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Forstwirtschaft in der StädteRegion Aachen

Martialische Forstwirtschaft in der StädteRegion sorgt für Frust

Regionale Resilienz Aachen

Unser Artikel vom 28.02.2021( https://resilienz-aachen.de/wir-brauchen-einen-anderen-umgang-mit-baum-und-waldbestaenden/,) in dem wir die umstrittene Baum-Fällaktion am Aachener Chorusberg aufgegriffen haben, um eine grundsätzliche Diskussion über den Umgang mit Bäumen und Wäldern anzustoßen, hat seitens der Bürger und Bürgerinnen aber auch einiger Fraktionen ein breiteres Echo ausgelöst. Denn viele Bürger*innen beobachten seit Jahren frustriert, wie ihre Lebens- und Erholungsräume durch den forstwirtschaftlichen Betrieb sukzessive zerstört und parzelliert werden. Idyllische Waldwege werden zu kaum noch begehbaren Schlammspuren, aus geschlossenen Waldgebieten werden dank unzähliger Harvesterspuren kleinräumige Forstabschnitte. Etwaige Aufforstungen bilden ein Mono-Plantagen-Mosaik, das wenig Hoffnung auf eine klimaresiliente und naturnahe Waldentwicklung macht.

Wunderschöne Weg-Randbäume werden für die zunehmende Kaminholzgewinnung abgesägt, ebenso einige stattliche Solitärbäume an Weggabelungen oder Schutzhütten – mit dem Vermerk auf ein längst weitgehend hinfällig gewordenes Waldwegesicherungsgesetz (Das BGH hat 2012 für waldtypische Gefahren keine Haftung der Waldbesitzer mehr vorgesehen, und hat die Klagen mehrere Wanderer*innen, die durch runtergefallener Äste verletzt wurden und auf Schadensesatz geklagt hatten, abgewiesen (Urteil vom BGH, Urteil vom 02. Oktober 2012 – VI ZR 311/11) und https://urteile-gesetze.de/rechtsprechung/vi-zr-311-11. Damit wurde der seit 2010 bzgl. des Waldwegesicherungsgesetz geltende §14 BWaldG und §2 LFoGNRW bestätigt ) . Das für die Forstwirtschaft und ihren Fuhrpark angelegte Wegesystem gleicht eher einem Autobahn- als einem Waldwegesystem und an insektenfreundlichen Rand- bzw. Blühstreifen scheint man in der Forstwirtschaft auch kein wirkliches Interesse zu haben. Denn grüne Rand- bzw. Blühstreifen fallen der Instandhaltung der Forstwege regelmäßig durch die radikalen Banquettefräsungen zum Opfer.

So also das neue Wald-Bild, wie es sich den Bürgern und Bürgerinnen wie auch den Tourist*innen aktuell präsentiert.

Nachdem unser Verein Regionale Resilienz Aachen auf die beispielhaften Misstände insbesondere im Stolberger, d.h. genauer, dem Zweifaller Wald hingewiesen hat, erhielten wir erneut unerwartet viel Zuspruch, diese Problematik auf die kommunalpoltische Agenda zu bringen. Wir sind dabei nicht die ersten, die sich dieses Themas annehmen. BUND, NABU oder der Aachener Baumschutzbund befassen sich seit vielen Jahren u.a. auch mit der Waldsituation in der gesamten StädteRegion.

Mit der Veröffentlichung dieses Artikel hoffen wir einen weiteren Stein ins Rollen zu bringen, damit wir und die kommunalen Entscheidungsträger*innen genauer hinsehen, was in unseren Wäldern passiert. Die Bilddokumente am Ende des Textes sprechen aus unserer Sicht sehr dafür, dass wir einen insgesamt sensibleren Umgang mit den für uns so wichtigen Ökosystemen fest verankern sollten und neben den forstwirtschaftlichen Interessen an unseren Wäldern auch noch eine andere Form der Wertschätzung entwickeln und zulassen müssen.

Ein Beispiel für den martialischen Umgang der Forstbetriebe mit unseren Wäldern zeigt bereits das oben abgebildete Beitragsfoto aus dem Zweifaller Wald. Durch einen glücklichen Zufall konnte hier ein „Vorher-Nachher-Dokument“ erstellt werden. Um nur wenige Bäume einzuschlagen und abzutransportieren, wurde aus einem einst idyllischen Wanderweg durch den Einsatz von schweren Forstmaschinen in nur wenigen Tagen eine breite und tiefe Schlick- und Schlammbahn. Hier wird auf lange Zeit hin kein begehbarer Wanderweg mehr in die Natur führen. Weitere dokumentierte Beispiele aus den Zweifall umgebenden Wäldern, die den unsensiblen Einsatz der schweren Forstmaschinen dokumentieren, finden sich als ernüchternde Foto-Gallerie weiter unten im Text.

Da es unserem Verein ein wichtiges Anliegen ist im Rahmen unserer Arbeit für mehr Nachhaltigkeit, strittige und stark emotionalisierte Themen von einer emotional geprägten in eine analytisch fundierte Diskussion-Ebene zu übersetzen, möchten wir auch im Hinblick auf die Waldproblematik den Anstoß geben, gemeinsam mit den betroffenen Stakeholdern nach Lösungen zu suchen, den Wald nicht vorrangig als Wirtschaft- sondern auch als Erholungs-Ressource zu nutzen bzw zu wertschätzen und ein Mehr an ökologisch ambitionierter Waldbewsirtschaftung ins Leben zu rufen.

Wir schlagen daher die Initiierung einer kommunalpolitischen Konsensmethode vor, die sich im Wesentlichen auf ein 4-Schritte-Konzept reduzieren lässt, mit dem sich abzeichnende Zielkonflikte möglicherweise auflösen lassen und/oder ein tragfähiger Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessenslagen gefunden und implementiert werden kann.

  1. Schritt: Problemidentifikation (Aufzeigen und dokumentieren von Misständen, Fehlentwicklungen etc.)
  2. Schritt: Problemanalyse (Mit Hilfe eines neutral-formulierten und an die verantwortlichen Instanzen adressierten Fragenkatalogs werden die Hintergründe; Ursachen, Sachzwänge etc., die zu den identifizierten Misständen geführt haben, ermittelt und die unterschiedlichen Interessenslagen, die im Kontext des Problems auftreten, dargelegt.
  3. Schritt: Gemeinsame Ziel-/Visionsentwicklung
  4. Schritt: Strategieentwicklung (Wie können die unterschiedlichen Interessen zusammengeführt werden?)

Im Hinblick auf die Waldthematik könnten die ersten beiden Schritte hier bereits angestoßen werden, mit dem Ziel, dass sich insbesondere an der Ausarbeitung von Schritt 2 (Erstellung eines fundierten und zielführenden Fragenkatalogs und Interessensdarlegung) weitere Akteure und Akteursgruppen im Rahmen eines offenen Dialogs beteiligen werden, der dann in Schritt 3 und 4 überleiten könnte:

Schritt 1: Problemidentifikation: Das uns von Vereins-Mitgliedern und anderen Bürger*innen zugesandte Fotomaterial über die im wörtlichen Sinne beispielhaften Misstände im Zweifaller Wald (in anderen Waldgebieten in der StädteRegion sieht es laut Bekundungen der Bürger*innen nicht wesentlich anders aus) sind sowohl und unter https://resilienz-aachen.de/wir-brauchen-einen-anderen-umgang-mit-baum-und-waldbestaenden/ wie auch am Ende dieses Artikels dokumentiert.

Schritt 2: Problemanalyse: Fragenkatalog und Darlegung der Interessenslagen (am Beispiel Stolberger Kommunalforst):

Fragen-Katalog:

  1. Inwieweit ist der Stadtrat darüber informiert, welchen Folgen und welches Ausmaß die forstwirtschaftlichen Aktivitäten in den kommunalen Waldgebieten haben?
  2. Wären diesbezüglich geführte Ortsbegehungen für die politischen Entscheidungsträger*innen eine Möglichkeit, sich ein eigenes Bild von der Waldsituation zu machen?
  3. Wie sehen die Regelungen (Wegenutzung) für die Abtransporte von Stamm- und Brennholz durch private Traktoren aus?
  4. Wie hoch sind die Einnahmen für die Stadt Stolberg aus dem kommunalen Holzeinschlag im Zeitraum von 2010 bis einschließlich 2020?
  5. Wie hoch sind im gleichen Zeitraum die Wege-Instandsetzungskosten zu beziffern, die a) der Stadt durch die Wegezerstörung (bedingt durch den Einsatz von Forst-/Transportmaschinen) entstanden sind und die b) durch die Banquette-Fräsungen zur Stabilisierung der forstwirtschaftlich genutzten Schneisen und andere Waldwege von der Stadt zu tragen sind?
  6. Wird von den Forstbetriebsleiter*innen die Einhaltung einer vom Stadtrat festgelegten Holzeinschlagquote verlangt und wird ein definiertes Einnahmeziel aus dem kommunalen Holzeinschlag gefordert?
  7. Wer ist für die Wege-Instandsetzungskosten zuständig, wenn das Wald-Wegesystem durch den Einsatz von Forstmaschinen im Auftrag von Privatwaldbesitzern überbeansprucht wird?
  8. Werden die durch die Harvester/Großtraktoren entstandenen tiefen Spuren, die nicht Bestandteil eines künftigen Wegesystems werden sondern nur der Fällung und Abholung von Bäumen dienen, soweit wieder renaturiert/repariert, dass sie Waldbesucher*innen nicht dazu animiereren, in diesen Abtransportspuren neue Waldwege zu erkennen?
  9. Ob und inwieweit ist es lt. BWaldG oder LFoG NRW geregelt, dass alle vom Borkenkäfer befallenen Bäume abgeholzt und aus den Waldgebieten entfernt werden müssen?
  10. Inwieweit wurden im Stadtrat Überlegungen angeregt und entsprechende Entscheide an die Forstleiter*innen weitergegeben, Borkenkäfer-Bäume, als Totholz in die kommunale Klimabilanz einzubeziehen?
  11. In welchem Turnus werden die Forstbestände (insbesondere Buchenbestände) durchforstet und hat sich dieser Turnus in den letzten 15 – 20 Jahren verändert? (Der Durchforstungsturnus bestimmt auch die Einsatzfrequenz der Forstmaschinen, die bei jedem Einsatz neue Einfahrtsspuren/Spurrillen in den Wäldern nach sich ziehen und zu weiteren, das Ökosystem Wald gefährdenden Parzellierungen führen).
  12. Inwieweit befolgen die der Stadt Stolberg unterstehenden Forstbetriebsleiter*innen den Natur- und Wildschutz, nach dem forstliche Maßnahmen während der Brutphasen insbesondere sensibel reagierender Tierarten (z.B. Rotmilan, Schwarzstorch) zu unterlassen sind?
  13. In welchem Turnus werden die Waldweg-Banquette abgefräst?
  14. Gibt es Überlegungen, das forstwirtschaftlich genutzte Wegesystem konsequent für den Ausbau insektenfreundlicher Blühstreifen (ähnlich der Landwirtschaft) zu nutzen, statt es immer wieder radikal abzufräsen? Wenn nicht, welche Gründe sprechen dagegen und ist ein „Königsweg“ vorstellbar, der deutlich mehr Blühstreifen ermöglicht und dennoch die Stabilität der Forstwege gewährleistet?
  15. Inwieweit befasst sich die Stolberg-Touristik mit der kommunalen Waldsituation und den daraus zu schöpfenden Tourismus-Potenzialen?
  16. Inwieweit wurden Überlegungen zur Einbindung des kommunalen/städtischen Waldgebietes in ein nachhaltiges Tourismus-Konzept mit den kommunalen Forstbetrieben in Erwägung gezogen bzw. initiiert?
  17. Inwieweit besteht die Möglichkeit, die Forstwirt*innen in die Entwicklung eines Tourismus-Konzeptes, in dem der Erhalt eines naturnahen und ästhetischeren Waldes eine wichtige Rolle spielen dürfte, einzubinden?
  18. Wer legt fest, wie oft die Waldgebiete „durchforstet“ werden?
  19. Liegen der Stadt Stolberg Studien bzgl. der Waldbrandgefahr durch Übermengen an liegen gelassenem Totholz nach einer Durchforstung vor? Insbesondere die regelmäßige Durchforstung der jungen Buchenwald-Plantagen (Ausschnitt von Erlen und Birken) hinterlässt für Jahre große Mengen an hoch entzündlichem Tot- bzw. Reisigholz, das angesichts der trockenen Sommermonate eine Gefahr für das gesamte Stadt- und Gemeindegiebiet darstellen könnte.
  20. Wie hoch ist der Wald-Anteil, den die Stadt Stolberg in den nächsten 3 Jahren und 10 Jahren aus der forstwirtschaftlichen Nutzung herausholen möchte?
  21. Inwieweit wurde von den Forstbetriebsstellen ein Konzept für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung erstellt und dem Stadtrat vorgelegt und inwieweit beinhaltet eine nachhaltige Waldbewirtschaftung hiernach auch die Belange des Naturschutzes?
  22. Gibt es forstwirtschaftliche Strategien zum Erhalt und zur Rückgewinnung der Biosiversität? Wenn ja, welche sind das?
  23. Unter welchen zu dokumentierenden Voraussetzungen dürfen Solitärbäume gefällt werden?
  24. Wie hoch sind die Einnahmen durch den Verkauf von Brennholz und entsprechenden Holzlesescheinen?
  25. Inwieweit werden die Freigaben zur Brennholzproduktion im Rahmen der Klimapolitik der Stadt Stolberg bilanziert? Wurde aufgrund der Tatsache, dass der C02-Ausstoß durch Brennholzverfeuerungen 3 x höher als der durch Erdölverbrennung ist, in den forstwirtschaftlichen Klimastrategien berücksichtigt?
  26. Inwieweit entsprechen die durchgeführten und geplanten Aufforstungen einer komunalen Klimaschutz- sowie einer kommunalen Klimaanpassungsstrategie?
  27. Wie sehen die zuständigen Forstwirt*innen ihre Verantwortung für den kommunalen Klimaschutz? Wie sieht das kommunale Klimaschutzkonzept der zuständigen Forstbetriebe konkret aus?

Identifikation der Stakeholdergruppen –> Initiierung eines konsensualen Lösungsfindungsprozesses:

  • Stadt/Gemeinde/Kommune:
  • –> Kämmerei
  • –> Touristik
  • ForstbetriebsleiterIn:
  • Sägeindustrie und Brennholzproduzenten
  • Einheimische Bevölkerung
  • Touristen
  • Ökosystem
  • –> Insekten
  • –> Klima
  • –> Boden

3. Schritt: Nach Darlegung aller Interessenslagen definieren alle Stakeholder ihr Ideal, ihre Vision von einer zukünftigen Waldnutzung

4. Die Erarbeitung diesbezüglicher Umsetzungsstrategien erfolgt durch von den Stakeholdern vereinbarte Methoden

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Nachfolgend Fotos aus dem Waldgebiet zwischen Stolberg-Vicht/ -Zweifall/ -Breinig und -Venwegen: Hierbei handelt es um ein Areal von etwa 4×4 Kilometer Luftlinie. Auf beinahe allen in diesem Waldgebiet existierenden Wegeabschnitten finden sich diese und ähnliche Bilder. Hier kann leider nur eine begrenzte Auswahl aller uns vorliegenden Bilddokumente präsentiert werden.

Wegzerstörungen durch Forstmaschinen: Aus touristisch ausgewiesenen Wald- und Wanderwege werden matschige, kaum begehbare Wegschneisen, die durch das Hin- und Herfahren der Forstmaschinen gigantische Ausmaße annehmen. Bilddokumentationen Zweifaller Wald (Dezember 2020 bis März 2021) /

Forstmaschinen „erschaffen“ neue Wegschneisen: Bilddokumentationen Zweifaler Wald 2020/2021:

Banquette-Abfräsung: Bild Zweifaller Wald (2019/20)

Buchenholz-Plantagenwirtschaft:

Totholz nach Durchforstung / Brandgefahr?

Forstwirtschaft, Harvester, Klimaschutz, Stolberg, Tourismus, Wald