Stellungnahme zum geplanten „Bauturbo“
Als Runder Tisch Klimanotstand Aachen setzen wir uns seit der Gründung im Jahr 2019 zu Themen Klima, Energie, Mobilität, Bauen, Umwelt- und Naturschutz, Resilienz und der übergeordneten Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene ein. Das Planen und Bauen von Gebäuden, der Erhalt von
Grünstrukturen sowie ein zukunftsgerichteter Städtebau sind hierbei fundamentale Hebel. Hierzu haben wir 2019 Forderungen für Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimanotstand auf regionaler Ebene auch zu den Themen Bauen-Wohnen-Stadtgrün verfasst, die weiterhin sehr aktuell sind:
Mit der Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) soll auch der § 246e verabschiedet werden. Dieser widerspricht grundsätzlich den Grundsätzen einer nachhaltigen Stadtentwicklung und greift tief in die kommunale Planungshoheit ein. Ebenso widerspricht er in seinen Auswirkungen den ebenfalls
neuen und begrüßenswerten Regelungen für eine integrierte Stadtentwicklungen in der Novelle des BauGB.
Gemeinsam mit dem Runden Tisch Klimanotstand Aachen und weiteren unterzeichnenden Initiativen aus Aachen schließt die Regionale Resilienz Aachen sich dem „Nein“ der unten aufgeführten Verbände sowie weiteren Einzelstellungnahmen vollumfänglich an und fordert den § 246e in der Novelle des BauGB im Rahmen der parlamentarischen Beratung ersatzlos zu streichen.
Nein zu diesem „Bau-Turbo“ § 246e BauGB –
Ja zu sozialer und nachhaltiger Stadtentwicklung
Die Menschen in diesem Land brauchen bezahlbaren Wohnraum, für die wirtschaftliche Entwicklung
und Stabilität ist eine leistungs- und zukunftsfähige Bauindustrie entscheidend. Die Bewältigung der
Wohnungskrise in Deutschland erfordert effektive und zielgerichtete wirtschaftliche, soziale und
ökologische Reformen. Der geplante „Bau-Turbo“ § 246e, Teil der Novelle des Baugesetzbuchs
(BauGB), leistet hierzu jedoch keinen Beitrag. Im Gegenteil: Er verschärft bestehende Probleme.
Deutschland benötigt eine durchdachte und nachhaltige Wohnungspolitik, die bezahlbaren
Wohnraum schafft, Spekulation eindämmt und ökologische Ziele verfolgt. Eine zukunftsfähige
Stadtentwicklung sollte sich vor allem auf eine sorgfältig geplante Innenentwicklung sowie die
optimale Nutzung und Aufwertung des Bestands konzentrieren, anstatt unversiegelte Flächen neu zu
bebauen.
Als breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure fordern wir im Rahmen des parlamentarischen
Verfahrens die Streichung dieses Paragrafen aus dem Gesetzentwurf aus folgenden Gründen:
1. Kein Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
§ 246e führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Weder sind klare Vorgaben zum Bau von
Mietwohnungen oder zur sozialen Wohnraumförderung enthalten, noch werden
Mietpreisbindungen oder Schutzmechanismen für Mieter:innen gestärkt. Stattdessen wird es
einfacher, bestehende Regelungen für Milieuschutz zum Schutz vor Mietpreissteigerungen zu
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umgehen. Dies begünstigt Verdrängungsprozesse in ohnehin angespannten Wohnungsmärkten und
treibt die Mieten weiter in die Höhe.
2. Türöffner für Bodenspekulation auf Kosten der Allgemeinheit
§ 246e öffnet der Bodenspekulation Tür und Tor. Indem weitgehend von den Vorschriften des BauGB
abgewichen werden kann, wird der Wettbewerb um Baurechte und Bauland verschärft. Dies
begünstigt spekulative Grundeigentümer:innen und Investor:innen und führt zu weiter steigenden
Bodenpreisen. Voraussichtlich werden vor allem der Handel mit Baurechten und Bauland sowie
profitorientierte Bauprojekte gefördert, während die Schaffung bezahlbarer Wohnungen, nicht-
kommerzielle Nutzungen und kleinteiliges Gewerbe auf der Strecke bleiben. Der „Bau-Turbo“ droht
somit die soziale Ungerechtigkeit zu verschärfen und zementiert Fehlentwicklungen in der
Bodenpolitik.
3. Gefahr für Umwelt und nachhaltige Stadtentwicklung
§ 246e schwächt den dringend notwendigen Schutz von wertvollen Grün- und Agrarflächen.
Empfindliche Ökosysteme in städtischen Randgebieten drohen zerstört und die Zersiedelung
vorangetrieben zu werden, ohne dass dies dem bezahlbaren Wohnungsbau zugute kommt. Dies
konterkariert sowohl das nationale Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, als auch die
Verpflichtung aus der EU-Wiederherstellungsverordnung, bis 2030 keinen Verlust städtischer
Grünflächen zu verzeichnen. Weiterhin werden Elemente der Novelle zur Förderung einer
klimafreundlichen und klimaangepassten Stadtentwicklung ausgehebelt.
4. Angriff auf kommunale Selbstverwaltung und demokratische Planungskultur
Die Einführung des § 246e als Abweichungsverfahren ohne Beteiligung greift die demokratische
Planungskultur an und stellt die kommunale Selbstverwaltung grundsätzlich in Frage. Die Aufgabe
der Planungsträger*innen soll vollständig auf die Genehmigungsbehörden verlagert werden. Diese
verfügen weder über die nötigen Instrumente noch Kapazitäten, um komplexe Interessenkonflikte zu
lösen. Das trilaterale und fristengebundene Genehmigungsverfahren zwischen Bauherr*innen,
Genehmigungsbehörde und Kommune ist hierfür nicht geeignet. Das alles steht im Widerspruch zu
den rechtsstaatlichen Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft und den Zielen und Grundsätzen
einer nachhaltigen, geordneten städtebaulichen Entwicklung.
5. Intransparenz erschwert Nachvollziehbarkeit und untergräbt Vertrauen
Das nachträgliche und intransparente Einfügen des § 246e in den Kabinettsbeschluss, ohne dass er
im Referentenentwurf enthalten war und ohne entsprechende Möglichkeit zur Stellungnahme, ist
aus Sicht der zeichnenden Organisationen äußerst bedenklich und erschwert die Nachvollziehbarkeit
dieser Entscheidung. Durch die mangelnde Auseinandersetzung mit der umfangreichen Kritik von
Fachleuten sowie der Zivilgesellschaft trägt die Bundesregierung wesentlich zur Untergrabung des
Vertrauens in den Gesetzgebungsprozess bei.
Stand: Oktober 2024
Kontakt: Deutsche Umwelthilfe e.V. Patrick Biegon, Referent Energie & Klimaschutz Tel.: 030 2400867956, E-Mail: biegon@duhkkk
Weitere Stellungnahmen und Infos unter https://www.runder-tisch-klimanotstand-ac.de/&-246e-baugb-der-bauturbo/