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Raphaela Kell: Die Kreislaufwirtschaft in der Praxis: Kommunale Herausforderungen und Perspektiven

In einer Welt, die mit den Herausforderungen des Klimawandels, der Ressourcenknappheit und der Umweltverschmutzung konfrontiert ist, wird die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft als entscheidender Schritt für eine nachhaltige Zukunft angesehen. Doch Kommunen, Städte und Länder stehen vor einer Reihe praktischer Herausforderungen, wenn es darum geht, diese Vision in die Realität umzusetzen. Dies sind zum einen Herausforderungen, die direkt mit den sogenannten Produktdesigns unserer Waren aber auch unserer Industriegüter (Maschinen) zusammenhängen und zum anderen mit der für eine umfassende Kreislaufwirtschaft notwendigen Infrastruktur zu tun haben. Zu dieser Infrastruktur zählen sowohl die Produktionsstätten, wie auch die Recycling-, Vertriebs,- Logistik- und auch Entsorgungsanlagen bzw. auch die in diesen Bereichen arbeitenden Menschen, die erst mit der Thematik vertraut gemacht werden müssen.

 

  1. Allein die Komplexität der regionalen Wertschöpfungsketten und regional konsumierten Produkte stellt eine enorme Herausforderung dar. Viele Produkte bestehen aus einer Vielzahl von Materialien und Komponenten, die gegenwärtig trotz innovativer Recyclingtechnologien oft schwer voneinander zu trennen sind, wie beispielsweise die sogenannten Verbundstoffe (z.B. Tetra Paks).  Aber auch Baumaterialien, Möbel, Textilien oder auch Elektronikgeräte beinhalten in der Regel mehrere Roh- und Inhaltsstoffe, die ein hochwertiges Recycling enorm erschweren. Im Bauwesen können beispielsweise moderne Konstruktionsweisen und -materialien eine Vielzahl von Materialien enthalten, die miteinander verklebt, verschweißt oder anderweitig verbunden sind. Dies erschwert nicht nur die Demontage und Wiederverwertung bei der Entsorgung, sondern kann auch die Qualität der zurückgewonnenen und recycleten Materialien beeinträchtigen. Ähnliches gilt für Möbel, die oft aus verschiedenen Materialien wie Holz, Metall, Kunststoffen und Polsterstoffen bestehen, die zu einem komplexen Verbundwerkstoff verarbeitet sind. Textilien enthalten neben natürlichen, meist auch synthetische Fasern, die sich im Recyclingprozess nicht mehr trennen lassen. Elektronikgeräte beinhalten nicht nur eine Vielzahl von sogenannten seltenen Erden und anderen wertvollen Metallen, die für die Recyclingwirtschaft und die nationale Ressourcenfrage immer wichtiger werden. Sie sind auch aus einer Vielzahl unterschiedlicher Plastikmaterialien hergestellt, was die Recyclingprozesse aufgrund der Varietät der Plastiksorten weiterhin problematisch gestaltet. Die Trennung dieser Materialien zur Wiederverwertung ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die spezielle und komplizierte Verfahren und Technologien erfordert, die zum Teil jedoch noch nicht entwickelt, ausgereift, marktfähig oder noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Begrenzte Recyclingtechnologien sind ein zentrales Problem – vor . Und so wird ein Großteil der Reyclingmaterialien zur Zeit immer noch den sogenannten „Down-Cycling-Verfahren“ zugeführt, bei denen die Qualität der recycelten Materialien im Vergleich zu den Ausgangsmaterialien abnimmt. Oder, was noch schlimmer ist, diese wertvollen Recyclingmaterialien werden der thermischen Nutzung in Müllverbrennungsanlagen zugeführt und sind damit unwiederbringlich für die Kreislaufwirtschaft verloren. Es bedarf daher neuer Ansätze im Produktdesign, die unter anderem auch Materialvereinbarungen oder transparente Materialbeschaffenheiten seitens der Unternehmen erforderlich machen, um diese Herausforderungen zu überwinden und eine effiziente Rückgewinnung und Wiederverwertung von Materialien zu ermöglichen. Doch dieser Prozess benötigt Zeit und Geld. Und die hierzu notwendigen Vereinbarungen übersteigen in der Regel kommunalpolitische Kompetenzen und müssen daher weitgehend den Gesetzen des Marktes überlassen werden. Kommunale Wirtschaftspolitik bzw. Wirtschaftsförderung muss hier einen enormen Aufwand betreiben, um ansässige Unternehmen auf der Basis von Freiwilligkeit nicht nur an einen Tisch zu bringen, sondern auch zu entsprechenden Vereinbarungen zu motivieren.
  2. Die Kommunen müssen detaillierte Datenbanken über die in der Region entsorgten Produkte anlegen, um einen exakten Überblick darüber zu erhalten, welche Abfallmengen und Materialie einer sich entwickelnden Recyclingwirtschaft überhaupt zur Verfügung stehen würden.
  3. Die Substituierbarkeit problematischer Materialien durch innovative, kreislauffähige Materialien eröffnet immer mehr Auswege aus der linearen Wirtschaft, doch die Forschung nach neuen Primär- und Produktionsstoffen hat im Prinzip gerade erst begonnen. Die Integration bzw. Markt- und Praxistauglichkeit dieser innovativen Materialien in den Produktions- und Wertschöpfungsketten erfordern jedoch noch viel Forschung, Entwicklung und Investitionen, um ihre Machbarkeit und Effektivität in großem Maßstab sicherzustellen.
  4. Die Vielzahl und Diversität der regional ansässigen Unternehmen und die damit verbundene hohe Komplexität der unterschiedlichsten Lieferketten stellen eine weitere Herausforderung dar und erfordern eine völlige Neugestaltung von Liefer- und Produktionsketten für die gesamte regionale Unternehmenslandschaft. Dies bedeutet, dass Kommunen und Länder nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch auf struktureller Ebene handeln müssen, um die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Die Integration und Koordination einer breiten Palette von Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), in die neuen zirkulären Wertschöpfungsketten erfordert einen umfassenden Ansatz, der die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die Anpassung von Produktionsprozessen und vor allem anstelle von unternehmerischem Konkurrenzdenken Kooperationen, Absprachen und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren umfasst. Es ist daher entscheidend, dass Kommunen und Länder komplexe Strategien entwickeln, um die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen den Unternehmen zu fördern und die Vorteile der regionalen Vielfalt zu nutzen.
  5. Ein weiteres Hindernis ist der hohe Energieaufwand, der mit der Aufbereitung und Wiederverwertung von Materialien verbunden ist. In einigen Fällen kann der Energieaufwand für die Wiederaufbereitung sogar höher sein als der für die Gewinnung neuer Rohstoffe, was die ökonomische und ökologische Rentabilität von Recyclingprozessen beeinträchtigen kann. Die energetischen Anforderungen bei der Aufbereitung und Verarbeitung von recycelten Materialien sind oft erheblich und können zu einem beträchtlichen CO2-Fußabdruck führen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, nicht nur den Materialverbrauch zu reduzieren, sondern gleichzeitig auch effiziente und nachhaltige Energiequellen für den Recyclingprozess zu nutzen bzw. bereitzustellen. Die Förderung erneuerbarer Energien und die Optimierung von Recyclinganlagen hinsichtlich ihrer Energieeffizienz sind daher entscheidende Maßnahmen, die Städte und Kommunen parallel zum Aufbau einer zirkulären Wirtschaft leisten müssten, um die ökologischen Auswirkungen der Recyclingwirtschaft zu minimieren und die Gesamtnachhaltigkeit des Prozesses zu verbessern.
  6. Für Städte und Gemeinden, die eine Transformation ihrer Regionalwirtschaft in Richtung einer zirkulären Wirtschaft anstreben, ist es eine enorm anspruchsvolle Aufgabe, die Unternehmen vor Ort aktiv für den Transformationsprozess zu sensibilisieren und ihnen das erforderliche Wissen zu vermitteln, wie ihre Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse im Einklang mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gestaltet werden können. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen nicht nur über die Vorteile und Möglichkeiten einer Kreislaufwirtschaft informiert und sensibilisiert werden, sondern ihnen müssen branchenspezifische und in der Praxis bereits erprobte Konzepte vermittelt werden, welche konkreten Schritte in ihren eigenen Unternehmen umgesetzt werden können, um den gewünschten nachhaltigen Ansatz zu verfolgen. Dies kann durch branchenspezifische Schulungen, Workshops oder Beratungsangebote  erfolgen. Unternehmen müssen erkennen, dass die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft nicht nur ökologische Vorteile bietet, sondern auch wirtschaftliche Chancen eröffnet, wie beispielsweise Kosteneinsparungen durch effizientere Ressourcennutzung, die Erschließung neuer Märkte für recycelte Produkte und die Stärkung des Unternehmensimages durch nachhaltiges Wirtschaften.
  7. Die Konzeption einer regionalen Kreislaufwirtschafts-Infrastruktur erfordert gründliche Markt- und Materialbedarfsanalysen auf regionaler Ebene. Dabei ist es entscheidend, die spezifischen Anforderungen und Potenziale der Region sowie ihrer Unternehmenslandschaft zu berücksichtigen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Es ist von erheblicher Bedeutung, zielführende Matchmaking-Initiativen auf regionaler und nationaler Ebene zu etablieren, um neue Rohstofflieferanten, Materialhersteller, Industriedesigner, Recyclingunternehmen und Start-Ups mit etablierten Unternehmen zu verbinden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren ist unerlässlich, um Innovationspotenziale im Bereich Kreislaufwirtschaft zu identifizieren, Ressourcen effizient zu nutzen und Synergien zu schaffen. Nur durch eine ganzheitliche und koordinierte Herangehensweise kann eine nachhaltige regionale Kreislaufwirtschaft erfolgreich umgesetzt werden.

Die hier skizzierten kommunalen Herausforderungen geben vielleicht bereits einen groben Überblick darüber, wie groß die Aufgabe für die Städte und Gemeinden tatsächlich ist, wenn sie ihre regionale Wirtschaft zirkulär gestalten möchten. Sich hier allein auf die Innovationskraft des Marktes zu verlassen, reicht hierbei wahrscheinlich nicht aus, um das Konzept der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Angesichts des Zeitdrucks und der Dringlichkeit ist eine koordinierte Wirtschaftsplanung nahezu unerlässlich, um das volle Potenzial einer Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen. Allerdings steht eine koordinierte Wirtschaftsplanung im Widerspruch zu den bisherigen ökonomischen Paradigmen, die traditionell eher auf die Innovationskraft des freien Marktes setzen. Obwohl dies im Hinblick auf die Entwicklung einer zirkulären Wirtschaft grundsätzlich kein falscher Ansatz ist, wird das Vertrauen allein auf die Kräfte des Marktes angesichts der zeitlichen Problematik scheitern. Wir müssen also nach weiteren effektiven Hebeln suchen, um die notwendigen Transformationsprozesse zu beschleunigen und zu stärken. Die Frage, ob und inwieweit dies über höhere Bepreisungen von problematischen Materialien gehen kann, muss wahrscheinlich enttabuisiert werden.

Kreislaufwirtschaft, Zirkuläre Wirtschaft