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Buchbesprechung zu: Die Verkrempelung der Welt Von Gabriel Yoran

Gabriel Yoran gründete mit 18 Jahren sein erstes Unternehmen, schrieb mehrere Bücher über klassische Musik und lebt mit seiner Familie in Berlin. Das Buch „Die Verkrempelung der Welt“ handelt von seinen Erlebnissen mit der Konsumwelt, dem Verbraucher sowie der Verkaufsideologie der Produktion.
Einige Aussagen verblüffen in ihrer Geradlinigkeit, sie sind wahr, eigentlich von je-der Person schon erfahrbar, doch selten explizit ausgeführt. So steht direkt am An-fang die Aussage: „Waren können besser und schlechter zugleich werden.“ Moderne Waschmaschinen sind mit zahlreichen Funktionen ausgestattet, die den Waschvor-gang einfacher und spezifischer machen, doch halten Waschmaschinen nur 10 Jahre statt wie früher 30 Jahre! Der Konsum muss stets erneuert werden, Wachstum erfor-dert einen kurzweiligen Produktionsprozess. „Wir sind zum Konsum verdammt; unser Wirtschaftssystem verlangt ihn von uns. Man kann nicht nicht konsumieren. Aber das Ideal des nachhaltigen, nicht zerstörerischen Konsums scheint unerreichbar, politisch, wirtschaftlich, logistisch – vor allem psychologisch, weil Konsum ein Alldurchdringer ist. Wenn du als Konsumen:in definiert wirst, ist es schwer erträglich, für Konsum kri-tisiert zu werden.“
An mehreren Beispielen, z.T. etwas langatmig lesbar, zeigt der Autor die Machen-schaften der Produzenten auf. Erlebnisse, die vom Leser leicht nachvollziehbar sind. So der digitale Kundendienst mit Wartezeiten und Avataren in der Leitung, Mängel in der Wartung und Ersatzteilbeschaffenheit, auch Markenwirrwar und Reklameverfüh-rung. Sehr gut gefällt mir, dass auch der Konsument durchleuchtet wird. Er hinterfragt die Einschätzung unserer Bedürfnisse, die ebenfalls falsch sein können. Folgt die Kaufentscheidung einer fixen Idee, stellt sie die Erfüllung eines legitimen Wunsches dar oder eine harmlose Schrulle, eine persönliche Vorliebe oder mehr oder weniger gut begründeter Eigensinn? Nach dem Philosophen Bourdieu zeigt der Mensch jeden Tag in den Konsumentscheidungen, was er unter dem guten Leben versteht. Hierbei stellt sich freilich die Frage nach der Authentizität! Nach Taylor gibt es keine Authenti-zität ohne den Dialog, ohne Austausch und ohne geteilte Vorstellungen. Es wartet eine gemeinsame Aufgabe auf die Konsumenten in den reichen Nationen: „Die Be-dürfnisse der Bevölkerungen in reichen Industrienationen müssen neu justiert werden, weil ihre Befriedigung zweifelsohne dazu beiträgt, die Klimakatastrophe zu beschleu-nigen und die Ungleichheit in der Welt zu vergrößern.“
Was wäre also zu tun? Konkret lassen sich vier Vorschläge herauslesen:
1. „Eine progressive Warenkunde müsste über die handwerklich – technische Qualität hinaus auch moralische Aspekte der Bedingungen mitdenken, unter denen die Güter hergestellt werden.“ Diese Aussage bezieht sich auf den ge-samten Herstellungsprozess, also auch die Lieferketten.
2. „Eine progressive Warenkunde müsste auch die Nachhaltigkeit der produzier-ten Dinge thematisieren.“ Hier sind die staatliche Aufsicht und die Preisgestal-tung gefragt.
3. Für einige (viele) Industrieprodukte lassen sich operationalisierbare Kriterien formulieren, etwas Materialangemessenheit, Offenheit für sich ändernde Auf-gaben, Reparierbarkeit, Recyclebarkeit, Verfügbarkeit von Ersatzteilen, eine gute Dokumentation. Staatliche Vorgaben, vor allem Sichtbarkeit an der Etiket-tierung ermöglichen Verbraucherinformationen darüber.
4. „Eine progressive Warenkunde müsste die Hersteller in die Pflicht nehmen, denn sie sind eindeutig in der mächtigeren Position.
Beenden wir diese Buchbesprechung mit einer Schlusserkenntnis des Autors: „Das Problem sind nicht die Dinge selbst, das Problem sind die falschen Anreize, immer wieder neue und nicht zwingend bessere Dinge hervorbringen zu müssen. Das Prob-lem ist, dass Lebensentwürfe für viele nur entlang von Statussymbolen vorstellbar sind.“

Detlef Baer