Veganismus als Heilmittel gegen CO2 – Emissionen. Eine kritische Betrachtung.
vorgelegt als Hausarbeit am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen im August 2019
1 Einleitung
Seit der jüngsten Zeit steht das Thema Veganismus wiederholt als Schlagzeile in den Medien. Dabei wird diese Thematik sowohl von Befürworten als auch Gegnern kritisch analysiert. Für viele wird Veganismus nur als Ernährungsform und damit als eine ethisch motivierte Lebensweise wahrgenommen. Jedoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass es nicht nur ethische Gründe für diese Lebensweise gibt, sondern ebenfalls ökonomische, religiöse, soziale und ökologische. Zwar sind ethische Gründe für eine vegane Ernährung immer noch die ausschlagebensten, dennoch zeigt sich vermehrt, dass „ökologische Ziele im Sinne einer Übernahme von Verantwortung für die Umwelt“ (BfR 2017: 10) zu Tage treten. Durch den Verzicht von tierischen Lebensmitteln jeglicher Art, insbesondere Fleisch, soll langfristig das Ziel erreicht werden, die Treibhausgasemissionen zu vermindern. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, zu untersuchen, inwieweit Veganismus als „Heilmittel“ gegen die CO2-Emissionen eingesetzt werden kann. Deutlich wird dies an der Arbeit einiger Organisationen wie Peta oder das BMU (vgl. BMU 2016: 46), welche zu einer nachhaltigeren Form des Ernährungskonsums aufrufen. Die Hypothese der Arbeit lautet daher: Veganismus kann die CO2-Emissionen signifikant senken.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Nachdem nun kurz in das Thema eingeleitet wurde, wird im zweiten Teil der Begriff des Veganismus eingeführt, um dem Leser den Gegenstand der Arbeit zu verdeutlichen. Dabei wird der Veganismus als Lebensweise und als Ernährungsform kurz dargestellt. Das dritte Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich mit den Hauptverursachern der CO2-Emissionen. Hierbei soll eine möglichst ganzheitliche Betrachtung der verschiedenen Bereiche, die Treibhausgase produzieren, eingenommen werden. Dabei werden ernährungsbedingte, industrielle und sonstige Emissionen herausgestellt, näher erläutert und ihre jeweiligen Ursprünge diskutiert. Dabei soll ansatzweise in kritischer Weise gezeigt werden, wie Veganismus die Erzeugung von Treibhausen beeinflussen kann. Daraufhin werden im vierten Kapitel Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen vorgestellt und diskutiert. Hierfür werden Life Cycle Assessment als Indikatoren zur Messung herangezogen und auf verschiedene Lebensmittel bezogen. Ebenfalls soll beispielhaft an den USA und Schweden gezeigt werden, welche möglichen Szenarios bei einer Reduzierung des Fleischkonsums entstehen können. Zuletzt folgt das Fazit, das die gesammelten Erkenntnisse zusammenfasst und die These dieser Arbeit beurteilt.
2 Veganismus – eine Einführung
Veganismus beruht auf überwiegend ethischen Ideologien, die sich dadurch charakterisieren, dass bezugnehmend auf die Ernährung ein Konsum angestrebt wird, der alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs meidet oder so weit geht, dass die Verwertung tierischer Produkte und damit einhergehend die kategorische Ausbeutung der Tiere abgelehnt wird (vgl. Francione 2010: 62). Daraus ergeben sich zwei große Gruppen, in die Veganer eingeteilt werden können: „lifestyle vegans and dietary vegans“ (Cole 2010: 242). Dabei zeigt sich, dass vegan lebende Menschen, die ethisch motiviert sind, ebenfalls besonderen Wert darauf legen, ihre Grundhaltung weiter auszuleben, als dietary vegans, denn lifestyle vegans gehen so weit zu „eschew all animal products in their diet an life“ (Cole 2010: 242). Damit wird schnell klar, dass ein ethisch motivierter Veganismus nicht nur auf Ernährung bezogen werden muss, sondern moralisch und politisch stark motiviert ist (vgl. Francione 2010: 62). Es erscheint somit nicht weiter verwunderlich, dass vegan lebende Menschen das Ziel haben, ein gesellschaftliches Umdenken herbeizuführen und dabei Risiken in Kauf nehmen (vgl. BfR 2010: 9). Durch diese „Neufindung“ einer Lebensphilosophie überschreiten sie „bewusst die Grenzen der traditionellen Lebensstile und definieren für sich moralische Werte neu“ (BfR 2010: 9). Folglich wird durch den Lebensstil des ethischen Veganismus nicht nur auf Tierrechte und deren Gleichberechtigung zum Menschen aufmerksam gemacht, es werden ebenfalls politische Ziele (wie zum Beispiel die Abschaffung der Massentierhaltung und damit einhergehend eine Verbesserung des Klimas) formuliert. Daraus lässt sich schließen, dass jede Handlung, die einen ethischen Hintergrund hat, in den meisten Fällen ebenfalls als politische Botschaft oder Aktivismus gewertet werden kann. Ebenfalls lässt sich daraus schließen, dass Ernährungsentscheidungen den Treibhausgaseffekt mitbestimmen (vgl. Kumar 2010: 120).
In diesem Zusammenhang ist es interessant – und auch notwendig – sich mit den Motiven des Veganismus auseinanderzusetzen. Hierfür müssen Studien herangezogen werden, um die Leitmotive unter der „Gesamtbevölkerung“ der Veganer herausarbeiten zu können. Offensichtlich steht das Tierwohl bei der veganen Ernährung im Vordergrund, jedoch muss beachtet werden, dass sich Motive in verschiedenen Kontexten und Ländern anders entwickeln können. Ist in Deutschland beispielweise Ethik ein Leitmotiv, kann eine vegane Lebensweise in Indien überwiegend religiös begründet sein. Schaut man sich beispielsweise eine Umfrage des Unternehmens Statista zu den Gründen für den Fleischverzicht/ den Verzicht tierischer Produkte an, so lässt sich feststellen, dass 42,8% der Befragten angeben, dass Sie gesünder leben, jedoch ist die Zahl für ökologische und damit umweltschützende Gründe mit 41,9% annähernd genauso hoch. Eines der am stärksten gewichteten Hauptmotive – hier jedoch nur bezogen auf Deutschland – ist nach den Befragten ein gesünderer Lebensstil – hier liegt das Umfrageergebnis bei 57,2% (vgl. Statista 2017). Folglich spielen ökologische Motive (bezogen auf Deutschland) keine besonders tragende Rolle, gehören aber zu den Zentralmotiven für eine vegane Lebensweise. Ein ähnliche Umfrage eines Marktforschers kommt in Österreich auf andere Ergebnisse: hier geben 74,7% der Befragten an, dass sie das Töten von Tieren durch ihre Ernährung verhindern wollen, 76,8 % geben als Grund die Zustände bei der Tierhaltung und Tierquälerei an, 64,6% geben den Umweltschutz als Motiv an, wiederrum 59,6% geben die Schonung natürlicher Ressourcen (wie Wasser und Boden) und 56,6% geben ein verbessertes körperliches Wohlbefinden an (vgl. Marktagent 2017: 6). Folglich zeigt sich hier, dass ethisch motivierte Gründe (Tiertötung und -quälerei) zum Großteil eine Entscheidung zugunsten einer veganen Lebensweise beeinflussen, jedoch stellt der Umweltschutz, und damit ein ökologisches Motiv (einhergehend mit dem zuvor genannten Ressourcenschutz), ein viel größeres Motiv als in Deutschland dar. Vergleicht man die Umfrageergebnisse nun für Deutschland und Österreich miteinander, lässt sich schlussfolgernd aber festhalten, dass der Veganismus überwiegend ethisch motiviert ist. Hierbei sollte aber beachtet werden, dass mit ethischen Leitmotiven oft eine politische Motivation (zum Beispiel in Richtung Umweltschutz) einhergeht bzw. einhergehen kann.
Im weiteren Verlauf der Hausarbeit wird der Veganismus aber auf seine Ernährungsfunktion beschränkt, um die Folgen für die CO2-Emissionen sachlicher und gezielter beschreiben zu können. Ethische, ökonomische und sonstige Gründe und Folgen werden in dieser Hausarbeit ausgelassen bzw. nicht näher besprochen, da dies für die Forschungsfrage nicht zweckdienlich ist.
3 Hauptverursacher der CO2-Emissionen
Wo kommen nun die ganzen CO2-Emissionen genau her? Nachdem nun der Begriff des Veganismus als Lebensphilosophie und Ernährungsform unter einer politischen Motivation erläutert wurde, ist es für diese Arbeit essentiell, sich mit den Hauptverursachern der CO2-Emissionen zu befassen. Das nun folgende Kapitel geht dabei auf industrielle, ernährungsbedingte und sonstige Emissionen ein und diskutiert seine Ursprünge. Dabei wird den industriellen und ernährungsbedingten Emissionen in dieser Arbeit ein größerer Stellenwert zugeordnet, da Veganismus als Ernährungsform zur Emissionsreduzierung herangezogen wird sowie aus dem Aspekt, da einer der größten Teile der verursachten Emissionen aus der Industrie stammt.
3.1 ernährungsbedingte Emissionen
„Ernährungsbedingte“ Emissionen müssen, um diese sinnvoll bewerten zu können, nicht nur als Emissionen durch verschiedene Treibhausgaswerte, die durch die Herstellung von Lebensmitteln verursacht werden, verstanden werden. Es ist an dieser Stelle notwendig zu berücksichtigen, dass Lebensmittel in der ganzen Wertschöpfungskette Emissionen verursachen. Diese „Emissionsreichweite“ reicht vom Rohprodukt in der Landwirtschaft bis hin zum Endverbraucher in den Privathaushalten (z.B. durch Lebensmittelentsorgung, Kochen, etc.) (vgl. BMEL 2016: 28). Hierbei zeigt die Vielschichtigkeit der verursachten Emissionen in der Ernährung, dass es notwendig ist, die „emittierten Treibhausgase auf allen Stufen der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden“ (BMEL 2016: 28) müssen. Eine grundlegende Schwierigkeit besteht besonders darin, dass verschiedene Verarbeitungsmethoden, Verwendungsweisen, geographische Lage etc. bei der Berechnung der Treibhausgase berücksichtigt werden müssen und daher oft nur Kalkulationen möglich sind (vgl. BMEL 2016: 28). Folglich ist eine genaue Abbildung der Ursprünge ernährungsbedingter Emissionen nicht möglich, kann aber auf Grundlage der errechneten Werte für andere Bereiche, die die Ernährung mit einbeziehen, geschätzt werden. Zwar ist damit keine komplette Darstellung der entstehenden Emissionen möglich, durch die ungefähre Schätzung sollte es jedoch möglich sein, rudimentäre Zusammenhänge (und eventuelle Korrelationen) aufzeigen und bewerten zu können.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus der Schweiz: man untersuchte die Auswirkung auf die CO2-Emissionen, indem man eine Gurke in einem beheizten und einem unbeheizten Gewächshaus heranzog. Dabei wurde festgestellt, dass die Treibhausgasemissionen bei einer Beheizung des Gewächshauses um das Zehnfache ansteigt als bei einem Gewächshaus ohne Beheizung (vgl. Stoessel et. al 2012: 3256). Dabei zeigt sich, dass knapp 2 Kilogramm der Emissionen für die Beheizung des Gewächshauses verantwortlich sind; insgesamt wurde für die Gurke ein Einsparungspotenzial von 4,3% errechnet (vgl. Stoessel et. al 2012: 3258 f.). Ebenso zeigt sich für importierten Spargel (unabhängig davon ob es sich um weißen oder grünen Spargel handelt) aus anderen Ländern in die Schweiz, dass die CO2-Emissionen bei einem Lufttransport signifikant ansteigen. Wird in der Schweiz produzierter (also regionaler Spargel) verzehrt, gehen die CO2-Emissionen signifikant zurück – das entspricht ungefähr einer Einsparung um das 16-19-fache (vgl. Stoessel et. al 2012: 3256-3259). Berücksichtigt werden müssen auch biologische Anbaumethoden sowie Massenproduktionen von Lebensmitteln. In der Folge wird deutlich, wie sich die Emission lediglich bei der Anzucht der Gurke und dem Transport des Spargels verhalten. Nur der Teil „Produktion“ (im Falle des Spargels der Transport) der Wertschöpfungskette wird evaluiert; andere ebenso wichtige und einzubeziehende Faktoren wie das Weiterverarbeiten (zum Beispiel Kochen des Spargels, die Entsorgung der Gurke) bleiben unberücksichtigt. Es zeigt sich folglich, dass mehr Faktoren „for a fair comparison between organic and intensive production systems“ (Stoessel et. al 2012: 3259) zwangsläufig einbezogen werden müssen, um eine adäquate Untersuchung zu ermöglichen. Demnach heißt das für die Praxis, dass bereits bei der Produktion von zum Verzehr hergestellten Lebensmitteln mehrstufige Emissionsevaluierungen stattfinden müssen, damit ein möglichst nachhaltiges Produkt angeboten werden kann. Würden diese außer Acht gelassen werden, wäre es mitunter nicht möglich, verschiedene (negative und positive) Potenziale aufzuzeigen und zu vergleichen. Rückführend auf das Beispiel der beiden genannten Gemüsesorten bedeutet dies, dass nur eine lückenhafte Darstellung der Emissionen stattfindet: für die Gurke können ebenso Faktoren wie Transport, Lagerung und Zubereitung, für den Spargel Faktoren wie Anzucht, Lagerung und Zubereitung mit in die Evaluierung einbezogen werden. Zwar ist von Beginn an keine absolute, zuverlässige Schätzung möglich (beispielsweise können sich Lagerart und -ort für zu verkaufende Produkte noch kurzfristig ändern), jedoch hat die Schätzung das Potenzial, eine ungefähre Richtung anzugeben, in die sich die entstehenden Emissionen entwickeln.
Eine weitere Untersuchung am Beispiel Großbritanniens hat gezeigt, dass eine Reduzierung des täglichen Fleischkonsums von 100 Gramm auf 50 Gramm die Treibhausgasemissionen signifikant verringern kann; und zwar um rund 920 Kilogramm pro Person pro Jahr (bei einem Wechsel von hohem zu niedrigem Fleischkonsum). Dies entspricht einem „economy return flight from London to New York” (Scarborough et. al 2014: 186). Auch hier ist zu beachten, dass dieses Beispiel nur auf Großbritannien bezogen werden kann. Für Deutschland sähe das Beispiel anders aus, jedoch kann auch hier – unter der Annahme, dass sich die Emissionen im gesamten Wertschöpfungsprozess (also von der Produktion über Lagerung und Transport bis zur Zubereitung und dem endgültigen Verzehr) zumindest annährend gleich verhalten – eine ungefähre Entwicklungsrichtung angegeben werden.
3.2 industrielle Emissionen
Die industriellen Emissionen sind auf globaler Ebene nach einer Studie des Weltklimarates mit 21% für die gesamten Emissionen verantwortlich (vgl. IPCC 2015: 47). Hierbei liegen die Anteile der Verwendung für die erzeugte Energie (z.B. für Lebensmittelproduktion, Kühlung, Lagerung, Stromerzeugung) ähnlich variabel wie bei den ernährungsbedingten Emissionen. Circa 14% der gesamten Emissionen in Deutschland sind nur dem Energieaufwand und -verbrauch der Industrie zuzuordnen (vgl. Umweltbundesamt 2016). Dabei liegen die Industrieemissionen besonders in der Metallindustrie, in der chemischen Industrie sowie in der Herstellung von mineralischen Produkten (vgl. BMU 2018: 34). Dabei muss ebenfalls beachtet werden, dass es neben direkten auch indirekte Emissionen gibt; diese werden erzeugt durch Fremdwärme- und Fremdstrombezug (vgl. BMU 2018: 34). Es zeigt sich weiterhin, dass knapp 67% der Industrieemissionen auf den Energiebedarf ebendieser Industrie zurückzuführen sind (Industriefeuerung), Produktionsprozesse in der Industrie sind für knapp ein Drittel des Energieaufwandes verantwortlich (vgl. BMU 2018: 34). Im Bereich der Industrie gibt es aufgrund der schwierigen Erfassung noch keine konkreten hypothetischen Szenarien, es sind aber bereits Ansätze bekannt, welche Prozessoptimierung vorsehen. Hierbei wird auf „Best Practice Technologys“ zurückgegriffen, die helfen sollen, Prozesse so weit wie möglich zu verbessern (vgl. Griffin et al. 2018: 588). Für das Vereinigte Königreich kann in der Chemieindustrie zum Beispiel damit gerechnet werden, dass bei der Produktion von Chemikalien durch BPTs etwa 28% der direkt benötigten Energie eingespart werden können (vgl. Griffin et al. 2018: 595). Insgesamt haben BPTs das Potenzial, die CO2-Emissionen um circa 22% zu senken (vgl. Griffin et al. 2018: 596). Folglich lässt sich durch die Prozessoptimierung eine große Menge an CO2 einsparen, jedoch ist dieses aufgrund des geringen Anteils der Chemieindustrie von ca. 3,7% in Deutschland (vgl. BMU 2018: 34) und des geringen Anteiles weltweit (vgl. IPCC 2015: 45 ff.) allein nicht zweckdienlich. Hier müssen ebenfalls ganzheitliche Perspektiven eingenommen werden: solle Veganismus also die Emissionen signifikant senken, so müssen die industriellen Emissionen aufgespalten werden, um in der Praxis zeigen zu können, welcher Anteil tatsächlich auf Produkte einer veganen Ernährung (etwa Strom zur Betreibung von Produktionsanlagen, Kühlung veganer Lebensmittel) entfallen. BPTs müssen daher auch neu auf eine derartige Ernährungsweise instrumentalisiert werden – jedoch ist dies mit einem enormen Mehraufwand verbunden, der sich in der Praxis kaum umsetzen lassen kann. Folglich sind auch hier mit Schätzungen zu arbeiten, die – wie bereits bei den ernährungsbedingten Emissionen gezeigt wurde – eine grobe Entwicklungsrichtung angeben können.
3.2 sonstige Emissionen
Neben den industriellen und ernährungsbedingten Emissionen müssen ebenfalls sonstige Emissionen betrachtet werden. Hierbei bezieht sich die Arbeit mit „sonstigen Emissionen“ auf die Bereiche Energie, Transport und Forst- und Landwirtschaft. Insgesamt entfielen im Jahr 2010 24% der Emissionen auf Forst-/ Landwirtschaft und Co. (inklusive der Tierhaltung), 35% auf den Energiesektor (sowohl direkte als auch indirekte Energieerzeugung) und 14% auf den Transportsektor (vgl. IPCC 2015: 47). Hierbei ist unter dem Aspekt der Forschungsfrage interessant zu betrachten, wie sich die Tierhaltung als Teil der Landwirtschaft auf die CO2-Emissionen auswirkt. Eine Studie der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat gezeigt, dass 14,5% der menschengemachten Treibhausgase weltweit durch die Tierhaltung verursacht werden (vgl. Gerber et. al 2013: XII). Folglich lässt sich feststellen, dass die Treibhausemission der Tierhaltung und des Transportsektors (wie Schifffahrt, Flüge) ungefähr gleich hoch sind. Wie bereits zuvor festgestellt wurde, lassen sich die verschiedenen Emissionstypen nicht unmittelbar voneinander trennen; wenn man dies jedoch tut, ist eine Forschung hier nicht zweckdienlich. Die Emissionen müssen immer in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. Wie bereits Kapitel 3.1 darstellt, sind für die Lebensmittelherstellung Energie und Transport zum Import bestimmter Lebensmittel notwendig. Aber wie weit reicht der Zusammenhang? Aktuell gibt es noch keine wissenschaftlich fundierten Ansätze, die es zulassen, dass man die Emissionen der Tierhaltung und des Transportes miteinander vergleichen kann, denn die Lebensmitteltransporte werden auf globaler Ebene den Bereichen Transport zugeschrieben. Eine „Einrechnung“ der direkten und indirekten Emissionen der Tierhaltung in den Transport ist bisher nicht möglich. Dies liegt unter anderem daran, dass „emissions from land use and agriculture are much more difficult to measure and control” (Mottet/ Steinfeld 2018). Mithin zeigt sich auch hier wiederholt die Schwierigkeit für die Praxis, die Anteile der Emissionen für eine vegane Ernährung zu eliminieren sowie separat darzustellen und in eine angemessene Berechnung einzubeziehen, sodass ebenfalls mit ungefähren Schätzungen gearbeitet werden muss.
4 Reduzierung der Emissionen
In diesem Teil werden Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen vorgestellt und diskutiert. Dabei wird auf den Indikator Life Cycle Assessment (LCA) eingegangen und anhand verschiedener Lebensmittel beispielhaft aufgezeigt. Mögliche Szenarios am Beispiel Schwedens und den USA sollen zeigen, wie sich die Emissionen bei einer Fleischkonsumreduzierung entwickeln. Eine kurze Handlungsempfehlung für Deutschland soll anschließend eine grobe Richtung zur Emissionsreduzierung aufzeigen.
4.1 Indikator Life Cycle Assessment
Was genau ist der Life Cycle Assessment (LCA) und was leistet er? Betrachtet man den Life Cycle Assessment, so wird deutlich, dass es sich bei diesem um ein ökologieorientiertes Instrument handelt, das „zur vollständigen Erfassung, Bewertung und Darstellung von Umweltbelastungen die über den gesamten Lebensweg eines Produktes“ (Möltner 2009: 23) gehen, erfasst. Dabei werden für ein Produkt über den gesamten Lebenszeitraum Faktoren wie die Wertschöpfungskette, die Nutzung und alle Formen von Verbrauch bei der Berechnung berücksichtigt (vgl. Huppes/ Curran 2012: 3). In seiner Reichweite können LCAs also die Produktgewinnung, -herstellung, -verwendung und -nutzung, ökologische Größen, die Technologie und der Produktionsstandort, berücksichtigen. Nicht berücksichtigt werden dabei ökonomische und soziale Größen sowie die Bedürfnisbefriedigung und die Projektanlage (vgl. Möltner 2009: 24 f.). Folglich ist der LCA nur dazu in der Lage, auf ökologischer Perspektive Analysearbeit zu leisten. Für eine ganzheitliche Betrachtung eines Produktes sind ökonomische und soziale Größen mit in die Berechnung einzubeziehen. Aufgrund der Betrachtung der Emissionsreduzierung reicht aber eine Betrachtung der ökologischen Größen vorerst aus.
Ein Beispiel: betrachtet man einzelne LCAs für Lebensmittel in Deutschland, so muss berücksichtigt werden, dass die einzelnen LCAs verschiedene Werte haben können. Dies hängt von der gewählten Anbaumethode, wie und wohin es transportiert wurde, in welcher Region es verzehrt wurde etc. ab. Bei der Berechnung müssen verschiedene Annahmen gemacht werden, folglich unterscheiden sich die einzelnen LCAs für Lebensmittel; besonders von Land zu Land (vgl. Meier/ Christen 2012: 562 f.). Schaut man sich nun die LCAs für Fleisch (Rindfleisch und Lammfleisch), Fisch, Milchprodukte, Gemüse sowie Getreide an, so kommt man auf einen Wert von 20,01+14,42+3,43+1,57+0,75+1,40= 41,58 Kilogramm an CO2-Emissionen pro Kilogramm an Fleisch (Rindfleisch und Lammfleisch), Fisch, Milchprodukte, Gemüse sowie Getreide (vgl. Meier/ Christen 2012: 554-556). Ausgehend eines 1. gleichmäßigen Verzehrs der Lebensmittel und 2. unter der Annahme, dass ein Mensch insgesamt pro Jahr 650 Kilogramm an Lebensmitteln zu sich nimmt, ergibt sich eine Gesamtbelastung von 650*41,58= 27.027 Kilogramm CO2 pro Jahr pro Kopf bei einer omnivoren Ernährung. Nimmt man nun im Sinne einer veganen Ernährung alle tierischen Produkte aus der Ernährung – hier besteht die Ernährung dann aus Gemüse, Getreide, pflanzlichen Ölen, Früchten sowie Kartoffeln – so ergibt sich ein Wert von 0,75+1,40+2,07+0,52+0,52= 5,26 Kilogramm an CO2-Emissionen pro Kilogramm pro Lebensmittel in der Summe. Bei beiden Annahmen wie bei der Berechnung einer omnivoren Ernährung ergibt sich für eine vegane Ernährung ein hypothetischer Wert von 650*5,26= 3.419 Kilogramm CO2 pro Jahr pro Kopf bei einer veganen Ernährung. Damit zeigt sich, dass eine vegane Ernährung eine Einsparung an CO2-Emissionen um das circa 8-fache in Deutschland begünstigen kann.
Bezieht man sich auf die Lebensmittelproduktion der USA, so ergeben sich andere Werte: bei einer omnivoren Ernährung, die Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Gemüse und Getreide mit einbezieht auf einen Wert von 830+50+260+110+70= 1.320 Kilogramm CO2 pro Kopf pro Jahr (vgl. Heller/ Keoleian 2014: 394-397). Bei einer veganen Ernährung die Gemüse, Getreide, Früchte und Nüsse enthält, ergibt sich ein hypothetischer Wert von 110+70+90+20= 290 Kilogramm CO2 pro Kopf pro Jahr. In diesem Beispiel zeigt sich, dass eine vegane Ernährung in den USA das hypothetische Potenzial hätte, die CO2-Emissionen um das knapp 4,5-fache zu senken.
Eine Studie in den USA hat ergeben, dass 9% der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft zuzuordnen sind, davon knapp die Hälfte der Tierhaltung (also ca. 4,5%). Würde man hypothetisch alle Tiere aus der Landwirtschaft entfernen, so würde man nicht die Hälfte der landwirtschaftlichen Emissionen sparen (wie es die Logik vermuten würde) sondern nur knapp ein Drittel (vgl. White/ Hall 2017: E10305 f.). Ebenfalls würden sich die Treibhausgasemissionen in den USA, wenn sich alle Amerikaner an die offiziellen Ernährungsempfehlungen ihres Landes halten würden, um 6% erhöhen, obwohl die Kalorienanzahl und das Fleisch reduziert werden würde (vgl. Tom et al. 2016: 97).
Eine andere Studie zeigt für Schweden, dass diese 20% der ernährungsbedingten Emissionen einsparen könnten, wenn landesweit die Hälfte des Fleischkonsums durch Hülsenfrüchte ersetzt werden würde. Ebenfalls würden dadurch 23% Ackerfläche eingespart werden, die anders genutzt werden können (vgl. Röös et al. 2018: 1).
4.2 Handlungsempfehlung für Deutschland
Nachdem nun der Veganismus als Ernährungsweise zur Emissionsreduzierung genauer untersucht wurde, lassen sich erste Handlungsempfehlungen für Deutschland formulieren – sowohl zur tatsächlichen Reduzierung als auch zur Untersuchung ebendieser. Hierbei lassen sich aus den erarbeiteten Ergebnissen drei zentrale Empfehlungen festhalten:
1. eine ganzheitliche Betrachtung der Emissionen, die sowohl direkte als auch indirekte Emissionen bei der Ernährung einschließt,
2. eine Wirtschaftspolitik, die Massentierhaltung ausschließt und den Fleischkonsum reduziert,
3. eine verstärkte Arbeit mit Schätzwerten und das in Zusammenhang stellen einzelner Emissionen anstatt Emissionen für sich getrennt zu betrachten.
Die genannten Handlungsempfehlungen zeigen beispielhaft, dass bei der Berechnung beziehungsweise Schätzung der Emissionen ein netzwerkartiges Bild hergestellt werden muss. Eine separate Betrachtung der verschiedenen Faktoren für eine Emissionsreduzierung ist weder sinnvoll noch zweckdienlich. Ein Gesamtbild, dass den gesamten Wertschöpfungsprozess eines Produktes einschließt, ist notwendig. Zwar kann man durch ein Abschaffen der Massentierhaltung in Deutschland Emissionen einsparen, jedoch sollten zum Beispiel Subventionen auf Fleisch jeglicher Art nicht mehr gewährt werden (und damit den Fleischpreis kollektiv erhöhen), um ein wirkungsvolleres Ergebnis zu erzielen. Vor dem Hintergrund der recht schwierigen Erfassung (und einem hohen Mehraufwand) einzelner Emissionstypen (zum Beispiel Tierhaltung allein anstatt Tierhaltung als Teil der Forst-/ Landwirtschaft) sollte vermehrt mit Schätzwerten auf Grundlage der bereits gemessenen Emissionen gearbeitet werden anstatt einzelne Werte und Kategorien statisch zu bewerten. Zwar bleibt die Schätzung ungenau, kann aber eine Richtung angeben und bezieht vernachlässigte Faktoren in einem größeren Umfang mit ein.
5. Fazit
Wie sich im Verlauf der Arbeit gezeigt hat, steckt in der veganen Ernährung ein Potenzial zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Wie groß oder klein dieses Potenzial ist, lässt sich pauschal noch nicht beantworten. Es hat sich gezeigt, dass Veganismus als Lebensweise politisch motiviert ist und den Klimaschutz als ein Ziel hat. Veganismus (wohlgemerkt als Lebensphilosophie) ruft zu einer nachhaltigeren Lebensweise auf, die sich sowohl durch ökologische als auch durch ethische Motive kennzeichnet. Zwar ist keine aktuelle Zahl für rein ernährungsbedingte Emissionen bekannt, jedoch lassen sich durch eine Umstellung der Ernährung Veränderungen im Treibhausgasausstoß erzielen. Ausgehend von dem jedoch recht „kleinen“ Anteil der Tierhaltung muss hier jedoch gesagt werden, dass der Effekt auf die gesamte Klimabilanz zu klein ist. LCAs verdeutlichen diese Problematik: zwar vermag eine vegane Ernährungsweise das Potenzial haben, die Treibhausgase zu vermindern, jedoch sind LCAs nicht dazu in der Lage, andere Treibhausgase angemessen dazustellen. Eine Schätzung für den Bereich Ernährung ist möglich, jedoch aufgrund der Komplexität der Emissionsthematik nicht ausreichend. „Abhilfe“ kann beispielsweise dadurch geschaffen werden, dass man sich regional (um Transportwege zu sparen) und saisonal (um Lebensmittel nicht unter künstlichen Bedingungen wie etwa der Anzucht im Gewächshaus, Verzicht auf nicht heimische Lebensmittel) ernähren. Andere Bereiche, die die Ernährung in der Treibhausgaserzeugung tangieren (etwa Stromerzeugung) zeigen mögliche Sparpotenziale auf, jedoch macht die Ernährung als solche einen zu geringen Teil an den weltweiten Emissionen aus. Damit ist auch die Hypothese zu verwerfen: Veganismus als Ernährungsform kann die CO2-Emissionen nicht signifikant verringern. In allen Bereichen ist eine Verbesserung anzustreben, um dieses Ziel zu erreichen.
Literaturverzeichnis
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Klima, Klimawandel, Landwirtschaft, Vegane Ernährung, Veganismus