
Raphaela Kell: Hochschule, Kommune und Industrie im Dialog: Das CE-Zentrum als Schlüssel zu beschleunigten Kreislaufprozessen
Trotz der politischen Bekenntnisse zur Kreislaufwirtschaft bleibt der tatsächliche Aufbau regionaler Kreislaufsysteme bisher zäh, fragmentiert und eher dem Zufall überlassen. Der Glaube, dass sich gute Ideen wie biobasierte Kunststoffe, innovative Recyclingverfahren und zirkuläre Materialen oder modulare Bauweisen durch die Kraft der Märkte schon von allein durchsetzen und verbreiten, verkennt eine entscheidende Realität: Ohne gezielte Koordination bleiben Angebot und Nachfrage oft schlicht unverbunden. In der Praxis fehlt es an Timing und Matching – etwa zwischen Landwirt:innen, die neue Faserpflanzen wie Nessel oder Hanf kultivieren wollen, und Textilunternehmen, die diese Materialien tatsächlich verarbeiten könnten bis hin zu regionalen Vertriebsstrukturen. Auch die Abfall- und Entsorgungswirtschaft kann ihre Sekundärrohstoffe oft nicht wirtschaftlich verwerten, weil keine verlässlichen regionalen Abnehmerstrukturen bestehen. Damit bleibt Kreislaufwirtschaft vielerorts Stückwerk.
Hinzu kommt: Selbst dort, wo in Forschungsinstituten neue Materialien, Rezyklate und zirkuläre Technologien bereits entwickelt wurden, gelingt der Wissenstransfer in die Unternehmenslandschaft bislang nur unzureichend. Die marktreife Lösung ist häufig längst vorhanden – nur kennt sie niemand, oder ihre Umsetzung bleibt mangels betriebswirtschaftlicher Anschlussfähigkeit liegen. Ein ganzheitliches, strategisch geplantes Kreislaufwirtschaftssystem kann unter solchen Bedingungen kaum oder nur sehr zögerlich entstehen.
Neben fehlender Koordination und fehlendem Wissenstransfer scheitert der Aufbau kreislaufwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten oft auch an mangelnden finanziellen Ressourcen – insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie in der kommunalen Verwaltung. Hier braucht es gezielte Unterstützung bei der Identifikation passender Förderprogramme und beim Einwerben von Drittmitteln für Pilotprojekte, Investitionen in Recyclinginfrastruktur oder neue Geschäftsmodelle.
Angesichts der Tatsache, dass gut funktionierende und koordinierte Kreislaufwirtschaftssysteme derzeit zu den wirkungsvollsten Hebeln zählen, um internationale Klima- und Umweltschutzziele zu erreichen, die Abhängigkeit von globalen Rohstoffmärkten zu verringern und gleichzeitig neue regionale Wachstumsbranchen zu fördern, ist es dringend geboten, diesen Transformationspfad entschlossen zu beschreiten.
Was es deshalb braucht, ist ein Kooperations- und Koordinationszentrum für regionale Kreislaufwirtschaftsentwicklung, das Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft, Innovationsförderer und Zivilgesellschaft systematisch zusammenbringt. Nur so lassen sich Materialangebot und -bedarf präzise aufeinander abstimmen, von Nessel- oder Hanffasern bei Landwirten bis hin zu Sekundärrohstoffen aus der kommunalen Abfallwirtschaft, und rentable Wertschöpfungsketten aufbauen.
Dieses Zentrum übernimmt die kontinuierliche Aktualisierung von Bedarfsanalysen und fördert die Datenkompetenz in allen Phasen des CE-Zyklus. Es stellt sicher, dass regionale Materialien – ob Recyclingbeton im Bauwesen oder Biopolymere in der Textil- und Elektronikindustrie – planbar verfügbar sind, und minimiert gleichzeitig Transportkosten und CO₂-Emissionen durch kürzere Lieferwege. So werden aus vermeintlichen regionalen Abfallströmen wertvolle Sekundärrohstoffe, die in spezialisierten Bauhöfen oder Materialbanken den regional ansässigen Unternehmen wiederverfügbar gemacht werden.
Zugleich steigert ein solches CE-Zentrum die Unabhängigkeit von volatilen internationalen Rohstoffmärkten und sichert Arbeitsplätze samt Know-how in der Region. Konkrete Matchings, etwa zwischen Landwirten und textilverarbeitenden Unternehmen oder zwischen Abfallentsorgern und Bauunternehmen, beschleunigen Innovationszyklen und reduzieren Logistikkosten. Maschinenbauer und Start-ups können gemeinsam modulare Recyclinganlagen entwickeln, die lokale Abfallströme oder biobasierte Materialen effizient aufbereiten.
Ein solches Zentrum sollte nicht nur als Plattform für Material-Matchings und Kooperationen dienen, sondern auch als Kompetenz- und Koordinationsstelle für Fördermittelberatung. Es könnte gezielt Projektideen für die Region initiierend und/oder bündeln, Förderanträge begleiten und gemeinsam mit Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Kommunen Mittel aus Landes-, Bundes- oder EU-Programmen akquirieren.
Darüber hinaus fungiert das Zentrum als politischer Fürsprecher für kommunale Förderprogramme und regulatorische Anreize, organisiert Bildungs- und Sensibilisierungskampagnen für Bürger:innen und Unternehmen und überwacht den Fortschritt mithilfe klarer KPIs – von Sekundärrohstoffanteilen über CO₂-Einsparungen bis hin zur regionalen Wertschöpfung. Auch die Entwicklung von Schulungs- und Qualifizierungsprogramme für Mitarbeitende aus Wirtschaft, Verwaltung und Abfallwirtschaft stärken die CE-Kompetenz vor Ort und ermöglichen eine schnelle Adaption neuer Technologien und Methoden.
Nur durch dieses koordiniert interdisziplinäre Vorgehen kann aus einzelnen Pilotprojekten ein flächendeckendes, resilient agierendes Kreislaufsystem werden. Ein Kooperations- und Koordinationszentrum ist der Hebel, der alle Akteure verbindet, Materialströme optimiert und den Wandel in regionalen Wertschöpfungsketten beschleunigt – für eine nachhaltige, unabhängige und zukunftsfähige Wirtschaft.
CE Hub, Kooperations- und Koordinationszentrum für regionale KreislaKreislaufwirtschaftufwirtschaftsentwicklung