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Timo Staritz: Städtische Klimapolitik und die Erstellung von Klimaplänen am Beispiel von zwei Göttinger Maßnahmenpapieren

Vorgelegt als Hausarbeit von Timo Staritz am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen

Einführung

Die Klimakrise stellt die wahrscheinlich größte Aufgabe des 21.Jahrhunderts dar. Sie wird nur global und mithilfe nachhaltiger Einschnitte in allen Bereichen der Gesellschaft zu meistern sein. Außerdem müssen Veränderungen bereits auf den untersten administrativen Ebenen vorangebracht werden, um großflächige Wirkung zu erzielen. Mit den siebzehn „Zielen für nachhaltige Entwicklung“ formulierten die Vereinten Nationen (UN) 2015 erstmals konkrete, politische Handlungsbereiche. Die Mitgliedsstaaten sehen die Ziele als einen globalen „Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten“ (Vereinte Nationen – Regionales Informationszentrum für Westeuropa 2022). Betont wird jeweils die Wichtigkeit der Kommunen und Städte im Kontext der großen Anstrengungen der globalen Transformationsprozesse, durch die eine größere Klimakatastrophe abgewendet werden soll.
Es ist demnach ein Zusammenspiel von lokalen Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft notwendig, um die Herausforderungen zu bewältigen. Wie ein solches Zusammenspiel im Sinne der Transformation als politisches Instrument umgesetzt werden kann, zeigt der „Klimaplan Göttingen 2030“. Mithilfe aktive Bürger*innenbeteiligung wurde eine Strategie entwickelt, welche die Universitätsstadt klimafreundlicher machen soll. Prämiert wurde diese mit dem 3. Platz in der Ausschreibung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2021 in der Kategorie Großstädte. Lobend hervorgehoben wurde die Eigenschaft Göttingens als
„fahrradfreundliche und klimabewusste“ (Deutscher Nachhaltigkeispreis 2022) Stadt. Seit den 1990er Jahren versucht die Stadt durch Klimapläne und andere Initiativen, Fortschritte in den Bereichen Nachhaltigkeit, Mobilität und bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu machen. Bereits 2014 wurde mit dem „Masterplan 100% Klimaschutz“ ein groß-angelegtes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Nach Auswertung im Jahr 2018, und Nichterreichung der angesetzten Ziele, wurde im Rahmen des „Klimaplan 2030“ eine neue Strategie entwickelt. Diese Arbeit stellt sich nun am Beispiel der beiden Klimapläne der Frage, welche Kriterien eine effektive, städtische Klimapolitik auszeichnen.
Um das zu beantworten, werden mithilfe einer umfassenden Literaturkritik, Kriterien untersucht und aufgestellt, die eine zielgerichtete und effektive Klimapolitik definieren können. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Frage der Partizipation gelegt, die vermutlich, als großer Unterschied zwischen den beiden Göttinger Initiativen, zu einer größeren Wirkung des „Klimaplan 2030“ beitragen könnte. Allgemeines Ziel jedoch bleibt die Entwicklung von konkreten Bewertungskriterien, die auf den Prozess der Entstehung von Klimapapieren im Sinne der nachhaltigen Stadtentwicklung angewendet werden können. Anhand dieser Kriterien werden im Folgenden auf die genannten Göttinger Strategien analysiert. Daraus können möglicherweise bereits erste Gründe für das Scheitern des „Masterplans 100% Klimaschutz“ abgeleitet werden.
Neben der Auszeichnung durch den Deutschen Nachhaltigkeitspreis, wurde das Göttinger Fallbeispiel auch gewählt, da die Stadt auch als ein Vertreter einer beliebigen mittelgroßen deutschen Großstadt gesehen werden kann. Die zentrale Lage in Deutschland, eine große Universität und gute Anbindung in umliegende Regionen, macht die Stadt zu einem guten Fallbeispiel, welches auch für andere deutsche Städte Aussagekraft besitzen kann. Zudem bieten die über vierzig Jahre Erfahrung in der Klimapolitik eine exzellente Datenlage. Ebenso wurde der Entstehungsprozess der Klimapapiere, sowie die Evaluation des „Masterplan 100% Klimaschutz“ ausführlich dokumentiert und im Internet bereitgestellt.
Nach der angekündigten Literatur Review, welche den Forschungsstand zur städtischen Klimapolitik, zu allgemeingültigen Bewertungskriterien von Klimapolitik und der Frage der Bürgerpartizipation darstellen wird, können eigenständig Merkmale von einer effektiven, städtischen Klimapolitik genannt werden. Daraufhin liefert die Abhandlung eine kurze Betrachtung der beiden Klimapapiere, ihrer Inhalte und Ziele, die dementsprechend auch in einen chronologischen Kontext eingeordnet werden können. Weiter werden im folgenden Kapitel die gewählten Bewertungskriterien angelegt, um Unterschiede und mögliche Fehler bei der Entstehung der Klimapläne zu identifizieren. Schließlich fasst das letzte Kapitel die Erkenntnisse zusammen und beschreibt weitere Forschungsziele, um nähere Erkenntnisse zur Problematik der städtischen Klimapolitik und ihrer Wichtigkeit für den globalen Kampf gegen den Klimawandel zu sammeln.

Literatur Review

Zu Beginn dieser Abhandlung über den aktuellen Forschungsstand, werden kurz die Bemühungen der Vereinten Nationen auf internationaler Ebene, die Verknüpfung des Kampfes gegen den Klimawandel und der Stadtentwicklung, beleuchtet. Das aktuelle Produkt dieser Entwicklung, die „Ziele für nachhaltige Entwicklung, und insbesondere die „Guiding Principles for City Climate Action Planning“ sind von großer Wichtigkeit für die Entwicklung der Bewertungsmatrix. Daraufhin werden weitere Versuche von verschiedenen Autor*innen präsentiert, Klimapolitik anhand festgelegter Kriterien zu bewerten und vergleichen. Zuletzt wendet sich diese Literatur Review den Texten zu, die insbesondere das Zusammenspiel von städtischer Bürgerbeteiligung und Klimaschutz zum Thema haben.
Bereits in den 70er Jahren wurde auf internationaler Ebene der Grundstein für die Verknüpfung des Kampfes gegen den Klimawandel und Stadtentwicklung gelegt. Im Jahr 1976 wurde das UN-HABITAT Programm zur Koordinierung dieser Bemühungen ins Leben gerufen. (vgl. United Nations 1976) Der Begriff der Nachhaltigkeit fand jedoch erst 1992 im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro Einzug. Neben der Gründung einer Kommission zur Nachhaltigen Entwicklung sah die verabschiedete Agenda 21 die Förderung von nachhaltiger Entwicklung menschlicher Siedlungen vor (vgl. United Nations 1992).
Im Jahr 2000 wirkten die Vereinten Nationen daraufhin sehr prominent bei der Erstellung der Milleniumsziele mit. Im Entwicklungsziel sieben wurde hierbei den Wunsch nach Ökologischer Nachhaltigkeit verankert, wenngleich der Bezug zu menschlichen Siedlungen und Städten nicht explizit hergestellt wurde. Nach eingehender Überprüfung dieser Zielsetzungen wurde auf der im Jahr 2012 abgehaltenen Rio+20-Konferenz die Formulierung neuer Bestrebungen beschlossen. Anstelle der Milleniumsziele traten damit 2016 die „Ziele für Nachhaltige Entwicklung“ in Kraft. Als elftes der 17 öffentlichkeitswirksam aufgestellten Ziele findet sich der Schwerpunkt Nachhaltiger Städte und Gemeinden. Bereits vor Inkrafttreten dieser Richtlinien, wurde durch das UN-HABITAT Programm die konkreten „Guiding Principles for City Climate Action Planning“ vorgestellt.
Explizit richtet sich dieser Bericht an kommunale Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft und gliedert sich in acht Prinzipien, welche wichtigen Themenfelder bei der Erstellung eines Nachhaltigkeitsplans im städtischen Transformationsprozess zu beachten sind. Zunächst muss eine Ambition erkennbar sein. Darunter verstehen die Ersteller*innen eine großangelegte Zielsetzung mit jeweiligen Zwischenschritten, um diesem näher zu kommen. Des Weiteren fordern sie einen inklusiven Prozess, welcher mehrere administrative Bereiche, Interessensgruppen und die Öffentlichkeit in allen Planungsschritten einbezieht. Hierbei sei es besonders wichtig, darauf zu achten auch marginalisierte Gruppen einzubinden. Das dritte Prinzip der Fairness bezieht sich auf die Risiko, Kosten- und Nutzenverteilung auf eben jede dieser Gruppen. Hinzu kommt, laut den Vertretern des UN-HABITAT Programms, die Notwendigkeit, den ganzen Transformationsprozess flächendeckend sowie integriert durchzuführen. Hierbei sollen alle Sektoren der Stadt eingebunden werden und Maßnahmen zur Unterstützung überregionaler Bestrebungen mitgedacht werden sollen (vgl. UN-Habitat 2015: 3).
Fünftens wünschen sich die Städteplaner*innen die lokale Relevanz der Maßnahmen sowie die Abstimmung auf Entwicklungsprioritäten vor Ort. Zusätzlich sollen die Handlungen umsetzbar sein. Die Implementierung der Vorschläge muss demnach auf lokaler Ebene durch die involvierten Akteur*innen möglich sein. Siebtens sollen alle Schritte faktenbasiert sein. Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung zu Emissionen und anderen Klimafragen müssen den Aktionen zugrunde liegen. Zuletzt sprechen sich die Mitglieder*innen von UN-HABITAT für Transparenz und Nachprüfbarkeit im Laufe der Entscheidungsfindung aus. Die Ziele müssen die Möglichkeit von Messungen, Reporten und unabhängiger Verifikation bieten (vgl. ebd.).
Erst nach der Jahrtausendwende bemühte sich die Forschung, umfassende Attribute einer zielführenden Klimapolitik zu benennen. Sehr prominent wurden solche 2001 durch Philibert und Pershing aufgestellt. Um Länder ihren Klimazielen näherzubringen, empfehlen die Autor*innen, besonderes Augenmerk auf Effektivität bei Kosten und Umwelt, den Beitrag zu ökonomischem Wachstum sowie nachhaltiger Entwicklung und Gerechtigkeit zu legen. (vgl. 2001: 2). Für Stavins (2004) könne eine erfolgreiche Klimapolitik bereits an korrekten Forschungsergebnissen, ökonomischer Rationalität und politischem Pragmatismus erkannt und bemessen werden. Im Gegensatz dazu, misst Wicke (2005), Themen wie Klimanachhaltigkeit, ökonomischer Effizienz, technischer Anwendbarkeit und politischer Akzeptanz große Wichtigkeit zu. Die einzelnen Unterpunkte werden hierbei mit prozentualer Gewichtung bedacht, um zu einem umfassenden Ergebnis zu kommen (vgl. ebd.: 115-119). Später fasste Klingenfeld (2010), nach eingehender Literaturanalyse, diese Modelle zusammen und stellte eigene, anwendbare Kriterien auf. In diesen betont er die Relevanz von ökologischer Effektivität, ökonomische Effizienz und die wirksame Auswirkung der Investments. Außerdem sollte Klimapolitik nach Klingenfeld immer gerecht sein, sowie als politisch akzeptiert werden. Zuletzt identifiziert er Themen institutionellen Komplexität und Transaktionskosten und die Kontrolle der Einhaltung der Maßnahmen als ausschlaggebend für das Gelingen von Klimaplänen (vgl. ebd.: 11). Ähnlich werden bei Mehling (2012) sechs Kriterien genannt. Während Themen wie Einhaltung der Maßnahmen, Institutionen, und politische Durchführbarkeit ebenfalls thematisiert werden, erweitert der Autor den Blick hinzu
Partizipation und Kohärenz (vgl. ebd.: 21-25). Im Einklang mit dieser Bewertungsstruktur nennen Nguyen, Davidson und Gleeson (2018) die wichtigen Oberthemen Regierungsführung, Strategie, Zeit, Demokratie, Finanzen und Raum. Ergänzend liefert eine Abhandlung von McCarney und weiteren Autor*innen (2011), effektive Führung, effiziente Finanzierung, inklusive Bürgerpartizipation und gerichtliche Koordinierung als erfolgsbedingende Faktoren (vgl. ebd.: 267).
Verschiedenen Initiativen zur Aufstellung allgemeingültiger Strategien zur Erstellung von städtischen Klimaplänen werden in Deutschland auch von Regierungsseite unterstützt. Klar lässt sich hierbei im Gegensatz zu den vorherigen Anleitungen, ein kommunaler Fokus erkennen. So beauftragte das Bundesministerium für Umwelt, Nachhaltigkeit, Naturschutz und nukleare Sicherheit einen Bericht zum Thema „Beteiligung und Mitwirkung im kommunalen Klimaschutz“. Vor allem wird hierbei Partizipation als demokratisches Werkzeug und Teil der Beteiligungskultur ins Feld geführt (vgl. Hemmati, Schmidt 2020: 9). Ähnlich umfangreich gestaltet sich der Praxisleitfaden „Klimaschutz in Kommunnen“ aus dem Jahr 2018. Explizit an Kommunen gerichtet bietet der Bericht ausführliche Handlungsempfehlungen etwa zur Einbindung des Klimaschutzkonzeptes in die kommunalen Aktivitäten, Projektkoordination, Zeit- und Kostenaspekten sowie Bausteine eines Klimaschutzkonzeptes (vgl. Deutsches Institut für Urbanistik 2018: 177-181).
Auch Einbindung von Bürger*inneninteressen in städtische Politikprozesse, wurde in der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten aufgegriffen, aber seitdem stetig erweitert. Portney und Berry (2010) analysierten beispielsweise die ökologische Bedeutung von
Bürger*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen in verschiedenen Städten der Vereinigten Staaten von Amerika. Hierbei finden sie heraus, dass mehr Beteiligungsmöglichkeiten in Städten zu einem größeren Engagement bei der
Nachhaltigkeitspolitik der jeweiligen Städte führen. Ebenfalls für die Vereinigten Staaten, finden die Autor*innen in einer Folgestudie (2013) einen Zusammenhang zwischen der Inklusion von verschiedenen Umweltgruppierungen und Nachhaltigkeitsstrategien. Weiter wird dieser Prozess durch bessere ökonomische Möglichkeiten der jeweiligen Städte verstärkt. Für Wroclaw untersuchte eine Fallstudie von Bednarska-Olejniczak in Zusammenarbeit mit anderen Autor*innen (2019) die Auswirkungen von Bürger*innenbeteiligung und vor allem dem Konzept des Bürgerhaushalts auf die Entwicklung einer smart sustainable city (SSC). Ähnlich hierzu, entwickelten Al-Zoabi und Jaddar (2016) ein sustainable city paradigm, im Rahmen des Versuchs die Nachhaltigkeit vor allem unter Berücksichtigung der Frage der
Effektivität, an bestimmten Indikatoren und Kriterien festzumachen. Ihrer Ansicht nach besitzen die Punkte Stadtform, Straßensystem und Flächennutzung eine große Wichtigkeit bei der Beurteilung von städtischer Nachhaltigkeit.
Nach dieser Literaturanalyse können die genannten Kriterien zusammengeführt zu einer eigenen Bewertungsmatrix zusammengeführt werden. Gleichzeitig wurde die Rolle der Partizipation in der Entstehung klimapolitischer Prozesse angesprochen. Auch diese Thematik soll im folgenden Abschnitt der Methodik besondere Beachtung finden.

Methodik

Basierend auf der vorrangegangenen Literaturanalyse, wird dieser Abschnitt nun die Bewertungsmatrix darlegen, nach welcher später die Einordnung der beiden Göttinger Klimapläne erfolgen soll. Vor allem die Arbeiten von Klingenfeld (2010) und Mehling (2012) sollen hierbei als Vorlage dienen. Da sich die beiden Abhandlungen allerdings primär mit internationaler und nationaler Klimapolitik beschäftigen, sollen auch wichtige Erkenntnisse aus den „Guiding Principles for City Climate Action Planning“ einfließen.
Zunächst soll bei beiden Klimaplänen die Ambitionen unter die Lupe genommen werden. Hierbei geht es nach den Ideen von UN-HABITAT vor allem um intersektorale Zusammenarbeit und Anstrengung beim Thema der Stadtentwicklung, die je nach Bereich in der Größenordnung stark variieren kann (vgl. 2015: 13). Nach Mehling muss sich die Ambition and den vorliegenden klimapolitischen Herausforderungen messen lassen. Diese müssen mithilfe von wissenschaftlichen Analysen identifiziert und daraufhin durch präzise Zielsetzungen angegangen werden. Allerdings können hierbei auch globale Ansprüche, wie das Zwei-Grad Ziel, einfließen (vgl. 2012: 22).
Nachfolgend soll ein genauerer Blick auf die Relevanz von Partizipation und Inklusion geworfen werden. Diese wurden bei fast allen Autor*innen als wichtig erachtet. Durch Bürger*innenbeteiligung kann demokratische Struktur in den Entstehungsprozess von Klimaplänen einfließen. Auch aus einer Antidiskriminierungsperspektive kann die Thematik nicht vernachlässigt werden, und wird somit bei der folgenden Analyse eine besondere Rolle spielen. Zudem müssen sozialökonomische Umstände (vgl. UN-Habitat, 2015: 9) ebenso wie die Art der Partizipation berücksichtigt werden. Weiter gilt es, möglichst umfassend, alle Sektoren und Akteur*innen der Stadtgemeinschaft, einzubeziehen (vgl. Mehling 2012: 24).
Bei der Einschätzung dieser Strukturen hilft auch ein allgemeiner Blick auf die beteiligten Institutionen, deren Kohärenz untereinander und die Einbettung in größere nationale und internationale Vorhaben (vgl. ebd.; Klingenfeld 2010: 16).
Weiterhin ist es Wichtig, für eine faire Aufteilung der Lasten, Gesamtkosten und allgemeinen Anstrengungen zu sorgen (vgl. ebd: 15). Auch nach Einschätzung von UNHABITAT müssen Risiko, Kosten und Nutzen ausgeglichen zwischen den beteiligten Akteur*innen aufgeteilt sein (vgl. UN-Habitat 2015: 3). Zudem muss das Prinzip der Fairness auch auf den Entscheidungsprozess angewendet werden (vgl. ebd: 16).
Des Weiteren wird bei den eher internationalen Ansätzen von Mehling und Klingenfeld die Einhaltung der ausgerufenen Ziele betont. Hierfür sei es auch wichtig eine unabhängige Stelle zu schaffen, bei welcher die Vollstreckung der Beschlüsse überprüft werden kann (vgl. Klingenfeld 2010: 16f.).
Einig sind sich die Vertreter der UN-Habitat Organisation sowie Mehling bei der Frage der Durchführbarkeit. So muss bei der Erstellung aller Klimapläne bedacht werden, dass sie sowohl politisch als auch ökonomisch umsetzbar sind (vgl. 2012: 25).
Das letzte Kriterium, nach welchem die Göttinger Klimapläne beurteilt werden sollen, ist das der Transparenz und die Nachhaltigkeit der Pläne an sich. Insbesondere die „Guiding Principles for City Climate Planning“ verweisen im Kontext der städtischen Politik auf die Offenlegung von Planungsschritten und Maßnahmen. Diese müssen im weiteren Verlauf überprüfbar sein und sich nach gewisser Zeit einer umfassenden Beurteilung unterziehen (vgl. 2015: 11f.).
Nachdem die Bewertungsmatrix festgelegt wurde, kann nun eine nähere Ausführung der Entstehungsprozesse und Inhalte der beiden Klimapläne erfolgen. Daraufhin wird eine detaillierte Analyse zeigen, wie effektiv und erfolgsversprechend sich beide Pläne präsentieren. In Anlehnung an die Arbeit Klingenbergs, wird jedem der sieben genannten Kriterien eine Bewertungsstufe im Bereich von sehr positiv („++“) über eher positiv („+“), neutral („0“), eher negativ („-„) bis hin zu sehr negativ („- – „) zugeordnet. Dies dient zur verbesserten Visualisierung der Ergebnisse und erleichtert den Vergleich der Klimapapiere.

Vorstellung der Göttinger Klimapolitik

Masterplan 100% Klimaschutz

Der „Masterplan 100% Klimaschutz“ wurde am 14. März 2014 als umfassendes
Klimaschutzpaket durch den Stadtrat Göttingen verabschiedet (Ratsbeschlussliste 2022: 146). Der Masterplan gliederte sich in eine Reihe von Klimaschutzmaßnahmen ein. Bereits im Jahr 2011 beschloss die Stadt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Daraufhin folgte die Bewerbung Göttingens beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Als eine von 19 Kommunen wurde die Stadt ausgewählt und erhielt somit staatliche Fördergelder zur Entwicklung des Klimaschutzpakets.
Federführend waren bei der Initiative des Masterplans die Stadt Göttingen, die Stadtwerke Göttingen AG sowie die Georg-August-Universität Göttingen. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wurden durch verschiedene Workshopformate und die „Klimawerkstatt“ eingebunden. Hierbei konnten eigene Klimaideen eingereicht werden, die dann von einer Jury bewertet, und in einzelnen Fällen in die Entwicklung des Klimaplans einflossen. Zu den
Workshops wurden „lokale fachkompetente Personen aus Unternehmen, der
Wohnungswirtschaft, der Energiewirtschaft sowie gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden eingeladen“ (Stadt Göttingen 2014: 42f.). Zusätzlich solle das bestehende Netzwerk verschiedener Akteure ausgebaut werden, Bürger zur Eigeninitiative aufgerufen werden und zivilgesellschaftliches Engagement vorangetrieben werden (vgl. ebd.: 43). Im weiteren Verlauf des Papiers erklärt die Stadt, dass bei der Öffentlichkeitsarbeit auf Beratung und Aufklärung gesetzt werden soll. Finanzschwache Haushalte sollen außerdem Unterstützung erhalten (vgl. ebd.: 46)
Die identifizierten Handlungsfelder des Plans bezogen sich zunächst auf die Energienachfrage von Privathaushalten, Gewerbe, Industrie und Verkehr. Zudem wurde die Energiebereitstellung in den Punkten Erneuerbare Energie und Energieinfrastruktur ins Auge gefasst. Zuletzt sollte sich der Masterplan mit dem Verhalten der Bürger*innen und ihrem Lebensstil befassen (Stadt Göttingen 2014:11). Die allgemeinen Ziele des Maßnahmenpakets sind in der „Vision 2050“ festgehalten. Demnach soll das Stadtbild energetisch modernisiert, hierbei jedoch historische Bauepochen respektiert werden. Neubauten sollen sich in vorhandene Siedlungen eingliedern, sodass keine zusätzlichen Flächen verbraucht werden (ebd.: 20). In der Frage der Mobilität sieht der Plan einen Fokus auf Fahrradverkehr sowie den ÖPNV vor. Der restliche Individualverkehr soll elektrisch werden. Zudem soll die Stadt ein S-Bahnsystem bekommen, mit welchem das Umland besser an den Stadtkern angegliedert werden kann. Wohnen soll flexibel und barrierefrei werden und in Haushalten und bei den entsprechenden Geräten die Effizienz im Vordergrund stehen (ebd.: 21). Ähnliches soll auch für die Wirtschaftsunternehmen gelten, die ihre Wertschöpfungsketten sowie die Produktion effizient und nachhaltig gestalten müssen. Sogar überregional soll laut „Vision 2050“ die Stadt Göttingen eine Vorbildfunktion einnehmen. Auch das Konsumverhalten der Bürger*innen soll bewusster werden, wofür einige Projekte mit „globaler Strahlkraft“ (ebd.) ins Leben gerufen werden sollen. Ebenfalls sind in dem Masterplan genaue Vorstellungen zur Energieversorgung der Zukunft enthalten. Mithilfe neuer Technologien sollen neue Angebote geschaffen werden, während auch eine Entwicklung der Speicherkapazitäten erzielt wird. Die Versorgung soll hierbei ausschließlich durch erneuerbare Quellen gedeckt werden (ebd.: 22). Im Einklang mit den einzelnen Handlungsfeldern wurden dann im Laufe der Erarbeitung verschiedene Projekte erstellt, die über den Zeitraum von 2014 bis 2016 aktiv dafür sorgen sollten, die gesetzten Ziele zu erreichen. Diese würden laut Stadt Göttingen in weiteren Initiativen münden, um auch in den Folgejahren Erfolge im städtischen Transformationsprozess vorweisen zu können.
Im Nachgang wurde der „Evaluationsbericht Klimaschutz 2020“ verfasst, um der
Bemühungen im Zusammenhang mit dem „Masterplan 100% Klimaschutz“ zu bewerten. Die Verfasser bemerken: „Trotz vielfältiger Aktivitäten werden die im Masterplan gesteckten Ziele nach jetzigem Trend deutlich verfehlt“ (Stadt Göttingen 2020: 2). Die Emissionen der Stadt waren 2018 im Vergleich zum Jahr 1990 lediglich um 29% gesunken (Jung Stadtkonzepte 2021: 7). Eine deutliche Verfehlung des damaligen Ziels, die ausgestoßenen Treibhausgasemissionen alle fünf Jahre um zehn Prozent zu senken (Klimaschutz Göttingen 2015: 4). Außerdem konnte die geplante Senkung des Endenergieverbrauchs nicht erreicht werden. Im Gegenteil stieg der Verbrauch in den letzten Jahren des Projekts sogar an (Jung Stadtkonzepte 2021: 7). „Ungünstige (bundes-)politische Rahmenbedingungen“ sowie „gesamtgesellschaftliche Trends und kulturelle Normen“ (ebd.) führen die Verfasser*innen als Hauptursachen für diese Verfehlung an. Weiter wird in diesem Bericht deutlich, dass die meisten der 230 angestoßenen Projekte als „laufend“ deklariert sind und lediglich 82 als „abgeschlossen“ gelten. Der Großteil der abgeschlossenen Projekte ist in den Bereichen der Mobilität und der Suffizienz zu finden. Letzteres beschreibt hauptsächlich die Durchführung von Informationsveranstaltungen oder Workshops zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen. Gleichzeitig sieht sehen die Verfasser des Berichts große lokale Handlungspotentiale und verweisen auf die im selben Jahr erfolgende Erstellung des Klimaplans 2030 als Folgeinstrument.

Klimaplan 2030

Der Göttinger Stadtrat beschloss das Folgepaket am 16. Juli 2021 (Ratsbeschlussliste 2022:
155). Klimaneutralität wurde im „Klimaplan 2030“ für 2045 anstelle des vorher als Ziel ausgegebenem Jahr 2050 festgesetzt. Im Übrigen verschärfte eine Absichtserklärung des Göttinger Stadrats vom 16. Dezember des Jahres, das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2030.
Ähnlich wie beim vorherigen Masterplan, wurden im Klimaplan 2030 zunächst bestimmte Handlungsfelder identifiziert. Namentlich beschäftigte sich die Folgeinitiative mit Arbeiten und Wirtschaften, Energie erzeugen und bereitstellen sowie Nachhaltig leben. Dazu kommen die Anpassung an den Klimawandel und Bauen und Wohnen. Zudem ruft der Plan Änderungen beim Thema Mobil sein und transportieren aus und äußert dem Wunsch, die kommunale und zivilgesellschaftliche Transformation vorantreiben zu wollen. Wie schon im Masterplan verankert, sollen Privathaushalte, sowie die Sektoren Wirtschaft und Mobilität deutliche Einsparungen hinnehmen. In Zehnjahresschritten wurden Grenzwerte für den Energieverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen ermittelt, mit dem Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen (vgl. Jung Stadtkonzepte 2021:3).
Bei der Ausarbeitung einzelner Klimaschutzmaßnahmen und Projekte fanden sich wiederrum die Stadt Göttingen, die Stadtwerke Göttingen AG und die Georg-AugustUniversität in der Rolle der Initiator*innen. An der Bearbeitung waren aber auch weitere Akteur*innen der Göttinger Stadtgesellschaft beteiligt. So wurden verschiedene Interessensgruppen wie Parents for Future, Greenpeace Göttingen, Extinction Rebellion oder Vereine wie die Energieagentur Region Göttingen e.V. und Klimaschutz e.V. in die Beratungen einbezogen (Jung Stadtkonzepte 2021: 30). Hinzu kamen öffentliche Beteiligungsformate, die in der Entstehungsphase des Klimaplan 2030, stark mit den pandemischen Entwicklungen der Zeit zu kämpfen hatten. Dennoch wurde versucht, durch „Plakatmotive, Information über die Internetauftritte und Social-Media-Kanäle der städtischen Öffentlichkeitsarbeit sowie Presseberichte“ (ebd.), eine Großzahl von Bürger*innen zu erreichen.
Ebenfalls neu war die Errichtung des „Ideenfinders“ als Konzept der
Bürger*innenbeteiligung. Dieser war „eine webbasierte Stadtkarte, welche es extern moderiert ermöglichte, Ideen digital einzubringen und diese – wo sinnvoll – auch auf dem Stadtgebiet zu verorten“ (ebd.: 31). In zwei Monaten Laufzeit wurden über diesen Weg 745 Klima-Ideen zu den sechs identifizierten Schwerpunkten eingereicht. Diese wurden im Nachgang von der Göttinger Stadtverwaltung ausgewertet und an manchen Stellen in konkrete Maßnahmenvorschläge umgewandelt (vgl. ebd.: 31f.). Des Weiteren wurde konkreteren Projektvorschlägen die Möglichkeit eingeräumt, an einem eigens eingerichteten Wettbewerb teilzunehmen. Hierbei liefen 54 Bewerbungen ein, die daraufhin von einer vierköpfigen Jury, bestehend aus Vertreter*innen aus Verwaltung, Politik und Klimaschutz-Beirats, nach vorher abgestimmten Auswahlkriterien bewertet. Zehn Projekte gewannen hierdurch finanzielle Förderung zur Umsetzung und weitere Entwicklung der Ideen im Rahmen von
Klimawerkstätten (vgl. ebd.: 33).
Während des Anlaufens dieser Partizipationsmaßnahmen, wurden von der Stadt zudem Expert*innen in den Entwicklungsprozess des Klimaplans eingebunden. Wie schon beim Masterplan, erfolgte dies hauptsächlich über gemeinsame Workshops. Hier konnten jene Expert*innen gegenüber der Verwaltung ihre Gedanken zum Klimaplan einbringen. Auch wurden nach Angaben der Stadt Göttingen Gespräche mit Vertreter*innen verschiedener Umwelt- und Klimaschutzinitiativen geführt. Wie bei den Workshops, sollen auch hierbei Anregung in die Erstellung des Klimaplans eingeflossen sein (vgl. ebd.: 36f.).
Zuletzt kam dem Klimaschutzbeirat eine prozessbegleitende Aufgabe zu. Das Gremium besteht aus 27 Mitglieder*innen aus verschiedenen Öffentlichkeitsbereichen. Hier sollen in Arbeitsgruppen verschiedene Themen erarbeitet werden und ebenfalls, Vorschläge und Anträge diskutiert werden. Auch während der Konzeptentwicklung war der Klimaschutzbeirat in diesen Bereichen aktiv (vgl. ebd.: 38).
Diese aus diesem Planungsprozess entstandenen Maßnahmen, wurden daraufhin, aufgeteilt in die sechs Handlungsfelder, in einem Projektportfolioplan, veröffentlicht. In diesem Plan wird zudem zwischen „Sofortmaßnahmen“, „Leitprojekten“ und „Perspektivmaßnahmen“ unterschieden. Das Themenfeld Bauen und Sanieren soll laut Klimaplan unter anderem durch die Checkliste „Klimaschutz für die Bauleitplanung“ bedient werden. Neben diesen Kriterien bei Neubauten will die Stadt ebenfalls einen Katalog für Sanierungsmöglichkeiten aufstellen. Ebenso finden sich im Bereich Arbeiten und Wirtschaften einige Perspektivmaßnahmen. Zum Beispiel bei Beschaffung und nachhaltigem Handeln sind laut Stadt einheitliche Standards für regionale Unternehmen, eigene Verwaltungsbetriebe und kulturelle Einrichtungen, nötig. Bei Energie erzeugen und bereitstellen setzt die Stadt Göttingen auf Photovoltaik, Ökostrom und nachhaltige Wärmeversorgung (vgl. ebd.: 101).
Im Themenkomplex Mobil sein und transportieren sehen die Planer*innen beispielsweise Handlungsbedarf beim Ausbau von Fahrradparkhäusern, E-Mobilität und dem Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Durch Bildung, einen Reparaturbonus und Wohninitiativen soll etwa der Baustein Nachhaltig leben vorangetrieben werden. Für die Kommunale und zivilgesellschaftliche Transformation schlägt der Klimaplan zum Beispiel Maßnahmen zur Kooperation von Klimaschutzinitiativen, Aktionstage und
Bürger*innenbeteiligung vor (vgl ebd.: 102). Zuletzt verweist die Stadt Göttingen beim Themenkomplex An den Klimawandel anpassen unter anderem auf eine Warn- und
Informations-App, die Förderung und Umsetzung konkreter Projekte im Stadtraum und Überflutungsmanagement.
Nach diesen Zusammenfassungen der städtischen Klimainitiativen Masterplan 100% Klimaschutz und dem Nachfolgeprogramm Klimaplan 2030, kann nun eine Bewertung nach den genannten Kriterien erfolgen. Diese Einschätzung soll Aufschluss darüber geben, inwiefern die Pläne, basierend auf gängigen, sich überschneidenden Schwerpunkten der Literatur, als Beispiele für gute Klimapolitik gesehen werden können. Auch durch Vergleiche der Klimapapiere untereinander können Rückschlüsse gezogen werden, welches der beiden Instrumente, sich in der Realität der städtischen Transformationspolitik als effektiver erweist.

Analyse und Vergleich der beiden Klimapläne

Aufbauend auf den vorigen Abschnitten, in welchen nach eingehender Literaturanalyse, geeignete Kriterien für die Bewertung von Klimapolitik im städtischen Kontext gefunden werden konnten, sowie die Göttinger Klimapläne im Detail dargelegt wurden, kann nun die eigentliche Untersuchung beginnen. Hierfür werden zunächst die Kriterien für den Masterplan 100% Klimaschutz angewendet und darauffolgend der Klimaplan 2030 betrachtet, wobei auch ein Vergleich der beiden Initiativen in den jeweiligen Aspekten erfolgen soll.

Masterplan 100% Klimaschutz

Angefangen mit dem 2014 in Kraft getretenen Instrument lassen sich genügend klimapolitische Ambitionen feststellen. Die Ziele der weitgehenden Klimaneutralität bis 2050, des gesenkten Energiebedarfs um 50% und die Deckung des restlichen Bedarfs mithilfe von erneuerbaren Energiequellen sind durchaus ehrgeizig (vgl. Stadt Göttingen 2014: 9). Zudem gehen sie einher mit Zielsetzungen wie sie beispielsweise auf EU-Ebene, wo erst kürzlich ein ähnlicher Anspruch bei der Klimaneutralität formuliert wurde. Komplementäre Forderungen gibt es auch auf Bundesebene.
In der Frage der Partizipation und Inklusion hingehen lassen sich bereits einige Unzulänglichkeiten erkennen. Es wird deutlich, dass die federführenden Akteur*innen, bestehend aus Stadt, Stadtwerken und Universität, zwar oberflächlich an einer Einbeziehung verschiedener Beteiligter interessiert waren, jedoch wenig äußere Impulse in den eigentlichen Plan einflossen. Besonders schwer wiegt hierbei die Nichtbeachtung der diversen regionalen Nichtregierungsorganisationen mit Klimaschutzschwerpunkt, die in der Entstehung eines solchen Papiers Mitspracherecht gennießen sollten. Ebenfalls kann kein Beweis für die Partizipation von einzelnen Gewerbevertreter*innen erbracht werden. Der tatsächliche Einfluss des Klimaschutzbeirates, dem mit seiner diversen Zusammenstellung und Expertise eine beratende und begleitende Funktion zukommen sollte, bleibt fraglich. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die drei Hauptakteure bei jeglichen Entscheidungen die Oberhand behielten. Das Workshopprinzip erreichte nur einen Bruchteil der Göttinger Bürger*innen und auch die wenigen daraus entstandenen und geförderten Projekte sind als einflussarm einzuschätzen. Zuletzt wurde das Problem der sozioökonomischen Ungleichheit in der Formulierung des Masterplans vollständig übergangen.
Wie bereits erwähnt ist die Einbeziehung der dominierenden Institutionen Göttingens gegeben. Auch untereinander scheint durch die Abstimmung zu einem solchen Report, die Frage der Verteilung von Kompetenzen und Handlungsspielräumen geklärt zu sein. Allerdings greift auch hier das Problem, dass bei der Initiative einige wichtige Akteur*innen, wie in etwa Gewerbe und Nichtregierungsorganisationen, unberücksichtigt bleiben. Zudem findet eine feste Integration, in die nationale oder zumindest föderale Klimapolitik nicht statt.
Ähnliches spiegelt sich auch im nächsten Kriterium der Fairness wider. Zwar muss die Strukturierung des Plans in sechs Handlungsfelder, bei denen tatsächlich alle wichtigen öffentlichen und privaten Bereiche abgedeckt sind, positiv hervorgehoben werden. Allerdings können bei der ausgeglichenen Verteilung der Lasten der Planungen deutliche Mängel erkannt werden. Bei Fragen der Mobilität und Einsparungen der privaten Haushalte werden keine näheren Finanzierungs- und Umsetzungsprojekte genannt. So bleibt unklar, zu wessen Lasten viele der Vorschläge durchgeführt werden sollen. Ebenso werden auch hier soziale Ungleichheiten und mögliche gegensteuernde Elemente außer Acht gelassen.
Außerdem wird bei genauerem Hinsehen deutlich, dass das so wichtige Kriterium der Einhaltung nicht näher im Masterplan festgeschrieben ist. Zwar gibt es einige Indikatoren, die, jährlich erhoben, Aufschluss über Entwicklungen in gewissen Bereichen geben sollen. Jedoch mangelt es gänzlich an der Schaffung von Anreizen die gesteckten Ziele zu erreichen oder Strafmaßnahmen, wenn diese verfehlt werden (vgl. ebd.: 109f.). Eine unabhängige Stelle, die eben jene Entwicklungen überprüfen könnte, wurde nicht geschaffen.
Neben anderen Faktoren ist dies sicher ein Grund warum die meisten Maßnahmen nicht umgesetzt wurden und der Masterplan deshalb als gescheitert angesehen muss. Allerdings besteht, insbesondere bei den kurzfristigen Zielen, an der Umsetzbarkeit kein Zweifel. Ebenso sind die Zehnjahresschritte mit immer weitergehenden Transformationen, sorgfältig und realitätsnah ausgewählt.
Letztlich müssen Transparenz und Nachhaltigkeit des Klimaplans eingeschätzt werden. Dank der Öffentlichkeitsarbeit und der im Internet zur Verfügung stehenden Dokumente wird ein großes Maß an Transparenz erzeugt. Lediglich bei der Entwicklung einiger Maßnahmenpakete, lassen die Verfasser*innen, den Ursprung dieser unerwähnt. Die jährliche Überprüfung im Zusammenspiel mit der nach fünf Jahren geplanten Evaluation des Berichts kann als nachhaltig angesehen werden.
Insgesamt finden sich beim Masterplan 100% Klimaschutz einige Aspekte wieder, die eine effektive, städtische Klimapolitik ausmachen. Es mangelt nicht an Ambitionen, auch die Umsetzbarkeit sowie Nachhaltigkeit des Plans scheint schlüssig. Verbesserungsbedarf besteht bei der Einbeziehung einer diversen Gruppe von städtischen Akteur*innen und der fairen Kostenverteilung. Eklatante Mängel enthält der Göttinger Bericht im Bezug auf Bürger*innenpartizipation, da diese nur in eine Richtung informiert werden und kaum aktiv mitgestalten können. Des Weiteren fehlt eine Beachtung der sozioökonomischen Differenzen und Versuche der Inklusion. Ebenfalls ausschlaggebend für das Scheitern des Masterplans ist das Versäumnis, eine unabhängige Kontroll- und Begleitstelle für den Transformationsprozess zu schaffen.

Ambition ++
Partizipation und Inklusion –
Institutionen 0
Fairness 0
Einhaltung –
Umsetzbarkeit +
Transparenz und Nachhaltigkeit +
(nach Klingenfeld 2010)

Klimaplan 2030

An dieser Stelle gilt es nun, die ausgearbeitete Bewertungsmatrix für Klimapläne, auf das jüngste Produkt der Göttinger Klimapolitik anzuwenden. Der zu analysierende „Klimaplan
2030“ wurde nach Evaluation des vorrangegangenen „Masterplan 100% Klimaschutz“ im Jahr 2021 verabschiedet.
Im Bezug auf Ambitionen enthält das Papier kaum Neuerungen im Vergleich zum Vorgänger. Wieder soll der Endenergieverbrauch um mehr als 50% gesenkt werden und der Rest aus nichtfossilen- und erneuerbaren Energien gewonnen werden. Treibhausgasemissionen sollen bis zum Jahr 2030 um 65% im Vergleich zum Wert von 1990 gesenkt werden und eine
„weitgehende Treibhausgasneutralität“ (Stadt Göttingen, 2020) bis zum Jahr 2045 erreicht werden. Weiterhin sind die Ziele damit vereinbar mit Bestrebungen im nationalen und europaweiten Kontext. Allerdings sind sie keine echte Verschärfung der Maßnahmen des vorherigen Plans, wie man es hätte erwarten können, sondern befinden sich auf einem ähnlichen Niveau.
Großer Fortschritt ist bei der Frage der Partizipation und Inklusion erkennbar. Der großangelegte Projektwettbewerb zielte maßgeblich auf niedrigschwellige
Bürger*innenbeteiligung ab. Auch der Ideenfinder sowie die vielen Projektwerktstätten sind hierfür ein gutes Beispiel. Ebenso zeigt die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit Wirkung, sodass sich tatsächlich eine Vielzahl von Bürger*innen aktiv am Entstehungsprozess des Klimaplans beteiligte (vgl. Jung Stadtkonzepte 2021: 30ff.). Zudem wurde der Prozess erneut durch die Expertise des Klimaschutzbeirats begleitet, und noch stärker als bisher, eine große Anzahl Akteur*innen aus Stadt- und Zivilgesellschaft eingebunden.
Im Zusammenhang hiermit muss auch die, im Plan festgeschriebene, institutionelle Struktur betrachtet werden. Initiativ wird das Programm wieder von Stadt, Stadtwerken und der Universität vorangetrieben. Wie bereits erwähnt, gibt es jedoch einen größeren Fokus auf die Verflechtung des Programms mit einer Vielzahl von Bürgerinitiativen, Akteur*innen der Zivilgesellschaft und Einzelpersonen. Diese Kooperation, auch in der Breite, wurde explizit im Klimaplan festgeschrieben, sodass auch Themen der Bildung und sozialen Gerechtigkeit Beachtung finden sollen (vgl. ebd.: 44). Lediglich die Einbettung in föderale oder nationale Programme ist nach wie vor nicht vorhanden.
Der „Klimaplan 2030“ ist wie das Vorgängermodell größtenteils fair gestaltet. Auch hier betreffen die sechs Handlungsfelder alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Von Privatpersonen wird verlang sich mit nachhaltigem Konsum, nachhaltigem Wohnen und klimaschonender Mobilität zu beschäftigen. Zugleich sind alle Maßnahmen im Bereich
„Arbeiten und Wirtschaften“ (ebd.: 52) lediglich an die drei Hauptinitiatoren des Papiers gerichtet. Konkrete Forderungen an andere regionale Unternehmen oder Arbeitgeber fehlen. Dadurch kann von einer fairen Aufteilung bei Kosten und Nutzen der Ziele keine Rede sein. Dementsprechend gibt es auch beim Konzept der Einhaltung und Überprüfung keine großen Verbesserungen. Zwar werden bei der Stadt Göttingen neue Anlaufstellen für das
„Multiprojektmanagement“ (ebd.: 106) im Rahmen des Klimaplans geschaffen. Jedoch beschränken sich die Instrumente wieder lediglich auf jährliche Erhebungen von Richtwerten.
Des Weiteren spricht die Stadt von Möglichkeiten der „direkten und indirekten Einflussmöglichkeiten“ (ebd.: 107) durch kommunale Selbstverwaltung, nennt aber keine konkreten Regularien die mithilfe von kommunalpolitischen Prozessen umgesetzt werden sollen.
Ebenfalls sind bei beiden Klimaplänen klare Parallelen bei der Umsetzbarkeit zu ziehen. Zwar sind die Ziele erneut hoch gesteckt, werden aber durch kleinschrittige Meilensteine, die je nach Dekade, erreicht werden sollen, unterstützt.
Gleich verhält es sich bei den Themen der Transparenz und Nachhaltigkeit. Der
Entstehungsprozess ist durch die vermehrte Öffentlichkeitsarbeit sowie
Bürger*inneneinbindung vielleicht sogar als noch transparenter einzuschätzen. Wieder soll durch Messungen und Evaluationen eine Kontrolle der Nachhaltigen Wirkung des Plans entstehen. Inwiefern das hilft, tatsächliche, klimapolitische Transformationen in Göttingen herbeizuführen bleibt abzuwarten.

Ambition ++
Partizipation und Inklusisvität +
Institutionen +
Fairness 0
Einhaltung und Überprüfung –
Umsetzbarkeit +
Transparenz und Nachhaltigkeit +
(nach Klingenfeld 2010)

Abschließende Bemerkungen

Die vorliegende Abhandlung beschäftigte sich mit der Frage einer effektiven, städtischen Klimapolitik. Geklärt werden sollte, am Beispiel zweier Klimapapiere der Stadt Göttingen, worauf Stadtverwaltung und andere kommunale Politikvertreter im Entstehungsprozess solcher Papiere achten müssen. Nach intensiver Literaturrecherche konnten sieben Kriterien festgelegt werden, nach welchen daraufhin der „Masterplan 100% Klimaschutz“ und das vergleichbare Nachfolgemodell „Klimaplan 2030“ unter die Lupe genommen wurden.
Hierbei wurde deutlich, dass, im Vergleich zum gescheiterten Masterplan, beim Klimaplan Partizipation und Inklusion sowie eine breitere institutionelle Verflechtung eine größere Rolle spielten. Für die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen verspricht dies bessere Erfolgschancen im Vergleich zur Initiative von 2014. Die Schlüsselrolle dieser Gegebenheit, für die Umsetzung gesteckter Klimaziele, wurde in den vorherigen Kapiteln immer wieder betont. Jedoch bleibt weiterhin fraglich, inwieweit ohne effektive Kontrollmechanismen im Bezug auf die Umsetzung der Maßnahmen ein echter Wandel in der städtischen Klimapolitik vollzogen werden kann. Eine stärkere Integration in niedersächsische oder bundesweite Projekte wäre außerdem wünschenswert.
Somit bleibt abzuwarten wie sich der Göttinger Transformationsprozess in den nächsten Jahren entwickelt und ob die gesteckten Ziele von Klimaneutralität und gesenktem Energieverbrauch umgesetzt werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen jedoch, unter anderem pandemiebedingt, noch keine belastbaren Daten für die Entwicklung der Messungen bei Energieverbrauch oder Treibhausgasemissionen vor. Dennoch zeigt diese Arbeit, dass den Kommunen, wie auch wahrscheinlich allen gesellschaftlichen Akteuren, noch viel Arbeit bevorsteht, um zu einer effektiven Klimapolitik zu gelangen, welcher es möglich ist, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen.
Eine unterstützende Rolle könnte hierbei die Forschung einnehmen. Während es bereits einige Versuche gab, einheitliche Bewertungsstrukturen für klimapolitische Vorschläge zu entwickeln, beschränken sich dessen Geltungsbereich häufig auf nationale oder internationale Projekte. Zu einem besseren Verständnis der städtischen Strukturen und deren Möglichkeiten im Kampf gegen den Klimawandel könnte die hier verwendete Methodik führen. Denn schließlich wird gerade Städten und Kommunen eine zentrale Rolle im transformatorischen Prozess zuteil.

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Göttingen, Klimaplan, Klimapolitik, Kommunen