Buchbesprechung von Detlef Baer: Neue Weltmacht Indien, von Oliver Schulz, Frankfurt a.M. 2023
In einer grob skizzierten Konstellation steht sich eine poröser werdende und kritikwürdige westliche Welt gegenüber einer autokratischen Welt gegenüber, die von China, Russland dominiert wird und zu der sich Staaten wie Iran und Nordkorea sowie Syrien zugesellen. Mit Indien und Brasilien stehen nachkommende und blockfreie Großmächte vor der Tür, doch wird deren innere Entwicklung und Zuordnung wenig beachtet. Das Buch von Oliver Schulz deshalb zur Lektüre über ein Land, von dem heterogene Vorstellungen herrschen. Vor Ayurveda und Yoga bis zur bitteren Armut, von der größten Demokratie bis zur hindunationalistischen Quasidiktatur finden wir Bewertungen. Und alle stimmen! Der Autor beschreibt als mehrfacher Indienbesucher die schlimmste Armut, das diffizile Verhältnis zu China und Russland, von gleichzeitigen High-Tech-Schmieden und von der Dominanz der Hindureligion und der erbitterten Feindschaft zum Islam. Korrupte Ordnungshüter und eine korrupte Verwaltung erlaubt Massaker, eine zwar verbotenes aber noch immer intaktes Kastensystem destabilisiert die gesellschaftliche Entwicklung , die ausserhalb des Kastensystems vorhandene Gruppe der Dalits mit über 200 Millionen Indern lebt in Slums und entsorgt Fäkalien. Welch ein heterogenes Land! Inzwischen mit 1,4 Mrd. meist jungen Menschen das größte der Erde! Schulz beschreibt seine Eindrücke zum Teil anekdotenhaft, was nicht schlecht ist. In der Gänze ist dieses Land nicht zu erfassen, und für die Widersprüchlichkeit steht der Präsident Modi, dem die USA vor der Präsidentschaftszeit wegen dessen Verwicklungen in Massakern die Einreise verbot. Zwei Eindrücke verbleiben mir als Leser: der erste Eindruck bei der Schilderung der inneren Verhältnisse: worüber klagen wir in Europa eigentlich? Wir haben im Gegensatz zu 70 % der Inder Toiletten, und auch Wasserzugang, Wohnungen, tägliches Essen usw. Der zweite Eindruck: welche positive Rolle spielen eigentlich Religionen? Der Islam, das Christentum und der Hinduismus forcieren Kriege, Konflikte und Massaker im Namen ihres Gottes. Länder, in denen die Religion kaum eine Rolle spielt wie in Skandinavien, erweisen sich als viel zivilisierter! Das Buch führt in die indische Gesellschaft ein, eine Vertiefung fehlt, aber das liegt wohl auch an dem inhaltlichen Stoff. Leicht zu lesen wie eine Unterhaltungslektüre, und nachdenklich stimmend