Die Rolle der Städtepartnerschaften für die kommunale Nachhaltigkeit
Nach den Kriegserfahrungen haben sich die heute bestehenden Städtepartnerschaften als Element europäischer Friedenssicherung und Völkerverständigung etabliert. 2011 hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund die eine außenpolitische und zukunftsgerichtete Bedeutung der Städtepartnerschaften betont.*
Heute stellt sich die Frage, ob sich weitere Potenziale erschließen lassen. Bei den Fragen des 21. Jahrhunderts zu Globalisierung und Nachhaltigkeit können die bestehenden Städtepartnerschaften vielseitige und neue Impulse geben!
Im Idealfall kann auf kommunaler Ebene ergänzt werden, was in der nationalen, „großen“ Politik nicht immer gelingt – nach dem Motto „global denken, lokal handeln“. Weil die individuellen Freundschaften sowie der Austausch von Mensch zu Mensch, von Verein zu Verein, von Alltagsexperten zu Alltagsexperten seit Jahrzehnten von den Städtepartnerschaften realisiert und gepflegt werden, ist dieser Austausch besonders geeignet, sich zukunftsrelevanten Themen international und vertrauensvoll zuzuwenden.
Wie sich in Aachen bereits vielfach gezeigt hat, können Begegnungen und Schüleraustausche wie auch der Austausch von Kommunalexperten in Verwaltung und Gesellschaft hineinwirken und zu gegenseitigem fruchtbarem Austausch führen. Die Aachener Partnerstadt Kapstadt hat 2015 in einem umfassenden Strategieplan Ziele und Chancen internationaler Partnerschaften der Stadt explizit formuliert und im Rat verabschiedet (s. beispielhaft kurze Auszüge aus der policy**).
1990 wurde die Gründungsproklamation des Internationalen Karlspreises zu Aachen durch eine gemeinsame Erklärung des Rates der Stadt Aachen und der Karlspreisgesellschaft erweitert. Sie ergänzt das zentrale Ziel des Karlspreises, die Völkerverständigung um folgende Aspekte: die veränderte Situation in Europa seit 1989, die besondere Rolle Europas beim Ausgleich des Nord-Süd-Gegensatzes und den Schutz der Umwelt zur Bewahrung der Lebensgrundlagen für die kommenden Generationen***.
Das zivilgesellschaftliche Engagement in den Städtepartnerschaften und die immer stärker werdende Forderung nach einer ernsthaften und bürgernahen Nachhaltigkeitspolitik der Kommunen können die Städtepartnerschaften zusammenfassen und aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit lebendigem Austausch füllen. Die vorhandenen freundschaftlichen Kontakte und Organisationsstrukturen können genutzt werden, um die Nachhaltigkeits-Strategien der Partnerstädte zu erkunden und zu vergleichen. Persönliche, zum Teil langjährig gewachsene und vertrauensvolle Kontakte können die Wirkung von Maßnahmen eruieren, Kooperationen auch zwischen den Zivilgesellschaften und den Kommunalregierungen vertiefen und inhaltlich zukunftsweisend füllen.
Hier können die Städtepartnerschaften und ihre Vereine zu einem dynamischen Instrument des Austausches und zur Umsetzung der SDGs werden:
• Die Ausdehnung des Blickwinkels der (Aachener) innereuropäischen Städtepartnerschaften auf andere Kontinente ist im Hinblick auf die Globalisierung von großer Bedeutung: Aachen hat überdurchschnittliche viele außereuropäische Partnerschaften (4 von 10).
• Die zivilgesellschaftlichen Akteure (= die Aktiven in den Städtepartnerschaften) können gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen, die sich in den Themenfeldern der Nachhaltigkeit engagieren, Ausgangspunkt sein für die bürgernahe Diskussion von Zukunftsfragen.
• Die inhaltliche Erweiterung des Städtepartnerschafts-Verständnisses um das Thema Nachhaltigkeit eröffnet den Partnerschafts-Initiativen die Möglichkeit, sich zu erneuern und dem seit Jahren zu beobachtenden Mitgliederschwund entgegenzusteuern. Beim Thema Nachhaltigkeit engagieren sich immer mehr und vor allem junge Menschen in ihren Kommunen und suchen nach Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten mit Aktiven in anderen Städten.
Kurz und knapp – es geht um…
… respektvolle Begegnungen, Austausch und Freundschaft in den Städtepartnerschaften.
Aber es geht auch um die Weiterentwicklung und den Ausbau (= die Zukunftsfähigkeit) der Städtepartnerschaften und der sie tragenden Vereine. Es geht um neue inhaltliche Impulse, den Erhalt und die Wiederbelebung sowie (personelle) „Verjüngung“ des Erfolgsmodells der Städtepartnerschaften.
Die Stadt Aachen könnte ein Konzept formulieren, das die Ziele der Städtepartnerschaften der Stadt würdigt und sie versteht als
1. ein internationales erfolgreiches Instrument interessierter Bürgerschaft mit Tradition und hohem Engagement für Völkerverständigung, Friedensicherung und dem Abbau von Vorurteilen.
2. einen interkommunalen Erfahrungsaustausch, der durch die gewachsenen Strukturen der Städtepartnerschaften gestützt und bereichert wird.
3. eine Neubewertung der internationalen Städtepartnerschaften als strategisches Instrument kommunalen Handelns im Rahmen der globalen Nachhaltigkeits-, Demokratisierungs- und Friedenssicherungsprozesse.
4. Stärkung regionaler Wirtschafts- und Wissensstandorte durch projektbezogene Kooperationen und Wissenstransfers mit den Partnerstädten.
Vorlage: Impuls für Städtepartnerschaften, Aachen Feb 2020 gabriele schütz-lembach
* Die Partnerschaften (…) sind der ideale Ort der internationalen Begegnung von Menschen. Sie sind Völkerverständigung im bestverstandenen Sinne. Aber sie sind noch mehr. Kommunale Partnerschaften werden als Plattform genutzt, um Demokratisierungsprozesse in Staaten zu unterstützen, in denen Rechtsstaatlichkeit und Freiheit noch erkämpft werden müssen.
Kommunale Partner in Industriestaaten und Schwellenländern oder der sogenannten Dritten Welt arbeiten zusammen und lernen voneinander. Und die fachlich-thematische Zusammenarbeit kommunaler Partner in Netzen und Vereinigungen ermöglicht einen gemeinsamen Zugang zu Fördermitteln, vor allem der Europäischen Union.
** The Policy seeks to enrich CTs broader social and cultural life through improved global and regional connections. (…) By enhancing CTs international connections, the Policy facilitates (…)
– Interplay of new ideas (…) – Championing the City on the global stage (…) Fundamental (…) is the articulation of a clear set of goals and objectives that promote the interests of the City (…)
These include (…) Attracting investment; Promoting Cape Town businesses abroad; Attracting visitors; Attracting large strategic events; (…) Promoting the City of Cape Town as a model of excellence and innovation in government; Gaining policy insights from other international city governments;
*** Mit der erweiterten Zielsetzung reagierten der Rat der Stadt Aachen und die Karlspreisgesellschaft auf Entwicklungen und Notwendigkeiten, die sich im Gründungsjahr 1949 nicht stellten, aber 40 Jahre später zum Selbstverständnis der politisch Handelnden zählten.