzungsprozess aufzeigen und dieses Konzept, das einst als Instrument der Friedenssicherung gedacht war, zugleich davor bewahren, in der Senke der politisch-historischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Denn immer mehr Städtepartnerschaften leiden einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge unter Nachwuchssorgen, während zeitgleich gerade jüngere Menschen sich zunehmend den von den SDGs vorgegebenen Zielvorgaben verpflichtet fühlen und sich aktiv an der Gestaltung entsprechender Nachhaltigkeitsstrategien in ihren Städten und Regionen beteiligen möchten.
Das Konzept der europäischen Städtepartnerschaften ist seit dem zweiten Weltkrieg vorrangig von der Idee der Aussöhnung und Völkerverständigung geprägt. Ziel des 1951 von deutschen und französischen Bürgermeistern in Genf gegründeten Rats der Gemeinden Europas (später Rat der Gemeinden und Regionen Europas) war ein interkommunal geförderte Kulturaustausch auf der Ebene der europäischen Zivilgesellschaft, um eine dauerhafte Friedenssicherung im Nachkriegs-Europa gewährleisten zu können. Die Festigung sozialer Bindungen und die damit angestrebte kulturelle Toleranzzunahme sollte, vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Vergangenheit, neuen Nationalismen entgegenwirken und die angestrebte Überwindung einer national orientierten Politik unumkehrbar machen . Insbesondere die deutsch-französische Aussöhnung lag mehrere Jahrzehnte im Fokus des RGRE.
Mit der deutschen Wiedervereinigung erhielt das Nachkriegskonzept der Städtepartnerschaft im innerdeutschen Raum dann zusätzliche Impulse. Zur Zielvorgabe der Aussöhnung und Friedenssicherung auf europäischer Ebene kam für die innerdeutsche Ebene auch der Aspekt der wirtschaftlichen Aufbauhilfe hinzu.
Die Idee der wirtschaftlichen Aufbauhilfe stand und steht auch bei den eher selteneren europäisch-außereuropäischen Partnerschaften meist im Vordergrund. Diese haben aktuell einen Anteil von nur etwa 10% an allen Partnerschaftsbildungen, an denen europäische Städte beteiligt sind. Diesbezügliche Kooperationen sind, bis auf Verbindungen in die USA, meist mit Projekten in den Bereichen Wissens- und Technologietransfer, medizinische Versorgung, Ausbildung, Umwelt- und Artenschutz verknüpft. Anders als zu erwarten, sind es aber nicht in erster Linie Partnerstädte aus den sogenannten Entwicklungsregionen, die Teil des europäisch -außereuropäischen Städtepartnerschaftskonzepts sind, sondern mit einem Anteil von insgesamt 60% wurden vor allem Kooperationen in Russland (25%), Israel (10%), Japan (10%) und China (15%) eingegangen. Nur etwa 10% der außereuropäischen Partnerstädte, die wiederum nur 10 % aller Partnerschaften ausmachen, befinden sich in den sogenannten Entwicklungsländern. Die verbleibenden 30% der außereuropäischen Partnerschaften wurden mit US-amerikanischen Städten eingegangen, wobei diese vorrangig dem Konzept des interkulturellen Austauschs zuzuordnen sind.
Mit einem Anteil von etwa 90% überwiegt damit aktuell die städtepartnerschaftliche Zusammenarbeit im innereuropäischen Raum.
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Exakte und aktualisierte Angaben zu den absoluten Zahlen über bestehende Städtepartnerschaften sind insgesamt schwer zu ermitteln, was auch die Bundeszentrale für politische Bildung beklagt. Tatsächlich finden sich in den zugänglichen Quellen zum Teil gravierende Widersprüche. Dies ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass die Weitergabe und der Dokumentationsabgleich der Partnerschaftseinträge an die Dachverbände, wie die Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften für Europa (VDFG), Rat der Gemeinden und europäischen Regionen oder die Fédération des associations franco-allemandes pour l ’Europe (FAFA) freiwillig und damit unzuverlässig ist und es durch Mehrfachpartnerschaften zu statistischen Ungenauigkeiten kommen kann, die je nach Analysemethode anders bereinigt und damit unterschiedlich interpretiert werden. Außerdem haben sich neben den ursprünglich konzipierten Städtepartnerschaften weitere kommunale Kooperationsmodelle (Projektpartnerschaften, interkommunale Netzwerke, lokale und globale Städtenetzwerke und die sich daran anschließenden Ringpartnerschaften) entwickelt, die nicht zwingend von den Dachverbänden erfasst werden. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ging 2011 von 17.000 innereuropäischen Partnerschaften aus, wobei Deutschland mit annähernd 6100 Partnerschaften an der Spitze lag. Weltweit geht man von weiteren 15.000 kommunalen Partnerschaften aus.
Über diese statistische Problematik hinaus attestiert die Bundeszentrale für politische Bildung eine generelle Vernachlässigung dieses Themenfelds in der politikwissenschaftlichen Literatur. Dies spiegelt sich im Hinblick auf Quantität und Aktualität diesbezüglicher Monographien und Studien wie auch im bislang fehlenden wissenschaftlichen Austausch über die gesamtpolitischen Möglichkeiten des Konzepts.
Gründe, warum die Zukunft der Städtepartnerschaften aktuell stärker in den Fokus politischer und wissenschaftlicher Arbeit gerückt werden sollte, wurden eingangs bereits kurz umrissen und werden nachfolgend näher erläutert.
Bevor mögliche global nutzbare Potenziale dargelegt werden, soll zunächst die Notwendigkeit einer Neuausrichtung des Konzepts Städtepartnerschaft aus Sicht der Partnerschaftsinitiativen und -fördervereine dargelegt werden. In diesem Zusammenhang bietet die Studie des Politikwissenschaftlers Kai Pfundheller maßgebliche Anhaltspunkte. Pfundheller befasst sich mit Städtepartnerschaften als Instrument des wirtschaftlichen und kulturellen Austauschs und beschreibt in diesem Zusammenhang auch ihre Problemlagen, zu denen u.a. die fortdauernden Finanzierungsschwierigkeiten zählen, die die Partnerschaftsinitiativen infolge der zunehmend schwierigen Haushaltslagen der Städte und Gemeinden zu meistern haben. Doch darüber hinaus diagnostiziert Pfundheller, übereinstimmend mit einer von der Bertelsmann-Stiftung in Kooperation mit dem Deutsch-Französischen Institut veröffentlichten Studie, gravierende Nachwuchsprobleme bei den Partnerschaftsinitiativen. Während die Bertelsmann-Studie diesen Trend eigens für die deutsch-französischen Partnerschaften ermittelte, bestätigt Pfundheller die Nachwuchsproblematik auch im Hinblick auf die gesamteuropäische Situation. Auf die deutsch-französischen Partnerschaften bezogen, ermittelte die Bertelsmann-Studie, dass die Generation der über 60-Jährigen mit 40 Prozent die größte Teilnehmergruppe bildet und fast genauso viele aus der Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen kommen. Nur knapp ein Viertel ist hiernach jünger als 30 Jahre, womit die Studie die grundsätzlich vorgebrachten Nachwuchssorgen explizit auf das Ausbleiben junger Menschen unter 30 Jahren zurückführt.
Davon ausgehend, dass diese Ergebnisse weitgehend übertragbar auf die gesamteuropäischen Partnerschaften sind, deutet dieses demografisch begründete Problem auf die Notwendigkeit eines Kurswechsels für das Konzept Städtepartnerschaft hin, um insbesondere junge Menschen für eine aktive Arbeit in den Initiativen gewinnen zu können.
Die Folgen der mehrfach untermauerten Überalterung der Mitgliederstrukturen liegen dabei auf der Hand und sind zugleich auch ein Erklärungsansatz für das nachlassende Engagement jüngerer Mitglieder: Die Lebens- und Arbeitsthemen der zahlenmäßig überwiegenden, älteren Mitgliederanteile fokussieren auf die ursprünglichen Arbeitsthemen der Partnerschaften, die sich auf die europäische Aussöhnung und Friedenssicherung konzentrieren. Obwohl dieses Themenfeld für die jüngeren Generationen nicht gänzlich an politischer Relevanz verloren hat, stehen ihrem diesbezüglichem kreativen Engagement nach über fünfzig Jahren erfolgreich bilanzierter Städtepartnerschaftsarbeit kaum noch innovative Handlungs- und Gestaltungsfreiräume offen. Es ist anzunehmen, dass die jüngere Generation nach neuen Themen- und Betätigungsfeldern sucht, die sich weniger auf die europäische Vergangenheitsbewältigung konzentrieren, sondern sich stärker an den drängenden Zukunftsfragen ausrichten. Eine aktive Mitarbeit nachrückender Generationen beschränkt sich bei einer Beibehaltung der gegenwärtigen Schwerpunktlegung im Wesentlichen auf die Fortführung und Verwaltung der bestehenden – von vielen als überlebt empfundenen – Programme und Zielsetzungen. Hierin sehen VertreterInnen der Partnerschaftsinitiativen ein erhebliches Motivationshemmnis für junge Menschen, sich zu engagieren.
Programmatisch spiegelt sich die bisherige Schwerpunktlegung der kulturellen Annäherung und Freundschaftsfestigung in einem überwiegend kunstbezogenen, soziokulturellen Austausch, der von gemeinsamen Musik- und Theaterveranstaltungen, Stadtfesten, Kunstausstellungen sowie schulischen und sportlichen Aktivitäten getragen wird.
Hier stellt sich die Frage, ob junge Menschen, die nicht zuletzt aufgrund konkurrierender schulischer und universitärer Angebote und einer insgesamt routinierten europaweiten und globalen Reise- und Urlaubserfahrung noch in dem Maße auf „vorgefertigte“ soziokulturelle Infrastrukturen angewiesen sind, wie die Vorgängergeneration, für die die städtepartnerschaftlich organisierten Begegnungen noch Neuland waren. Beispiele für kulturelle Konkurrenzangebote zu den bisherigen Städtepartnerschaftsprogrammen sind u.a. national übergreifende Freiwilligendienste, Work and Travel, Au-Pair, Couch Surfing, AirB&B, Erasmus-Programme und die digitalen sozialen Netzwerke.
Wie könnten also alternative, zukunftsweisende Konzeptionen aussehen, die die Städtepartnerschaften bzw. ihre Mitgliederstrukturen nicht nur neu beleben, sondern ihnen vielleicht sogar zu einer größeren politischen Gestaltungskraft verhelfen könnten?
Die vorliegenden Studien zeigen auf, dass die „klassischen“ Städtepartnerschaften sich insgesamt eher marginal mit aktuell drängenden Problemen und Diskurses in den Bereichen Wirtschaft, Sozialpolitik, Umwelt sowie Bildung und Forschung befassen und austauschen. Doch sind dies genau die Themenfelder, in denen sich immer mehr Menschen kommunal wie auch global engagieren – vor allem auch, weil hier die politischen und wissenschaftlichen Hebel für ehrliche Nachhaltigkeitsstrategien zur Umsetzung der SDGs anzusetzen sind. Eine thematische Neuausrichtung der Städtepartnerschaften, hin zu global relevanteren Politikfeldern in Verbindung mit den von den Vereinten Nationen festgelegten Nachhaltigkeitszielen, wäre dabei nicht als Ablösung der bisherigen, vorrangig auf Aussöhnung und Friedenssicherung setzenden Partnerschaftsmotiven zu verstehen. Beide Zielsetzungen gehörten explizit zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030, wobei insgesamt 3 Ziele unmittelbare Anknüpfungspunkte für das europäisch geprägte Konzept der Städtepartnerschaften bieten:
- Ziel 11 dokumentiert die ausdrückliche Anerkennung von Städten, Gemeinden und Kreisen als zentrale Akteure für nachhaltige Entwicklung. Städte und Siedlungen sollen hiernach inklusiv, sicher, resilient und nachhaltig gestaltet werden. Die kommunale Beteiligung und Verantwortung für globale Nachhaltigkeits- und Entwicklungspolitik wird explizit hervorgehoben.
- Ziel 16 integriert weiterhin den Aspekt der internationalen Friedenssicherung und Aussöhnung.
- Ziel 17 greift die Idee der Städtepartnerschaft im Prinzip auf, erweitert sie aber deutlich, indem sie vermehrt auf globale Partnerschaften setzt, die einander helfen, die Entwicklungsziele umzusetzen.
Die Idee, Städte und Kommunen stärker in global- und entwicklungspolitische Entscheidungsstrategien und Projekte einzubinden, ist nicht neu. In den letzten Jahren mehren sich rund um die städtepartnerschaftlichen Initiativen konzeptionelle Begriffe und Leitideen wie beispielsweise „globales Denken, lokales Handeln“, „partizipative Stadtentwicklung“, „Connective Cities“, „Global Nachhaltige Kommune“ oder „kommunale Entwicklungszusammenarbeit“ sowie auch Entwürfe zu einem partizipativeren Demokratiemodell, das seine Dynamik in der kommunalpolitischen Ebene entwickeln und dem Bottom-up-Ansatz folgend, in die parlamentarischen, europäischen und globalen Entscheidungsebenen übertragen soll – ohne auf entsprechende parlamentarische Direktiven zu warten. Immer mehr Akteure entdecken ihre politischen Gestaltungsmöglichkeiten, die sie in ihren Städten, Kommunen und Regionen deutlich einfacher und effektiver umsetzen können als über die langen, lobbyistisch und parteipolitisch verkrusteten parlamentarischen Wege. Die kommunalpolitische Ebene bietet die Möglichkeit zu mehr partizipativer Demokratie – innerhalb wie außerhalb Europas.
Zivilpolitische Initiativen wie die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, Alumniportal Deutschland, Eine Welt Forum usw. setzen sich für den Ausbau kommunalpolitischer Partnerschaften auf globaler Ebene ein. Auch die kommunalen Dachverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund und Deutscher Landkreistag) engagieren sich in der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit. Insofern ist hier viel Konstruktives auf den Weg gebracht worden. Doch könnte die kommunale Entwicklungszusammenarbeit, wie auch die europäischen Städtepartnerschaften, möglicherweise noch weiter gedacht werden.
Im Wesentlichen konzentrieren sich die Initiativen für kommunale Entwicklungszusammenarbeit schwerpunkmäßig auf die traditionellen Nord-Süd Themen. Die Partnerstädte und -kommunen in den sogenannten Entwicklungsregionen hoffen hierbei vor allem auf Wissens- , Informations- und Technologietransfers wie auch auf wirtschaftliche Aufbauhilfen und faire Handelspartnerschaften, die sich durch eine Kooperation mit den Regionen und Städten aus den sogenannten Industrieländern ergeben könnten. Anders als bei den von den Regierungsorganisationen und Entwicklungsinstituten vorrangig anvisierten wirtschaftlichen Wachstumsimpulsen, die mit den entwicklungspolitischen Kooperationen verknüpft waren, stehen die Kooperationsprojekte der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit deutlich stärker unter der Maxime der Nachhaltigkeit, die sich ernsthaft um Klima-, Umwelt- und Artenschutz bemüht und den Menschen in den Regionen zu einem stärkeren, selbstbestimmten Leben verhelfen möchte, indem sie partizipative Demokratiekonzepte unterstützt. Im Übrigen hofft man, wie einst auch die Initiatoren der europäischen Städtepartnerschaften, dass die sozialen Bindungen zwischen den Menschen der kooperierenden Städte und Regionen dabei helfen werden, Demokratisierungsentwicklungen zu festigen und unumkehrbarer zu machen. Auch hier sieht man im Bottom-up-Ansatz das größte und politisch nachhaltigste Demokratisierungs- und Bildungspotenzial. Wenn es gelingt, die Ziele der Agenda 2030 von immer mehr Menschen auf der kommunale Ebene tragen zu lassen und sie durch kommunale Entwicklungskooperationen in die Lage versetzt werden, unabhängiger von Direktiven ihrer Regierungen oder globalen Konzernstrukturen, eigene regionalspezifische Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und zu erproben, wäre dies ein entscheidender Schritt in Richtung einer global gelebten Nachhaltigkeit.
Doch gelebte Nachhaltigkeit fokussiert nicht mehr ausschließlich auf die entwicklungspolitischen Handlungsebenen. Nachhaltigkeit muss vor allem in den Industrienationen verstärkt gelebt werden. Denn hier werden in erster Linie die globalen ressourcen- und verteilungspolitischen Stellschrauben angezogen, Klimaschutzziele verfehlt und die Märkte für Tropenhölzer, Nahrungsmittel, fossile Brennstoffe, seltene Erden etc. übersteuert. Doch um diese wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen zu korrigieren, fehlt es den Städten und Kommunen an zielführenden Konzepten und politischer Motivation, da die kommunalen, regionalpolitischen Entscheidungsträger hier auf die Landes- und Bundesministerien zeigen und dabei oftmals auszublenden scheinen, dass die angesprochenen Übersteuerungen überlebenswichtiger Märkte und Politikfelder letztlich und in besonderem Maße die Kommunen anfällig gegen die Folgen dieser wirtschaftspolitischen Fehlsteuerungen machen. Das Krisenszenario im Zuge dieser fehlgeleiteten Wirtschaft-, Ressourcen- und Umweltpolitik ist komplex und wird auch auf der kommunalen Ebene vielfältige, destruktive Abwärtsspiralen auslösen.
Es ist also dringend angeraten, dass die regionalpolitischen Entscheidungsträger sich von den schon längst auf Nachhaltigkeit zielenden Aktivitäten ziviler Akteure anleiten lassen, um die eigene Region mit Hilfe effektiver Kooperationen mit kommunalen Partnern resilienter gegen die drohenden Folgen wirtschaftspolitischer Übersteuerungen zu machen.
Die Weiterfassung oder Reformierung des Konzepts Städtepartnerschaft umfasst damit: Erstens die inhaltliche Neuausrichtung auf globalpolitisch drängende Themenbereiche, wie sie in der Agenda 2030 verankert sind. Zweitens ist zur schnelleren Umsetzung der SDGs auf globaler Ebene angeraten, nicht nur neue Inhalte für die städtepartnerschaftliche Zusammenarbeit zu finden, sondern das vorrangig innereuropäisch aufgestellte Partnerschafssystem mit deutlich mehr außereuropäischen Kooperationen zu bereichern. Insbesondere Partnerbeziehungen zu Städten und Regionen in den sogenannten Entwicklungsländern kommt hier ein enormes Potenzial für ein beschleunigtes Umsetzen der SDGs auf globaler Ebene zu. Eine zusätzliche Beschleunigung der Agenda 2030 könnte zudem erreicht werden, wenn drittens die bereits bestehenden europäischen Partnerschaften gezielt nach weiteren kommunalen Partnern auch im innereuropäischen Raum zu suchen, die ebenfalls ein ernsthaftes Interesse daran haben, für ihre Region ein Nachhaltigkeits- und Resilienzkonzept zu entwickeln und umzusetzen. Durch die aktive, europa- und weltweite Suche nach noch „ungebundenen“ kommunalen Partnern könnte ein Kaskadeneffekt entstehen, der erheblich zur Dynamisierung der Agenda-2030-Bemühungen beitragen könnte.
Das Konzept der sogenannten Lokalen und Globalen Städtenetzwerke baut im Prinzip auf diesen Kaskaden- oder Potenzierungseffekt auf und ließe sich zielführend in das Städtepartnerschaftskonzept integrieren.
Beim Lokalen Städtenetzwerk spricht eine Stadt oder Kommune als Initiator die Kommunen im Umkreis an, beispielsweise mit dem Ziel, eine thematische Konferenz zu aktuellen städtebaulichen, Umwelt- oder sozialen Themen zu initiieren und ein entsprechendes Netzwerk zu bilden. Jede teilnehmende Kommune im Umkreis spricht wiederum ihre eigenen Partnerstädte an, um mögliche Interessenten für eine Teilnahme zu gewinnen. Vorteil dieses Potenzierungseffektes ist, dass jede Kommune mithilfe der umliegenden, in das Netzwerk eingebundenen Kommunen mit einer Vielzahl anderer inländischer und ausländischer Kommunen in Kontakt treten kann und die fokussierten Themenfelder somit auch schneller und breiter kommuniziert werden.
Ähnliches gilt auch für das Konzept des Globalen Städtenetzwerkes, wobei hier nicht die umliegenden Kommunen zur Mitarbeit eingeladen werden, sondern die Partnerkommunen der eigenen Partnerstädte. So wird schnell eine große Zahl von Partnern aus unterschiedlichen Ländern erreicht. Kommt es hier zu einem institutionellen Zusammenschluss untereinander, d. h. es sind alle Kommunen untereinander verschwistert, spricht man von einer Ringpartnerschaft.
Auch die sogenannte Projektpartnerschaft ist ein wichtiger Mosaikstein in einem neuen Ideen-Verbund künftiger Städtepartnerschaftskonzepte. Die Projektpartnerschaft ist eine zeitlich begrenzte Kooperation zwischen ausgesuchten Kommunen oder Städten, um gezielt die Entwicklung und Implementierung eines einzelnes Projektes zum Beispiel in den Bereichen Stadtentwicklung, Umweltschutz oder Energie- und Wasserversorgung voranzutreiben. Die kommunale Entwicklungszusammenarbeit basiert häufig auf solchen projektgebundenen Kooperationen, aus denen sich im Übrigen oftmals weitergehende und dauerhafte städtepartnerschaftliche Verbindungen entwickeln.
Insgesamt lässt sich also festhalten, dass im Hinblick auf die Erneuerung des Konzepts Städtepartnerschaft das Rad nicht neu erfunden werden müsste. Die Verknüpfung mit ähnlichen interkommunalen Partnerschaften wäre ein denkbarer und praktikabler Reformansatz.
Eine inhaltliche Neuausrichtung könnte durch die Integration der Agenda 2030 zukunftsweisend sein und den erforderlichen Motivationsschub für eine stärkere, aktive Teilnahme junger Menschen an der weiteren Ausgestaltung der Städtepartnerschaften nach sich ziehen.
Die Anbindung der Städtepartnerschaften an kommunale und globale Nachhaltigkeits- und Resilienzinitiativen könnte in erheblichem Maße dazu beitragen, die SDGs-Umsetzungsvorgaben für die Kommunen und Städte zu erfüllen. Gegebenenfalls könnten in diesem Zusammenhang weitere Finanzierungsmöglichkeiten in Aussicht gestellt werden.
Das Konzept Städtepartnerschaft eignet sich in besonderem Maße, partizipative Zukunfts- und Politikgestaltung national und international zu fördern, Demokratisierungsprozesse zu stabilisieren und unumkehrbarer zu machen.
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Gefördert von der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen werden die Städetpartnerschaftsvereine Aachen-Kapstadt und Aachen-Naumburg in Kooperation mit dem Verein Regionale Resilienz Aachen und dem Institut für Politische Wissenschaft der RWTH-Aachen am 4.Juni 2018 unter dem Veranstaltungstitel: Aachens Städtepartnerscfhaften in der Gegenwart und in der Zukunft neue Impulse und Strategien für die Neubelebung des Städtepartnerschaftskonzepts diskutieren. Als Gastreferent ist der oben zitierte Kai Pfundheller geladen. Es werden Teilnehmende und Interessierte aus Partnerschaftsvereinen, Politik und Verwaltung, der Hochschule, von pulse-of-europe, transition-town, aegee u.a. erwartet.
4. Juni / 16:00 bis 18:30 Uhr, Haus der Kohle / Buchkremerstraße 6
Literatur:
- Alumniportal Deutschland (Homepage): Städtepartnerschaften, die größte Friedensbewegung der Welt, (Zugriff: 09.02.2018)
- Bertelsmann-Stiftung (Homepage), Pressemitteilung vom 18.01.2018: Deutsch-französische Städtepartnerschaften bringen Europa zu den Bürgern, (Zugriff: 05.02.2018)
- Bundesministerium für politische Bildung (Homepage): http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/202141/staedtepartnerschaften, (Zugriff: 02.02.2018)
- Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB): Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“ Ausgabe 7-8/2011 (Zugriff: 02.02.2018)
- Lauber, Ellen: Städtepartnerschaften – Mitwirkung der Jugend bei der Partnerschaftsarbeit am Beispiel der Stadt Marbach am Neckar und vergleichbarer Kommunen der Region Stuttgart, vorgelegt als Bachelor-Arbeit an der Hochschule für Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, 2016
- Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien NRW: Städtepartnerschaften, Entwickeln, Leben, Ausbauen, Finanzieren, 2014, (Zugriff: 10.02.2018)
- Pfundheller, Kai: Städtepartnerschaften – alternative Außenpolitik der Kommunen, Verlag B. Budrich, Opladen, Berlin, Toronto, 2014
- Statz, Albert / Wohlfahrth, Charlotte: Kommunale Partnerschaften und Netzwerke; Ein Beitrag zu einer transnationalen Politik der Nachhaltigkeit, Schriften zur Demokratie, Band 20, hrsg. von Heinrich Böll Stiftung, Berlin 2010
- Zschiedrich, Ria: Städtepartnerschaften – Ein Konzept von gestern? Ein Ansatz zur zukunftsorientierten Nutzung von Städtepartnerschaften am Fallbeispiel Dresden vorgelegt als Bachelor-Arbeit an der Hochschule Mittweida, 2011
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kommunale Entwicklungspolitik, Netzwerk, Regionalität, SDGs, Städtepartnerschaften