
Wenn Menschlichkeit unter Bomben, Hunger und Hass begraben wird
Es fällt uns schwer, Worte zu finden für das, was sich seit Monaten im Gazastreifen ereignet – und doch möchten wir nicht schweigen.
Mit wachsender Fassungslosigkeit und Trauer beobachten wir als Verein Regionale Resilienz Aachen die fortgesetzte militärische Gewalt der israelischen Regierung gegen die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza. Wir sehen, wie Menschen – darunter unzählige Kinder – nicht nur durch Bomben, sondern auch durch gezielte Blockaden von Wasser, Nahrung und medizinischer Hilfe in Lebensgefahr gebracht werden. Wir sehen, wie verzweifelte Versuche, Hilfsgüter zu erreichen, mit Schüssen beantwortet werden. Wir sehen das systematische Aushungern eines ganzen Volkes. Wir sehen die ständigen Vertreibungen von Ort zu Ort innerhalb eines immer kleiner werdenden, angeblichen „Schutzgebietes“ im palästinensischen Raum, die an keine sichere Heimkehr und an keine Möglichkeit zum Wiederaufbau glauben lassen.
Und wir sehen auch die furchtbare Vorgeschichte: den barbarischen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem über tausend israelische Zivilist*innen auf grausamste Weise ermordet oder verschleppt wurden. Dieser Akt sadistischen Terrors war durch nichts zu rechtfertigen. Er hat unermessliches Leid ausgelöst, tiefe Wunden in Familien, in Gesellschaften, in der Hoffnung auf ein friedliches Miteinander. Und wir blenden nicht aus, dass es auch in der palästinensischen Bevölkerung Menschen gegeben hat, die diesen Terrorakt und das Vorführen der traumatisierten israelischen Geiseln bejubelt haben.
Doch was heute geschieht, darf nicht mit dem Verweis auf diesen Terror und auf die im Geist fehlgeleiteten Menschen, die diesen, wie auch anderen Terroraktionen zujubelten, legitimiert werden. Krieg gegen Terror darf nicht zum Krieg gegen hilflose Kinder und alte Menschen werden. Wir befürchten, dass hier – im Schatten der Trauer und des globalen Schweigens – politisch vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen: ein Gaza, „befreit“ von seinen Bewohner*innen. Wir haben Sorge, dass ethnische Säuberung kein Tabu mehr ist, sondern Teil geostrategischer Kalküle.
Betroffen macht uns in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Bundesregierung. Dass sich zum die deutsche Regierung – anders als viele europäische Partner – nicht an den Appellen beteiligt, humanitäre Hilfe zuzulassen und das Völkerrecht zu achten und zum anderen weiter Waffen an eine Regierung liefert, die offenbar mit diesen Waffen Kriegsverbrechen begeht, macht uns sprachlos. Es ist die Passivität eines Staates, der durch seine Geschichte verpflichtet wäre, das Leiden unschuldiger Menschen überall auf der Welt zu lindern – und nicht durch Schweigen und halbherzigen Ansagen zu verlängern.
Doch das, was sich hier im Nahen Osten abspielt, ist nur ein entsetzlicher Teil eines größeren Bildes.
Russland führt einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In Syrien wurde die Zivilbevölkerung viele Jahren zwischen den Fronten zerrieben. Im Sudan, im Jemen, in Myanmar, in der Sahelzone – überall kämpfen Machthaber, Milizen und Militäreliten um Macht, Rohstoffe, Einfluss, Geld – mit Waffen, mit Zwang, mit der Bereitschaft, Millionen Leben zu opfern.
Und überall trifft es zuerst die Schwächsten: die nicht fliehen können, weil sie kein Geld oder keinen Pass haben. Familien, die in Trümmern schlafen. Menschen, die nichts mehr besitzen außer ihrer Angst und Perspektivlosigkeit
Angesichts dieser menschenverachtenden Brutalitäten an so vielen Orten in dieser Welt stellen wir uns die Frage, die vielleicht zu groß ist, um sie wirklich zu beantworten – aber zu wichtig, um sie nicht zu stellen:
Sind wir als Menschheit gescheitert? Lassen wir uns immer wieder von diabolischen Führungseliten in Kriege hineintreiben, die nicht unsere sind und öffnen wir uns als Bürger:innen nicht viel zu schnell den Rechtfertigungsrhetoriken der Kriegstreiber?
Warum lassen wir zu, dass die Führungseliten dieser Welt – ob in Israel, Russland, Iran, den USA, Somalia, Nigeria, Sudan usw., in terroristischen Netzwerken wie der Hamas, dem IS oder den Huthis – das Wohl der Menschen als zweitrangig betrachten, warum lassen wir sie ihre geopolitische Spiele spielen, in denen ganze Länder als Spielfelder und Menschenleben als Bauernfiguren dienen?
Sind wir – bildlich gesprochen – zu Marionetten einer Weltordnung geworden, deren Strippenzieher nicht mit Empathie oder Verantwortung ausgestattet sind, sondern Rache, Machtgier, Rüstung und Kontrolle einverleibt haben?
Müssen wir uns nicht stärker mit den psychosozialen Strukturen von gierigen Machteliten befassen, ihre Neigung zu Selbtsucht und Grausamkeit identifizieren – damit wir die Welt nicht denen überlassen, die den Wert des Lebens mit Füßen treten?
Wir glauben an eine andere Welt. Eine Welt, in der Resilienz nicht bedeutet, immer wieder aufzustehen, obwohl man niedergeschlagen wurde – sondern in der niemand mehr niedergeschlagen wird. Eine Welt, in der Dialog, Mitgefühl und Gerechtigkeit keine Schwächen, sondern das Fundament des Zusammenlebens sind.
Bis dahin bleiben wir traurig, wütend und zutiefst betroffen – aber auch entschlossen, weiter für Menschlichkeit einzutreten.
Euer Team von Regionale Resilienz Aachen