Mikrokredite als Entwicklungshilfe zur Bekämpfung der Armut – Der Geldregen als Fluch oder Segen?
vorgelegt als Hausarbeit am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen im Wintersemester 2019/20.
1. Einleitung
Verglichen mit der gesamten Menschheitsgeschichte bewegen sich die heute lebenden Menschen wohl auf einem solch gehobenen Wohlstandsniveau, dass der Begriff der Armut quasi ad absurdum geführt wurde. Es bleibt jedoch der subjektive Beigeschmack, dass dieser Wohlstand, Reichtum oder Lebensstandard nach wie vor nicht allen Menschen zugänglich ist und die Ungleichheiten global betrachtet ins Unermessliche wachsen. Der allzu martialisch betitelte Kampf gegen die Armut in der Welt prägt schon viele Jahrzehnte lang die Entwicklungspolitik. In Anbetracht des globalen Vermögens der Menschen, der Unternehmen und der Staaten scheint es geradezu paradox, dass bislang keine adäquate Lösung für die gänzliche Beseitigung der Armut gefunden wurde, obwohl doch so viel Geld zur Verfügung steht wie beinahe nie zuvor. Eine grundsätzliche Fragestellung zur Lösung dieses Problems stellt sich dabei in dem Zusammenhang, wie Entwicklungshilfen bestmöglich geleistet werden sollten. Wo setzt die Entwicklungsarbeit an? Und soll das Geld an die Armen selbst gegeben und an eine Gegenleistung geknüpft werden – beispielhaft die Zahlung eines Zinses bei einem Kredit? Folgend soll die Frage besonders auf den letztgenannten Ansatz gerichtet werden: Mikrokredite als Entwicklungshilfe – Bringen solche vertraglich geforderten Gegenleistungen bei der Vergabe von Entwicklungsgeldern Vorteile oder Nachteile für die Armen?
Zur Annäherung an diese Fragestellung soll zunächst ein grundlegender Überblick zum Themenbereich der globalen Armut und der Entwicklung dieser Armut in den vergangenen Jahrzehnten gegeben werden. Weiterhin folgt eine wirtschaftsbezogene Betrachtung des Steuerungselements Mikrokredit und die übliche Vergabe dieser Kredite. Im Zusammenhang von Mikrokrediten mit der Bekämpfung der Armut scheint der Name und das Werk von Muhammad Yunus nahezu unumgänglich, so dass ein kurzer Umriss seiner Strategien und Er-folge dargelegt werden soll. Ebenso wichtig ist die weitere Entwicklung der Mikrokreditprojekte in anderen strategischen Formen. Nach diesen beschreibenden und informationsbeschaffenden Überlegungen soll folglich eine kritische Zusammenführung mit tatsächlichen Entwicklungen bei der Bekämpfung der globalen Armut durch eben jenes beschriebene Instrument des Mikrokredits geliefert werden. Ob Klimawandel, Migrationsströme oder die globalen Einkommensungleichheiten – die vielen großen Fragen des 21. Jahrhunderts lassen sich nicht mit einem Patentrezept beantworten und oft werden auch scheinbar utopische Ansätze verworfen und so wird es auch im Rahmen dieser Fragestellung keine schlussendliche Lösung oder Antwort geben. In einem letzten Schritt in Form eines Fazits bzw. einer kritischen Würdigung soll jedoch dargestellt werden, welche Chancen oder Instrumente wirklich hilfreich sein können, um die Potenziale, die unsere heutige Gesellschaft bietet, bestmöglich im Interesse der Menschheit nutzen zu können.
2. Zum Paradoxon des gestiegenen Wohlstands und der globalen Armut
In unserer westlichen Lebenswelt scheint der Zustand der Armut ein weit entfernter Begriff zu sein. Unser Wohlstand oder auch unser Einkommen wächst immer weiter und wir sind in der breiten Masse bereits seit einer recht langen Zeit aus existenzgefährdender, finanzieller Armut entflohen. Doch sowohl in unserer Gesellschaft als auch global betrachtet klafft dabei eine gewaltige Lücke zwischen den „Armen und Reichen“. Diese Disparität soll im Folgenden durch einige Daten dargelegt werden.
Zum grundlegenden Verständnis bedarf es zunächst einer Definition von Armut. Personen, die weniger als 1,90 US-Dollar (Kaufkraft) pro Tag zur Verfügung haben, gelten als Menschen in extremer Armut. 1981 waren dies weltweit 1,982 Milliarden Menschen und der relative Anteil derer an der Gesamtbevölkerung der Welt betrug 44 Prozent. Bis zum Jahr 2012 sank die absolute Zahl in Armut lebender Personen auf 0,897 Milliarden Menschen und der Anteil sank auf 12,7 Prozent. Diese Personen sind jene, die scheinbar nicht an unserem globalen Wachstum und Wohlstand partizipieren und die weiterhin tagtäglich unter existenzbedrohenden Umständen leben. Dazu kommen Personen, die in relativer Armut leben, das heißt, Personen, die signifikant weniger als das Durchschnittseinkommen ihres Heimatlandes zur Verfügung haben. Für die folgenden Überlegungen sollen jedoch nur die Menschen in extremer Armut im Mittelpunkt stehen (Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017).
Nach wie vor 897 Millionen Personen mit einem täglichen Haushaltseinkommen unter 1,90 US-Dollar erscheinen uns geradezu paradox aufgrund unseres gewachsenen und gefühlten Wohlstands in Deutschland. Bei einem Blick auf die globale Gruppe der sogenannten „Superreichen“ lässt sich bereits eine beeindruckende Konstellation erkennen, die jene gefühlte Ungleichheit betont. Im Jahr 2012 verfügten über 211.000 Menschen weltweit über ein persönliches Vermögen von mehr als 30 Millionen US-Dollar. Das gesamte Vermögen dieser vornehmlich aus Industrienationen stammenden Gruppe beträgt somit prozentual 12,8 Prozent des globalen Vermögens, obwohl diese Gruppe lediglich 0,004 Prozent der Weltbevölkerung zahlenmäßig repräsentiert (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017). Auch der mutmaßliche Wohlstandsindikator BIP pro Kopf legt nahe, dass der globale Wohlstand enorm ist. Im Jahr 1981 lag das globale BIP pro Kopf noch bei 2.575,29 US-Dollar und stieg bis zum Jahr 2012 auf 10.589,21 US-Dollar. Gemessen an diesem Wohlstandsindikator hat sich demnach der globale Wohlstand mehr als vervierfacht (vgl. Statista 2019).
Ein direkter Vergleich der globalen Daten über die extreme Armut und den Wohlstand er-scheint schwer, aber dennoch festigt sich ein Paradoxon, dass in den vergangenen Jahr-zehnten die Anzahl der Personen in extremer Armut zwar in etwa halbiert wurde, der Wohl-stand sich umgekehrt jedoch vervierfachte und das globale Vermögen äußerst ungleich verteilt ist. Die durchaus positive Bekämpfung der Armut in den vergangenen Jahrzehnten lässt sich sicherlich auf erfolgreiche, globale Entwicklungspolitik zurückführen, aber angesichts des enormen Wohlstands der Welt verbleibt die Frage, wie die Armut schlussendlich besiegt werden kann und die Partizipation allen Menschen ermöglicht wird.
3. Mikrokredite
Bei der Frage, wie den Menschen in extremer Armut aus der existenzbedrohenden Situation geholfen werden kann, kristallisierte sich vor einigen Jahren die Vergabe von Mikrokrediten als Lösungsansatz heraus. Im Folgenden soll zunächst das Finanzinstrument „Mikrokredit“ einführend erläutert werden.
Ein Mikrokredit stellt einen Kleinkredit dar, welcher meist einen Auszahlungsbetrag umgerechnet zwischen 25 und 1.500 Dollar an den Kreditnehmer vorsieht. Die Vergabe dieser Kredite erfolgt oft an Menschen in Armut oder Kleinunternehmer, welche keinerlei Sicherheiten stellen können und auch keine bankbezogene Bonität aufweisen (vgl. Stüttgen 2017: 119). Bei einer globalen Betrachtung ist hierbei hervorzuheben, dass rund 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Bankdienstleistungen, wie beispielhaft einem normalen Kredit, erhalten. Der Mikrokredit bietet somit den Menschen, welche finanzielle Engpässe und Existenzprobleme haben, erstmalig die Möglichkeit zu tragbaren Konditionen einen Kredit zu er-halten (vgl. Stüttgen 2017: 117).
Die Höhe des Zinses für solche Kredite beträgt zwischen 20 und 35 Prozent und erscheint in der aktuell von uns erlebten Niedrigzinsphase extrem hoch, ist jedoch verglichen mit manchen lokalen Kreditangeboten in Entwicklungs- und Schwellenländern und aufgrund der hohen Betriebskosten durchaus angemessen. Ebenso stellen die schwach entwickelten und von Unsicherheit geprägten Kapitalmärkte der Entwicklungsländer eine Hürde für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Kreditmitteln dar. Oft können nur drei bis fünf Prozent der Kapitalnachfrage von den nationalen Märkten gedeckt werden. Ein weiteres besonderes Merkmal des Mikrokredits ist zudem, dass die Vergabe häufig an Frauen als Kreditnehmerinnen erfolgt. Grundsätzlich gilt das genossenschaftliche Prinzip bei Mikrokreditbanken, sodass diese Anteile an diesen Unternehmen zurück an die sozialen Gruppen gegeben werden und so Kreditnehmer zugleich am Erfolg einer Mikrokreditbank partizipieren können (Vgl. Stüttgen 2017: 120).
3.1. Muhammad Yunus – Der Banker der Armen
Als Erfinder der flächendeckenden Vergabe von Mikrokrediten in Entwicklungsländern zur Überwindung der Armut gilt Muhammad Yunus. Der in Bangladesch geborene und spätere Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gründete im Jahr 1983 die Grameen Bank, was so viel wie Dorf-Bank bedeutet. Die Bank spezialisierte sich auf die Vergabe von Kleinkrediten an Personen, die keine Sicherheiten stellen können und zu den Ärmsten der Armen gehören (vgl. Spiegel 2012: 24f.).
Die Mikrokredite wurden vornehmlich an Frauen in Bangladesch vergeben. So betrug der Anteil weiblicher Kreditnehmer 94 Prozent, in absoluten Zahlen sind dies rund acht Millionen Kreditnehmerinnen. Des Weiteren verblüfft die Grameen Bank mit einer Rückzahlungsquote der Kredite von rund 99 Prozent. Die enorm hohe Rückzahlungsquote begründet Yunus mit verschiedenen Faktoren, aber besonders mit der Sicherheit und dem Antrieb durch den aus-geprägten Überlebenswillen der Allerärmsten. Die einmalige Chance der Armut mit Hilfe eines Geldregens zu entfliehen, aktiviert bei den Kreditnehmerinnen den Überlebenswillen und je weniger Sicherheiten sie selbst stellen können, desto verlässlicher werden sie bei der Rückzahlung. Die Menschen in extremer Armut leisten die beste Selbsthilfe und können sich eigenständig besser helfen als durch mögliche andere Unterstützungen. Yunus erkannte ebenso, dass Frauen als Kreditempfänger zuverlässiger und bedachter sind als Männer. So denken Frauen deutlich zukunftsorientierter im Wohl ihrer Kinder bzw. Familien und vernachlässigen mögliche Verlockungen des Konsums (Vgl. Spiegel 2012: 25ff.).
Weiterhin setzte Muhammad Yunus auf das besagte Genossenschaftsprinzip und auf Teamentscheidungen bei der Grameen Bank. Das bedeutet, dass Kreditnehmer zu späteren Zeit-punkten zugleich Anteilseigner der Grameen Bank werden und dass sich Kreditnehmer für-einander gegenseitig verbürgen können, um mehr Menschen den Zugang zu den Krediten zu ermöglichen. Mit Hilfe dieser Stellschrauben schuf Yunus ein Gemeinschaftsgefühl und einen gesellschaftlichen Prozess. Auch die Einfachheit bei der Kreditvergabe überzeugt in dem Geschäftsmodell der Grameen Bank. So wurden die Kredite meist über einen Zeitraum von einem Jahr gewährt zu einem Zinssatz i.H.v. 20 Prozent und mit einer kleinen wöchentlichen Rückzahlungsrate. Yunus orientierte sich dabei am Zinssatz i.H.v. 18 Prozent, der für die Mittelschicht in Bangladesch von den nationalen Banken gewährt wurde. Da die Rückzahlung verbindlich war und konsequent eingefordert wurde, stieg die Rückzahlungsmoral der Mittelempfänger. Zudem bestand die Möglichkeit das Darlehen auch weiter zu verlängern, falls eine Rückzahlung noch nicht tragbar war (Vgl. Spiegel 2012: 31ff.).
Muhammad Yunus schuf durch die Grameen Bank in Bangladesch ein Konzept für die erfolgreiche Vergabe von Mikrokredite und ermöglichte so mehreren Millionen Menschen den Zugang zu finanziellen Hilfen und einen Weg aus der Armut. Ein Großteil der Frauen schaffte es nach wenigen Jahren über die Armutsgrenze hinaus. Zudem sank vor allem die Analphabetenquote stark und das allgemeine Bildungsniveau in Bangladesch stieg. Darüber hinaus besuchten die Kinder der unterstützten Frauen nahezu alle die Schule und so wirkten die Mikrokredite sogar generationenübergreifend. Diese soziale Innovation war somit als Erfolg zu betrachten, da ein wirtschaftlich vertretbares und nachhaltiges Instrument zur Bekämpfung der Armut gefunden wurde (Vgl. Zervas/ Spiegel 2016: 73f.).
3.2. Das Geschäft mit dem Mikrokredit
Die Konzeption von Muhammad Yunus fand seit den 1990er Jahren weltweit großen Anklang und so entwickelte sich die Branche weiter. Bis Ende 2011 erhielten weltweit 100 Millionen der Menschen in extremer Armut Mikrokredite. Die Auswirkungen eines solchen Kredits betreffen häufig nicht nur den Kreditnehmer selbst, sondern wirken meist auf bis zu fünf Familienangehörige. Somit kann folglich sogar von einer Förderung von rund 500 Millionen Menschen ausgegangen werden. Das Wachstum des Mikrokreditprojekts brachte jedoch neben der von Yunus gelebten Social-Business Unternehmensstrategie noch zwei weitere Ausprägungen mit sich (Vgl. Spiegel 2012: 54).
Einerseits wurden durch Hilfs- und Entwicklungsorganisationen anstelle von gewöhnlichen Entwicklungshilfen nun Mikrokreditprogramme in diversen Staaten angeboten. Die Organisationen verlangten jedoch oft geringere Zinsen, vernachlässigten den Gemeinschaftsaspekt und hatten nachsichtigere Rückzahlungsanforderungen. Die Folge dessen waren deutlich niedrigere Rückzahlungsquoten und Yunus sah den Grund darin, dass die Menschen aufgrund der leichteren Rahmenvoraussetzungen ein deutlich geringeres Gefühl der Eigenverantwortung und sozialen Mitverantwortung spürten. Die Hilfsorganisationen nutzten die Vergabe von Mikrokredite insofern aus, als dass sie nun mit üblichen Entwicklungsgeldern sogar aufgrund der Zinsen Rückflusseffekte generieren konnten. Weiterhin wurden entstandene Verluste durch Auszahlungen aus den großen Entwicklungsfonds ausgeglichen. In diesem Sinne untergraben die Entwicklungsorganisationen das Konzept der Mikrokreditinstitute nach Yunus, da er die Grameen Bank nicht als karitatives, sondern als sozial-wirtschaftlich, stabiles und eigenverantwortliches Unternehmen gründete, welches in Wechselbeziehung mit dem Erfolg der Kreditnehmer steht (Vgl. Spiegel 2012: 55ff.).
Die zweite durchaus gefahrenbehaftete Ausprägung des Geschäfts mit den Mikrokrediten stellt die Betrachtung eines Mikrokredits als Investmentanlage dar. Die Finanzierung von Mikrokreditprogrammen benötigt Geldgeber, da, wie in vorangegangenen Kapiteln bereits dargestellt, die Kapitalmärkte der Entwicklungsländer oft nicht das Volumen für die Finanzierung bieten. Diese privaten oder öffentlichen Investoren ermöglichen so durch ihre Mittel erst die Bereitstellung von Mikrokrediten, verlangen im Gegenzug jedoch auch Zinszahlungen. So wurden Mikrokredite zu eigenen Anlageklassen mit vielversprechenden Renditeerwartungen. In Industrieländern entstanden eigene Mikrokreditfonds, die trotz des verbundenen Risikos eine lukrative Anlage darstellten. Zudem ist mit der Anlage für den Investor ebenso eine soziale Wirkung verbunden, da er mit seinem Geld die Menschen in extremer Armut unter-stützen kann. Bei einer Fortführung dieses sozialen Gedankens lässt sich ableiten, dass die Anlageklasse „Mikrokredit“ beinahe eine Marketing-Kampagne für interessierte Investoren in den Industrieländern wiederspiegeln kann. Der Mikrokredit als elementare und mutmaßlich überlebenswichtige Hilfe für Personen in extremer Armut liefert also im Umkehrschluss so-wohl moralisch wertvolle als auch renditeorientierte Anreize für das Investment- und Spekulationsgeschäft. Die wirkliche Verfolgung der sozialen Ziele eines Kleinkredits verblasst dabei zunehmend (Vgl. Stüttgen 2017: 121ff.).
Die beiden vorangegangenen Abschnitte sollen verdeutlichen, welche möglichen Trugschlüsse oder Entwicklungen aus dem Konzept des Mikrokredits von Muhammad Yunus resultieren können. Das Mikrokreditgeschäft sollte sich weder als bloße Entwicklungshilfe durch Hilfsorganisationen ohne ökonomischen Hintergrund darstellen, noch darf es zu einem spekulativen Renditegeschäft für die Anleger werden. Im Folgenden soll daher der Fokus auf die Arbeit und Entwicklungen der Grameen Bank gelegt werden, die als Initiator des Social-Business große Erfolge verspricht.
4. Messbarkeit und Ergebnisse der Armutsverbesserung durch Mikrokredite
Die Möglichkeiten für Menschen, ohne Sicherheiten oder ohne eigenes Vermögen einen Kredit zu erhalten, sind denkbar begrenzt. Der Zugang zu gewöhnlichen Bankdienstleistungen bleibt, wie beschrieben, vielen Menschen in Armut verwehrt. Die Alternative und gängigste Form stellt der informelle Kredit durch einen lokalen Geldverleiher dar. Diese Geldverleiher kennen ihre Kunden aufgrund der Nähe bzw. des gemeinsamen Wohnorts gut und verlangen hohe Zinsen für die angebotenen Kredite wegen der hohen Ausfallrisiken. Die Methoden, wie der Geldverleiher dabei die Rückzahlung des Kredits forciert, sind dabei durchaus persönlicher und strenger, als es bei gewöhnlichen Banken der Fall ist. Diesen Ansatz der persönlichen Überwachung revolutionierte Muhammad Yunus durch seine Konzeption der Mikrokredite mit bezahlbareren Zinssätzen (Vgl. Banerjee/ Duflo 2019: 220).
„Das Neue an den Projekten von Muhammad Yunus und Padmaja Reddy war also nicht, den Armen einfach Geld zu besseren Zinssätzen anzubieten – es war der Weg, wie man das am besten tut.“ (Banerjee/ Duflo 2019: 219)
Muhammad Yunus ersetzte den schlimmstenfalls physischen Druck, den Geldverleiher für die Rückzahlung einsetzten, durch den sozialen Druck, der sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit und Kontrolle in der Gruppe der Kreditnehmer bildete. Dieser soziale Druck reduzierte die Ausfallraten der Kredite tatsächlich auf ein Minimum, welches in der Bankenwelt utopisch klein war (vgl. Banerjee/ Duflo 2019: 220f.). Der soziale Zusammenhalt bietet aber sowohl Vor- als auch Nachteile. Andere Mikrokreditinstitute wie Spandana in Indien erlitten große Zahlungsausfälle, als diese in Folge von Medienberichten für vermehrte Selbstmorde in einer Region verantwortlich gemacht wurden. Die Zahlungsmoral der Kreditnehmer stellte sich in Gänze ein, da in diesem Zusammenhang die Gruppenkohäsion umgekehrt wirkte und nun keiner der Kreditnehmer mehr bereit war, den Kredit zurückzuzahlen, weil es eben auch kein anderer tat (vgl. Banerjee/ Duflo 2019: 232f.).
Weitere Grenzen erreicht das Konzept des Mikrokredits bei der geringen Flexibilität der Rückzahlung. Ein Mikrokredit erfordert oft eine wöchentliche Zins- und Rückzahlung. Manche Investitionen, die von Kreditnehmern getätigt werden, ermöglichen jedoch keine direkte Rückzahlung innerhalb von sieben Tagen nach der Investition. Beispielhaft sei dazu eine Kursgebühr oder Schulgebühr zu nennen, die vielleicht im Voraus gezahlt werden muss, aber nicht im Umkehrschluss ein direktes Einkommen für die Menschen generiert. Um die Rückzahlung an das Mikrokreditinstitut dennoch leisten zu können, wenden sich die betroffenen Personen wieder lokalen Geldverleihern zu und erhalten dort teure, neue Kredite, um die Raten der Mikrokredite bedienen zu können. Dies birgt offensichtlich die Gefahr in sich, dass eine allgemeine Verschuldung der Ärmsten droht und eine Spiralwirkung einsetzen kann. In diesem Zusammenhang gilt es als weiteres Beispiel aufzuführen, dass größere und damit womöglich erfolgversprechendere Geschäftspläne in einem so kurzen und engen Zeitrahmen auch nicht realisierbar sind. Zur Veranschaulichung soll eine von Rohini Pande und Erica Field in Indien durchgeführte Studie dienen: Einer Gruppe von Kunden eines Mikrokreditinstituts wurde die Rückzahlung nach zwei Monaten ermöglicht. Die Kundenzufriedenheit stieg im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe mit Kreditnehmern, die die gewöhnlichen, wöchentlichen Zahlungen leisten müssen, signifikant an. Die Ausfallquoten stiegen zwar auch geringfügig, waren aber dennoch auf einem sehr guten Niveau. Trotz dieser Erkenntnisse verblieb das Mikrokreditinstitut bei den alten, starren Rückzahlungsmodalitäten. Dies bedeutet auch weiterhin, dass die Finanzierung mit Hilfe von Mikrokrediten möglicherweise keine langfristigen Wirkungen entwickeln kann, da größere Geschäftsvorhaben durch die Einschränkungen unberücksichtigt bleiben (Vgl. Banerjee/ Duflo 2019: 229f.)
Die Frage, ob Mikrokredite den in Armut lebenden Menschen nun wirklich helfen, lässt sich empirisch nur schwer beantworten. Laut Studienergebnissen der Grameen Bank haben 58 Prozent der durch Kreditmittel geförderten Familien in Bangladesch die Armutsgrenze hinter sich gelassen. Doch ist es denkbar schwer zu erfassen, wie weit die Personen zuvor von der Armutsgrenze entfernt waren und ob es alleine durch die Vergabe der Mikrokredite gelungen ist, das Leben derer nachhaltig zu verbessern. Auch andere Entwicklungshilfen in den betroffenen Regionen könnten dafür der Auslöser sein. An dieser Stelle gilt es so vielleicht grundsätzlich festzuhalten, dass Mikrokredite keine generelle Lösung sind, sondern nur Teil eines Maßnahmenpakets der Entwicklungshilfe sein können (vgl. Maeser 2008: 20). Die empirische Messbarkeit ist die größte Hürde bei der Erfolgsbewertung solcher Kreditprogramme. Häufig existieren lediglich Fallbeispiele und von Mikrokreditinstituten selbst erhobene Studien zur Belegung. Diese Erhebungen leiden unter einer subjektiven Beurteilung der Ergebnisse bzw. möglicher Auslassungen inkonsistenter Ergebnisse. Eine beispielhafte Studie der bereits erwähnten indischen Spandana-Bank legt nahe, dass Mikrokredite ihren Zweck erfüllen. So wurde ein Vergleich von 52 Wohnvierteln, die durch Mikrokredite unterstützt wurden, mit 52 weiteren, ungeförderten Wohnvierteln aufgestellt. In den Vierteln, welche von Spandana bedient wurden, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen mit Hilfe des Geldes ein Geschäft eröffneten oder langlebige Güter erwarben. Zudem sank der Konsum von nicht-existenziellen Gütern wie Tee und Snacks, da der Fokus der Menschen auf langfristige Erfolge gerichtet wurde. Es gab jedoch keinerlei Erkenntnisse darüber, dass die Ausgaben für Bildung und Erziehung gestiegen waren. Der Bevölkerungsanteil der Familien, welche ein Geschäft eröffneten, stieg auch lediglich von fünf auf sieben Prozent. Dies lässt den Schluss zu, dass Mikrokredite zwar Verbesserungen bringen, diese aber in überschaubaren Dimensionen bleiben. Schlussendliche, empirische Beweise über die von der Grameen Bank prognostizierten Verbesserungen waren durch diese beispielhafte Studie nicht möglich (Vgl. Banerjee/ Duflo 2019: 225f.).
Abschließend soll ein weiteres mögliches gesellschaftliches Risiko, welches mit Mikrokrediten verbunden ist, umrissen werden:
„Die Grameen Bank bezeichnet Mikrokredite als Menschenrecht. Genau hier liegt ein zentrales Problem: Mikrokredite ersetzen in Bangladesch die Umsetzung von Menschen-rechten und entlassen den Staat aus seiner Fürsorgepflicht.“ (Rahaman 2014: 59)
Dieses Zitat betont eine grundsätzliche Frage, die sich in der Entwicklungspolitik oftmals stellt. Sollte die Beseitigung der Armut an der Basis beginnen oder sollte zunächst eine Stabilisierung der nationalen Systeme angestrebt werden? In vielen Entwicklungsländern werden die Menschenrechte verletzt und die Armut der Menschen dort dadurch eher verschlimmert. Die Vergabe von Geldern an die betroffenen Personen ermöglicht für sie persönlich eine Entbindung vom Staat, aber die grundlegenden Strukturen werden dadurch nicht schlussendlich und notwendigerweise verändert. Gelingt den Kreditnehmern aber die Rückzahlung nicht, wandern sie lediglich von einer Problemlage in die Nächste (vgl. Rahaman 2014: 59). Auch in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Mikrokredite ein wichtiges Instrument sind, aber nicht das einzige Instrument in der Bekämpfung der Armut sein dürfen. Es erfordert ein Maßnahmenpaket, welches sowohl die gezielte Förderung des Einzelnen als auch eine grundlegende Stabilität gewährt.
5. Kritische Würdigung und alternative Denkansätze
Wie aus den vorangegangenen Ausführungen ersichtlich wurde, bergen Mikrokredite sowohl Chancen als auch Risiken und sind bis heute nicht das einzige und ersehnte Patentrezept zur Beendigung der Armut auf der Welt. Die Suche nach einer bestmöglichen Lösung gestaltet sich schwierig und wird mutmaßlich auch nicht in genau einer Strategie durchzuführen sein. Die folgenden Abschnitte sollen dazu dienen, Utopien oder Gedankenspiele zuzulassen und auf Basis einzelner Studien Alternativen abzuleiten.
Zahlreiche Studien belegen die offensichtliche Erkenntnis, dass die in Armut lebenden Menschen am dringendsten einfache Geldleistungen benötigen, um einen Weg aus der Armut zu finden. Der Ansatz von Mikrokrediten, diesen Menschen geringe Geldbeträge zur Selbsthilfe zur Verfügung zu stellen, ist zweifelsfrei der richtige Weg. Jedoch zeigt sich vor allem, dass je ungebundener das Geld ist – sprich je weniger Anforderungen oder Bedingungen gestellt werden -, desto erfolgreicher wird das Unterfangen. Die Hilfsorganisation „GiveDirectly“ stellte ohne weitere Bedingung Personen beinahe ein ganzes, zusätzliches Jahresgehalt als Direktzahlung zur Verfügung. Bei einem Haushaltseinkommen von weniger als 1,90 US-Dollar täglich bedeutet dies lediglich einen finanziellen Aufwand i.H.v. 500 Dollar bei der Direktzahlung. Studien des MIT belegten, dass durch diese Maßnahmen eine dauerhafte Einkommenssteigerung von 38 Prozent erreicht wurde. Zudem bietet das Instrument der Direktzahlung den wertvollen Vorteil, dass 93 Prozent der gezahlten Leistungen auch wirklich unmittelbar den Empfänger erreichen (Vgl. Bregman 2020: 36f.).
Besonders der letztgenannte Aspekt ist hervorzuheben, denn an dieser Stelle offenbart sich, dass Entwicklungshilfe vielleicht generell umstrukturiert werden sollte. Werden Entwicklungsgelder vornehmlich in von Experten ausgewählte Projekte investiert, besteht dauerhaft die Gefahr, dass die Allerärmsten von diesen Zahlungen unberührt bleiben, da ihnen daraus kein Nutzen entsteht. Die betroffenen Menschen kennen ihre Mängellage genau und wissen selbst wahrscheinlich am besten, wofür sie Geld benötigen und wie sie es investieren sollten. Ein entscheidender Schritt ist es also diesen Menschen, die Gelder direkt zur Verfügung zu stellen und sie nicht nur mittelbar zu beteiligen. Unabdinglich bleibt an dieser Stelle natürlich dennoch die infrastrukturelle Hilfestellung durch Entwicklungsprojekte, aber die effektivste Methode zur Bekämpfung der persönlichen Armut scheint die direkte Zahlung von Hilfen an die Einzelperson zu sein. Sogar gesundheitliche Risiken können durch solche Direktzahlungen eingedämmt werden, denn Studien ergaben, dass in 82 Prozent der Fälle in Afrika, Lateinamerika und Asien der Alkohol- und Tabakkonsum sogar sank (Vgl. Bregman 2020: 39f.).
Einen weiteren interessanten Ansatz liefert die psychologische Herangehensweise an den Themenkomplex „Armutsbeseitigung“ und hier insbesondere die Knappheitsforschung von Eldar Shafir. Shafir betont die Wirkungen und psychologischen Kosten von empfundener bzw. tatsächlicher Knappheit eines Gutes für einen Menschen. Bei der Betrachtung von Armut ist das Geld natürlich das knappste Gut für eben jene Menschen, die unter der Armuts-grenze ihren Tag bestreiten müssen. In einer Reihe von Experimenten konnte er darlegen, dass die kognitive Leistung eines Menschen in Anbetracht einer finanziellen Drohlage ab-nimmt. Die Stresssituation, welcher ein Mensch im Armutsfall ausgesetzt ist, lähmt die geistigen Fähigkeiten und kehrt sogar das Vorurteil um, dass Menschen arm sind, weil sie dumm sind. Vielmehr sorgen Mängel, wie finanzielle Unsicherheit, dafür, dass die Betroffenen schlechtere Entscheidungen treffen und geringere kognitive Leistungen zeigen. Die Fortführung dieser Überlegung ermöglicht den Schluss, dass der in Armut befindliche Mensch alleine durch eine Direktzahlung von Entwicklungsgeldern neue kognitive Ressourcen aktivieren könnte und folgend ohne finanziellen Druck eventuell einen eigenen, neuen Weg aus der Armut findet und sein Leben stabilisieren kann. Die Direktzahlung bietet in diesem Zusammenhang eine mögliche Lösung an oder ermöglicht das Aufbrechen kognitiver Blockaden, welche beispielhaft durch den mentalen Druck bei der wöchentlichen Rückzahlung von Mikrokrediten fortbestehen können (Vgl. Bregman 2020: 61ff.).
Zusammenfassend sei an dieser Stelle festzuhalten, dass die dargestellten Studien und Alternativen eine subjektive Denkweise wiederspiegeln und keineswegs als fundamentale Lösungen für alle Probleme zu sehen sind, sondern lediglich Teil eines wirksamen Maßnahmenpaketes sein können. Der Denkansatz, dass die auflagenfreie Bereitstellung von Entwicklungshilfen in Form von Direktzahlungen eine Verbesserung der globalen Armutssituation herbeiführen kann, muss ebenso wie das Instrument der Mikrokredite empirisch und in puncto Nachhaltigkeit langfristig überprüft werden. Die vorrangigen Anforderungen an erfolgreiche Entwicklungspolitik bleiben neben der Nachhaltigkeit nach wie vor die Effizienz der Maßnahmen sowie die Umsetzbarkeit.
6. Fazit
Die Bekämpfung der globalen Armut mit Hilfe von Mikrokrediten war in den vergangenen Jahrzehnten zweifelsohne ein neuartiger Ansatz und ein vielversprechendes Instrument der Entwicklungspolitik. Muhammad Yunus schaffte es, die Förderungen und Vergabe von Entwicklungsgeldern auf direkterem Wege an die betroffenen Personen zu lenken und somit ein Angebot zur Selbsthilfe zu schaffen. Sowohl das Geschäftsmodell der Mikrokreditinstitute als auch die Vermarktung durch globale Akteure, die daraus ein neues Geschäftsfeld des Investmentbankings entwickelten, gefährden jedoch den nachhaltigen Nutzen, welcher den Menschen in extremer Armut daraus entstehen sollte, da der Mikrokredit vielmehr ein Finanzinstrument als eine Entwicklungshilfe darstellt.
Die Erfolge aus der Vergabe von Mikrokrediten waren über viele Jahre hinweg nur schwer messbar und wurden durch Veröffentlichungen seitens der Mikrokreditinstitute verzerrt dar-gestellt. Diese Arbeit sollte hervorheben, dass die ausgerufenen Ziele und Effekte bei einer genauen empirischen Betrachtung zwar messbar wurden, aber nicht in Gänze die intendierte Wirkung eines Patentrezepts der Armutsbekämpfung erfüllen. Besonders die langfristige Stärkung und Entwicklung der Existenz der Allerärmsten scheint durch die Rückzahlungsmodalitäten und Einschränkungen eines Mikrokredits gefährdet. Ebenso entstehen durch mögliche Verschuldungen der Kreditnehmer sowie durch die Entbindung des Staates von seinen Fürsorgepflichten neue Gefahren, die das Leben der Personen in extremer Armut in ihrer nachhaltigen Entwicklung schwächen.
Eine wichtige Erkenntnis sollte zudem sein, dass Mikrokredite sowie auch andere Maßnahmen der Entwicklungshilfe nur Teil eines Gesamtpakets in der Bekämpfung der Armut sein können. Mikrokredite können weder den Ausbau der Infrastruktur oder der Bildungssysteme in den betroffenen Länder stärken, noch die Einhaltung von Menschenrechten gewährleisten. Dennoch ist es wichtig hervorzuheben, dass den betroffenen Personen persönlich durch di-rekte Zahlungen auf Basis der vorgestellten Studien mutmaßlich am effizientesten zu helfen ist. Diese Hilfe an der Basis ermöglicht den Menschen in ihrer Mängellage am ehesten, die notwendigen Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen und einen eigenen Weg aus der existenzbedrohenden Situation anzustreben. Dabei gilt vor allem, je ungebundener und auf-lagenfreier das zur Verfügung gestellte Geld ist, desto effektiver werden die Wirkungen da-raus.
Doch aus welchen Gründen finden die recht optimistischen und nachvollziehbaren Utopien zu den genannten Direktzahlungen keine universelle Berücksichtigung in unserer globalen Entwicklungspolitik? Es ist vermutlich auf den Finanzierungsaspekt zurückzuführen. Mikrokredite als Entwicklungshilfe erscheinen als Finanzierungsinstrument, bei dem zwei Seiten profitieren und motiviert werden: Die Investoren erhalten Zinserträge und die Menschen in extremer Armut, erhalten die finanzielle Grundlage für den Aufbau einer Existenz. Direktzahlungen bringen in der Denkweise westlicher Industriestaaten vorrangig keinen Gegenwert und das Geld wird ohne Rückflüsse investiert. Weiterhin stellen auch die Messbarkeit und Kontrolle der Erfolge eine Hürde für die Vergabe von auflagenfreien Direktzahlungen dar und es ist schwer zu beurteilen, ob eine einmalige Zahlung ausreicht, um die Existenzen der betroffenen Menschen nachhaltig zu sichern und zu stärken.
Andererseits verbleibt das anfangs betonte Paradoxon, dass die Weltbevölkerung noch nie ein höheres Wohlstandsniveau als aktuell erlebte und das Vermögen weniger Menschen scheinbar ins Unermessliche wächst. Der benötigte finanzielle Anteil zur möglichen Beseitigung der Armut an der Basis ausgehend von einer einmaligen Direktzahlung i.H.v. 500 Dollar pro Person erscheint im Vergleich zum Vermögen der „Superreichen“ verschwindend gering. An dieser Stelle sei die vereinfachende Hochrechnung erlaubt, dass bei einer aufgerundeten Anzahl von einer Milliarde Menschen, die in extremer Armut leben, die Gesamtsumme solcher Direktzahlungen lediglich 500 Milliarden Dollar betragen würde. Die finanziellen Mittel und die Möglichkeiten dafür sind tendenziell vorhanden, es benötigt nur eine schlussendliche Umsetzung bzw. teilweise Umverteilung. Somit liegt die Verantwortung gänzlich in der Hand der großen Industrienationen der Welt und bei den großen Hilfsorganisationen. Bei der Betrachtung der Aufwendungen der Europäischen Union für die Subventionierung der Landwirtschaft oder der Aufwendungen der USA für die Verteidigungs- und Raumfahrtprogramme oder den Vermögen der globalen Megakonzerne verbleiben Fragezeichen, ob eine progressivere Vorgehensweise bei der Bekämpfung der Armut derzeit nicht vielmehr an egoistischen Interessen und mangelnder Moral scheitern als an der Verfügbarkeit finanzieller Mittel.
Literatur
Banerjee, Abhijit V./ Duflo, Esther (2019): Poor Economics. Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut, München, Pantheon Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH.
Bregman, Rutger (2020): Utopien für Realisten. Die Zeit ist reif für die 15-Stunden-Woche, offene Grenzen und das bedingungslose Grundeinkommen, 8. Auflage, Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Bundeszentrale für politische Bildung (2017): Armut, online im Internet: https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52680/armut, 01. Juli 2017, [zugegriffen am: 26.02.2020].
Maeser, Paul P. (2008): Mikrofinanzierungen: Chancen für die Entwicklungspolitik und Rahmenbedingungen für einen effizienten Einsatz, online im Internet: http://hdl.handle.net/10419/74363, Mai 2008, [zugegriffen am: 26.02.2020].
Rahaman, Andrea (2014): Mikrokredite gegen Armut: Dichtung und Wahrheit in Bangladesch, in: Klas, Gerhard/ Mader, Philip (Hrsg.): Rendite machen und Gutes tun?. Mikrokredite und die Folgen neoliberaler Entwicklungspolitik, Frankfurt am Main, Campus Verlag GmbH, S.53-60.
Spiegel, Peter (2012): Muhammad Yunus. Banker der Armen, Gestalter der Zukunft, Freiburg, Verlag Herder GmbH.
Statista (2019): Weltweites Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in jeweiligen Preisen von 1960 bis 2018 (in US-Dollar), online im Internet: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/159806/umfrage/bip-bruttoinlandsprodukt-pro-kopf-weltweit/, 12. November 2019, [zugegriffen am: 26.02.2020].
Stüttgen, Manfred (2017): Mikrokredite. Nachhaltige Geldanlage im Spannungsfeld von Mar-keting und Moral, in: Stüttgen, Manfred (Hrsg.): Ethik von Banken und Finanzen, Ba-den-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft, S. 117-140.
Zervas, Georgios/ Spiegel, Peter (2016): Die 1-Dollar Revolution. Globaler Mindestlohn gegen Ausbeutung und Armut, München/Berlin, Piper Verlag GmbH.
Armutsbekämpfung, Entwicklungshilfe, Globale Probleme, Mikrokredite