Konsum: Eine Form politischer Partizipation?
Hausarbeit vorgelegt an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
Institut für Politische Wissenschaft, 2018
Persönliches: Mein Studium der Gesellschaftswissenschaften weckte mein Interesse an politischer Theorie und Analysen realpolitischer Prozesse. Mein besonderes Interesse gilt den Demokratie- und Partizipationstheorien. Die Möglichkeit und Bereitschaft des Einzelnen, sich in politische Prozesse einbringen zu können, bildet die Antriebskraft politischen Handelns. Ohne die Teilnahme der Bevölkerung, ist die politische Öffentlichkeit gegenstandslos. Der Raum politischer Öffentlichkeit gestaltet sich immer neu und passt sich an die Bevölkerung und den technischen Fortschritt an. Daher interessieren mich innere wie äußere Faktoren, die die Teilnahme des Einzelnen am politischen Geschehen ermöglichen oder einschränken können. Mir wurde die Allgegenwärtigkeit des politischen Charakters im Konsum deutlich, als ich mich persönlich näher mit veganer Esskultur und der „Zero-Waste-Bewegung“ auseinandersetzte. Neben der Prämisse eines gesunden Lebensstils, stehen zahlreiche politische Forderungen und moralische Appelle an verschiedene Industrien und politische Akteure. Die Vernetzung dieser „Communities“ geschieht meist medial, ist nicht standortgebunden und bietet eine große Bandbreite verschiedener Identifikationen und Lebensweisen. Mit der Verbreitung und Popularität dieser alternativen Weltsichten werden Forderungen an Regierungen und den Einzelhandel deutlich, ökologischere Wege der Produktion und neue Standards, beispielsweise der Tierhaltung, zu ermöglichen. Wenn auch die Erfolge solcher Bewegungen nicht von heute auf Morgen sichtbar sind, zeigten sie sich in letzter Zeit sehr deutlich. Die Diskussionen um den Plastikverbrauch der deutschen Bevölkerung, oder um Produktionszustände bei den Zulieferern verschiedener Kleiderfirmen, entfachen immer wieder neue politische Momente. Mal konflikthafter, mal in der Form eines fortlaufenden Wandels politischer und sozialer Ansichten. Mir lag es daran, dieser Entwicklung einen demokratietheoretischen Unterbau zu geben.
Einleitung
Mit der steigenden Individualisierung und Privatisierung der Bürgerschaft moderner Gesellschaften, bilden sich neue Formen politischer Partizipation heraus, die sich von einem institutionellen Überbau entfernen und sich damit nicht mehr nach bekannten Mustern kategorisieren lassen (vgl. Baringhorst 2015: 19 f.). Traditionelle Praktiken politischer Teilhabe, wie die Mitgliedschaft in einer Partei oder organisierte Bewegungen, werden erweitert durch neue, oft privatere Formen der Partizipation. Politische Meinungen, äußern sich zunehmend in Konsumboykotts und der bewussten Entscheidung zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Sie haben damit neue Eigenschaften des Politischen hervorgebracht und bieten Anstoß politische Partizipation und die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, mit Bezug auf die Herausforderungen der Moderne, neu zu denken (vgl. Van Deth 2013: 13f.) (Vgl. Rifkin 2001: 184). Mit dem Fokus der Industrienationen auf wirtschaftlicher Stärke und dem Paradigma des Wachstums wird die Abgrenzung von sozialer zu politischer Partizipation immer unschärfer (vgl. Van Deth 2013: 13f.). Die Privatperson ist als Konsument und damit als Kunde in wirtschaftliche Prozesse eingebunden. Doch mit dem Machtgefälle zwischen Konsumenten und Großkonzernen scheint die Diskussion um Umweltschäden und soziale Folgen der Massen- und Überproduktion ins Stocken zu geraten. Es stellt sich die Frage wie das Verhalten der Konsumenten einen Einfluss auf politische Prozesse haben kann. Kann der Konsument in seiner Singularität als Kunde und Verbraucher eine Auswirkung auf wirtschaftliche und realpolitische Prozesse haben? Lassen sich jenseits der Verkleinerung des eigenen ökologischen Fußabdruckes politische Entscheidungsprozesse und öffentliche Diskussionen beeinflussen?
Lange blieb die Betrachtung der politischen Aussagekraft des Konsums unbeachtet, denn sie ist im Unterschied zu bekannten politischen Handlungsmustern weniger organisiert und öffentlich. Sie steht seltener im Konfliktfeld kollektiver Identitäten und lässt sich schlecht mit bekannten Denkfiguren eingrenzen (vgl. Baringhorst 2015: 19). Eine weitere, interessante Beobachtung geht einher mit der Verstrickung von privatem, auf die eigene Person ausgerichteten, Verhalten und der Orientierung an politischen Tugenden und Forderungen. Politisches und Privates scheint sich im politischen Konsum zu verbinden. Dabei treffen gut informierte, politisch interessierte Bürger Kaufentscheidungen, die sie bewusst mit dem Ziel verbinden, eine Veränderung in der Gesellschaft und Marktwirtschaft zu bewirken. Zudem lassen sich unterschiedliche Grade der Politisierung feststellen, bemessen an der Verknüpfung des Konsums mit einer öffentlichen Kommunikation und Organisation der Forderungen (vgl. Van Deth 2013:14). Mit der enormen Bedeutung des freien Marktes für die politischen Beziehungen der europäischen Union werden auch die sozialpolitischen Schattenseiten des Marktgeschehens immer bedeutender für die Zivilgesellschaft und die Umwelt. Mit dem politischen Konsum zeichnet sich eine neue Form gesellschaftlicher Öffentlichkeit ab, die dem Bürger in seiner Singularität als Konsument ein Sprachrohr und die Möglichkeit zur öffentlichen Diskussion bieten kann. Doch kann der Konsum eine politische Partizipation darstellen und wann stößt dies an Grenzen? Dient er als sinnvolle Erweiterung der Felder in denen sich ein Bürger politisch beteiligen kann und bis zu welchem Maß kann die individuelle Kaufentscheidung einer Person ein politisches Gewicht haben? Betrachtet werden zuerst die demokratietheoretischen Voraussetzungen des politischen Konsums und die Verbindung zum Liberalismus. Darauffolgend beschäftigt sich Kapitel zwei mit dem organisatorischen Charakter und der Vernetzung politischer Konsumpraxis. Kapitel drei gibt einen Ausblick auf die Verbindlichkeit und Inklusion im politischen Konsum.
1. Bedeutung politischer Partizipation für die Demokratie
Die Frage nach der politischen Aussagekraft des Konsums führt zweifelsohne zuerst zu der Notwendigkeit „politisch“ mit Bezug auf die öffentliche, bürgerliche Partizipation zu definieren. Betrachtet wird hier die Beteiligung der privaten Bürgerschaft, folglich sind staatspolitische Akteure, wie Politiker oder Lobbyisten ausgeschlossen. Es gilt die Frage zu beantworten, welche Motivationen zu politischen Handlungen bewegen und wie der Wunsch zur Partizipation aus einer persönlichen Motivation erwachsen kann. So muss differenziert werden zwischen dem privaten Interesse, der Sorge um den eigenen Nahraum, und einer öffentlichen Artikulation des eigenen Anliegens, die sich an einen Adressaten richtet und meist mit dem Ziel verbunden ist, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen (vgl. Kaase nach Steinbrecher 2009: 28). Außerdem ist es wichtig festzulegen, welche Form von Beteiligung und Partizipation als politisch gilt und ab wann. Welche Bedingungen der Intention und Adressierung müssen erfüllt sein, damit eine Konsumpraxis, als politisch gilt?
1.1 Motivationen
Die Partizipation der Bürgerschaft stellt einen Grundpfeiler des demokratischen Geschehens dar. Entscheidungen und Beschlüsse stehen demnach immer in einer Rückkopplung zu den Wünschen der Bürger. Der demokratische Prozess kann nur mit der Beteiligung der Bürger funktionieren und baut folglich auf deren Willen zur Partizipation auf (vgl. Van Deth 2013: 10 f.). Dabei werden verschiedene Motivationen der Partizipation unterschieden.
Die Motivation zu politischer Partizipation beginnt damit zumeist in der persönlichen Lebenswelt des Individuums und seinem direkten sozialen Umfeld. So entsteht zum Beispiel der Wunsch nach einer größeren Auswahl an gesunden, nachhaltig erzeugten Lebensmitteln oder sozial gerechteren Wohnkonzepten. Diese intrinsischen Wertvorstellungen können eine Person zur politischen Partizipation veranlassen und lassen das Private zu einem politischen Bedürfnis werden. Denn der Bürger ist mit seinen eigenen Bedürfnissen eingebettet in die Gesellschaft, teilt mit ihr die Sorgen. Daher ist die Argumentation einer intrinsisch motivierten politischen Partizipation meist eine Normative und sieht an ihrem Anfang die Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Sie bietet damit aber auch die Aussicht auf neue Entwicklungsmöglichkeiten der politischen Öffentlichkeit und ist für eine Person eine der Grundvoraussetzungen, sich am öffentlichen politischen Geschehen zu beteiligen (vgl. Van Deth 2013: 11f.).
In Bezug auf das politische Konsumverhalten, könnte die intrinsische Motivation mit der Verortung der eigenen Individualität und der Sorge um den persönlichen Nahraum begründet werden. Denn der Konsum hat eine kulturelle Bedeutung für das Individuum. Die Politisierung beginnt im Konsum auf der Ebene des alltäglichen Lebens, ist näher an die Lebenswelt des Bürgers gebunden und sorgt folglich für eine leichtere Bereitschaft zur Teilnahme (vgl. Lamla 2005: 4).
Wo Religion, Familienzugehörigkeit und andere Orte der Sinngebung wegfallen, kommt die Orientierung am bewussten Konsum zum Vorschein. Der Konsument sieht seine Konsumentscheidungen als Teil seiner Identität und macht damit Aussagen über seine moralischen Standpunkte und politischen Ansichten (vgl. Ullrich 2006: 29). So kann zu einem Teil auch die Selbstdarstellung einen politischen Konsum motivieren.
Auf der intrinsischen Motivation aufbauend gilt es den Interessen, Ansichten und Wünschen ein öffentliches Gesicht zu geben und diese in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Die instrumentell motivierte politische Partizipation geht folglich über die Privatheit hinaus und hat die konkrete Einflussnahme auf politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen zum Ziel (vgl. Steinbrecher 2009: 28). Im Topos des politischen Konsums stellt sie oft eine emanzipatorische Bewegung dar. Sie ist motiviert von der Annahme, dass der Kapitalismus auch von politischer Seite nicht mehr eingehegt werden könne und sich die Verbraucher selbst von dem Marktgeschehen und dessen Folgen emanzipieren müssten. Der Staat ist dabei nicht mehr der Adressat, sondern die Großkonzerne und Global Player, die von staatlicher Regulierung entkoppelt zu sein scheinen. Die Wahrnehmung, die Regierung verliere die Oberhand über das kapitalistische Geschehen, fordert folglich ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement (vgl. Noreena Hertz nach Hitzler/Pfadenhauer 2006: 72f.).
Dabei sind beide Felder der Motivation, sowohl die intrinsische als auch die instrumentelle miteinander verbunden und bauen aufeinander auf. Politische Entscheidungen können nicht ohne die Bekundung der Wünsche der Bürgerschaft getroffen werden, weil der demokratische Prozess sonst keinen Gegenstand zur Diskussion hätte. Andererseits können sich demokratisch getroffene Entscheidungen nur durch die Beteiligung der Bürger legitimieren, was den legitimitätsorientierten Faktor der politischen Partizipation ausmacht und eine Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen voraussetzt. Dies setzt jedoch die aktive Teilnahme der Bürgerschaft voraus und ist auf einen festen, institutionalisierten Überbau angewiesen. Mit Blick auf die Form und den Grad der Organisation im politischen Konsum, wird die Verbindlichkeit und Legitimität des politischen Prozesses noch einmal genauer zu betrachten sein (vgl. Van Deth 2013: 12 f.).
1.2 Was macht den politischen Charakter des Konsums aus?
Während der Konsumboykott in früheren Zeiten als einer der letzten Auswege politischer Artikulation bei einer fehlenden Öffentlichkeit galt, ist der politische Konsum heute weitaus mehr in den partizipatorischen Alltag der Bürger integriert und gilt nicht mehr als Ausnahme (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 43).
Die zunehmende Beliebtheit des Konsums als Mittel zur politischen Partizipation impliziert die Annahme der Entgrenzung dessen, was man gemeinhin als privat bezeichnet und dem Ort politischer Praxis. Mit dem Aufweichen von Grenzen politischen und nicht-politischen Handelns, steigt auch die Komplexität der Theoriebildung über den politischen Charakter des Konsums. So schlägt Jan Van Deth eine Abstufung der Politisierung des Konsums vor, die vier Typen politisierten Konsums herausstellt.
Alle Abstufungen werden dabei nach „locus“ (Ort) und „target“ (Ziel/Adressat) vorgenommen. Befindet sich das Handeln zum Beispiel innerhalb der Sphäre der Politik, der Regierung, oder des Staates, also „im „locus“, dem bekannten institutionellen Rahmen, gilt es als politisch (vgl. Van Deth nach Baringhorst: 21). Wenn sich das Handeln nicht direkt im „locus“ befindet, ihn jedoch adressiert oder darauf abzielt, gilt es auch als politisch (vgl. Van Deth nach Baringhorst: 21). Abgehend von „locus“ und „target“ ist der Einsatz für die Gemeinschaft, auch ein politischer. Sogar Handlungen die nicht direkt den drei ersten Formen zugeordnet werden können, haben eine politische Implikation, wenn sie einen öffentlichen Charakter besitzen. So können also fast alle Handlungen, die in, oder mit Ausrichtung auf die Gemeinschaft vollzogen werden, als politisch angesehen werden (vgl. Van Deth nach Baringhorst: 21).
Außerdem haben sich die Formen politischer Partizipation seit den 90er Jahren stetig ausgeweitet. Bezeichnend ist ein Wandel, der sich durch das Aufweichen der Grenzen zwischen dem privaten Raum und dem der politischen Öffentlichkeit auszeichnet. So ist die Unterscheidung zwischen Formen sozialer und ehrenamtlicher Partizipation in Abgrenzung zu organisierter, politischer Partizipation nicht mehr trennscharf.
Mit der Bedeutung des Marktes und des internationalen Handels öffnet sich der Raum für die Artikulation von Problemen, die sowohl den Privatbürger als Konsumenten, als auch die politischen Institutionen betrifft. Dazu wird vielfach auf einen Wandel der Politisierung, weg von dem institutionellen Rahmen politischer Praxis hingewiesen. (vgl. Van Deth 2013: 13f.). Mit dem Voranschreiten staatlicher Deregulierungen und dem Rückzug des Staates von marktwirtschaftlichen Fragen, wendet sich die Politisierung zum einen stärker ins Private und dem Bürger als Individuum, zweitens sind die Adressaten politischer Forderungen immer öfter Großkonzerne und andere wirtschaftliche Akteure (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 41 f.). Nicht-staatliche Organisationen, wie Umweltschutzorganisationen kommunizieren auf nachhaltigen und politischen Konsum bezogene Normen, bewirken Aufmerksamkeit und Transparenz und formen so die Politisierung der Bürgerschaft (vgl. Baringhorst 2015: 23f.). Gleichzeitig trägt die breite Information über den Abbau natürlicher Ressourcen und die ethische und soziale Ausbeutung produzierender Länder zu einer Stärkung der Politisierung der Verbraucher bei (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 42).
In der liberalen Theorie ist das Soziale vom Politischen getrennt. Dem Politischen kommt zunehmend eine verwalterische Funktion zu und Staat bekommt die Aufgabe, ein Minimum an Gleichheit zu gewährleisten (vgl. Berlin 1969: 79). Dabei geht man davon aus, politische Verfahren seien nicht auf das Marktgeschehen übertragbar. Jedoch wandeln sich mit neuen Informationsstrukturen und der Politisierung der Verbraucher zunehmend die Definitionsgrenzen der Orte des Politischen. Aus liberaler Sicht kann der Konsum, als integrativer Bestandteil des marktwirtschaftlichen Geschehens, nicht politisch sein. Die Handlungsweise der Konsumenten und Produzenten folgt dabei einer eigenen marktwirtschaftlichen Logik, die nicht auf die Sphäre des politischen übertragbar ist (vgl. Salomon 2015: 37). Doch mit dem Rückzug des Staates, sehen immer mehr Verbraucher den Markt als eine neue Arena politischen Handelns (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 41f.). Der politisierte Konsum ist zwar aufgrund seiner veränderten Strukturen im Raum- und Zeitgefüge different von dem in der frühen Moderne geprägten Begriff der politischen Partizipation. Jedoch werden immer öfter die in der zivilen Privatheit stattfindenden Politisierungen ins Blickfeld genommen, unter welche auch der politische Konsum fällt (vgl. Baringhorst 2015: 18f.).
2. Politische Statements und Bewegungen durch bewussten Konsum
Nicht-institutionalisierte Formen politischer Beteiligung, wie Demonstrationen oder der Boykott bestimmter Produkte, werden immer populärer. Es stellt sich die Frage inwieweit sie verschieden sind, von institutionalisierten Formen politischen Handelns und welchen Organisationsformen sie folgen. Formen der dezentralisierten Partizipation, die Verschiebung politischer Partizipation hin zur Politisierung des privaten Verbrauchers, können einer Theorie der sinkenden politischen Beteiligung entgegengestellt werden (vgl. Van Deth 2013: 14). Doch wodurch zeichnet sich politischer Konsum aus?
2.1 Organisation in Zeit und Raum
Politischer Konsum beginnt überwiegend mit dem Wandel des alltäglichen Habitus im privaten Raum. Beim Konsumenten wächst das Bewusstsein, der neu gewonnenen Marktmacht der Großkonzerne durch die Globalisierung. Verbraucher werden aufmerksamer und sind umfassender informiert. Dies ist zu einem großen Teil Nichtregierungs-Organisationen und zivilgesellschaftlicher Netzwerke zu verdanken. Dabei erreichen Informationen die Verbraucher auf verschiedensten Wegen. Hier dienen gemeinschaftliche Orte wie Einkaufszentren, vor allem aber auch das Internet, der Öffentlichkeitsarbeit. Die Ausprägung der Organisation kann sich durch Kommunikation und Vernetzung zivilgesellschaftlicher Netzwerke von Verbrauchern ausweiten. So können politische Forderungen, beispielsweise nach gerechterer Tierhaltung oder nachhaltigerer Landwirtschaft in öffentliche Diskurse eingebracht und damit Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse genommen werden (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 42f.)
So erfährt der anfänglich im privaten Raum stattfindende Konsum eine Form der Politisierung. Dies bildet den Übergang eines von einer intrinsischen Motivation geprägten, überwiegend individuellen politischen Konsums, hin zu einer instrumentellen Durchsetzung, Organisation und aktiver Partizipation am politischen Prozess. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Formen der Politisierung des Konsums. Während sich der Begriff des politischen Konsums eher auf das individuelle Verhalten bezieht, das in seiner Vermehrung und Kollektivierung eine Politisierung erfährt, beschreibt der Konsumerismus die organisierte Form, die eine kollektive Bewegung darstellt (vgl. Lamla nach Niesyto 2007: 217).
Im Folgenden soll jedoch stärker auf die Form des politischen Konsums eingegangen werden. Das Erscheinungsbild und die theoretische Eingrenzung des politischen Konsums unterscheidet sich von bekannteren politischen Bewegungen. Er umfasst eher ein Spektrum eines mehr oder weniger politisierten Umgangs mit dem Konsum und Marktgeschehen. Dies reicht von der völlig individuellen Entscheidung zum Kauf oder Boykott eines bestimmten Produktes, bis zu ausgeprägteren Formen des Konsumerismus. Jedoch können auch vermeidlich individuellere Konsumpraktiken einen politischen Beitrag leisten. So zum Beispiel in der Addition einzelner Konsumentscheidungen und der damit verbundenen Entwicklung einer „Konsumentenmacht“ (Baringhorst 2015: 20). Dies setzt jedoch eine gewisse Basis an Konsens voraus, der durch die öffentliche Kommunikation wissenschaftlicher Forschung und den Einsatz politisch aktiver Organisationen und Verbände bestärkt und hervorgebracht wird. So zum Beispiel durch die Arbeit von Organisationen wie „Transfair“ oder „Foodwatch“. Diese werden wiederum auch immer stärker in politische Diskussionen eingebunden, und geben der Bewegung ein öffentliches Gesicht. So ist für den politischen Konsum in jedem Fall eine gewisse Rückkopplung und Orientierung an der Öffentlichkeit entscheidend (vgl. Janning 2005: 37)(vgl. Lamla 2005: 15).
Eine Eigentümlichkeit politischer Konsumpraxis des Alltags besteht jedoch oft in ihrer Routine. Sie ist stärker in den Alltag integriert, oft von wiederholten bewussten Konsumentscheidungen geprägt und seltener am Konflikt orientiert. Der politische Charakter bleibt jedoch auch in der Routine bestehen, wenn das routinisierte Kaufverhalten mit politischen Forderungen verbunden wird (vgl. Lamla 2006: 13). Vielleicht macht in der Moderne gerade die Routine und die Integration in das alltägliche Leben den großen Zuspruch zu politischen Alltagspraktiken aus. Die Schwelle zum Zugang ist niedrig, verpflichtende Elemente schwach ausgeprägt, der Habitus politischer Konsumpraxis bietet Kontinuität und dauerhafte Präsenz. Es bleibt zu fragen, ob dies mit einer bleibenden Unterstützung organisierter Formen des Konsumerismus einhergeht. Es kann jedoch festgehalten werden, dass Formen individualisierten politischen Konsums in ihren Zeitstrukturen von einer stärkeren Kontinuität geprägt sind. Politischer Konsum ähnelt auf der Ebene der individuellen Verbraucher eher einer Lebensart als einem konfliktorientierten Diskurs (vgl. Baringhorst 2015: 20).
Politische Alltagspraktiken fanden jedoch bisher weder in der Erforschung sozialer Bewegungen, noch in der politischen Partizipationsforschung große Aufmerksamkeit. Der Fokus liegt dort oft einseitig auf der instrumentellen Motivation zu politischer Partizipation, während der politische Konsum ein Phänomen sowohl intrinsischer als auch instrumenteller Motivationen zu sein scheint. Zudem bestärkt das instrumentelle Verständnis der Teilhabe eine auf Repräsentation und Wahlakte beschränkte Beteiligung der Bürger. Selten geraten Themenfelder, die den Konsum betreffen, in das Blickfeld politischer Öffentlichkeit. Dies lässt sich aus der eher geringeren Öffentlichkeitswirksamkeit eines organisierten Konsumerismus erschließen. Die Themenschwerpunkte sind seltener emotional aufgeladen, weniger radikal und sorgen damit auch seltener für Aufsehen (vgl. Hilton 2005: 18).
Es liegt die Annahme nahe, es bilde sich nur im Falle akuter Missstände mit dem kurzweiligen Aufschrei der Konsumenten ein politisches Moment, das dann schnell wieder abflacht und keine langfristige politische Basis hinterlässt. Eine kurzweilige, starke politische Konflikthaftigkeit, die keine weitgreifenden Spuren hinterlässt. Die Organisationsstrukturen und Vernetzungen politischer Organisationen sind jedoch häufig indirekt und nicht auf den ersten Blick einsehbar. So befindet sich beispielsweise hinter Testzeitschriften zum Verbraucherschutz ein Netzwerk politisch aktiver Organisationen, die die Unterstützer und Abonnenten indirekt in politische Bewegungen einbinden (vgl. Hilton 2005: 18).
Größere Organisationen verlieren jedoch an Bedeutung. Dies liegt zu einem großen Teil an neuen Themenschwerpunkten und Ansprüchen. Die Ziele und Anliegen der Aktivisten haben sich geändert und damit auch die Form und das Ausmaß der Organisation. Während man zur Zeit des neu gewonnenen Wohlstandes der Nachkriegszeit, die Herausforderungen einer komplexeren Wirtschaft und der Technisierung adressieren wollte, bilden heute die Nachhaltigkeit, Globalisierung und die wachsende soziale Ungleichheit die Schwerpunkte der Diskussion um den Konsum. Mit weiteren Einflussfaktoren, wie der Individualisierung, der Privatisierung und neuen Möglichkeiten zur Vergemeinschaftung und Vernetzung über digitale Medien, verändern sich auch Organisationsstrukturen, Intensität und Dichte der Organisation (vgl. Hilton 2005: 26f.).
2.2 Kommunikation und Verbreitung
Eine neue, besondere Form politischer Zusammenschlüsse stellen Gemeinschaften in sozialen Netzwerken dar. Mit der Ausdifferenzierung der Themen für die Konsumenten einstehen, verändert sich die zeitliche und räumliche Lagerung des Politischen. Die Differenzierung zwischen individuellen und kollektiven Kontexten verschwimmt zunehmend, und auch die Grenzen zwischen privat und öffentlich sind nicht mehr trennscharf (vgl. Baringhorst 2015: 26). Soziale Beziehungen werden immer häufiger über Netzwerke gepflegt und machen politisches Engagement über eine zeitliche und räumliche Trennung hinweg möglich. Informationen, beispielsweise über Produktionsverhältnisse in Kleidungsfabriken, erreichen den Verbraucher in einer bisher nicht gekannten Schnelligkeit und Effizienz. Die schnelle Verbreitung von Informationen über soziale Netzwerke kann in kurzer Zeit einen enormen politischen Druck auf Hersteller und Großkonzerne ausüben (vgl. Michelletti, Stolle: 42f.).
Darüber hinaus beeinflussen die Wege der Kommunikation in den letzten Jahren erheblich die Form des individualisierten politischen Konsums. So schaffen sie „neue Übergänge zwischen schwach und stark organisierten Formen des Handelns“ (Baringhorst 2015: 25). Social Media bietet die Möglichkeit sich von traditionellen, einen weiten Themenkomplex umfassenden, politischen Bewegungen abzugrenzen und sich „niedrigschwelligen, issue-bezogenen“ (Baringhorst 2015: 26) Themen zuzuwenden. Mit der Ausdifferenzierung von Interessengemeinschaften durch neue Medien zeigt sich eine stärker individualisierte, privatere Form der Beteiligung am politischen Geschehen (vgl. Baringhorst 2015: 26).
Die kulturelle und politische Welt, die der Selbstverwirklichung und die der Teilhabe, unterliegen zunehmend einem Wandel in Richtung der Kommerzialisierung und dem Verlust an Trennschärfe (vgl. Rifkin 2001: 188). Dabei bieten alternative Lebensformen und Weltsichten einen Anhaltspunkt zur Selbstidentifikation und Zugehörigkeit. Ein, durch die mediale Vernetzung verbreitetes, neu gewonnenes Bewusstsein über die Marktmacht der Großkonzerne bringt die junge Bevölkerung nach Jeremy Rifkin dazu, die etablierte „Wirtschaftsethik in Frage zu stellen und neue Interessengemeinschaften zu bilden“ (Rifkin 2001: 22).
Kritisch zu sehen ist jedoch in diesem Zusammenhang der Verlust des Tiefgangs, der näheren Beschäftigung mit einem Themenkomplex durch die Flüchtigkeit neuer Medien. Soziale Netzwerke können die etablierten Formen politischer Partizipation wahrscheinlich nicht ersetzen. Für eine übergreifende, anhaltende Beteiligung reichen die kurzen, thematisch eingegrenzten, politischen Interaktionen nicht aus, um parteiliche Organisation und demokratische Prozesse zu ersetzen (vgl. Rifkin 2001: 22).
Der gerichtete, politische Konsum kann jedoch einen partiellen demokratischen Beitrag leisten, auf bestimmte Missstände aufmerksam machen und BürgerInnen für Themen der Nachhaltigkeit und Ökologie sensibilisieren. Es wäre anzunehmen, dass politische Konsumpraktiken und Netzwerke die einst getrennten sozialen Felder der Kultur und der politischen Sphäre auf einer neuen Ebene der sowohl privaten, als auch politischen Öffentlichkeit zusammenfügen. Der politische Konsum befindet sich damit in einem „Spannungsverhältnis von individuellen und kollektiven Handlungsdimensionen“ (Baringhorst 2015: 20). Gerade im Kontext sozialer Medien wird die Tendenz zur Individualisierung und Endinstitutionalisierung der politischen Partizipation im Konsum deutlich.
Es stellt sich insbesondere mit Blick auf soziale Netzwerke die Frage ob bei der Verwischung der Grenzen zwischen privat und politisch, zwischen individueller Kaufentscheidungen und kollektiver moralischer Appelle, ein Substanzverlust politischer Themenfelder stattfindet. Wenn Politik, verbunden mit Konsum, zu einem Lifestyle wird, ist sie dann noch legitim und hat sie in der Unabhängigkeit von institutionellen Rahmenbedingungen überhaupt eine substanzielle Macht? Fehlt es den sozialen Medien an Tiefgang und Beständigkeit um einen Raum für ernsthafte, politische Diskussionen und Vergesellschaftung schaffen zu können? So kann der politische Konsum vielleicht nur als ein punktueller Beitrag zur Erweiterung der politischen Öffentlichkeit gesehen werden. Gleichsam als ein neuer Input für den politischen Prozess (vgl. Van Deth 2013: 14f.).
2.3. Kommerzialisierung des politischen Konsums
Der Konsum und die Vermarktlichung kultureller Sphären lassen die Grenzen zwischen dem politischen und dem kulturellen Subjekt immer weiter verwischen. Das staatsbürgerliche Rechtssubjekt wird auf seine Eigenschaften als Verbraucher und „individueller Vertragspartner“ (Lamla 2006: 16) heruntergebrochen.
So nimmt auch der Markt zunehmend die kulturelle Tendenz zur nachhaltigen Lebensführung und politischer Anliegen auf und kommerzialisiert den bewussten Lebensstil. Damit wird versucht, politische Ambitionen und Wertevorstellungen ökonomisch zu nutzen und mit ihnen zu werben. Dies impliziert auch die Frage inwieweit sich politisches Engagement, sei es durch Konsum oder andere Felder der Partizipation mit „Wertemarketing“ kommerzialisieren lässt und welche Folgen dies für den demokratischen Alltag hätte (vgl. Hitzler/Pfadenhauer 2006: 73).
Denn das Konsumverhalten der modernen Gesellschaft ist stark ausgerichtet auf die personale Identität der Verbraucher. Das Marketing orientiert sich vor allem an der Fiktionalisierung. So werden Produkte durch Werbung mit Vorstellungen, Orten und Szenarien verknüpft, nach denen sich der Käufer sehnt. Ziel der Werbung ist es damit auch, ausschließlich positive Vorstellungen zu bekräftigen. Erfahrungen und Geschichten kann man käuflich erwerben. Sie sprechen dann für die Person und werden zu Statussymbolen (vgl. Rifkin 2001: 183). Gleichzeitig bewirkt der Fokus auf dem Konsumenten, dass dem Produktionsprozess und den Produzierenden wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Umstände der Herstellung eines Produktes geraten in den Hintergrund und so auch aus dem Blickfeld des Konsumenten selbst (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 42).
Damit liegt es auch nahe, neue gesellschaftliche Bewegungen, die für einen nachhaltigen, ökologischen Konsum eintreten, mit Blick auf die Tendenz der Selbstinszenierung und die Neigung zu einer „Lifestyle-Bewegung“ kritisch zu betrachten. Schnell kann nachhaltiger Konsum zu einem marketingstrategischen Mittel werden, das mit Individualität und Modernität wirbt, den Konsum jedoch selten aus politischer, kritischer Sicht hinterfragt. Die politische Partizipation durch Konsum könnte so leicht von marktwirtschaftlichen Interessen untergraben werden.
3. Verbindlichkeit und Inklusionspotenzial des politischen Konsums
In modernen Gesellschaften zeigt sich mit steigender Individualisierung die Tendenz zur Vermeidung langer Mitgliedschaften und Gebundenheit. Der politische Konsum kann hingegen dem Individuum dazu dienen sich politisch zu beteiligen ohne in eine dezidiert politische Öffentlichkeit treten zu müssen. Damit beschränkt sich die Partizipation auf einen bestimmten Teilbereich, für den der Konsument einstehen möchte. Die Zustimmung zu nicht-institutionalisierten Formen der politischen Partizipation nimmt zu, während die Bürger Institutionen und parteilichen Organisationen weniger Vertrauen schenken (vgl. Van Deth 2013: 14). Denn der politisierte Konsum sieht sich gerade nicht gezwungen in einer öffentlichen parteilichen Form der Organisation für eine Bandbreite von politischen Themenfeldern einzustehen, sondern kann sich punktuell einsetzen und Gehör verschaffen. Themen werden gezielter adressiert, es bilden sich einzelne Spezialisierungen und Gruppierungen heraus. Er gehört daher einer der nicht-institutionellen Partizipationsformen an, die in der Welt flüchtiger Interaktionen immer mehr an Zustimmung und Popularität gewinnen (vgl. Michelletti, Stolle 2005: 50).
Jedoch werden sie mit ihrer vermehrten Zustimmung auch kritisch betrachtet. Auch wenn der individuelle politische Konsum im privaten Raum von einer gewissen Routine und Regelmäßigkeit geprägt ist, befürchtet man, der Prozess politischer Entscheidungsfindung könne erodieren. Denn mit der Zuwendung zu nichtinstitutionellen Formen politischer Partizipation könnte die Zustimmung zum institutionellen Entscheidungsprozess abflachen, und damit seine Legitimation. Der politische Konsum findet immer noch selten den Einzug in die politische Entscheidungsfindung. Die Zustimmung und Unterstützung politischer Konsumpraxis kann nicht das weite Themenspektrum staatspolitischer Entscheidungsfindung ersetzen. Daher ist es mit Blick auf die Notwendigkeit der Legitimation bedeutend, diese Lücke in der Beteiligung zu füllen (vgl. Van Deth 2013: 14f.).
Es muss jedoch nicht zwangsläufig die Annahme gemacht werden, beide Sphären, die der institutionellen und die der nicht- institutionellen Partizipation, würden einander die Beteiligung am politische Prozess streitig machen. So könnte der politische Konsum auch unterstützend fungieren und mit seinem thematischen Fokus dem politischen Prozess einen besonderen Input geben. Der politische Konsum bietet nicht in einem gleichen Maße Verbindlichkeit und Allgemeingültigkeit, wie die etablierten institutionellen Formen des demokratischen Prozesses, jedoch bringt er neue Qualitäten und Sichtweisen in Bezug auf Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik.
Es stellt sich jedoch auch die Frage, wie inklusiv die Partizipation mittels politischen Konsums ist. Kann jeder zu einem gleichen Maß teilnehmen, oder ist die politische Wirkungsmacht beschränkt auf ausgewählte gesellschaftliche Klassen?
Ulrich Beck prägte den Begriff der „Subpolitik“. Jene Politik, die entkoppelt ist von staatlichen Regelungen, die nicht von institutioneller Seite beschlossen und durchgeführt wird, sondern von unten, in Eigenorganisation unterschiedlichste, politische Forderungen stellt. Sie wird dabei Teil der Marktwirtschaft, Politik wird ökonomisiert (vgl. Beck 2007: 178). „Der Markt selbst wird zum Ort demokratischer Praxis“ (Salomon 2015: 43). Die Fähigkeit politischer Einflussnahme setzt dabei jedoch eine gewisse Kaufkraft voraus. Die Möglichkeit und das Ausmaß in der einen Person politisch partizipieren kann, richtet sich danach, ob sie sich potentiell zu Konsumgütern einen Zugang verschaffen kann, oder nicht. Die Potentialität konsumieren zu können, gibt dem Konsumenten die politische Aussagekraft, dies nicht zu tun. Wenn der „Kaufakt als Stimmzettel“ (Beck 2007 182) gewertet wird, werden somit jene, die nicht über diese Potentialität verfügen, im Vornherein ausgeschlossen (vgl. Salomon 2015: 42). Es nehmen damit vermehrt einkommensstarke Gesellschaftsschichten am politischen Konsum teil (vgl. Van Deth 2013: 15). Der politische Konsum wäre als subpolitisches Moment mit Blick auf die Chancengleichheit erst dann vollkommen legitim, wenn jedem die gleiche Kaufkraft zugestanden würde, damit er sich in einem gleichen Maße am politischen Prozess beteiligen kann. Daher würde die Ungleichheit der Besitzverhältnisse, mit der Aufnahme des politischen Geschehens in marktwirtschaftliche Abläufe, reproduziert und damit bliebe Vielen der Zugang zum politischen Geschehen verwehrt (vgl. Salomon 2015: 43). Dies zeigt einen weiteren kritischen Punkt politischen Konsums. Er ist nicht auf die Chancengleichheit der Teilhabe konzentriert und bleibt überwiegend einkommensstärkeren, akademischen Schichten der Bevölkerung vorbehalten (vgl. Van Deth 2013: 15).
Fazit
Der politische Konsum kann einen wertvollen Beitrag zu einer stärkeren Öffentlichkeit und Kommunikation umweltpolitischer und sozialer Probleme sein. Er bietet die Möglichkeit für Transparenz marktwirtschaftlicher Abläufe zu sorgen und auf Missstände aufmerksam zu machen. So liefert er etablierten politischen Institutionen einen thematisch spezialisierten Input und den Konsumenten eine Möglichkeit ethische und moralische Standpunkte gegenüber der Marktwirtschaft zu formulieren und politische Debatten anzustoßen. Jedoch kann der politische Konsum nicht die institutionellen Formen der Partizipation ersetzen. Er bewegt sich auf einer niedrigeren Schwelle politischer Organisation und Institutionalisierung und ist oft geprägt von einer geringen Öffentlichkeitswirksamkeit. Er kann eher dazu dienen, einen kontinuierlichen Input für institutionelle Formen der Politik zu leisten und so spezifischer und zielgerichteter Einfluss nehmen. Es muss zudem mitbedacht werden, dass der politische Konsum als Form politischer Partizipation auch mit Hinblick auf seine Chancengleichheit kritisch zu betrachten ist. Nicht jeder Bürger kann in einem gleichen Maße am politischen Konsum beteiligt sein (vgl. Salomon 2015: 43). Mit seiner Einbindung in den Alltag der Konsumenten, der routinierten Präsenz der Aufmerksamkeit, sorgt er für eine fortlaufende Beteiligung und Kontinuität. So kommt es selten zu konfliktartigen politischen Debatten, jedoch häufig zu unterschwelligen Einflussnahmen auf das politische Geschehen. Die politische Stimme der Konsumenten wird im öffentlichen Diskurs wie im privaten Habitus immer bedeutender.
Gerade mit Blick auf die wachsende Zentralisierung von Besitz auf immer weniger Konzerne, der Monopolbildung und vor allem Transnationalität ist es bedeutend eine informierte, beteiligte Öffentlichkeit zu schaffen, die abseits der staatlich organisierten Öffentlichkeit, beginnend im privaten Raum und regionalen Organisationen für Bewusstsein sorgt (vgl. Rifkin 2001: 13; 24f.).
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Literaturverzeichnis:
Baringhorst, Sigrid (2015): Konsum und Lebensstile als politische Praxis – systematisierende und historisch kontextualisierende Annährungen, in:
Forschungsjournal Soziale Bewegungen (Jg.28, 2/2015), online im Internet [zugegriffen am: 27.02.2018], S. 17-27.
Beck, Ulrich (2007): Weltrisikogesellschaft, Frankfurt am Main.
Berlin, Isaiah (2006): Freiheit, vier Versuche, Frankfurt am Main (Orig. Four Essays on Liberty, Oxford 1969).
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