Projektbeispiel: Bioweine in der Steiermark
„ECKDATEN“ – Worum geht’s?
»Schmecke das Leben« ist eine Wertegemeinschaft von fünf steirischen Winzern, deren Weg sie zur Erkundung eines ganzheitlichen Naturverständnisses und zu einem neuen Lebensstil führt. Auf den Ideen und den Richtlinien der Biodynamik aufbauend, führen die fünf Steirer einen intensiven Dialog über neue Wege und Erkenntnisse hinsichtlich des schonenden Umgangs mit der Natur und der nachhaltigen Weinbereitung. Teil der Wertegemeinschaft sind die Weingüter Werlitsch, Muster, Strohmeier, Tscheppe und Tauss in der Steiermark.
„HINTERGRÜNDE“ – Warum gibt’s es?
Ökologisches, nachhaltiges Wirtschaften hat die fünf steirischen Winzer zu einem neuem Bewusstsein für Natur und Leben geführt – und zu einem neuen Weinstil. Durch verantwortungsvolles Handeln mit Rücksichtnahme auf alles Leben sollen lebendige Weine erzeugt werden, die den Menschen gut tun. Als Gruppe leben sie einen lebendigen Austausch ihrer Erfahrungen, bereichern ihr Wissen im Umgang mit der Natur und nutzen Synergien. Sie leben mit der Natur, beobachten sie und lernen täglich von ihrem Land, auf dem sie arbeiten. In gemeinsamen Diskussionen werden neue Wege aufgezeigt und Ergebnisse besprochen, um sich an neuen Erkenntnissen zu freuen. Behutsame Handarbeit an den Reben und Bedacht auf Symbiose von Tieren und Pflanzen im Weinberg bestimmen das Leben der Winzer. Denn nur gesunde vitale Reben von lebendigen Böden bringen auch solche Weine hervor. Eine tiefe Verbundenheit mit dem Boden und der Wille, Geschmack und Charakter der jeweiligen Lagen möglichst authentisch und unverfälscht im Wein abzubilden, ist eine zentrale Gemeinsamkeit der fünf Weingüter. So ergeben sich nicht nur neue Perspektiven in der Bodenbearbeitung und in der Weinbereitung, sondern auch im Weingenuss. Das Ziel sind lebendige Weine, so authentisch, wie die Natur ihn werden lässt. Ein Stück gelebte Zeit für vielfältige sinnliche Eindrücke. Es sind Weine, die über eine Geschichte verfügen und eine ebensolche zu erzählen haben. Die Geschichten handeln vom Boden, von Wachstum und Vergänglichkeit, von Beständigkeit und Veränderung, von Ursprung, Tradition und Zeit. Der Stil der Weine verlangt Offenheit und Auseinandersetzung. Die Erzeugung von naturbelassenen Weinen, so wie sie von der Erde kommen, erfordert zum einen handwerkliches Können, zum anderen die Gelassenheit, im richtigen Moment nichts zu tun und den Wein einfach werden zu lassen. Jeder Winzer setzt seine eigenen Vorstellungen von hochqualitativem, terroirgetriebenem und wirklich nachhaltigem Weinbau um. Um die Monokultur, die der Weinbau nun einmal ist, auszubremsen, wachsen Kräuter und Blütenpflanzen zwischen den Rebstöcken, Pfirsichbäume brechen die Rebreihen auf. Alle Winzer vergären ohne Reinzuchthefen – nur mit den Hefen, die natürlich im Weinberg vorkommen (Spontanvergärung) – ohne Temperaturkontrolle und setzen, wenn überhaupt, nur minimale Mengen an Schwefel ein, um den Wein mikrobiell stabil zu machen. Das Weingut Tauss betreibt ein Winzerhaus mit Gästezimmern, das ihre Überzeugungen manifestiert. Sie produzieren ihren eigenen Strom, heizen mit Hackgut, wärmen den Pool mit Solarenergie, sammeln Wasser in Regenwasserzisternen und klären Abwasser in einer eigenen biologischen Kläranlage. Es wird recycelt, was möglich ist, serviert werden Bio-Lebensmittel, und gedruckt wird mit Pflanzenölfarben.
„CHARAKTERISTIKA“ – Was macht’s besonders?
Die Wertegemeinschaft »Schmecke das Leben«, zeigt, wie Kooperation in einer traditionell hoch kompetitiven Branche auszusehen vermag. Die Winzer sehen sich nicht als Konkurrenten, sondern als Teil einer Gemeinschaft, die auf denselben »Werten« basiert. Innerhalb der Wertegemeinschaft kann sich dennoch jeder Winzer in seiner individuellen Interpretation und Umsetzung der Werte frei entfalten. Das Beispiel veranschaulicht, wie sich kleine Betriebe, die in einer Nische agieren (der Anteil des biologischen und biodynamischen Weinbaus an der Gesamtproduktion ist immer noch verhältnismäßig gering), durch einen Zusammenschluss mehr Gehör verschaffen und somit eine kleinteilige Wirtschaft erhalten können. Der Austausch und der Diskurs innerhalb der Gruppe führen zu einem stetigen gemeinsamen Lernen. Wenn es hinsichtlich einer zukunftsfähigen lebensdienlichen Wirtschaft um »Werte« geht, geht es in erster Linie um Werte wie Nachhaltigkeit, Solidarität, Gerechtigkeit, Demokratie und Resilienz. Die Frage nach dem »guten Leben« umfasst aber auch Werte wie Ästhetik und Sinnlichkeit, die durch die unterschiedlichen Formen der Kunst geschaffen werden. In den Wirtschaftswissenschaften wird dem Wirtschaftssystem folgende Aufgabe zugeschrieben: „Es hat die dauernde Unterhaltsfürsorge und die verbesserte Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen, die Bedingung und Voraussetzung für die Erfüllung von außerökonomischen Zielen sind.“ Das Wirtschaften ist demnach die Basis für die Erfüllung der nicht-wirtschaftlichen Ziele, zu denen die Befriedigung des Bedürfnisses nach Ästhetik zählt. Die Kunst spielt aber noch eine weitere Rolle. Sie habe Waffen, so Jean Ziegler in einer Rede, welche der analytische Verstand nicht besitzt: Sie wühlt den Menschen „in seinem Innersten auf, durchdringt auch die dickste Betondecke des Egoismus, der Entfremdung und der Entfernung. Sie trifft den Menschen in seinem Innersten, bewegt in ihm ungeahnte Emotionen.“ Betrachtet man den Wein als eine Kunstform, kann ein authentischer Wein, der den Boden und die Natur widerspiegelt, der eine Geschichte von Vergänglichkeit, Veränderung und Ursprung erzählt und der Offenheit und Auseinandersetzung erfordert, Menschen in ihrem Innersten berühren, sensibilisieren und zur Reflexion über die bestehenden Verhältnisse bringen.