Wir brauchen einen anderen Umgang mit Baum- und Waldbeständen!
Mit unserem in den Aachener Nachrichten veröffentlichten Leserbrief vom 24.02.2021, in dem wir Stellung zur Baumfällaktion am Chorusberg beziehen, haben wir uns an einer sich augenblicklich stark entfaltenden öffetnlichen Debatte beteiligt, die wir weiter begleiten und konstruktiv aufgreifen möchten, um im Hinblick auf die Wald- und Baumsituation in der StädteRegion eine nachhaltigere und sensiblere Handhabung zu finden. Für das nette und ermutigende Echo auf unseren Leserbrief bedanken wir uns an dieser Stelle sehr herzlich:
Leserbrief zu den Baumfällaktionen am Chorusberg in Aachen v. Raphaela Kell / Regionalen Resilienz Aachen in: AN: 24.02.2021:
„Im Augenblick wachsen Frust und Wut in der Bevölkerung angesichts der unsäglichen Baumfällaktionen allen Ortens. Nicht nur auf Privatgrundstücken wird gerodet, was das Zeug hält. An den Rändern von Autobahnen und Landstraßen scheinen Strassen-, und Bahn-NRW außer Rand und Band geraten zu sein. Hier wird außerhalb jeglicher nachvollziehbarer Verkehrssicherungsgründe Baum um Baum gefällt, Biodiversität fördernde Buschhecken werden geschreddert und wüstenähnliche Flächen zurückgelassen. In den Städten und Gemeinden scheinen zuständige Entscheidungsträger*innen sehr schnell bei der Hand zu sein, alte und für unser Ökosystem wertvolle Baumbestände neuen Verkehrsführungen (auch Radwege) oder Gebäudeerweiterungen zu opfern. Diese Radikalmaßnahmen empören die Menschen zutiefst, die sich im Rahmen ihres Engagements für Klima- und Umweltschutz engagieren. Bei den aktuell, von einigen Umweltorganisationen publik gemachten Rodungsaktionen gehen die Mitarbeiter*innen der Straßenmeistereien in besorgniserregender Weise weit über die sogenannten Pflegeschnittmaßnahmen hinaus. Gemeinsam mit vielen anderen Umwelt- und Klimaschutzorganisationen fordert die Regionale Resilienz Aachen e.V. endlich einen anderen Umgang mit Baumbeständen und Buschhecken. Das Fällen von Bäumen muss völlig neu überdacht werden und sollte künftig nur noch als Ultima Ratio erlaubt werden. Wir brauchen eine neue, deutlich wertschätzendere Betrachtung der für unser Klima und auch für unsere Biodiversität so wichtigen Baumbestände.
Unser Leserbrief steht in einer Reihe von Leserbriefen Aachener Bürger und Bürgerinnen, die, wie wir, eine Umkehr in puncto Baumfällungen fordern. Viele beziehen sich aktualitätsbezogen auf das in den letzten Jahre immer weniger werdende Stadtgrün, dem die Poltik und Kommunalverwaltung jedoch jetzt strategisch durch neue Baumpflanzungen entgegen arbeiten möchte. Insofern richten sich die Protestbriefe nur bedingt gegen die gegenwärtige Verwaltungsarbeit, die den Fällungen am Chorusberg formal nichts entgegen zu setzen hatte, da es sich hier um einen Privatwald handelt. Auch auf die von uns angesprochenen Baumrodungen durch Strassen- und BahnNRW haben Verwaltung und Poltik der Stadt Aachen zunächst keinen direkten Einfluss, da diese nicht in ihren Kompetenzbereich fallen. Umso erfreulicher erscheint es, dass aktuell vier Fraktionen sich gegen die geplante Baumfällung am Chorusberg aussprechen und sich mit den Bürger*innen solidarisieren, die angesichts wachsender Klima- und Umweltprobleme keinerlei Verständnis mehr für derart sinnentleerte Rodungen der für unser Stadt- und Weltklima so wichtigen Bäume haben.
Vielleicht ist angesichts der entstandenen breiten Front gegen die aktuellen Baumfällungen der Punkt einer gemeinsamen Strategieentwicklung gekommen, wie wir das Maß aller Baumfällungen – auch der in den umliegenden StädteRegion – deutlich reduzieren können und wie die Bürger und Bürgerinnen gemeinsam mit der Stadt Aachen und der StädteRegion Aachen auch Einfluss auf Strassen- und BahnNRW nehmen können, damit nicht noch mehr „verbrannte Erde“ an den Straßen-, Gleis- und Autobahnrändern nach übertriebenen Rodungen zurückbleiben muss. Natürlich müssen in diesem Kontext auch Eigentümer*innen von Privatgrundstücken mit schützenswerten Baumbeständen und Waldbesitzer*innen (kommunale wie auch private) einbezogen werden, da auch hier der Umgang mit Natur augenscheinlich sehr zu wünschen übrig lässt.
Wir möchten die aktuelle Diskussion aufgreifen, um über den Aachener Tellerrand hinaus auf zahlreiche Misstände insbesondere in den umliegenden Wäldern hinzuweisen, die immer mehr Menschen empört. Was die Waldsituation in der Region anbelangt, so bietet sich hier ein trauriges Bild, über das wir informieren möchten in der Hoffnung hier ebenfalls eine konstruktive Diskussion auszulösen.
Zu diesem Zweck haben wir in einem ersten Schritt eine Fotoreihe erstellt, die in den letzten Monaten in einem etwa nur 9 Quadratkilometer bemessenen Waldgebiet im Stolberger Raum von uns gemacht wurde. Mit diesen Fotos möchten wir vor allem auf die brachialen Folgen der Fichtenrodungen hinweisen, die zwar aus nachvollziehbaren Gründen der Borkenkäferplage sowie den zurückliegenden Sturmschäden geschuldet sind, aber deren Ausmaße für das Waldgebiet eine Dimension erreicht haben, die nicht zuletzt dem Tourismus schaden wird sondern bei vielen Bürger*innen aus der Region nur noch Fernweh auslösen, da Wanderungen im heimischen Waldgebiet eher Frustration statt Wohlfühlen und Erholung auslösen.
Es sind vor allem die gigantischen Harvesterspuren, die das hier fotografisch erfasste Stolberger Waldgebiet durchfurchen und den Wald zerreißen. Grob geschätzt sind etwa alle 100 bis 200 Meter Spuren der brutal wirkenden Harvesteraktivitäten zu sehen. Die durch das schwere Gewicht der Forstmaschinen tief in den Waldboden gedrückten „Schlammbecken“ waren einst kleine idyllische Waldwege, Trampelpfade oder „unberührte Waldgebiete. Die schweren Fahrzeuge dringen oft ohne Rücksicht auf geschützte Pflanzen und Rückzugsgebiete für Tiere in den Naturbestand des Waldes ein, um zu den Rodungsgebieten zu gelangen. Mehrfach wurden wegen kleinerer Rodungsaktionen (Borkenkäfer- oder Sturmschäden) die martialisch arbeitenden Forstmaschinen durch gesundes Waldgebiet geschickt. Abgesehen von den aufwändigen Wegerekonstruktionen, die nach dem Einsatz der Forstmaschinen immer wieder notwendig werden, stellen wir uns vor allem die Frage, ob es ökologisch vertretbar ist, wegen weniger Baumfällungen so viel Wege und Natur zu zerstören und in Schlammwüsten zu verwandeln?
Hier stellt sich die Frage, wie die Forstwirtschaft weiter verfahren will und wie die Kommunen, die ja teilweise die Auftraggeber der Rodungen sind, diese Art der Forstwirtschaft nicht neu überdenken und Einfluss auf die Misstände nehmen wollen? Sollen die Waldgebiete tatsächlich zukünftig eher gigantischen Schlammfeldern gleichen, zum Teil unbegehbar werden und in aller Sichtbarkeit die Dominanz wirtschaftlicher Interessen über einen sensiblen Umgang mit Natur abbilden? Hier geben wir zu Bedenken, dass die Wälder in der Region bislang eine hohe touristische Attraktion für Wanderbegeisterte waren.