Raphaela Kell: Kreislaufwirtschaft und kommunale Mining-Potenziale: Nutzung von CE-Daten aus Abfallströmen
Um eine strategisch geplante Kreislaufwirtschaft (Circular Economy, CE) zu entwickeln, ist die Erfassung und Analyse unserer Abfallströme unabdingbar. Aus den Abfallwirtschafts-Daten lassen sich einerseits zahlreiche Rückschlüsse auf unsere Wirtschafts-, Konsum- und Handelsstrukturen ableiten, die ebenfalls in das Konzept der Kreislaufwirtschaft einzubeziehen sind. Andererseits helfen sie dabei, die tatsächlichen Recycling- bzw. Sekundärrohstoffpotenziale (Urban-Mining-Potenziale) zu ermitteln, die eine zentrale Grundlage des Kreislaufwirtschafts-Gedankens darstellen.
Diese Abfall-CE-Daten lassen sich am schnellsten auf kommunaler Ebene erfassen. Städte und Gemeinden, die sich dem Circular Economy-Gedanken anschließen möchten, sollten sich daher neben ihrem bisherigen Abfallmanagement insbesondere auch der Analyse ihrer Abfallströme widmen. Mit diesen Daten erhalten Städte und Gemeinden wertvolle Einblicke in die Materialflüsse zwischen Produzenten, Konsumenten und Entsorgung sowie in ihre regionalen Wertschöpfungsketten und in die bestehenden bzw. noch auszubauenden Recyclingstrukturen. Zusätzlich ermöglichen diese Analysen die Identifikation regional zirkulierender Schlüsselmaterialien und kritischer Stoffströme, die gezielt für eine verbesserte Ressourcennutzung und nachhaltige Materialkreisläufe optimiert werden können.
Abfälle geben also Aufschluss darüber, welche Produkte entsorgt werden, aus welchen Materialien sie bestehen, und von welchen Herstellern sie stammen. Sie liefern Informationen über den Lebenszyklus der Produkte und ermöglichen die Bewertung des kommunalen Recyclingpotenzials. So können wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und effizient genutzt werden.
Die wirtschaftlichen Potenziale, die sich hieraus entwickeln lassen, liegen nicht zuletzt auch in einer größeren Unabhängigkeit der Regionen und Unternehmen von internationalen Rohstoffmärkten und -engpässen. Zudem fördert eine regionale Kreislaufwirtschaft Innovationen und schafft damit neue Arbeits- und Unternehmensfelder, wodurch die regionale Wertschöpfung und Resilienz gesteigert wird.
Die ökologischen Vorteile sind ebenso offensichtlich: Reduzierung des Abfallaufkommens, Schonung natürlicher Ressourcen, und Verringerung der Umweltbelastung.
Insgsamt sind kommunale Abfallströme präzise daraufhin zu untersuchen, wie groß die regional entsorgten Abfallmengen sind und welche Recycling- und Sekundärrohstoff-Potenziale in ihnen enthalten sind. Sie geben Aufschluss darüber, welche Recyclingpotenziale und -infrastrukturen bereits in der Region vorhanden sind und in welchem Umfang diese Infrastrukturen ausgebaut werden müssen, um im Idealfall die kompletten kommunalen Abfallströme als neue Rohstoffressource im Rahmen einer regionalen Wertschöpfungskette zu nutzen. Außerdem ist es für die Entwicklung einer effektiven Kreislaufwirtschaft wichtig, die regionale Unternehmenslandschaft mit den Abfall-CE-Daten abzugleichen. Dies beinhaltet die Untersuchung der Frage, wie viel des kommunal entsorgten Mülls anteilmäßig den ansässigen Stakeholdern zuzuordnen ist. In diesem Kontext ist es für Unternehmen besonders wichtig Daten darüber zu erhalten, ob und inwieweit sie ihren Material- und Sekundärrohstoffbedarf perspektivisch aus regionalen Abfallströmen und Recyclingverfahren beziehen können, um langfristig unabhängiger von internationalen Lieferketten zu werden und ihren Beitrag für eine nachhaltige und zirkuläre Wirtschaft zu leisten.
Um diese ökonomischen und ökologischen Vorteile zur Stärkung der regionalen Wirtschaft schneller auszubauen, sind folgende, miteinander korrelierende, Abfall-CE-Daten von zentraler Bedeutung:
- Erfassung und Analyse der entsorgten Produkte: Welche Produkte werden in welcher Menge entsorgt? Nur wenn diese Daten bekannt sind, können profitable und angemessene regionale Recyclingstrukturen geschaffen werden. Detaillierte Daten über die Art und Menge der entsorgten Produkte ermöglichen es, spezifische Recyclingtechnologien und -prozesse zu entwickeln, die auf die lokalen Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnitten sind. Sie helfen auch dabei, Trends im Konsumverhalten und Veränderungen in der Produktnutzung zu erkennen, was für die langfristige Planung und Anpassung der Recyclinginfrastrukturen wichtig ist.
- Analyse der Materialzusammensetzungen: Welche Materialien sind in den entsorgten Produkten enthalten? Die Analyse der Materialzusammensetzung von Abfällen ist der erste Schritt zur Identifikation von Recyclingpotenzialen. Erst durch die genaue Erfassung der verschiedenen Materialarten (z.B. Metalle, Kunststoffe, organische Stoffe, etc.) können gezielte regionale Maßnahmen zur Wiederverwertung eingeleitet werden. Eine detaillierte Kenntnis der Materialzusammensetzungen ermöglicht die Entwicklung spezialisierter Recyclingprozesse und Technologien und trägt zur Identifikation von toxischen oder problematischen Produkten und Materialien bei, die perspetktivisch nicht mehr in den Stoffkreislauf fließen dürfen. Die hier ermittelten Daten bieten u.a. die Basis dafür, die Reinheit der recycelten Materialien zu maximieren und die Qualität der neuen Produkte durch Materialstandardisierungen zu verbessern.
- Herstellungsorte und Produktionsinformationen: Wo und von wem wurden diese Produkte hergestellt? Handelt es sich um Binnenprodukte oder Importprodukte (diese Frage ist von zentraler Bedeutung, wenn es um anstehende Material-Standardisierungen und Materialanalysen geht). Das Wissen über Herkunft und Produktionsdetails ist entscheidend für Material-Standardisierungen und Materialanalysen. Kenntnisse über die Herkunft und die Produktionsbedingungen der entsorgten Produkte helfen, problematische Materialien zu identifizieren, insbesondere solche aus Importprodukten, die möglicherweise nicht den gleichen Sicherheits- und Umweltstandards entsprechen wie im Innland hergestellte Produkte. Viele Importprodukte, insbesondere aus Ländern mit geringeren Umweltauflagen, enthalten toxische oder minderwertige Materialien, die sowohl der Umwelt als auch der Wirtschaft schaden und die sich nur schwer in bestehende Recylingverfahren integrieren lassen. Durch die Identifizierung dieser Produkte können gezielte Maßnahmen zur Regulierung und Kontrolle von problematischen Produkten und Materialien entwickelt und die Umstellung auf sicherere, umweltfreundlichere Alternativen gefördert werden.
- Sektorale Materialstrom-Analyse: Eine detaillierte Darstellung der Materialflüsse innerhalb und zwischen verschiedenen Sektoren und Branchen ermöglicht es, Synergien zu identifizieren und die Ressourceneffizienz signifikant zu steigern. Durch die Erfassung und Analyse dieser Materialflüsse können Kommunen besser verstehen, wie Materialien genutzt und bewegt werden, sowohl innerhalb eines Sektors als auch zwischen verschiedenen Branchen. Dies Wissen hilft dabei, effizientere und nachhaltigere Recycling- und Wiederverwendungsprozesse zu entwickeln. Durch die Identifikation von Synergien zwischen den Sektoren können Abfälle eines Sektors als wertvolle Rohstoffe für einen anderen Sektor genutzt werden. Beispielsweise könnten Kunststoffabfälle aus der Lebensmittelindustrie als Rohmaterial für die Kunststoffverarbeitung dienen. Solche Synergien tragen dazu bei, die Ressourcennutzung zu optimieren und Abfälle zu minimieren, was sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile mit sich bringt. Weiterhin unterstützt die sektorale Materialstrom-Analyse die Vernetzung zwischen verschiedenen Akteuren der Kreislaufwirtschaft. Kommunen können gezielt Kooperationen fördern, indem sie Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und andere relevante Akteure zusammenbringen, um gemeinsam an der Optimierung von Materialflüssen und Recyclingprozessen zu arbeiten. Diese Vernetzung ist essentiell, um eine effektive und nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren, die auf regionaler Ebene funktioniert. Im Kern geht es darum, durch die Analyse der Materialflüsse ein umfassendes Verständnis darüber zu erlangen, wie Materialien innerhalb der Kommune genutzt und bewegt werden. Dieses Wissen ermöglicht es, gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz zu ergreifen und die Grundlage für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Dabei spielt die sektorale Materialstrom-Analyse eine zentrale Rolle, da sie die notwendigen Daten und Erkenntnisse liefert, um effektive Recycling- und Wiederverwendungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
- Recycling- und Urban-Mining-Potenziale: Wie hoch ist der Anteil der regional entsorgten Materialien, der im Rahmen eines technischen oder biologischen Recyclingvergfahrens wiederverwertet werden kann? Mit diesen Informationen lassen sich adäquate und rentable Recycling-Infrastrukturen auf kommunaler Ebene planen und diesbezügliche Lücken identifizieren. Eine detaillierte Erfassung des Recyclingpotenzials ist unabdingbar, um die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der gegenwärtigen und künftig zu etablierenden regionalen Recyclingstrukturen zu maximieren. Darüber hinaus bieten sie wertvolle Daten über das Wertstoff-Potenzial kommunaler Abfallströme, das für ansässige Produkt- und Materialhersteller genutzt werden könnte (s. Punkt 6. Marktdaten für Sekundärrohstoffe).
- Marktdaten-Analyse für Sekundärrohstoffe: Durch das Verständnis des Recycling- bzw. kommunalen Mining-Potenzials können Städte und Gemeinden Strategien entwickeln, um diese wertvollen Ressourcen effizienter zu nutzen und die Abhängigkeit ihrer Unternehmen von internationalen Rohstoffimporten zu reduzieren. Die Marktdaten-Analyse für Sekundärrohstoffe umfasst mehrere wichtige Aspekte. Zunächst wird die aktuelle und prognostizierte Nachfrage nach recycelten Materialien auf dem Markt analysiert, um potenzielle Abnehmer zu identifizieren. Darüber hinaus werden die aktuellen Marktpreise für verschiedene Sekundärrohstoffe untersucht, und die Preisentwicklung sowie deren Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Recyclings beobachtet. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Bewertung der wirtschaftlichen Vorteile, wie Kosteneinsparungen und Schaffung neuer Arbeitsplätze, durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen. Schließlich umfasst die Analyse auch die Untersuchung der Trends im Konsumverhalten, die die Art und Menge der Abfälle beeinflussen, sowie die Analyse von Markttrends, die die Nachfrage nach recycelten Materialien steigern könnten.
- Untersuchung der lokalen Entsorgungskapazitäten und -strukturen: Welche lokalen Kapazitäten und Infrastrukturen existieren für Sammlung, Sortierung und Recycling bereits und welche Recycling-Unternehmen und -infrastrukturen müssen regional angesiedelt und aufgebaut werden, um die Abfall-Potenziale für den Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten zu optimieren?
Die Nutzung von CE-Daten aus Abfallströmen bietet Städte und Gemeinden die Möglichkeit, nicht nur, die aktuellen Materialflüsse und die sich dahinter verbergende Unternehmenslandschaft besser zu verstehen, sondern auch gezielte Strategien zur Optimierung des Recyclings und zur Schaffung geschlossener Materialkreisläufe zu entwickeln. Durch eine fundierte Datenbasis können Städte und Gemeinden ihre Strategien zur Abfallbewirtschaftung anpassen, innovative Geschäftsmodelle im Bereich Circular Economy fördern und die Entwicklung einer nachhaltigen, resilienten und wirtschaftlich starken Region vorantreiben.
Abfallströme, Circular Economy, Kommunale Mining-Potenziale, Kreislaufwirtscaft