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Raphaela Kell: Strategische Planung einer kommunalen Kreislaufwirtschaft: Ein Weg zu nachhaltiger Resilienz und regionaler Wertschöpfung

Städte und Gemeinden stehen vor der Herausforderung, nachhaltige Kreislaufwirtschaftssysteme zu entwickeln. Dabei können sie im Wesentlichen zwei Wege beschreiten, die sich prozessual kombinieren lassen:

  1. Die Entwicklung einer kommunalen Kreislaufwirtschaft den Marktkräften überlassen oder
  2. Eine kommunale Kreislaufwirtschaft strategisch planen und finanziell incentivierend, zirkuläre Märkte und Wertschöpfungsketten entwickeln.

Ansatz 1: Die Entstehung einer Kreislaufwirtschaft vorrangig den Marktkräften zu überlassen, birgt sowohl Vor- als auch Nachteile.

Einerseits könnte der Wettbewerb Innovationen und Effizienzsteigerungen fördern, da Unternehmen gezwungen wären, sich durch bessere Technologien und Verfahren zu differenzieren. Marktgetriebene Lösungen könnten zudem potenziell kostengünstiger sein, da sie ohne zusätzliche Bürokratie und staatliche Interventionen auskommen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Räderwerk einer funktionierenden Wirtschaft durch sukzessive, langsam sich entwickelnde Transformationsprozesse besser aufeinander abgestimmt werden kann, was eine kontinuierliche Anpassung und Optimierung bestehender Strukturen ermöglicht.

Andererseits treten auch signifikante Nachteile auf, wenn die Entstehung eines innovativen Wirtschafts-Konzepts den Marktmechanismen überlassen wird. So könnte es ohne strategische Vorgaben zu einer Fragmentierung der Ansätze kommen, was Ineffizienzen und mangelnde Koordination zur Folge hätte. Es besteht auch die Gefahr von Marktversagen, insbesondere in Bereichen mit hohen Anfangsinvestitionen oder geringen Gewinnmargen, was die Entwicklung nachhaltiger Recyclingstrukturen behindern oder stark verzögern könnte. Solange die Nachfrage nach zirkulären Produkten und Materialien nicht ausreicht, um die erhofften zirkulären Marktimpulse zu setzen, bleibt ein entscheidender Nachteil – der Zeitaspekt: Angesichts sich zuspitzender Umwelt- und Rohstoffprobleme ist ein beschleunigter Transformationsprozess erforderlich, der über zeitverzögernde Nachfragemechanismen hinausgeht. Märkte können zwar schnell auf veränderte Nachfragesituationen reagieren, aber im Fall der Circular Economy ist eine entsprechende und profitable Nachfrage noch nicht vorhanden und muss erst stimuliert werden. Hierzu bedarf es politischer Zielvorgaben, die nicht von den Märkten definiert werden können.

Zu Ansatz 2:

Vor- und Nachteile sind auch mit der strategischen Planung einer kommunalen Kreislaufwirtschaft verbunden.

Ein Nachteil könnte der hohe bürokratische Aufwand sein, der mit kommunalpolitischen Interventionen und Planungen einhergeht. Angesichts der komplexen Herausforderungen besteht die Gefahr administrativer Fehlentscheidungen, die langfristig falsche Weichenstellungen zur Folge haben können. Zudem kann die Abhängigkeit von politischer Unterstützung und öffentlichen Mitteln im Aufbauprozess einer kommunalen Kreislaufwirtschaft die langfristige Nachhaltigkeit der Projekte gefährden, falls sich politische Prioritäten ändern. Ein nicht zu vernachlässigendes Problem ist zudem, dass die strategische Planung eines Wirtschaftskonzepts mit den vorherrschenden liberalen Paradigmen kollidiert, die staatliche und kommunale Interventionen in die wirtschaftliche Entwicklung grundsätzlich kritisch sehen. Ähnliches gilt auch für das bestehende Wettbewerbsparadigma, das zum Fundament der vorherrschenden liberalen Vorstellung von Marktwirtschaft gehört. Hier besteht die Möglichkeit, dass eine gezielt geförderte und ausgewählte Gruppe von Unternehmen, die sich auf die Circular Economy spezialisiert hat, als eine Form der wirtschaftlichen Planung wahrgenommen und abgelehnt wird.

Zusätzlich könnte die Komplexität der notwendigen Koordination zwischen verschiedenen Stakeholdern und Sektoren zu großen administrativen Herausforderungen führen. Die Implementierung von CE-Maßnahmen in der Unternehmenslandschaft erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, was zeitaufwendig und ressourcenintensiv sein kann.

Trotz dieser Herausforderungen bietet die strategische Planung einer kommunalen Kreislaufwirtschaft bedeutende Vorteile. Durch eine gezielte, incentivierende Förderung von zirkulären Geschäftsmodellen können Innovationen und nachhaltige Praktiken systematisch unterstützt, Synergieeffekte gezielt generiert und ausgebaut werden. Langfristige politische und finanzielle Unterstützungen können stabile Rahmenbedingungen schaffen, die Unternehmen – und insbesondere jungen Start-ups – Anreize bieten, in zirkuläre Prozesse und Materialbeschaffungen zu investieren und sich in der Region anzusiedeln. Zudem ermöglicht nur eine strategische Planung die systematische Erfassung und zielführende Nutzung von Daten, die für die Entwicklung effizienter und rentabler Recycling- und Urban-Mining-Strukturen unerlässlich sind.

Darüber hinaus kann die strategische Planung die Integration von Umwelt- und Sozialaspekten in die wirtschaftliche Entwicklung fördern, was jenseits von reinen Marktmechanismen zu einer ganzheitlicheren und nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft beiträgt. Die strukturierte Herangehensweise erlaubt es, gezielte Maßnahmen zur Förderung von lokalen Unternehmen und zur Stärkung der regionalen Wertschöpfung zu entwickeln, was insgesamt die Resilienz und Unabhängigkeit der Region erhöht. Eine Strategische Planung ermöglicht zudem die Schaffung von rentablen Synergien zwischen verschiedenen Sektoren und Akteuren, was die Ressourceneffizienz und wirtschaftliche Resilienz erhöht.

Die Entwicklung von Netzwerken und Kooperationen zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und öffentlichen Stellen kann zudem den Wissenstransfer über neue Technologien und innovative Materialien sowie entsprechende Best Practices fördern.

Die Entscheidung, ob die Entwicklung einer kommunalen Kreislaufwirtschaft den Marktkräften überlassen oder strategisch geplant werden soll, ist letztlich eine politische. Angesichts der drängenden Umwelt- und Rohstoffprobleme spricht jedoch der Zeitfaktor entscheidend für Ansatz 2: die strategische, konzertierte Planung mit dem Ziel, zirkuläre regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen, die die Region widerstandsfähiger gegen die Unwägbarkeiten internationaler Rohstoffmärkte macht. Durch die Fokussierung auf eine regionale Wirtschaftsentwicklung wird zudem die Chance erhöht, Wirtschaft und Gemeinwohl stärker miteinander zu verknüpfen. Die notwendige Zusammenarbeit und Vernetzung aller Stakeholder und Branchen schafft eine Vertrauensbasis jenseits internationaler Konkurrenzzwänge. Dies fördert nicht nur die wirtschaftliche Resilienz, sondern auch die aktive, co-kreative Mitgestaltung der wirtschaftlichen Zukunft durch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort.

Wichtige, in den Hub zu integrierende Akteurs- oder Stakeholdergruppen sind:

  1. Politik / Verwaltung
  2. Abfallwirtschaft
  3. Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften,
  4. CE-Forschung
  5. CE-Consultings
  6. CE-Start-ups
  7. CE-Technologieanbieter
  8. NGO
  9. Finanzinstitute

Insbesondere den ersten 3 genannten Stakeholdergruppen – Politik und Verwaltung, Abfallwirtschaft und Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften – kommt eine entscheidende und strategisch planende Rolle in der ersten Arbeitsphase eines kommunalen CE-Hubs zu. Durch die Konzentration auf diese Gruppen in der ersten Arbeitsphase wird eine solide Grundlage geschaffen, auf der später weitere Stakeholder eingebunden werden können, sobald die grundlegenden Strukturen und Strategien entwickelt sind. In späteren Phasen können andere wichtige Akteure wie CE-Consultings, Start-Ups, CE-Technologieanbieter, NGOs und die breite Öffentlichkeit stärker eingebunden werden, um eine umfassendere und nachhaltigere Kreislaufwirtschaft zu fördern. In der ersten Arbeitsphase geht es vor allem darum, einen detaillierten Überblick über die potenziellen Ressourcen in der Region sowie die regionalen Materialbedarfe und -ströme der ansässigen Unternehmen zu gewinnen. Es gilt, entsprechende kommunale CE-Daten zu ermitteln und im Hinblick auf die Entwicklung kreislauffähiger Wirtschaftsstrukturen auszuwerten. Zudem ist es wichtig, das Interesse der Unternehmen am gemeinsamen Aufbau resilienter, zirkulärer Wertschöpfungsketten in der Region zu wecken.

Den Hochschulen kommt eine besondere Rolle zu, da ihre CE-Forschungen grundlegend in allen strategischen Planungen einzubeziehen sind und sozusagen das Wissensfundament eines CE Hubs bilden. Daher sollten alle Arbeitsphasen von Seiten der Hochschulen begleitet werden. Die CE-Forschung liefert sozusagen die fundamentalen Daten und Informationen über die aktuell vorliegende Marktreife innovativer Materialien und Recyclingtechnologien. Zudem sind die Hochschulen aufgrund ihrer Vernetzung in der Forschungslandschaft in der Lage notwendige überregional Materialbänke anzulegen und Technologiestandards abzurufen, die für die Entwicklung regional spezifischer Wertschöpfungsketten erforderlich sein könnten.

Politik und Verwaltung: Die Kommunalpolitik und Verwaltung übernehmen im Rahmen eines CE-Hub die zentrale strategisch planende Rolle. Ihre Aufgaben umfassen die Entwicklung einer umfassenden Strategie für die Kreislaufwirtschaft, die Festlegung konkreter Ziele und Meilensteine sowie die Definition von Maßnahmen und Instrumenten zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Dazu gehört auch die Einführung und Anpassung lokaler Gesetze und Vorschriften, die die Kreislaufwirtschaft unterstützen, sowie die Förderung von Anreizen für zirkuläre Geschäftsmodelle und nachhaltige Praktiken. Finanziell unterstützen sie die Kreislaufwirtschaft durch die Bereitstellung von Fördermitteln und -programmen für zirkuläre Projekte sowie durch die Gewährung von Steueranreizen und Subventionen für Unternehmen, die sich an zirkulären Initiativen beteiligen. Eine weitere zentrale Aufgabe ist die Organisation des Hubs, in dem auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteursgruppen, sowie die Einrichtung von Plattformen für den Austausch von Wissen und Best Practices zu organisieren ist. Auch zielführende Match-Makings, die den Aufbau regionaler und zirkulärer Wertschöpfungsketten beschleunigen, sollten im Aufgabenbereich der Verwaltung liegen, beispielsweise der Wirtschaftsförderung.  Das kontinuierliche Monitoring der Fortschritte und die Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen, um die Strategien basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen anzupassen, gehört ebenfalls weitgehend zum Aufgabenbereich der Verwaltung.

Abfallwirtschaft: Die CE-Daten der regionalen Entsorgungsunternehmen bieten die zentrale Informationsbasis über die Menge und Zusammensetzung der kommunalen Abfallströme, die darin enthaltenen Recyclingmaterialien und -quoten sowie die Sekundärrohstoffpotenziale des kommunalen Abfalls. Die Abfallwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Implementierung von innovativen Recycling- und Verwertungstechnologien, die eine höhere Rückgewinnungsquote und Qualität der Sekundärrohstoffe ermöglichen. Abfallströme liefern zudem entscheidende Daten zur Identifizierung und Quantifizierung problematischer Materialien und Produkte. Diese Materialien und Produkte sind schwer oder gar nicht in ein Kreislaufsystem einzubinden und sollten langfristig durch Materialstandardisierungen und politische Richtlinien aus den Produktkreisläufen entfernt werden.

Wirtschaftsverbände:  Ohne die Mitwirkung der Wirtschaft bzw. ohne die regional ansässigen Unternehmen bleibt die Idee einer Kreislaufwirtschaft abstrakt und inhaltsleer. Sie gehören zweifelsohne zu den wirkmächtigsten Akteuren innerhalb eines ökonomischen Hubs. Den Wirtschaftsverbänden, wie beispielsweise die Industrie- und Handelskammer (IHK), Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), Industrieverband für Baustoffe (ISTE), Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), Bundesverban der Deutschen Industrie (BDI) oder auch Landwirtschaftskammer (LWK) kommen hier mehrere zentrale Schlüsselfunktionen zu. Zunächst fungieren sie als sektorale Interessenvertreter und Advocacy-Gruppen. Sie dienen als Sprachrohr sowohl für die Unternehmen ihrer Branche als auch als Vermittler der kommunal festgelegten CE-Zielvorgaben und der geplanten Kreislaufwirtschaftsstrategie. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben sind die Informationsvermittlung und Sensibilisierung ihrer Mitglieder. Sie können über neue Entwicklungen, gesetzliche Anforderungen, Förderungen und Best Practices in der Kreislaufwirtschaft ebenso informieren wie über zu erwartende betriebswirtschaftliche oder branchenspezifische Potenziale und Rentabilitätsperspektiven,  die sich für Unternehmen ergeben könnten, wenn sie sich dem regionalen Kreislaufwirtschaftssystem anschließen.

Die Ermittlung und Weiterleitung strategisch wichtiger sektoraler CE-Bedarfs-Daten aus der regionalen Unternehmenslandschaft könnte idealerweise von den jeweiligen Verbänden übernommen werden. Das Erfassen und analysieren branchenspezifischer Daten zur Ressourcennutzung und zu anfallenden Abfallmengen und Materialströmen ist notwendig, um entsprechende CE-Benchmarks zu setzen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln.

Innerhalb des von den jeweiligen Verbänden vertretenen Sektors können die Verbände einerseits einen Überblick darüber geben, wie viele und welche Unternehmen mit welchen Produkten und Produktionsformen in welchem Maße in ein Kreislaufwirtschaftssystem und damit in eine kommunal geförderte zirkuläre Wertschöpfungskette einzubinden wären. Auch die Material- und Produktbedarfe wie auch etwaige zufällig oder gezielt erzeugte Sekundärrohstoffe der jeweiligen Unternehmensbranchen sind wichtige Schlüsseldaten für die Entwicklung einer regionalen Kreislaufwirtschaft, die von den Wirtschaftsverbänden erfasst werden könnten. Mit diesen sektoral erfassten CE-Daten können regionale Wertschöpfungsketten im Sinne der Zirkularität entwickelt oder optimiert werden, regionale Material- und Rohstoffbedarfe insgesamt besser ermittelt und rentable und bedarfsorientierte Recycling-, Primär- und Sekundärrohstoffproduktionen geplant werden. Unternehmensverbände können aufgrund ihrer breiten Mitgliedsinformationen dabei helfen, CE-Lücken innerhalb der regionalen Wertschöpfungskette schneller zu identifizieren, damit ansässige Unternehmen sich effektiv in die Regionalentwicklung einer Kreislaufwirtschaft integrieren lassen können oder entsprechende, zirkulär arbeitende Start-Ups in die Region geholt werden können, um diese CE-Lücken zu schließen.

Durch die Organisation von Schulungen, Workshops und Konferenzen können die Verbände das Bewusstsein ihrer Klientel für die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft schärfen, die Vorteile und interessierten Unternehmen praxisnahe und rentable Umsetzungswege vermitteln.

 

Für jede der im Circular Economy Hub mitwirkenden Stakeholdergruppen sollten im Idealfall spezifische Zielsetzungen und entsprechende Roadmaps in einer konzertierten Zusammenarbeit entwickelt werden, um die Planungen zur Entwicklung und Etablierung einer regionalen Kreislaufwirtschaft optimal aufeinander abzustimmen.

Eine enge Kooperation und kontinuierliche Abstimmung zwischen Politik und Verwaltung, Abfallwirtschaft, Unternehmensverbänden, Hochschulen sowie weiteren relevanten Akteuren schafft die Grundlage für eine effektive Umsetzung zirkulärer Wirtschaftsstrukturen. Durch klare Zielvorgaben und koordinierte Maßnahmen können Synergien genutzt und innovative Lösungen entwickelt werden, die die Region neben dem Setzen neuer nachhaltiger Wirtschaftsimpulse vor allem auch widerstandsfähiger gegenüber den Herausforderungen globaler Rohstoffmärkte machen.

Die strategische Planung und Zusammenarbeit ermöglichen es, nachhaltige und wirtschaftlich rentable Kreislaufprozesse zu etablieren, die sowohl ökologische als auch soziale Vorteile bieten. Nur durch gemeinsames Engagement und gezielte, koordinierte Anstrengungen kann die Transformation zu einer funktionierenden und resilienten Kreislaufwirtschaft gelingen.

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