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Raphaela Kell: Wölfe im Herzen der Demokratie: Eine Reflexion über die Parabel der zwei Wölfe

Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten. Nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten, sagte der Alte:

„Weißt du, in Deinem Leben wird Dir vieles widerfahren sowie auch mir vieles widerfahren ist. Manchmal fühlt es sich an, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen gegeneinander kämpfen würden.

Der eine Wolf ist der Wolf der Dunkelheit, der Ängste, des Misstrauens, des Neids und der Eifersucht. Er ist gierig, selbstgefällig und weidet sich an der Verzweiflung und dem Schmerz Anderer. Er bringt Dir böse Träume, hetzt Dich auf und bringt Dir viel Leid und Schmerz.

Der andere Wolf ist der Wolf der Lebensfreude, der Hoffnung, Dankbarkeit, der Güte und Zuneigung und der Liebe. Er bringt Dir die guten Träume, schenkt Dir Mut und Hoffnung, er gibt Dir weisen Rat.

Diese beiden werden die Zähne fletschen, sich umkreisen, sich an die Kehle gehen bis einer kraftlos zu Boden sinkt.“ Dann schwieg der Alte wieder.

Der Junge fragte voller Ungeduld: „Erzähl weiter Großvater…welcher Wolf wird den Kampf um das Herz gewinnen?“

Der Alte lächelte und sagte: “Der Wolf, den Du am häufigsten gefüttert hast. Darum lebe achtsam und lerne beide Wölfe gut kennen. Und dann wähle jeden Tag von Neuem, welchen Wolf du füttern möchtest.“

 

Die Parabel von den zwei Wölfen wird häufig im Kontext der persönlichen Entwicklung, der Selbstreflexion und der spirituellen Lehren betrachtet. Sie stammt ursprünglich aus der mündlichen Überlieferung der Cherokee-Indianer und wird oft als Weisheitsgeschichte oder moralische Lehre präsentiert. In diesem Zusammenhang wird die Parabel genutzt, um grundlegende Prinzipien des inneren Konflikts (zwischen unseren dunklen und hellen Persönlichkeitsanteilen) und der Selbstbestimmtheit im Hinblick auf die individuelle Persönlichkeitsentwicklung zu vermitteln. Es geht darum, dass jeder Mensch täglich vor der Entscheidung steht, welche Aspekte seiner Persönlichkeit er pflegen und stärken möchte. Dies gilt auch im Hinblick auf die Art und Weise, wie wir uns in unser soziales Umfeld einbringen.

Während die Parabel zumeist auf individuelle Entscheidungen angewendet wird, könnte sie auch metaphorisch auf größere soziale oder gesellschaftliche Kontexte übertragen werden. Zum Beispiel auch in der Hinsicht, dass Gesellschaften und Demokratien durch die Summe der individuellen Entscheidungen und Werthaltungen ihrer Mitglieder geprägt werden. Aber auch die Gesellschaften als Ganzes unterliegen im übertragenen Sinne dem Wett- oder Machtkampf ihrer jeweiligen „inneren Wölfe“, die nicht zuletzt um die Ausrichtung unseres „kollektiven Herzens“ kämpfen.

Der Wolf der Dunkelheit repräsentiert hierbei auch auf der gesellschaftlichen Ebene Ängste, Misstrauen, Missgunst, Gier, Aggressionen und Verzweiflung. Diese Dunkelheit manifestiert sich insbesondere auch in sozialen Spaltungen, Vorurteilen, Ausgrenzungen, Radikalisierungen, Politikverdrossenheit und einem Mangel an Vertrauen, gesellschaftlicher Güte und Verbundenheit. Auch der Egoismus und die zunehmende Entfremdung unter den Menschen und von der Natur dürfte hier zu verorten sein. Der Dunkle Wolf in der Gesellschaft erzeugt Leid und Schmerz, indem er uns dazu bringt, uns auf das Negative zu konzentrieren und die Risiken und dystopischen Szenarien zu betonen und statt eines Miteinanders das Gegeneinander zu stärken.

Dem gegenüber steht der Wolf der Lebensfreude, der Hoffnung, Verbundenheit, Toleranz, Güte und der Liebe. Dieser Wolf symbolisiert Zusammenhalt, Empathie und die positive Energie, die aus dem Glauben an das Gute in uns selbst und anderen erwächst. Er ermutigt zu Mitgefühl, Gemeinschaftssinn und zu einer optimistischen Sichtweise. Sein Erstarken kräftigt die Gemeinschaften und Demokratien statt sie durch destruktives Denken und Handeln zu schwächen.

Ähnlich wie in der Parabel müssen wir uns bewusst sein, dass beide Wölfe in unserer Gesellschaft existieren. Jeder Tag bietet uns die Wahl, welchen Wolf wir in uns selbst, in unserer Gesellschaft füttern wollen. Wenn wir uns für den Wolf der Dunkelheit entscheiden, könnten wir in einer Spirale von Spaltung, Misstrauen, Eigennutz und Gier versinken. Wenn wir jedoch den Wolf der Lebensfreude füttern, könnten wir eine Gesellschaft aufbauen, die auf Solidarität, Respekt und positivem Wandel basiert. Die Parabel kann uns daran erinnern, achtsam zu sein und bewusst zu wählen, welchen Wolf wir in unserer Gesellschaft stärken wollen. Unsere Demokratiefähigkeit hängt von der Entscheidung ab, welche Werte und Prinzipien wir fördern und welche Art von Gemeinschaft wir aufbauen möchten. Letztendlich liegt es an jedem Einzelnen und an den Gemeinschaften, täglich die Entscheidung zu treffen, welchem Wolf wir die Nahrung unseres Denkens und Handelns geben bzw. welche Gedanken und Taten wir in unsere Gesellschaft einfließen lassen.

Angesichts der sich zuspitzenden Polarisierungs- und Radikalisierungstendenzen in unserer Gesellschaft und angesichts der fortschreitenden gierigen Ausbeutung und ignoranten Zerstörung der Ökosysteme, unserer zunehmenden Entfremdung von der Natur und unseren Mitmenschen, lässt sich kaum noch ausblenden, dass wir als Gesellschaft seit geraumer Zeit vorrangig den Dunklen Wolf allzu gut gefüttert haben. Und mit dieser Erkenntnis stellt sich unweigerlich die Frage, wer oder was den Dunklen Wolf bis dato maßgeblich angefüttert hat und wie es sich erklären lässt, dass diejenigen, die den Guten Wolf gerne stärker füttern würden, offensichtlich nicht so wirklich zum Zuge kommen bzw. immer wieder erfolgreich abgedrängt wurden und werden.

Im Laufe der Zeit hat der Dunkle Wolf in unserer Gesellschaft Nahrung aus verschiedenen Quellen erhalten. Toxische und spaltende Narrative und Paradigmen, die sich sowohl in ökonomischen Ideologien als auch in interessens- und parteipolitischen Kalkülen und Parteiprogrammen wiederfinden, haben eklatant dazu beigetragen, das Destruktive in unserer Gesellschaft zu stärken. Sie verhindern das Entstehen einer sozialen und ökologischen Harmonie massiv, fördern Ungerechtigkeiten, Neid und Respektlosigkeit und setzen die Idee der Sozialstaatlichkeit immer stärker unter Rechtfertigungsdruck.

Negative Menschenbilder, die von Diskriminierung und Pessimismus geprägt sind, haben den Dunklen Wolf in unserem Land massiv angefüttert. Wer immerzu das Ideal der Leistungsgesellschaft predigt, möchte letztlich die Ausgrenzung und sozial Ächtung der Leistungsschwächeren legitimieren. Wenn die Gesellschaft von negativen Annahmen über Mitmenschen geprägt ist, wird die Grundlage für Konflikte und Spaltung gelegt. Propagierte Menschenbilder wie beispielsweise die vom „Sozialschmarotzer“, „faulen Bürgergeldempfänger“, vom „Ökoterroristen“ oder „kriminellen Asylanten“ aber auch das Bild von einer durch und durch egoistischen und habsüchtigen Gesellschaft haben penetrant dazu beigetragen unsere Gesellschaft zu spalten, Menschen zur Angriffsfläche zu machen, sie und ihre Bedürfnisse auszugrenzen und Gesellschaftsschichten gegeneinander auszuspielen.

Tatkräftige Helfer bei der Verbreitung dieser diffamierenden Menschenbilder sind – strategisch geplant oder unbedacht – die Medien. Denn sowohl die sogenannten Sozial Medias, deren Betreiber von den Hasskommentaren und sozialen Ausgrenzungen profitieren, aber auch die traditionellen öffentlich-rechtlichen Medien, die ebenfalls eher von negativen als von positiven Ereignissen und Menschenbildern weltweit profitieren, tragen massiv dazu bei, den Dunklen Wolf in unserer Gesellschaft anzufüttern und toxische Narrative im gesellschaftlichen Bewusstsein dauerhaft zu verankern.

Inwieweit die Fütterung des Dunklen Wolfes von den Medien strategisch gewollt oder unbewusst unterstützt wird, sei zunächst dahingestellt. Aber klar ersichtlich ist, dass sie sich längst zu einem verlässlichen Handlanger diabolischer (dia-bolisch von dia-ballein (altgriechisch.) spaltend, zersetzend, Diabolos:  Spalter, Durcheinanderwerfer im Sine von Verwirrer, Faktenverdreher) Ideologien und Narrative entwickelt haben. Der hier wirkende Public Relation Mechanismus ist dabei neurowissenschaftlich vielfach erforscht und belegt. Durch die ständige Wiederholung verfestigen sich Begriffe, Meinungen und Menschenbilder im Bewusstsein der Medienkonsumentinnen und -konsumenten und werden damit gesellschaftsfähig und wahrhaftig, auch wenn sie noch so wenig Substanz haben. Dies gilt auch für die Verbreitung von Fake News. Wenn die Gesellschaft ständig von negativen Annahmen über Mitmenschen geprägt und fehlinformiert wird, ist die Grundlage für Konflikte und Spaltung gelegt. Unser Gehirn interpretiert Wiederholung als „Wahrheit“ (Illusory Truth Effect, zu Deutsch Wahrheitseffekt). Wer sich dem stündlichen oder sogar halbstündlichen Dauerbombardement von News in den Social Medias oder den Nachrichtensendungen aussetzt, kann sich diesem Mechanismus nicht entziehen, auch wenn man noch so sehr davon überzeugt ist, allzeit eine kritische Zuhörerin, ein kritischer Zuhörer zu sein. Die Auswirkungen dieses Effektes sind unabhängig davon, ob dieser Effekt absichtlich strategisch geplant oder eher ein zufälliges Produkt unseres Mediensystems ist, in dem investigativer Journalismus und die Suche nach „Wahrheiten“ zunehmend durch reproduzierte Mainstreammeldungen von Medienagenturen verdrängt werden. Sobald durch den Illusory Truth Effect eine neue „Wahrheit“ in unserem Denken etabliert ist, fühlt sich unser Verstand nicht mehr dazu verpflichtet, diese Wahrheit kritisch zu hinterfragen. Denn „Wahrheiten“ werden in unserem Bewusstsein als wie in Stein gemeißelt abgespeichert und werden quasi zu Naturgesetzen. In diesem Prozess entwickeln wir möglicherweise höchstens eine Meinung, aber nicht unbedingt eine fundierte Wahrheit, solange wir uns kontinuierlich der Informationsflut der Medien aussetzen. Wirklich informiert zu sein bedeutet nicht nur, sich passiv von den Medien informieren zu lassen. Es erfordert auch, sich mit verschiedenen Perspektiven zu einem Thema auseinanderzusetzen und einen dialektischen Denkprozess zuzulassen.

Die destruktiven Auswirkungen dieser medialen Überflutung auf unsere Psyche und auf unser Welt- und Menschenbild spüren immer mehr Menschen und dies mag auch ein Grund dafür sein, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger sich gegen toxische Public Relation Effekte schützen möchten, indem sie ihren Medienkonsum drastisch reduzieren, sich von den Social Medias abmelden oder ihre Abos für Tageszeitungen kündigen und Nachrichtensendungen wie auch insbesondere politische, rein auf Konfrontation und Rechthaberei angelegte, Talk-Shows nicht mehr anschauen. Bewusst oder unbewusst versuchen sie dadurch dem inneren Dunklen Wolf weniger Nahrung zukommen zu lassen.

Ist es denkbar, dass es Interessen gibt, den Dunklen Wolf in der Gesellschaft zu stärken, und dass bestimmte Akteure von gesellschaftlichen Spaltungen profitieren? Oder sind diese Polarisierungen und Radikalisierungen eher als unbeabsichtigte Kollateralschäden politischer Fehleinschätzungen und Entscheidungen zu betrachten? Eine mögliche Antwort bietet uns die Psychologie, die sich ebenfalls mit sozio-psychologisch problematischen Strukturen des „Mensch-Seins“ befasst und Persönlichkeitsmerkmale identifiziert hat, die sich destruktiv auf das soziale Miteinander auswirken. Oftmals zielen diese Merkmale bzw. Menschen mit diesen Merkmalen darauf ab, andere Menschen strategisch gegeneinander auszuspielen und gezielt die Dunklen Wölfe ihrer Mitmenschen zu nähren.

Besonders große Nahrung für den Dunklen Wolf in uns und in unserer Gesellschaft wird von einer kleinen, jedoch bedauerlicherweise sehr einflussreichen Gruppe von Menschen in die Medien und somit in die Gesellschaft gestreut. Diese Gruppe kann in die Psychologie der sogenannten „Dunklen Triade“ eingeordnet werden, die drei Persönlichkeitsanteile bzw. -störungen umfasst und im Hinblick auf ihr soziales Umfeld als toxische Persönlichkeitsstrukturen betrachtet werden können. Hierbei handelt es sich um Psychopathen, Narzissten und Machiavellisten, die sowohl unter uns als auch in uns existieren.

Im schlimmsten Fall finden sich Menschen mit dieser Kombination (Dunkle Triade) oder aber mit einem oder zwei dieser Persönlichkeitsmerkmale, die der Dunklen Triade zugeordnet werden, in politisch einflussreichen Führungsebenen. Zahlreiche sozio-psychologische Studien, die Persönlichkeitsmerkmale mit sozialen Interaktionen und Beziehungen in Organisationen verbinden, zeigen deutliche Hinweise darauf, dass Merkmale der Dunklen Triade häufiger bei Menschen in Führungs- und Funktionärspositionen anzutreffen sind. Von dort aus zerstören sie nicht selten jede Form von Solidarität und Gemeinschaftsgefühl unter den Mitarbeitenden, spalten die Belegschaft, schüren Neid und Misstrauen sowie Konkurrenz- und Leistungsdruck, um ihre Machtposition und ihre Sicht auf die Welt zu festigen und mithilfe ihrer Seilschaften und Netzwerke zu verbreiten.

Eine bedauerliche und gesellschaftspolitisch äußerst schädliche Allianz sowie destruktive Dynamik offenbart sich insbesondere dann, wenn Persönlichkeiten in ihrem Machtstreben geschickt ökonomisch motivierte Narrative und Prinzipien für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren. Narrative und Prinzipien wie etwa das biblische Gebot „Macht euch die Welt untertan„, das calvinistische beziehungsweise protestantische Leistungsparadigma „Nur wer leistet, hat ein Recht auf ein gutes Leben und führt ein gottgefälliges Leben„, oder das fälschlicherweise Adam Smith zugeschriebene Prinzip des „wirtschaftsförderlichen Eigennutzes“ werden besonders von jenen propagiert, die aus diesen Paradigmen maximalen Profit oder Machtgewinn für sich, ihre Parteien, Verbände sowie ihre Konzerne erzielen möchten.

Aus ihrer Perspektive werden sozial Schwächere als gesellschaftlicher Ballast betrachtet, während Klimaaktivisten als kriminell abgestempelt werden. Diese Akteure haben die Macht und die Netzwerke, weltweit Thinktanks zu etablieren und ihre Leitlinien in Wissenschaft, Politik und Bildungseinrichtungen einzuführen, ähnlich wie es die Mont Pelerin Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg getan hat und bis heute tut. Diese Organisation hat nachweislich den neoliberalen Wirtschaftsansatz weltweit in Gesellschaft, Politik und Wirtschaftsschulen eingeführt und verankert. Die Idealisierung von individuellem Eigennutz, Konkurrenz und geringer staatlicher Intervention hat nach Meinung von Kritikern zu sozialen Ungleichheiten, Umweltproblemen und einer Betonung des Profits auf Kosten anderer geführt.

Die Dynamik des Neoliberalismus, die insbesondere den kapitalistisch-patriarchalen Strukturen in den Industrieländern dient, hält unsere Gesellschaft in einem sozial toxischen Paradigma gefangen. Der im neoliberalen Denken hochgeschätzte Individualismus und Eigennutz fördern einen Rückzug von gemeinschaftlichen Werten zugunsten des persönlichen Erfolgs. Das ökonomisch begründete Ideal von Konkurrenz und Wettbewerb, als treibende Kraft für Innovation und Effizienz gepriesen, führt, wenn auf das gesellschaftliche Miteinander angewendet, zu einem rücksichtslosen Wettlauf, nicht nur zwischen Unternehmen und Konzernen, sondern auch zwischen den Menschen.

Das schulische Notensystem ist im Übrigen ein Produkt dieser auf Konkurrenz basierenden Paradigmenwelt, die als toxisch betrachtet werden kann. Schülerinnen und Schüler werden vom ersten Schultag an in ein Konkurrenzsystem gezwungen, das diejenigen in der künftigen Berufs- und Universitätenwelt begünstigt, die bessere Noten als ihre Klassenkameradinnen und -kameraden erzielen. Teamfähigkeit, Empathie und Solidarität dürften dabei kaum gefördert werden. Das Dokumentieren des eigenen „Versagens“ durch Noten nährt bereits in jungen Jahren ein Gefühl der Ausgrenzung und der Unzulänglichkeit in unseren Kindern, wodurch die Dunklen Wölfe der Unsicherheit und des geringen Selbstwertgefühls genährt werden, die sich später in Wut, Aggression und Hass äußern werden.

Um uns als Gesellschaft und Individuen vor destruktiven Narrativen und Menschenbildern zu schützen, ist es entscheidend, unsere Denkweise weiterzuentwickeln. Wir sollten einen Schritt zurück hinter unsere eigene Meinungsmache treten und bereit sein, alles, selbst das noch so Unwahrscheinliche – nämlich die Argumente der anderen – für möglich und nachdenkenswert zu erachten. Wir sollten uns mit der Vorstellung vertraut machen, dass alles vielleicht auch ganz anders sein kann, als wir im Augenblick zu wissen glauben. Das Akzeptieren eines „Sowohl-als-auch“ und die Offenheit für andere, vielleicht überzeugendere Argumente, sind keine Niederlage, sondern ein Zeichen von Stärke, Intelligenz und Entwicklung. Indem wir ein „Sowohl-als-auch“ akzeptieren, schaffen wir Raum für Vielfalt und Ambiguität. Diese Offenheit ermöglicht es, verschiedene Perspektiven zu integrieren und komplexe Realitäten anzuerkennen. In einer Welt, die oft von Schwarz-Weiß-Denken und starren Meinungen und Ideologien geprägt ist, eröffnet die Akzeptanz von Ambiguität die Möglichkeit,  Grauzonen und neue Handlungsfelder zu erkunden. Dies fördert einen offenen Dialog und erleichtert die Zusammenarbeit, da Menschen bereit sind, unterschiedliche Standpunkte zu verstehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das „Sowohl-als-auch“ bietet einen flexiblen Rahmen, der es ermöglicht, Nuancen zu berücksichtigen und pragmatische Ansätze zu verfolgen, anstatt sich in starren Positionen zu verlieren. Letztendlich erleichtert diese Denkweise die Entwicklung von Lösungen, die die Vielfalt der Realität besser widerspiegeln und auf die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen eingehen können.

Spaltungen, Diffamierungen, Rechthaberei und Intoleranz werden schwieriger, wenn wir vielfältige Perspektiven ein- und annehmen lernen und wenn wir – offen für neue „Wahrheiten“ oder Standpunkte – einander zuhören, ohne zwanghaft sofort die eigenen Position unterbreiten und Recht behalten wollen. Es ist wichtig, skeptisch gegenüber allen Reden und Informationen zu sein, die sich nach Spaltung, Diffamierung und Ausgrenzung anfühlen. Im Dschungel der Mainstreaminformationen, politischer Public Relation Perfektion und strategisch verbreiteten Fake News kann ein erster Leitfaden zur Erkennung von Desinformation und Manipulation darin bestehen, der viel zitierten „Spur des Geldes“ bzw. des Profits und des Machterhalts zu folgen, um gezielte gesellschaftspolitische Fehlinformationen oder Diffamierungsfeldzüge zu entlarven. Das heißt zu fragen, wer könnte warum ein Interesse daran haben, genau diese Information oder „Wahrheit“ im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu verfestigen, welche Weltanschauung könnte sich dahinter verbergen und möchte man diese Weltanschauung wirklich teilen? Die Anwendung von Polarisierungs- und Diffamierungsrhetoriken, die oft als „Stürme im Wasserglas“ in den Medien inszeniert werden, erweisen sich nicht selten als Instrumente zur Aufrechterhaltung von Machtstrukturen und Ideologien. Dabei erscheint es oft fraglich, ob es denjenigen, die solche Stürme entfachen, tatsächlich um Problemidentifikationen und -lösungen geht oder einfach nur um Stimmungsmache. Daher liegt es an uns, als kritisch Denkende, Public Relation Strategien zu erkennen und zu hinterfragen und eine informierte, nuancierte Sichtweise auf politisch-strategische Inszenierungen zu entwickeln. Nur so können wir uns vor manipulativen Einflüssen schützen, die unseren Verstand begrenzen und die Dunklen Wölfe in uns und in unserer Gesellschaft stärken.

(Abschließend möchte ich betonen, dass mir mit Bedauern bewusst ist, durch die Verwendung dieser Parabel leider das unfaire, stereotype Bild des bösen Wolfes erneut zu verstärken. Doch es ist mir nicht gelungen, eine alternative Parabel zu finden, die die diskutierten Aspekte und Zusammenhänge ähnlich prägnant und anschaulich hätten abbilden können.)

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