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Raphaela Kell: Das Europäische Emissionshandelsgesetz ETS2: Wie politische Ignoranz gegenüber erneuerbaren Energien Verbraucher und Wirtschaft belasten wird

Kommentar:

Ab 2027 wird, ergänzend zum bisherigen europäischen Emissionshandelssystem ETS1 ein eigenständiges Emissionshandelssystem (ETS 2) eingeführt, das die Bereiche Straßenverkehr, Gebäude sowie weitere Sektoren wie Energiewirtschaft, verarbeitendes Gewerbe und Bauwesen umfasst. Dieses System zielt darauf ab, die CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu erfassen, die in diesen Sektoren verwendet werden und bislang nicht vom bisherigen bestehenden EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) abgedeckt sind. Die Verantwortung für die Berichterstattung und den Handel mit Emissionszertifikaten liegt bei den sogenannten „Inverkehrbringern“ der entsprechenden Heiz- und Kraftstoffe, das heißt bei den Lieferanten von Öl und Gas.

Bereits ab dem 1. Januar 2025 sind Brennstofflieferanten verpflichtet, eine Emissionsgenehmigung zu besitzen. Ab dem Berichtsjahr 2025 müssen die Unternehmen jährlich über die Emissionen der im Vorjahr in Verkehr gebrachten Brennstoffmengen berichten. Dieser Bericht muss ab 2025 verifiziert und damit kontrollierbar werden. Ab dem Jahr 2028 sind die die sogenannten „Inverkehrbringer“ verpflichtet, für die Emissionen der von ihnen verkauften fossilen Brennstoffe entsprechende Zertifikate zu erwerben und abzugeben. Sukzessive werden diese Zertifikate oder Emissionsrechte in den Folgejahren reduziert, wodurch sich der Preis für CO2-Emissionen stetig verteuern wird. Dies bedeutet, dass nicht nur die direkt betroffenen Unternehmen mit steigenden Kosten rechnen müssen, sondern auch deren Kunden, da die zusätzlichen Ausgaben voraussichtlich an die Verbraucher weitergegeben werden.

Da das nationale Brennstoffemissionshandelssystem Deutschlands (nEHS) bis einschließlich 2026 fortbesteht und erst ab 2027 im ETS 2 aufgeht, müssen sich „Inverkehrbringer“ von Brennstoffen in dieser Übergangszeit möglicherweise auf eine doppelte Erfassung von Emissionen einstellen.

Die Einführung des ETS 2 erweitert die europäischen Klimaschutzmaßnahmen erheblich und verlangt von den betroffenen Unternehmen eine frühzeitige Vorbereitung sowie Anpassung an die neuen regulatorischen Anforderungen.

Leider wurde die Gelegenheit zur Vorbereitung auf die absehbaren Kostensteigerungen für fossile Brennstoffe durch die öffentliche politische Debatte in Deutschland während der vergangenen Legislaturperiode weitgehend verpasst. Die anhaltende Kritik an den Zielen der Energiewende hat dazu beigetragen, dass notwendige Maßnahmen nicht rechtzeitig ergriffen wurden.

Wären die Vertreter fossiler Interessen und ihre politischen Unterstützer im Bundesparlament nicht bemüht gewesen, jede Anstrengung zur klimaneutralen Umgestaltung unserer Wirtschaft und Energieversorgung rhetorisch zu torpedieren, sondern hätten sie stattdessen geholfen, die Entwicklungen realistisch einzuschätzen und kostensenkende Transformationsschritte parteiübergreifend zu fördern, stünden die Aussichten für eine bezahlbare Energieversorgung und Mobilität heute vermutlich deutlich besser da.

Die rechtzeitige Akzeptanz von Klimaschutzgesetzen wurde durch zahlreiche unsachliche Diffamierungen verhindert. Die Zeche zahlen in den nächsten Jahren die immer noch von fossilen Brennstoffen abhängigen Verbraucher und Unternehmen, denen in unlauterer Weise vorgemacht wurde, als könnten wir auch in Zukunft weiter billig und sorgenfrei fossile Brennstoffe kaufen.

Die durch diese Rhetorik provozierten Verzögerungen und Widerstände haben nicht nur dazu geführt, dass Deutschland seine Klimaziele in den Sektoren Gebäude und Verkehr erneut verfehlt hat, sondern auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wir spätestens 2028 auf einen gesellschaftlichen Panikmoment zusteuern, wenn die Menschen realisieren, dass die Preise für Benzin und Heizöl drastisch anziehen werden.

Zusätzlich erwarten Experten, dass der Druck auf die EU-Kommission steigen wird, Änderungen am ETS2 vorzuschlagen. Die neuen Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament und im künftigen EU-Ministerrat könnten dies bestärken. Die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich und Deutschland werden dabei als entscheidend angesehen. Einigungen im Rat über eine ehrgeizige Klimapolitik könnten von Ländern wie Ungarn, Italien, den Niederlanden und der Slowakei bei Enthaltungen von Frankreich und Deutschland verhindert werden. Auch Polen, das die Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2025 übernimmt, möchte das ETS2-Dossier erneut öffnen.

Diese politischen Unsicherheiten könnten die Umsetzung des ETS2 weiter verzögern und die dringend benötigte Planungssicherheit für Unternehmen und Verbraucher beeinträchtigen. Es ist daher umso wichtiger, dass Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten ihre Klimaschutzbemühungen intensivieren und klare Signale für eine nachhaltige Energiepolitik setzen, um den Herausforderungen des Klimawandels wirksam zu begegnen und gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.

Sollte das ETS2 aufgrund der neuen politischen Verhältnisse im EU-Parlament gekippt werden, können wir der Welt nur gratulieren. Dann haben wir es geschafft, jegliche Aussicht auf die Einhaltung unserer Klimaziele zu vertun und steuern sehenden Auges in die Klimakatastrophe.

Die Verantwortung für die Folgen tragen diejenigen, die die Bürgerinnen und Bürger aus politisch-konservativem Kalkül und aus wirtschaftlichem Interesse in die Illusion geführt haben, dass der Verzicht auf notwendige Klimaschutzmaßnahmen uns vor den Konsequenzen des Klimawandels bewahren wird.

Emissionshandel, ETS2