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Buchbesprechung zu Sarah Bakewell: Wie man Mensch wird, Auf den Spuren der Humanisten

Vor etwas mehr als einem Jahr entdeckte ich das Buch von Sarah Bakewell „Das Café der Existentialisten“. Es handelt von der Philosophie und der Zeit Sartres und Simon de Beauvoirs und vieler anderer zeitgenössischer Philosophen. Das Buch fesselte mich vom Inhalt und Stil her, so dass die Lektüre ihres neuen Werkes über die Geschichte des Humanismus ein unbedingtes Muß darstellte. Und ich wurde nicht enttäuscht. In fast akribischer Arbeit verfolgt sie die Spuren der Humanisten von der Antike bis zur Gegenwart. Ihr Fundus über Petrarca, Boccaccio, Montaigne und wirklich Hunderten anderer maßgeblicher Humanisten erscheint unerschöpflich. Was besonders gefällt, wie schon in dem vorangegangenen Buch, ist ihr dezenter Verweis auf ihren eigenen Standpunkt, ohne belehrend zu wirken. Dadurch versetzt sich der Leser in die Gedankenwelt der Autorin und übernimmt fast unbemerkt ihr Interesse an der Thematik.

Nun zum Inhalt: was versteht man eigentlich unter Humanismus? Im Anhang findet sich das Manifest des Humanismus, verabschiedet auf der Generalversammlung in Glasgow im Jahre 2022. Dieser Versammlung sind mehrere Manifeste und Erklärungen vorausgegangen, wie sie in dem letzten Kapitel ausführt. Eine vereinfachende Erklärung findet sich auf der Seite 198: „Handle so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“ Von dieser Aussage gibt es diverse Varianten. Entscheidend ist jedoch die Aussage: „Eine auf dem Menschen basierende Moral bedeutet, dass wir keine übergeordnete Autorität brauchen, die unsere ethischen Entscheidungen bestimmt.“ (ebenda S.200) Im Mittelpunkt steht der Mensch im Streben nach Glück, Toleranz, Bildung, Eigenverantwortung. Wenn der Mensch eigenständig in diesem Sinne handelt, dann benötigt er keine kirchliche oder dogmatische Autorität. Es verwundert nicht, dass Humanisten von kirchlichen Autoritäten und politisch verbindlichen Weltanschauungen verboten und verfolgt wurden. Davon berichtet das Buch mit zum Teil schockierenden Beispielen. Humanismus steht für Gleichberechtigung, gegen Rassismus, für weltanschauliche und auch religiöse Toleranz. Viel Raum gibt die Autorin der Bildung. Sie stellt die bildungspolitischen Prinzipien Wilhelm von Humboldts den Bildungsprinzipien des Nationalsozialismus gegenüber, was zur Frage nach dem Wesen des Menschen führt. Die Frage nach der Durchsetzbarkeit einer humanen Gesellschaft stellte sich auch nach den Erfahrungen der zwei Weltkriege. Der Kalte Krieg, aber auch die Erfahrungen des Stalinismus, des Maoismus sowie von dem Pol Pot Regime hinterließen Spuren. Aber Humanismus ist ja keine Ideologie im klassischen Sinne, sondern eine bleibende Suche und Herausforderung. Beenden wir mit einem Zitat, das die Idee des Humanismus veranschaulicht: „Humanisten erkennen an, dass niemand unfehlbar oder allwissend ist und dass Wissen über die Welt und die Menschheit nur durch einen kontinuierlichen Prozeß des Beobachtens, Lernens und Umdenkens gewonnen werden kann. Aus diesen Gründen wollen wir uns weder einer Überprüfung entziehen noch der gesamten Menschheit unsere Sichtweise aufzwingen. Im Gegenteil, wir setzen uns für die ungehinderte Äußerung und den Austausch von Ideen ein und suchen die Zusammenarbeit mit Menschen anderer Überzeugungen, die unsere Werte teilen, um eine bessere Welt zu schaffen.“ (ebenda S.386)