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China und seine grüne Zukunft

China und seine grüne Zukunft

   Im Rahmen der Dienstaggespräche referierte die Chinaexpertin Madeleine Genzsch über Chinas Anstrengungen für eine ökologisch geprägte Zukunft. Eine Bewertung der diesmal wirklich an einem Dienstag stattfindenden Veranstaltung liegt auf einer Skala zwischen brillant und fantastisch. Frau Genzsch fesselte ihr Publikum im C.A.R.L. mit klarer Strukturierung, anschaulichem Bildmaterial und ausgewogener Analyse. Selten waren 70 min Vortrag so kurzweilig, die anschließende  rege Diskussion innerhalb des mitgenommenen Publikums ergab sich somit als logische Konsequenz!

   Frau Genzsch erlebte China während ihrer beruflichenTätigkeit auf mehr als 20 Reisen. Auch privat bereiste sie das faszinierende Land, erlernte die Sprache und beschäftigt sich weiterhin mit China in Vorträgen und Publikationen. Ihren Vortrag teilte sie sinnvoll in drei Teile. Zunächst konfrontierte sie die Zuhörer mit Daten und Fakten über China, die in der konkreten Anschaulichkeit gewiß nicht jedem bewusst gewesen war. So passt die BRD geographisch 27 Mal in China hinein, das Land ist 2,5 Mal so groß wie die EU und beheimatet mit 1,4 Mrd. Menschen 1/5 der Weltbevölkerung. Das ökonomische Wachstum hat sich seit Beginn der Reformen 1978 verfünfzigfacht. Galt früher China als verlängerte Werkbank der Welt, so entwickelt sich das Land heute zu einem High Tec Standort.

   Im zweiten Teil listete die Referentin die mit der Industrialisierung verbundenen Belastungen und Herausforderungen der letzten Jahrzehnte auf :

  1. Luft

Bekannt sind die Bilder versmogter Städte wie Peking. 16 der Top 20 Städte weltweit schlechtester Luftqualität kommen aus China. Die zunehmende Ausbreitung von Wüsten mit Sandstürmen als Folgewirkung bildet ein zusätzliches Gefahrenmoment für die Atemwege der Bevölkerung.

  1. Nahrung

In China lebt zwar 20 % der Weltbevölkerung, doch steht dem Land nur 7%  fruchtbarer Weltfläche zur Verfügung, Tendenz rückgängig infolge sich ausbreitender  Verwüstung.

  1. Wasser

Die ungleiche Verteilung des Wassers führt zu einem sinkenden Grundwasserspiegel. Frau Genzsch zeigte auf einem Bild anschaulich die Ausbreitung von giftigen Algen der durch Chongqing fließenden Gewässer – die sog. Red Tight, was zu Versorgungsengpässen führt.

  1. Müll

56 % aller Plastikabfälle landen weltweit über Schiffe in China. Allein die EU-Mitgliedsstaaten exportieren 87 % aller Plastikabfälle dorthin. Ab 2018 importiert China keinen Plastikmüll mehr. Die momentan aufkeimende Diskussion um Entsorgung von Plastikmüll basiert auf dieser politischen Entscheidung Chinas, denn die Europäer wissen schlechthin nicht mehr, wohin mit ihren Wohlstandsverpackungen.

  1. Soziale Unzufriedenheit

Ca.4000 Menschen sterben täglich an den Folgen von Umweltschäden. Laut Weltbank beträgt der wirtschaftliche Schaden der Umweltbelastungen ca. 10% des BIP’s. Die Akzeptanz der kommunistischen Herrschaft schien gefährdet. Streiks und lokale Unruhen breiteten sich aus. Eine Kursänderung – auch zur systemrelevanten Machterhaltung – schien dringend notwendig.

Die Kursänderung geschah im Jahre 2007 und wurde im nachhaltigen Fünfjahresplan für die Jahre 2016 – 2020 fortgesetzt. Die 2015 im Pariser Klimaabkommen gesetzten Ziele erfüllte China schon Ende 2018. Die mit anschaulichen Bildern garnierte Darstellung von Maßnahmen leitete den dritten Teil ein. Der konkrete Maßnahmenkatalog der chinesischen Regierung erfasst folgende Bereiche und Maßnahmen:

Kohleausstieg

Das ökologische Umbauszenario sieht den Abbau von 50 Mio Kohle und Stahl vor. Die Planung von Kraftwerken mit  altmodischen Technologien wurde gestoppt. Neue Kohlekraftwerke basieren auf effektiven Nutzungsgraden von 80%. Weisweiler mit einem Nutzungsgrad von 40-50% würde in China still gelegt.

Luftfilteranlagen

Insgesamt 100 Meter ragt der weiße Turm in Xi’an in der Provinz Shanxi in die Höhe. Er filtert verschmutzte Luft und trägt zu einem Reinigungsgrad von 15% bei. Weit verbreitet sind auch sogenannte Do-It-Yourself – Luftfilter für den Hausgebrauch.

ETS

An Dezember 2018 führt China den Handel mit CO2 – Zertifikaten ein. Mit über 4 Mrd. Zertifikaten wird im Vergleich zur EU die doppelte Menge an der Börse gehandelt.

Investitionen in erneuerbare Energien

Bis 2020 werden 400 Mrd. € in die Erzeugung erneuerbarer Energie investiert. Solarfelder und Solarparks wurden geschaffen, es gibt eine schwimmende Solaranlage und – zunächst versuchsweise – eine Solarautobahnstrecke von 1 km Länge. Insgesamt wurden im Bereich der Technologie der erneuerbaren Energien 13 Millionen Jobs geschaffen. Jede zweite Solarzelle auf der Welt kommt inzwischen aus China.

Elektromobilität

Es gibt in China 75 Modelle von E-Autos, 1,2 Millionen E-Autos fahren auf Chinas Straßen. Der öffentliche Nahverkehr in Shenzhen bei Hongkong besteht aus 17.000 E-Bussen und 8000 Ladesäulen. High Speed Züge kommen zu 99% pünktlich am Zielbahnhof an ( DB = 72%).

Müll & Recycling

Seit März 2018 darf kein Plastik nach China exportiert werden (s.o.). In China findet ein Erziehungsprozeß für Müllvermeidung und Recycling statt. So erhalten Jugendliche bei Rückgabe von recycelbaren Flaschen U-Bahn-Tickets oder Gutscheine zum Aufladen ihrer Handys.

Eco Cities

Eco Cities und Forest Cities dienen als architektonische Vorbilder. Urban gardening in Shanghai Sun Qiao sowie die Errichtung einer grünen Mauer zeugen von Chinas futuristisch anmutenden Umweltanstrengungen. Seit 1978 wurden 66 Mrd. Bäume gepflanzt, geplant sind 88 Mrd. Bäume bis 2050!

Eco Cities sollen künftig auch in China zum Alltag gehören

Quelle: Arch Daily

Blue Mapp App

Um die Bevölkerung zu sensibilisieren, werden Umweltdaten veröffentlicht und auf einer App einsehbar.

Neue Seidenstrasse

Die neue Seidenstrasse, die in Duisburg enden wird, soll Transporte vom Flugzeug und Schiff auf die Schiene verlagern. Das Schienennetz muss zweimal auf der Strecke gewechselt werden, in Zukunft soll der Transport jedoch auf maximal 8 Tage beschleunigt werden, was ihn ökonomisch konkurrenzfähig und umweltpolitisch wünschenswert macht.

Fazit:

   Beginnt ein neues, ein chinesisches Zeitalter? Atemberaubend sind Tempo und Effektivität bei den aufgezählten  Maßnahmen. Die sich anschließende Diskussion kreiste deshalb auch um die Frage nach dem Demokratieverständnis der chinesischen Gesellschaft, aber auch nach der Effektivität der „Einspruchsdemokratie“ westlicher Prägung. Frau Genzsch erklärte den Wandel von einer konfuzianisch geprägten Gesellschaft zu einer Gesellschaft, deren konfuzianische Wurzeln infolge der Kulturrevolution und der Ein-Kind-Phase zerstört worden waren. – Information und Diskussion werden an anderer Stelle fortgesetzt, Frau Genzsch referiert ab Februar in der Erwachsenenbildungsstätte der ev. Kirchengemeinde Frère-Roger-Strasse an drei Abenden über China. Die Veranstaltungen werden auf unserer website angekündigt, die Teilnahme ist ein absolutes „Muß“ für jeden China-Interessierten!

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