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Offener Brief an die Firma Lindt & Sprüngli und Antwortschreiben

Mit großer Sorge haben wir zur Kenntnis genommen, dass durch Recherchen investigativer Journalist*innen für die Sendung Rundschau weiterhin und in erheblichen Ausmaß Kinderarbeit auf Plantagen in Ghana nachgewiesen wurde, die für Ihre Firma produzieren, manch schuftende Kindern waren erst fünf Jahre alt.
Nach Angaben ghanesischer Experten arbeiten auf mehr als der Hälfte der Plantagen Kinder, oftmals in Schuldknechtschaft. Manche wurden im Alter von 10 Jahren von ihren Eltern verkauft und müssen bis zum Erwachsenenalter ohne Lohn schuften. Ein Schulbesuch ist ihnen unmöglich. Einer Studie, die das Arbeitsministerium der USA finanziert hat, bestätigt, dass es auf der Hälfte der Plantagen in Ghana illegale Kinderarbeit gibt
Das „Lindt & Sprüngli Farming Programm“ stellt sicherlich einen wichtigen und erheblichen Schritt in die richtige Richtung dar. Allerdings konnte dadurch nicht durchgreifend Kinderarbeit für Lindt in der Lieferkette abgeschafft werden, was die aktuellen Untersuchungen belegen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei Zahlung fairer Preise die Produzente*innen selbst in die Lage versetzt würden, Brunnen und Schulen zu bauen sowie Fortbildungen durchzuführen. Bei einem Konzernüberschuß von über 670 Millionen Franken wäre die Zahlung existenzsichernder Löhne sowie die Kontrolle auch einer größeren Zahl von kleinen Zulieferern vermutlich nicht ruinös.
Die freiwillige Selbstkontrolle der Industrie hat in vielen Felder der Transformation keinen Erfolg gebracht. Nach einer Studie von UNICEF erwarten 62 % der Unternehmen, dass Kinderarbeit erst durch politische und gesetzliche Maßnahmen wirksam bekämpft werden kann. Wir fordern Sie auf, Menschen- und Umweltrechte zu achten und auf unabhängig zertifizierten und kontrollierten Kakao zurückzugreifen, z.B. mit dem Fair Trade Siegel.
Immer mehr Menschen wollen sich den Genuss von Schokoladenprodukten nicht von dem bitteren Geschmack der Ausbeutung und Kinderarbeit verderben lassen. Die wenigen Cent, die eine Schokolade mehr kosten würden, wenn die Produzent*innen existenzsichernde Löhne bekämen und Kinderarbeit ausgeschlossen wäre, wären die meisten Verbraucher*innen gerne bereit zu bezahlen. Die Aachener Bevölkerung möchte sich nicht für das schlechte Image eines ihrer größten Arbeitgeber schämen. Die Stadt Aachen ist seit 2011 Fair Trade Town und fördert gezielt nachhaltige Unternehmen Auch die IHK Aachen legt nicht nur bei ihrer eigenen Arbeit Wert auf Nachhaltigkeit, sondern unterstützt auch Unternehmen auf dem Weg dorthin.
Wir laden Sie ein, faire Preise für Produkte ohne Ausbeutung und Kinderarbeit zu zahlen und somit an einer gerechteren und besseren Welt mit zu arbeiten.


Antwortschreiben der Firma Lindt&Sprüngli

“ Sehr geehrter Herr Salzmann,

vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre Entrüstung über den angesprochenen TV-Beitrag können wir nachvollziehen und nehmen gerne wie folgt Stellung dazu:

Wir versichern Ihnen, dass wir alle Formen von Kinderarbeit aufs Schärfste verurteilen und Verdachtsfällen von Kinderarbeit systematisch nachgehen.

Kinderarbeit im Kakaoanbau ist ein systemisches Problem mit verschiedenen Ursachen, einschließlich Armut und politischen, geografischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren. Die Bekämpfung von Kinderarbeit erfordert Bemühungen von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, lokalen Institutionen, Schulen und Bauern.

Mit den ergriffenen Maßnahmen im Rahmen unseres Farming Programs (www.farming-program.com) versuchen wir, das systemische Risiko von Kinderarbeit zu reduzieren. Wir sind bestrebt, gezielt in die Prävention von Kinderarbeit im Rahmen unseres Programms zu investieren und unser Überwachungssystem laufend zu verbessern. Je effizienter und effektiver es ist, desto besser können wir – gemeinsam mit den Lieferanten – dem Problem entgegenwirken.

Unser Ziel ist es, bis 2025 100% des Kakaos aus Ländern, in denen es möglicherweise Kinderarbeit gibt, ausschließlich von Bauern zu beziehen, die von einem System zur Überwachung und Beseitigung von Kinderarbeit (CLMRS: Child Labor Monitoring and Remediation System) abgedeckt werden. 

Weitere Informationen dazu, wie wir Kinderarbeit zu bekämpfen versuchen, finden Sie in unserem Nachhaltigkeitsbericht 2023 Lindt & Sprüngli Sustainability Report 2023 (lindt-spruengli.com)

Wir danken Ihnen nochmals für die Zeit, die Sie sich genommen haben uns zu schreiben und würden uns freuen, Sie auch weiterhin zu unseren treuen Kunden zählen zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen aus Aachen

Melanie Bruemann
Verbraucher-Service“
 
Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli GmbH
Süsterfeldstraße 130
D-52072 Aachen

Tel.  0800 80 88 400 (gebührenfrei)
Fax +49 (0) 241 88 89 313

Firmensitz Aachen, Amtsgericht Aachen HRB 3452
Geschäftsführer: Michal Spiller, Martin Allerchen
Aufsichtsratsvorsitzender: Dr. Adalbert Lechner „

 


 

Stellungnahme des Eine Welt Forum Aachen zur Antwort der Firma Lindt&Sprüngli bezüglich Kinderarbeit und Zwangsarbeit in der Kakaoernte am 15.05.2024

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung bezüglich unserer Anfrage zu den Arbeitsbedingungen in der Kakaoindustrie und Ihrer Positionierung gegen Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Es ist erfreulich zu hören, dass sich Ihr Unternehmen aktiv gegen jegliche Form von ausbeuterischer Arbeit positioniert.

Dennoch möchten wir unsere Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass trotz langjähriger Kritik  von Menschenrechtsorganisationen die Probleme von Kinder- und Zwangsarbeit in der Kakaoproduktion in Westafrika weiterhin bestehen. Das Eine Welt Forum Aachen hat bereits seit 1992 wiederholt Lindt & Sprüngli auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Das Bündnis Fairhandeln in Aachen wirkte bei der Schokokadenkampagne Aachener Kirchen mit. Doch weder das „Farming Program“ noch das Child Labor Monitoring and Remediation System (CLMRS) konnten die Situation signifikant wenden. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation INKOTA erreicht das CLMRS nur etwa 15 % der Bauernfamilien.

Es ist daher unser Anliegen, dass Unternehmen wie Ihres, nicht nur auf Sozial- Überwachungsprogramme setzen, sondern auch auf langfristige Lösungen, die die Lebensbedingungen der Bauernfamilien verbessern und ihnen faire Entlohnung ermöglichen. Hierbei kann das Fair Trade Siegel einen wichtigen Beitrag leisten, indem es unabhängige Überwachung der Produktion, existenzsichernde Löhne und zusätzliche Sozialmaßnahmen garantiert.

Angesichts der anhaltenden Schwierigkeiten und der begrenzten Wirksamkeit von Selbstverpflichtungen der Unternehmen, halten wir es für unumgänglich, dass politische und ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, um Kinderarbeit und Zwangsarbeit in der Kakaoindustrie effektiv zu bekämpfen. Aus diesem Grund beabsichtigen wir an dieser Stelle angesichts der durch das Schweizer Fernsehen dokumentierten Kinderarbeit bei der Kakaoernte für die Firma Lindt&Sprüngli, das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, um eine Überprüfung zu bitten.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und stehen gerne für weitere Gespräche zur Verfügung,

Dr. J. Salzmann (Eine Weltforum Aachen, Bündnis Faur Handeln Aachen und Terre des hommes Aachen)

Dr. R. Kell (Eine Welt Forum Aachen, Regionale Resilienz Aachen)

 

 

Kakao, Kinderarbeit, Lieferkettengesetz, Schockolade