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Buchbesprechung: Luisa Neubauer, Was wäre, wenn wir mutig sind?

Luisa Neubauer ist eine der weltweit bekanntesten Klima- und Fridays for Future-Aktivistinnen. Sie wirkt öffentlichkeitswirksam für eine nachhaltige Klimapolitik. Ihr Buch „Was wäre, wenn wir mutig sind?“ muss als emotionales Plädoyer und sehr persönlich gehaltene Schrift gesehen werden. Die im Kleinformat gedruckte Lektüre liest sich flüssig und sehr einfühlsam. Die Autorin zählt keine endlosen Fakten als Beleg für ihr Anliegen auf, sondern überzeugt durch die Ihr Leben reflektierende Darstellung. Sie sieht die Menschheit bedroht durch die von ihr begrifflich so genannte „Fossilität“. Ein Beleg dieser Übermächtigkeit findet sich in dem Verweis, wie finanziell schwer die Umsetzung des Deutschlandtickets sei, schließlich kostet es Bund und Länder 3 Mrd. Euro, gleichzeitig werden 7 Mrd. € für die Pendlerpauschale vergütet. Die Argumentation Luisa Neubauers führt zu einer Selbstreflexion beim Leser. Und sie argumentiert klug! Einige Beispiele:

„Nie war die Menschheit fähiger, die Konsequenzen des eigenen Handelns einzuschätzen, als heute, und doch sägt sie am eigenen Ast.“ (S.36)
„Für ein längeres Leben geben die Menschen alles, nicht aber für ein längeres Leben auf dem Planeten.“ (S.37)

Sie kritisiert die Klimarelativierung, auch die Technikgläubigkeit, ohne ihre Möglichkeiten zu bezweifeln. Vor allem kritisiert sie die Gleichgültigkeit und Konsumverdrossenheit, zu der die (fossile) Werbung aufruft.
Exemplarisch für diese Konsumorientierung steht das Zitat des US-Präsidenten George Bush nach dem Weltumweltgipfel in Rio im Jahre 1992. Er sagte: „Der amerikanische Lebensstil ist nicht verhandelbar.“ (S.43)

Der fossile Lebensstil sei längst in gesellschaftliche Sehnsüchte und in private Lebensziele eingesickert (siehe S.76), wer kennt nicht mehr die Sparkassen-Werbung aus dem Jahr 1995 mit dem Slogan „Mein Haus – mein Boot – mein Flug“?

Es ist also nicht allein die Lobbyarbeit der fossilen Konzerne, es sind wir selber, die mit unserem Lebensstil den Klimawandel befeuern.
Was ist zu tun? In den letzten Kapiteln geht die Autorin – für mich erfreulich – auf die Bedeutung eines gefühlsbetonten, ja optimistisch – menschlichen Kampfes ein. Nicht Wissensvermittlung in Form von Ängsten hervorrufende Mahnungen wirken, sondern Geschichten mit Gefühlen. (S.90). In Anlehnung an George Orwell und die Feministin Helen Todd proklamiert sie den Ausruf „Brot und Rosen.“ „Wer vor lauter Überzeugung den Blick für das verliert, was die Rosen verkörpern, der verliert den Blick für den Wesenskern der menschlichen Existenz.“ (S.125)
Mutig sein erfordert auch für etwas einzustehen und nicht nur das „gegen“ hervorzuheben. Und das Engagement kann und soll mit Spaß und Glück verbunden sein, neuen Kontakten, Gemeinsamkeiten und vor allem gelebter Hoffnung.

Detlef Baer