Projektbeispiel: Hanffaser Uckermark eG
„ECKDATEN“ – Worum geht’s?
Die Hanffaser Uckermark eG betreibt seit 1996 eine moderne Hanf-Fabrik in Brandenburg. Dort wird auf einer landwirtschaftlichen Fläche von etwa 400 Hektar Faserhanf angebaut und in der eigenen Hanf-Fabrik verarbeitet. Seit Mai 2013 ist Hanffaser Uckermark eine Genossenschaft. Aus dem Rohstoff Hanf werden zahlreiche innovative Produkte gefertigt. Im Rahmen eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wurden eigene Patente angemeldet, zahlreiche Gebrauchsmuster entwickelt und in die Produktion überführt, außerdem unterhält die Hanf-Faser-Fabrik einen regen Knowhow-Austausch mit Entwicklungspartnern.
Das Streben gilt der Weiterentwicklung des Produktionsstandortes, der Weiterentwicklung von Anbau und Verarbeitung von Hanf, der Entwicklung neuer ökologischer Produkte aus Naturfasern, neuer Anwendungsbereiche für textile und technische Weiterverarbeitung. Zur Produktpalette der Hanffaser Uckermark eG gehören unter anderem nachhaltige Baustoffe wie Hanf-Lehm und Hanf-Dämmwolle, die zur Dach-, Fassaden- und Wanddämmung eingesetzt werden.
„HINTERGRÜNDE“ – Warum gibt’s es?
Wer Geld investiert, so die Philosophie der Hanffaser Uckermark eG, soll mitentscheiden, wofür es verwendet wird, und er soll natürlich auch am Gewinn teilhaben. Durch das Demokratieprinzip sind Genossenschaften vor dem Zugriff des internationalen Finanzkapitals weitgehend geschützt. Regionale Produktionsstandorte sichern vor Ort Arbeitsplätze und stärken die regionale Wirtschaft. Die Hanffaser Uckermark eG sorgt für faire Arbeitsbedingungen, gesunde Handelsbeziehungen und stellt Produkte her, die nachhaltig sind. Die Nutzung von Hanf hatte es in den letzten Jahrzehnten schwer in Deutschland, aber die anhaltenden Diskussionen über ökologische und faire Produktion werden immer stärker mit dem Konzept der Regionalität verknüpft. Es geht um die Möglichkeit, die Herstellerbedingungen vor Ort erfahren zu können. Daher will sich die Hanffaser Uckermark zukünftig der Entwicklung einer textilen Kette in Deutschland zuwenden. Ziel ist, langfristig eine nachhaltige Produktpalette – vom Hanfsamen über Hanf-Baustoffe, Hanf-Verbundwerkstoffe bis hin zu Textilien – anzubieten. Dabei werden Themen von der Aussaat bis zum Recycling nachhaltig angegangen. Solidarität, Nachhaltigkeit und Verantwortung gegenüber späteren Generationen sind die Basis des Unternehmensmodells. Das Unternehmen stützt sich auf die Konzeption des selbstähnlichen und fraktalen Betriebes, d.h. es gibt keine Autorität außer der Sachkompetenz, Hierarchien richten sich nach den momentanen Erforderlichkeiten, können sich verkehren und sind vernetzt. In der Praxis heißt das, dass alle Mitarbeiter nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit arbeiten und allen ein hohes Maß an Befugnis obliegt, dass Kompetenzen in der Organisation der Arbeit auf die einzelnen Qualitätsbereiche übertragen sind, dass die operativen Aufgaben des Tages durch jeden Verantwortungsbereich selbst gelöst und im Kollektiv besprochen werden. Wer Hanf landwirtschaftlich anbaut, verwendet weder Pflanzenschutzmittel, noch Insektizide, denn Hanf benötigt keinen solchen Pflanzenschutz. Streng wird auf die Vermeidung von Abfall und größtmögliche Verwertung geachtet. Die Reststoffe (Blätter, Spreu, Staub, kleine Schäben- und Faserreste) werden in Holzkraftwerken CO2-neutral verstromt. Somit können alle Reste als erneuerbare Energien verwertet werden und es fällt kein Abfall an, der entsorgt werden müsste. Die Stromversorgung arbeitet über ein eigenes Energiekonzept (BHKW), Transportwege von der Landwirtschaft zur Verarbeitung werden so gering wie möglich gehalten. Bei der Herstellung werden keinerlei bedenkliche Zusätze, Bindemittel oder Aromastoffe verwendet.
„CHARAKTERISTIKA“ – Was macht’s besonders?
Neben dem Solidaritäts-, Selbstbestimmungs- und Nachhaltigkeitsgedanken, der sich bei den meisten Genossenschaften findet, zeichnet sich die Hanffaser Uckermark eG durch eine Kombination aus Rückbesinnung und Innovativität aus. Hanf wurde als Nutzpflanze bereits vor über 2000 Jahren in der Region, die heute Deutschland ist, angebaut. Im Mittelalter wurde sie im heutigen Deutschland zur wichtigsten Nutzpflanze neben dem Flachs. Heute wieder Hanf anzubauen ist dementsprechend eine Rückbesinnung auf bereits Dagewesenes. Aufgrund der klimatischen Bedingungen und geeigneter Böden erfordert der Hanfanbau keine Bewässerung, kaum Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz, weshalb der Anbau in Mitteleuropa sinnvoll und vernünftig ist. Die Verarbeitung von Hanf nicht nur zu Textilien, sondern auch zu innovativen Baustoffen sowie die Anmeldung von Patenten zeigt die Innovationskraft der Genossenschaft. Das Unternehmen zeigt, dass ein Rückgriff auf Bewährtes zugleich sozialer und ökologischer Fortschritt sein bzw. diesem dienen kann. Der Aufbau einer Textilkette in Norddeutschland veranschaulicht, dass gesellschaftlich notwendige Güter, bei denen es seit vielen Jahren flächendeckend üblich ist, sie in Billiglohnländern herstellen zu lassen, auch regional produziert werden können, wenn man auf Industriepflanzen zurückgreift, die vor Ort geeignete Anbaubedingungen finden. Dadurch wird die Wertschöpfung in der Region gehalten und regionale Resilienz und Identität gefördert. Das Beispiel Hanffaser Uckermark motiviert dazu, darüber nachzudenken, in welchen anderen Bereichen eine Rückbesinnung zu mehr Nachhaltigkeit, Solidarität und regionaler Stabilität beitragen kann.
Genossenschaft, ökologische und faire Produktion, Regionalität, Textilhanf