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Detlef Baer: Kurz und Bündig – Gedanken zur Kreislaufwirtschaft

Bild: Johnhain/Pixabay

„Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wieder-verwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert.“ (Weitere Informationen der EU zur Begriffsdefinition der Kreislaufwirtschaft sind hier abrufbar: Kreislaufwirtschaft: Definition und Vorteile | Aktuelles | Europäisches Parlament (europa.eu))

Damit bildet das Modell der Kreislaufwirtschaft einen Gegensatz zur Wegwerfgesellschaft. Es erkennt zumindest indirekt an, dass die bisherige Wachstumsgesellschaft an Grenzen stößt. Konkret belasten vier große Bedrohungen den Bestand unseres Systems:

  1. die Grenzen der Rohstoffe,
  2. der Bevölkerungsanstieg,
  3. der dramatische Rückgang der Biodiversität und
  4. der Klima-wandel.

Wir können das Bedrohungspotential erweitern, z.B. mit der weltweit ungleichen Verteilung von Besitz und Reichtum. Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, wie sie mit den knappen Ressourcen umgeht und wie sie diese verteilt. Das Modell der Kreislaufwirtschaft gilt als ein wichtiger Lösungsschritt, wirft jedoch selber technische, organisatorische und grundsätzliche Probleme auf. Stellen wir zunächst das Modell anhand der EU-Graphik vor:

Grafik: © Europäisches Parlament, 2015 https://www.treffpunkteuropa.de/reduce-reuse-recycle?lang=fr

In einem Kreislauf werden die für die Herstellung eines Produktes benötigten Rohstoffe umweltschonend verarbeitet und wiederverwendet, bis nur ein möglichst kleiner Restabfall übrigbleibt. Die Problematik beginnt schon am Anfang bei dem herzustellenden Produkt, was aus der EU-Grafik jedoch nicht hervorgeht. Welche Produkte benötigen wir? Müssen alle Produkte hergestellt werden für einen Markt, auf dem dann der Verbraucher über Kauf und Nichtkauf entscheidet? Letztendlich geht es hierbei um die prinzipielle Frage nach der Wirtschaftsform, denn eine freie Marktwirtschaft unterbindet kein Produktangebot.
Die meisten Industrienationen sind rohstoffarm und müssen diese importieren. Das im letzten Jahr ratifizierte sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz fordert für den Rohstofferwerb bzw. -import eine Kontrolle der Rohstofflieferanten im Hinblick auf faire und umweltverträgliche Produktionsbedingungen. Gleiches gilt für den Vertrieb und die Belieferung. Organisatorische und politische Umstände erschweren ein umfangreiches Kontrollsystem, aber das Konzept des Lieferkettengesetzes trägt immerhin zu einer Sensibilisierung dieser Problematik bei, und schafft eine juristisch-ethische Grundlage für mögliche Ausweich- bzw. Alternativstrategien.

Die Wiederverwendung und Reparaturmöglichkeit von Produkten erweitert deren Lebensdauer, es werden demnach weniger Produkte hergestellt und verkauft. Hierbei geht es an die Substanz der bisherigen Wirtschaftsideologie! Weniger Produkte bedeuten möglicherweise weniger benötigte Arbeitskräfte (von dem Maschinenersatz von Arbeitskräften sehen wir hier einmal ab). Mehr Reparatur und Recycling bedeutet ein Mehr an Arbeitskräften, wie sieht die Balance aus? Gibt es eine Asymmetrie der Qualifikationsanforderungen, verbunden mit einem Einkommensgefälle? Gibt es Kompensationmöglichkeiten durch Arbeitszeitverkürzung? Wie entwickeln sich Preise und Löhne bei internationaler Konkurrenz?
Die EU prognostiziert eine optimistische Version:
„Das Recycling von Rohstoffen mindert Versorgungsrisiken wie Preisschwankungen, Verfügbarkeit und Importabhängigkeit. Dies gilt insbesondere für kritische Rohstoffe, die für die Herstellung von Technologien benötigt werden, die wiederum für die Verwirklichung der Klimaziele entscheidend sind, wie Batterien und Elektromotoren. Mehr Arbeitsplätze und weniger Kosten für Verbraucher. Der Übergang zu einer stärker kreislauf-orientierten Wirtschaft könnte die Wettbewerbsfähigkeit steigern, Innovationen anregen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen (700.000 Ar-beitsplätze allein in der EU bis 2030).“
Bis 2050 soll eine vollständig CO2-neutrale, ökologisch nachhaltige, giftfreie kreislauforientierte Wirtschaft entstehen. Im März 2022 wurde das erste Maßnahmenpaket in der EU beschlossen. Seit November 2022 bestehen EU-weite Vorschriften für Verpackungen. Weitere konkretisierende Ergänzungen sind in der Planung.
Das Modell der Kreislaufwirtschaft weist trotz der oben aufgeführten kritischen Bemerkungen drei positive Aspekte auf.

  1. Es sensibilisiert Industrie und Verbraucher für die Problematik der Ressourcenknappheit und erzieht – ähnlich wie bei der Mülltrennung – die Wirtschaftsakteure.
  2. Die Handlungsorientierung. Denn mit der Kreislauf-wirtschaft ändern sich ganz praktisch Produktionsabläufe und Konsumverhalten (siehe Reparaturmöglichkeit).
  3. Die lokale Umsetzbarkeit. Die Attraktivität der Städte erhält ein zusätzliches Cluster durch den Fortschritt in der Umsetzung des kommunalen Kreislaufmodells. Kommunale Wettbewerbe zwingen zu Konzeptionierungen, die dem jeweiligen kommunalen Umfeld gerecht werden.

 

Die Kreislaufwirtschaft muss an Ergebnissen messbar sein! Auch hier könnte es einen Paradigmen-Wechsel in volkswirtschaftlichem Denken geben, denn bislang wird die Wertigkeit einer Volkswirtschaft am BIP / BNP gemessen, dessen Wert wegen der Kreislaufwirtschaft trotz der positiven EU-Prognose kleiner ausfallen dürfte bei einem steigenden Wohlfahrtsgewinn. Die EU-Ausführung (siehe letztes Zitat) entspricht noch dem vollständigen Denken in alten Kategorien. Macht die Wirtschaft grüner, investiert in Nachhaltigkeit und wachst weiter wie bisher, nur umweltschonend. Eine wohl-standsbewährte Marktwirtschaft mit Produzenten und Konsumenten guten Gewissens, wobei ja gerade diese Marktwirtschaft mit ihrem Wachstumsmodell in das bekannte Dilemma führte! Kann die Kreislaufwirtschaft aus diesem Dilemma herausführen? Ohne prinzipielle tiefgründige Fragestellungen sicherlich nicht alleine!

Kreislaufwirtschaft